3. Kapitel. Das Zeitalter des Chasdaï Crescas und des Isaak Ben-Scheschet. Fortsetzung. (1380-1400.)

[40] Joseph Pichon und seine Hinrichtung machen böses Blut in Sevilla. Zorn des Königs Don Juan I. gegen die Juden und Rabbinatscollegien. Verlust der peinlichen Gerichtsbarkeit in Castilien. Gehässige Stimmung gegen die castilischen Juden. Verlust mancher Rechte. Die Juden Portugals, ihre Gemeindeeinrichtung, der Großrabbiner und die Provinzialrabbinen. Die jüdischen Staatsmänner Juda und David Negro. Die Besetzung des Oberrabbinats bildet eine Staatsaktion zwischen Spanien und Portugal. Rabbinat und Clerus, Synagoge und Kirche. Die Raubritter und die Juden. Judengemetzel in Prag. Kaiser Wenzel und die Juden. Löschung der Schuldforderungen jüdischer Gläubiger in ganz Deutschland. – Das blutige Gemetzel von Sevilla und die folgenreiche Verfolgung von 1391 in Spanien. Verfolgung in Frankreich. Zweite allgemeine Vertreibung der Juden aus Frankreich. Die französischen Auswanderer. Der Convertit Peßach-Peter und Lipmann von Mühlhausen.


Joseph Pichon aus Sevilla, welcher in großer Gunst beim König, Don Heinrich II. von Castilien, gestanden und sein Obersteuerpächter gewesen war, war von einigen neidischen jüdischen Höflingen des Unterschleifs angeklagt, vom König verhaftet, zu einer Geldstrafe von 40,000 Dublonen verurtheilt und zuletzt auf freien Fuß gesetzt worden. Er behielt aber auch später sein Ansehen und war bei der christlichen Bevölkerung von Sevilla außerordentlich beliebt, bei seinen Glaubensgenossen dagegen höchst unbeliebt. Aus Rachegefühl oder zur eigenen Rechtfertigung hatte Joseph Pichon seine Feinde in eine schwere Anklage verwickelt1. Während dessen starb Don Heinrich, und sein Sohn Don Juan I. wurde in der Hauptstadt von Altcastilien Burgos gekrönt (1379). Während der Festlichkeiten der Krönung hatte ein jüdischer Gerichtshof den in Burgos anwesenden Pichon als Aufhetzer, Angeber und Verräther (Malschin,[40] Malsin2 Moszér) verurtheilt, ohne ihn zum Verhör vernommen zu haben. Einige Juden, welche bei Hofe Zutritt hatten, erbaten sich vom jungen König die Erlaubniß, eine gefährliche Person aus ihrer Mitte ohne einen Namen zu nennen, hinrichten zu dürfen. Vertraute des Königs sollen bestochen worden sein, um den König ohne Untersuchung zur Bewilligung seiner Unterschrift zu bewegen. Mit dem Schreiben des Königs und dem Todesurtheil vom Rabbinats-Collegium versehen, begaben sich Pichon's Gegner zum Polizeihauptmann (Alguacil) Fernan Martin und erbaten sich seinen Beistand zu dessen Hinrichtung, dessen Bedenken infolge der Betheiligung des Großrabbiners schwand. Am frühen Morgen (21. August) traten zwei Juden, Don Zulema (Salomo) und Don Zag, mit dem Hauptmann in Pichon's Wohnung, während er noch der Ruhe pflegte, und weckten ihn unter einem Vorwande auf. Sobald er an der Thüre erschien, wurde er, ohne daß ein Wort mit ihm gewechselt wurde, von den zur Vollstreckung des Urtheils beorderten Juden ergriffen und enthauptet3.

Dieses rasche, rücksichtslose Verfahren gegen einen hochgestellten Mann, von dem man nicht weiß, ob er selbst nach den rabbinischen Gesetzen den Tod verdient hat, und ob er nicht als ein Opfer der Ränke seiner Feinde gefallen ist, erregte den Unwillen von Klein und Groß. Der junge König Don Juan I. war in einem hohen Grade gegen die Juden aufgebracht, daß sie einen Mann, der seinem Vater so wesentliche Dienste geleistet hatte, gerade während der Feierlichkeit seiner Krönung umgebracht und von ihm die Einwilligung dazu erschlichen hatten. Er ließ darauf die jüdischen Vollstrecker des Todesurtheils und auch den Richter-Rabbiner hinrichten. Selbst dem Hauptmann Fernan Martin war wegen des Beistandes, den er dabei geleistet, der Tod zugedacht; auf Verwenden einiger Ritter schenkte ihm der König indeß das Leben, ließ ihm aber eine Hand abhauen4. Dieser Vorfall hatte noch weitere traurige Folgen. Vor allem entzog der König den Rabbinen und jüdischen Gerichtshöfen die bis dahin von ihnen ausgeübte peinliche Gerichtsbarkeit5, weil sie mit dieser Befugniß Mißbrauch getrieben hatten. Auf der ersten Cortesversammlung zu Soria (1380) erhob der König dieses Verbot zu einem dauernden [41] Gesetz: Daß Rabbinen und Gemeindevorsteher fortan weder Todesstrafe, noch Verlust eines körperlichen Gliedes, noch Verbannung über einen ihrer Glaubensgenossen verhängen dürften. Für peinliche Fälle sollten die Juden christliche Richter wählen, denn die Juden sollen nach dem Ausspruch der Propheten nach Jesu Erscheinen aller Macht und Freiheit beraubt sein6. Der noch immer erbitterte König schenkte auch anderen Anklagen gegen die Juden Gehör, namentlich, daß sie die Christen und die Kirche in ihrem Gebete verwünschten und Mohammedaner, Tataren und Personen von anderen Völkerschaften ins Judenthum aufnähmen und beschnitten. Beides wurde unter Androhung schwerer Strafe verboten. – Nicht nur der König und der Hofkreis, sondern auch die castilianische Bevölkerung war wegen des dem Anscheine nach ungerechten Bluturtheils an Joseph Pichon erbittert gegen die Juden geworden, weil nicht einzelne Personen, sondern die Hauptvertreter der Juden, Vorsteher und Rabbinen, daran betheiligt waren. Die Christen von Sevilla, die den Hingerichteten geschätzt und geliebt hatten, wurden dadurch von einem solchen Hasse gegen die Juden entflammt, daß sie nur auf eine Gelegenheit lauerten, um Rache an ihnen zu nehmen7.

Anschuldigungen gegen die Juden und Gesuche, sie zu beschränken, wurden seit der Zeit die Tagesordnung der Cortes-Versammlungen, wie früher unter den westgothischen Königen auf den Concilien. Der gegen sie aufgebrachte Don Juan ging meistens darauf ein, in so weit dadurch den königlichen Finanzen kein Schaden erwuchs. Er genehmigte auf den Cortes von Valladolid (13858) das von der Geistlichkeit angeregte Gesuch, die kanonischen Beschränkungen zu verwirklichen, erließ demgemäß ein Verbot gegen das Zusammenwohnen von Juden und Christen, gegen das Verabreichen von Nahrung an ein jüdisches Kind von Seiten einer christlichen Amme und belegte solche entsetzliche Verbrechen mit öffentlicher Prügelstrafe. Der König erhob auf einen Antrag als Gesetz: Daß kein Jude (und Mohammedaner) künftig als Schatzmeister, sei es beim König, der Königin oder einem Infanten fungiren dürfte. Derjenige Jude (oder Mohammedaner), der ein solches Amt übernähme, sollte sein Vermögen [42] einbüßen und noch dazu körperliche Züchtigung erleiden – ein albernes Gesetz, weil es entweder überflüssig oder unausführbar war. Die Cortes von Valladolid verlangten auch, daß die Schuldforderungen von Seiten der Juden an Christen getilgt, das Privilegium, eigene Executoren zur Einziehung ihrer Schulden und eigene Civilrichter (Alcades) zu haben, ihnen, so wie den Mauren genommen und sie überhaupt in Geldgeschäften beschränkt werden sollten. Darauf ging aber der König Don Juan nicht ein, sondern ließ es bei dem bisherigen, von seinen Vorfahren eingeführten Brauch bewenden, da diese Beschränkung ihm Nachtheil gebracht hätte.

Diesem, man kann nicht gerade sagen judenfeindlichen Könige9 begegnete das Unglaubliche, daß der Streit um das Großrabbinat von Spanien ihm die portugiesische Krone aus den Händen entwand, die er bereits aufs Haupt setzen wollte. Er, oder vielmehr seine zweite Gattin, die portugiesische Infantin Beatriz (Brites) war vom König Fernando durch einen Vertrag beim Mangel männlicher Kinder zur Nachfolge bestimmt. Unter dem König Fernando (1367-1383) hatten die Juden Portugals eine außerordentlich glückliche Stellung erlangt, wie sie denn überhaupt in diesem Lande bis zur Vertreibung keine nachhaltige Verfolgung erduldet haben und immer wohlgelitten waren. Seit dem dreizehnten Jahrhundert (1274) hatte hier das jüdische Gemeinwesen überaus günstige Einrichtungen, wie sie in keinem europäischen Lande in diesem Gefüge vorkamen10, wenn auch manche Institution von alter Zeit her Brauch gewesen sein mag. An der Spitze der [43] portugiesischen Judenheit stand ein Großrabbiner (Ar-Rabbi Mor), der fast fürstliche Befugnisse hatte und wegen seines wichtigen Amtes vom Könige ernannt wurde. Mit dieser hohen Würde pflegte der König geleistete Dienste zu belohnen oder sie auf einen Mann zu übertragen, der in hoher Gunst bei ihm stand. Der Großrabbiner führte ein eigenes Siegel, übte die höhere Rechtspflege und erließ Verordnungen mit seiner Namensunterschrift und dem Zusatze: »Ar-Rabbi Mor durch meinen Herrn, den König, für die Gemeinde von Portugal und Algarve«. Er mußte alljährlich sämmtliche Gemeinden bereisen, ihre Angelegenheiten untersuchen und die Einzelnen auffordern, ihre Beschwerden über Beeinträchtigung, selbst von Seiten der Rabbiner, vorzubringen, und wo er Mißbräuche fand, sie abstellen. Auf seinen Reisen begleiteten den Großrabbinen ein jüdischer Oberrichter (Ouvidor), ein Kanzler (Chanceller) mit seiner Kanzlei, ein Secretär (Escrivão) und ein Executor (Porteiro jurado), um die richterlichen Urtheile zu vollstrecken. Die Großrabbiner waren selten im Besitze der talmudischen Gelehrsamkeit. Unter dem Großrabbinen oder Ar-Rabbi Mor standen Provinzialrabbinen (Ouvidores) in den sieben Provinzen, welche von ihm angestellt wurden. Sie hatten ihren Wohnsitz in den sieben Provinzialhauptgemeinden, in Santarem, Vieu, Cavilhao, Porto, Torre de Montcorvo, Evora und Faro. Sie beaufsichtigten die Provinzialgemeinden und waren die Appellrichter für dieselben. Die Ortsrabbinen wurden zwar von sämmtlichen beitragenden Gemeindemitgliedern gewählt; aber ihre Bestätigung und Bestallung empfingen sie durch den Großrabbinen vermöge einer im Namen des Königs ausgestellten Urkunde. Die Rabbinen hatten nicht blos die bürgerliche sondern auch die peinliche Gerichtsbarkeit und behielten sie viel länger als die spanischen. Oeffentliche Urkunden mußten in der Landessprache ausgestellt werden. Die Eidesformel der Juden, selbst im Prozeß mit Christen, war sehr einfach, lediglich im Beisein des Rabbiners mit der Thora im Arme.

Der König Don Fernando hatte zwei jüdische Günstlinge, welche seine Geldangelegenheiten leiteten: Don Juda, sein Oberschatzmeister (Tesoreiro mor) und Don David Negro, von der angesehensten jüdischen Familie der Iba-Jachia, sein Vertrauter und Rathgeber (Almoxarif). Als dieser leichtsinnige und verschwenderische König gestorben war, und die Königin Leonora – diese wegen ihrer Reize unwiderstehliche, wegen ihrer doppelten Untreue verhaßte und wegen ihrer Rachsucht und Verstellungskunst gefürchtete Frau – die Regentschaft übernahm, traten die Stadtvorsteher von Lissabon vor sie und [44] baten dringend um Abstellung vieler unliebsamen Maßregeln des verstorbenen Königs. Unter Anderem verlangten sie: Juden und Mauren nicht mehr zu Aemtern zuzulassen11. Die schlaue Leonora erwiderte darauf: Sie habe sich schon beim Leben des Königs bemüht, die Juden aus öffentlichen Aemtern zu entfernen, sei aber stets mit ihren Vorstellungen abgewiesen worden. Sogleich nach dem Ableben des Königs habe sie Juda von dem Schatzmeisteramte, David Negro von den Finanzen und sämmtliche jüdische Steuereinnehmer abgesetzt. Nichtsdestoweniger behielt sie Juda in ihrer Umgebung weil er ihr mit seinen Reichthümern und seiner Erfahrung zweckdienlich schien. Indessen wurde der Plan Leonora's, die Regentschaft selbstständig zu führen und die Regierung mit ihrem Buhlen, dem Grafen Andeiro de Ourem, zu theilen, durch den noch schlaueren Bastard-Infanten Don João, Großmeister von Avis, vereitelt. Dieser wußte die Volksgunst zu gewinnen und zu benutzen, und er brachte es dahin, daß die Regentin die Hauptstadt verlassen mußte. Die racheglühende Leonora warf sich ihrem Schwiegersohne, dem Könige Don Juan I. von Castilien, in die Arme und erzeugte dadurch einen blutigen Bürgerkrieg. Es entstand neben der Adelspartei, welche der Regentin und dem Castilianer anhing, eine Volkspartei, welche sich um den zum Vertheidiger der portugiesischen Nationalität erwählten Don João de Avis mit hingebender Liebe schaarte. Leonora mußte immer mehr vor dem Volkshasse weichen. Sie suchte in Santarem Schutz; die beiden jüdischen Großen, Juda und David Negro, welche in Verkleidung Lissabon verlassen hatten, waren in ihrem Gefolge. Hier traf auch der König Juan von Castilien ein, zu dessen Gunsten Leonora, um volle Rache an ihren Feinden nehmen zu können, auf die Regentschaft verzichtete, und dem sie ihre Anhänger, fast den ganzen portugiesischen Adel, sowie viele Festungen des Landes zur Verfügung stellte. Sollte der Plan des Castilianers, Portugal mit Castilien zu vereinigen, gelingen, so konnte es nur durch Einverständniß und festes Zusammenhalten des Schwiegersohnes mit der Schwiegermutter durchgeführt werden. Und diese Eintracht wurde gerade durch die Besetzung des Großrabbinats gestört und verwandelte sich in giftige Feindschaft.

Als nämlich das Rabbinat von Castilien erledigt war (1384), wollte die Königin-Wittwe Leonora diese Würde auf ihren Günstling Juda übertragen wissen und verwendete sich beim König von Castilien für ihn. Dieser aber sagte sie auf Wunsch seiner Gemahlin Beatriz [45] dem David Negro zu. Leonora's Erbitterung wurde dadurch bis zu leidenschaftlichen Ausbrüchen gesteigert. Zu ihrer Umgebung sagte sie: »Wenn der König eine so geringe Sache, die erste, um die ich ihn gebeten, mir versagt, mir, einer Frau, einer Königin, einer Mutter, die für ihn so viel gethan, was habe ich, und was habt ihr weiter von ihm zu erwarten! Wahrlich, mein Feind, der Großmeister de Avis, hätte nicht so gehandelt. Ihr thut besser daran, zu ihm, eurem rechtmäßigen Herrn, überzutreten«12.

Leonora wurde durch die Vereitelung ihres Planes oder ihrer Laune, Juda zum Rabbi Mor zu erheben, ebenso voll Hasses gegen ihren Schwiegersohn, den König Juan, wie früher gegen den Großmeister de Avis. Sie zettelte eine Verschwörung an, um den König von Castilien, der vor Coimbra zu Felde lag, tödten zu lassen, und dadurch wieder ihre Freiheit und Selbstständigkeit zu erlangen. So viel galt aber der ehemalige Schatzmeister Juda bei ihr, daß sie ihn in die Verschwörung einweihte. Aber der ernannte Großrabbiner David Negro vereitelte die Verschwörung und rettete dem König von Castilien das Leben.

Ein Franciscanermönch, welcher für die Verschworenen in der Besatzung von Coimbra und in des Königs Lager als Zwischenträger diente, war mit David Negro so innig befreundet, daß er ihm geheimnißvoll dringend rieth, das Lager des Königs zu verlassen.[46] Dieser freundschaftliche Wunsch machte ihn natürlich stutzig und veranlaßte ihn, mehr von dem befreundeten Mönch zu erfahren. David lockte ihm auch einen Theil des Verschwörungsplanes gegen den castilianischen König aus und hielt es für seine Pflicht, diesem sofort Mittheilung davon zu machen, da es sich um dessen Leben handelte. Der gewarnte König ließ so fort Vorkehrungen treffen, um die Verschwörung zu vereiteln. Er ließ vor Allem die Königin-Wittwe Leonora verhaften, die Urheberin der Verschwörung, die ihm seit jenem Vorfalle verdächtig war, als er ihren Wunsch, ihren Günstling Juda zum Großrabbiner zu ernennen, unerfüllt gelassen hatte. Auch Juda und Leonoren's Kammerfrau wurden verhaftet und mit der Drohung der Folter zum Eingeständniß gebracht. Da ihre Aussagen gegen Leonora zeugten, so verbannte sie Don Juan nach Tordesillas; Juda sollte gar hingerichtet werden, aber sein Nebenbuhler David Negro verwendete sich für ihn so warm beim König von Castilien, daß dieser ihm das Leben schenkte. Durch das Zerwürfniß Don Juan's mit seiner Schwiegermutter und durch deren Gefangennahme verlor jener ihren Anhang in Portugal, stieß daher überall auf Widerstand und mußte zu Gewaltmitteln greifen, um das Land zu unterwerfen. Alle Pläne mißlangen ihm, und er mußte zuletzt darauf verzichten, Portugal seinem Reiche einzuverleiben13.

Wenngleich einige Rabbinen dieser Zeit aus Eitelkeit, Ehrgeiz oder anderen Beweggründen um die Rabbinatswürde mit ihren Collegen in Nebenbuhlerschaft und Feindschaft geriethen, wie David Negro gegen Juda, in Frankreich Jesaia Ben-Abba-Mari gegen Jochanan, auf der Insel Mallorca Salomo Zarfati gegen En-Vidal Ephraim Gerundi und in Valencia14 der aus Tudela ausgewanderte Chasdaï b. Salomo gegen Amram Efrati15, so waren diese Erscheinungen doch nur seltene Ausnahmen. Den meisten Rabbinen war das Rabbinat ein heiliges Priesterthum, dem sie mit fleckenlosen Händen, reinem Herzen und in selbstlosem Streben dienten. Sie leuchteten der Gemeinde voran nicht blos in Gelehrsamkeit und Frömmigkeit, sondern auch in Gesinnungsadel, Gewissenhaftigkeit und Sittenreinheit. Selbst jene ehrgeizigen Rabbinen haben sich nur Stellenjägerei und Unverträglichkeit zu Schulden kommen lassen, und es hieße ihr Andenken beleidigen, wenn man sie mit den Dienern der Kirche auch nur vergleichen wollte. Denn zu keiner Zeit war das Christenthum durch seine Vertreter mehr geschändet, als im vierzehnten und im folgenden Jahrhundert. Seitdem [47] das Papstthum seinen Sitz in Avignon aufgeschlagen hatte, war es ein wahrer Pfuhl von Lasterhaftigkeit und Gemeinheit geworden und steckte damit die Gesammtgeistlichkeit bis zu den niedrigsten Dienern herab an. Und nun trat noch hinzu der leidenschaftliche Streit des einen Papstes gegen den andern, des einen Cardinalcollegiums gegen das andere, der die Christenheit in zwei Lager spaltete, von denen eins gegen das andere mit den tödtlichsten Waffen kämpfte. »Die Wahrheit ist an den päpstlichen Höfen zum Wahnsinn geworden«, so schildert diese Gesunkenheit der Dichter Petrarca, welcher diese Laster mit eigenen Augen sah. »Die Enthaltsamkeit gilt da als Bauernhaftigkeit, die Schamhaftigkeit als Schmach. Je befleckter und verworfener Einer ist, desto berühmter ist er. Ich spreche nicht von Unzucht, Frauenraub, Blutschande, Ehebruch, welche für die Geilheit der Geistlichen nur noch Kleinigkeiten sind16. Ich spreche auch nicht davon, daß die Ehemänner wegen der ihnen entführten Frauen in die Verbannung geschickt werden. Der Schändlichkeiten höchste ist, wenn Ehemänner genothzüchtigter Frauen von den Geistlichen gezwungen werden, sie während der Schwangerschaft ins Haus zu nehmen und nach der Entbindung dem ehebrecherischen Bette wieder zurück zu liefern.« »Das Alles habe ich nicht allein gesehen und erfahren, sondern ist in dem Volke bekannt, obwohl es schweigt, und zwar mehr aus Widerwillen als aus Furcht schweigt«. Ein anderer Zeitgenosse, der französische Theologe Nicolaus von Clemangis17, schilderte »den Verfall der Kirche« jener Zeit in einer wahrhaft grauenerregenden Färbung. »Jedes Vergehen, jeder Irrthum, ja jede Missethat, selbst die allergräßlichste, wird für Geld erlassen, entschuldigt und aufgehoben. Was soll ich viel von den Capiteln und anderen Geistlichen sprechen, da ich es mit einem Worte sagen kann: Gleich den Bischöfen sind auch die Weltgeistlichen unwissend, ämterkäuflich, habgierig, ehrgeizig, neidisch, spürnäsig gegen fremde Angelegenheiten, und dazu gefräßig, wollüstig, geil und leben mit ihren eigenen Bastardtöchtern, wie mit Frauen im Hause«. Die frechen Angriffe der Geistlichen auf die Ehrbarkeit der Frauen und auf die Keuschheit der Jungfrauen ging so weit, daß viele Gemeinden darauf bestanden, nur solche Geistliche zuzulassen, welche eigene Concubinen im Hause hielten. Von den Nonnenklöstern sprach man damals nicht anders, als wie von Schandhäusern. Innerhalb der [48] Klostermauern wurden die allerscheußlichsten Laster mit einer Art Oeffentlichkeit getrieben, nicht blos Unzucht und Blutschande, sondern auch Kindermord. Und diese schandbaren Vertreter der Kirche beanspruchten die höchste Verehrung. Die Gegenpäpste in Rom und Avignon, welche einander der gröbsten Laster mit und ohne Uebertreibung beschuldigten, verlangten nichts desto weniger jeder für sich göttliche Verehrung durch Kniebeugung. Es war natürlich, daß die Geistlichen die Laienwelt mit dem Pesthauch ihrer bodenlosen Unsittlichkeit und Verworfenheit ansteckten und befleckten! Und diese entartete, entmenschte, tiefgesunkene christliche Welt durfte sich herausnehmen, die keusche, sittenreine, gottergebene Synagoge als eine verworfene, gottverfluchte zu behandeln. Rohe Gesellen und Wüstlinge sprachen den Juden, die ihnen in Allem, mit Ausnahme von raubritterlicher Tugend und Lasterhaftigkeit, überlegen waren, jedes Menschenrecht ab. Was Wunder, wenn sie wie Thiere des Feldes gehetzt und erschlagen wurden! In Nördlingen18 wurde damals die ganze Gemeinde mit Weibern und Kindern erschlagen (1384); in ganz Schwaben wurden die Juden gequält und in Augsburg so lange im Kerker gehalten, bis sie 20,000 Gulden gezahlt. Ein charakteristisches Beispiel liefert ein gewiß nicht vereinzelter Vorfall aus jener Zeit. Rabbiner und Gemeindevorsteher von Mitteldeutschland hatten eine Reise angetreten, um in Weißenfels eine Synode zu halten und durch Berathung gemeinnützige oder religiöse Beschlüsse zu fassen (1386). Sie hatten sich mit Geleitsbriefen von den sächsischen Fürsten versehen, weil es ohne solche zu jener Zeit für deutsche Reisende christlichen Glaubens, um wie viel mehr für Juden keine Sicherheit auf der Landstraße gab. Nichts desto weniger lauerten ihnen deutsche Raubritter bei der Rückkehr auf, in der Erwartung, reiche Beute bei ihnen zu finden, plünderten sie aus, mißhandelten sie, nahmen sie gefangen und ließen sie erst um 5000 Groschen Lösegeld in Freiheit. Die gemißhandelten Rabbinen und Vorsteher klagten über den Raubanfall bei den Fürsten, und diese, welche sich in ihrer Ehre verletzt fühlten, daß ihre Namen auf den Geleitsbriefen so wenig geachtet wurden, zogen die ritterlichen Wegelagerer zur Verantwortung. Einer der Angeklagten trat mit der Sprache heraus und rechtfertigte sein und seiner Genossen Verfahren mit der Bemerkung: Daß es ihnen keineswegs eingefallen sei, das Geleitschreiben der Fürsten zu mißachten. [49] Sie wären aber der Meinung, daß die Juden, die Feinde der Kirche, keinen Schutz von der christlichen Obrigkeit verdienten. Er, der Sprecher, werde stets Christi Feinde, wo er sie antreffen werde, verfolgen und mißhandeln19. Eine solche Vertheidigung konnte des Beifalls nicht ermangeln. Sie war den meisten damaligen Christen aus der Seele gesprochen. Die Angeklagten wurden auch von den fürstlichen Richtern freigesprochen und die Juden unter Spott unverrichteter Sache entlassen. »Denn die Antwort entzückte die Fürsten.«

Die sittlich verkommenen unzüchtigen Geistlichen, die in einem Zeitalter öffentlicher Ehrbarkeit dem allgemeinen Abscheu oder dem Zuchthause verfallen wären, sie fühlten sich durch Berührung mit Juden beschimpft und führten neue Gräuelscenen von Judenmetzeleien herbei, unter dem Vorwande, ihr heiliger Stand wäre durch dieselben geschändet worden. In Prag, seit Karl IV. die Kaiser- und Hauptstadt des deutsch-römischen Reichs, wurde eine blutige Judenverfolgung durch einen Geistlichen hervorgerufen. Ein Prager Priester – vielleicht einer von denen, welche der Kaiser Wenzel zusammen mit ihren Beischläferinnen an den Pranger hatte stellen lassen – zog am Ostersonntag (18. April 138920) mit der Monstranz durch die Judengasse, um sich zu einem Sterbenden zu begeben. Jüdische Knaben spielten gerade – es war am letzten Paßa-Festtage – auf der Straße mit Sand, mit dem sie einander bewarfen. Einige Sandkörner trafen des Priesters Kleid; seine Begleitung war darüber so empört, daß sie die jüdischen Kinder arg mißhandelte. Die Eltern liefen auf deren Geschrei herbei, um sie zu befreien. Aber der Priester eilte auf den altstädtischen Markt und rief mit lauter Stimme: Sein heiliges Priesteramt sei durch Juden entweiht worden. Um der Kleinigkeit Wichtigkeit beizulegen, übertrieb er: Die Juden hätten nach ihm so sehr mit Steinen geworfen, daß ihm die Hostie aus der Hand gefallen sei. Daraufhin rotteten sich das niedere Volk und die Bürger von Prag zusammen, überfielen die Häuser der Juden mit Mordwerkzeugen aller Art und stellten, wie oft geschehen, den Bedrohten die Wahl zwischen Tod und Taufe. Sie fanden die Juden wieder standhaft in ihrem Glauben und konnten ihr Mordhandwerk beginnen. Viele Tausende kamen an diesem Tage und in der darauf folgenden Nacht um. Mehrere Juden, darunter auch der greise Rabbiner, entleibten [50] zuerst die Ihrigen und dann sich selbst. Die Synagoge wurde eingeäschert, die heiligen Schriften zerrissen und mit Füßen getreten. Nicht einmal der Friedhof blieb von der Rohheit der christlichen Eiferer verschont. Die Leichname auf den Straßen wurden ihrer Kleider beraubt, nackt gelassen und dann mit Thieräsern zusammen verbrannt.

Auch die Gemeinden in der Nähe der böhmischen Hauptstadt wurden dafür, d.h. für nichts, verantwortlich gemacht, »eingesperrt, gepeinigt, gemißhandelt und gequält«. Der damalige Papst erließ zwar eine Bulle gegen die Grausamkeiten (2. Juli 138921), in welcher er auf die Verordnung des Papstes Clemens IV. hinwies, daß die Juden nicht zur Taufe gezwungen und ihre Festtage nicht gestört werden sollten, aber ohne Gewissensbisse in den Gemüthern der Gläubigen zu erregen. Vergebens wandten sich die Juden an ihren Schutzherrn, den deutschen Kaiser Wenzel, in dessen eigener Hauptstadt solche Gräuel vorgekommen waren. Dieser Fürst, der, wenn er nicht Kaiser gewesen, ein Raubritter geworden wäre, der nur einige Einsicht hatte, wenn er nicht betrunken war – und das kam selten vor – dieser Kaiser gab sein Urtheil über diesen Vorfall dahin ab: Daß die Juden ihr Geschick verdient hätten, weil sie sich am Ostersonntage außer ihren Häusern hatten blicken gelassen. Nur auf ihre Hinterlassenschaft war er bedacht und ließ sie für seine stets leere Schatulle einziehen. Mehrere Jahre vorher hatte er Anstrengungen gemacht, die Schuldforderungen der Juden an sich zu bringen und dazu die Vertreter der schwäbischen Städte in Ulm zusammen kommen lassen (1385)22.

Dann erließ der Kaiser Wenzel eine Verordnung, welche die gefährlichsten Eingriffe in das Eigenthum gestattete und die deutschen Juden arm machte, ohne dem Volke, dessen Wohl dabei zum Vorwande genommen wurde, zu nützen. Die Fürsten und Machthaber Deutschlands wollten nämlich auf eine leichte Weise zu Summen gelangen, um ihre Schwelgereien und Balgereien fortführen zu können, und gebrauchten als Mittel dazu, den Kaiser Wenzel anzugehen, wegen des übermäßigen Wuchers reicher Juden zu erklären: Daß sämmtliche [51] Schuldforderungen der Juden an Christen erlöschen, nicht nur die Zinsen, sondern auch das Kapital, und daß sämmtliche Pfänder ausgeliefert werden sollten. Dem Kaiser war der Vorschlag um so willkommener, als er dadurch Aussicht auf Gewinn erlangte; denn die christlichen Schuldner sollten gehalten sein, ihm fünfzehn auf hundert von den Schuldsummen abzutragen. Die Gemeinden des südwestlichen Deutschlands, besonders Bayerns, wurden daher aufgefordert, Abgeordnete zu diesem Zwecke aus ihrer Mitte nach Prag zum Hofgericht, später zum Reichstag nach Nürnberg zu senden. Die unglücklichen deutschen Juden, welchen dadurch der Verlust nicht nur ihrer Habe, sondern ihrer Lebensbedingungen drohte, bemühten sich, den für sie verderblichen Plan zu vereiteln. Aber es gelang ihnen nicht; denn nicht nur der Kaiser und die Reichsfürsten, sondern auch die Reichsstädte versprachen sich viel Vortheil von der Beraubung der Juden, da die Schuldner gehalten sein sollten, auch ihre nächste Obrigkeit durch Procentsätze zu befriedigen. Von allen Kanzeln der Kirche wurde des Kaisers Erlaß (vom 16. September 1390) wie ein Jubeljahr mit Schuldenerlaß verkündet. Aber nur die Fürsten und die Herren der Reichsstädte hatten Grund zu jubeln. Die Schuldner dagegen wurden noch härter von ihrer Obrigkeit wegen des ihr zufallenden Löwenantheils geplagt, als früher von den jüdischen Gläubigern23. Bei aller Verarmung der deutschen Juden, bei denen Haussuchungen nach etwa zurückbehaltenen Pfändern vorgenommen wurden, verlangte der Kaiser doch von jedem Juden, ja selbst von jedem mannbaren Jüngling oder Mädchen den »güldenen« Opferpfennig, jährlich einen Gulden. Er erklärte geradezu den Besitzstand der Juden als sein Eigenthum und verbot ihnen, ihn zu verschreiben oder zu vergeben24. Und doch war der Kaiser Wenzel noch nicht der Schlimmste für die Juden! Der Rabbiner Abigedor Kara von Prag rühmte sich seiner Freundschaft. Die Juden Deutschlands flüsterten sich einander zu: Der Kaiser gab nicht viel auf die Christuslehre25.

Die Ausplünderung und Verfolgung der deutschen Juden hatten keine weittragenden Folgen; sie konnten dieselben nicht gebeugter und haltloser machen. Sie waren seit lange daran gewöhnt, ihre Wangen den Streichen, ihren Rücken den Schlägen entgegen zu halten. Ganz [52] andere Wirkungen hatte eine gleichzeitige Verfolgung in Spanien; denn sie traf gewissermaßen das Herz des jüdischen Stammes und bildet daher einen trüben Wendepunkt in der allgemeinen jüdischen Geschichte. Die spanischen Juden waren bis dahin mehr verhaßt als verachtet; eine blutige Verfolgung brachte auch sie zur Stufe der Verächtlichkeit herab, schwächte ihren Muth, lähmte ihre Thatkraft und machte ihre Haltung gebrochen. Auch sie ging, wie die von Prag, von einem Priester und von Pöbelhaufen aus, nahm aber die allerweiteste Ausdehnung an und schürzte in vielfacher Verschlingung einen dramatischen Knoten von erschütternder Wirkung. Sie entstand in Sevilla durch einen fanatischen Priester Ferrand Martinez, Erzdekan von Ecija, Vikar des Erzbisthums von Sevilla, der den giftigen Haß gegen Juden als Kern seiner Religion betrachtete. In seinen Predigten nahm er die Aufreizung gegen sie zum Hauptthema und donnerte bald gegen ihren verstockten Unglauben, bald gegen ihren Hochmuth und bald gegen ihre aufgehäuften Reichthümer, ihre Geldgier und ihren Wucher. Er fand in Sevilla eine nur zu geneigte Zuhörerschaft; denn in dieser Stadt waren die Juden nicht blos wegen ihrer so kräftigen Betheiligung an dem Kriege der feindlichen königlichen Brüder Don Pedro und Don Enrique II. besonders verhaßt, sondern auch wegen der unter so auffallenden Umständen erfolgten Hinrichtung des Joseph Pichon26, des bei den Christen so beliebten jüdischen Großen. Diese feindselige Stimmung reizte Martinez bis zur leidenschaftlichen Erregtheit. Er mischte sich unberufen in Streitsachen zwischen Juden und Christen ein, verbot mit Androhung des Kirchenbannes den Verkehr mit dem verfluchten Geschlechte, ließ maurische Sklaven im Besitze von Juden entführen und taufen, forderte die Menge bei einer kirchlichen Procession auf, bei welcher einige Juden sich auf dem Platze gezeigt hatten, sie mit Stöcken und Steinen zu verfolgen und wiederholte öfter, daß die dreiundzwanzig Synagogen in Sevilla zerstört werden müßten. Vergebens hatten ihm die Könige Heinrich II. und sein Sohn Juan I., von den Klagen der jüdischen Hofleute bewegt, das Toben auf der Kanzel und die Gewaltthätigkeit gegen die Juden untersagt. Er kehrte sich nicht daran und fuhr mit seiner Aufreizung fort. Er hatte die Frechheit, öffentlich zu verkünden, daß der König und die Königin eine Freude daran empfinden würden, wenn Juden todtgeschlagen würden, und daß die Thäter dafür Verzeihung erlangen würden. Martinez muß in der That Gesinnungsgenossen bei Hofe gehabt haben, welche ihm Straflosigkeit für seine [53] Widersetzlichkeit gegen die königlichen Befehle zugesichert haben. Denn obwohl der König Juan in einem Schreiben die Drohworte gebraucht hatte, er werde ihn bei fortgesetzter Mißachtung seines Befehles so züchtigen, daß er es bereuen werde (1383), fuhr er nichtsdestoweniger mehrere Jahre fort, gegen die Juden zu wüthen.

Auf den Rath einiger besonnenen und judenfreundlichen Christen trat der Vorsteher der Juden von Sevilla, Don Juda Aben-Abraham, öffentlich als Ankläger gegen ihn vor den Oberrichtern und Schreibern auf dem zum Rechtsprechen errichteten Tribunal auf (Febr. 1388). Der giftige Priester mußte sich zur Rechtfertigung einfinden. Don Juan zählte ihm seine Worte und Thaten zur Gefährdung der jüdischen Glaubensgenossen auf und verlas die Urkunde von den beiden Königen, welche ihm die Wühlerei untersagt hatten. Aber diese feierliche Schaustellung machte nicht den geringsten Eindruck auf den durch Glaubensübereifer gemüthsverhärteten Priester. Anstatt sich zu vertheidigen, ging er zu noch mehr herausforderndem Angriff vor, erklärte, daß er es als Priester für seine Pflicht halte, die Juden zu ächten, da die Evangelien sie wegen ihres Unglaubens zur Verdammniß verurtheilt haben, und wiederholte seinen Herzenswunsch, daß die Teufelssynagogen bis auf den Grund zerstört werden müßten.

Was that der König, dem die Anklage der Juden gegen Martinez und seine Gegenerklärung zur Entscheidung vorgelegt werden mußten, zu dieser Verhöhnung der königlichen Befehle? Don Juan hüllte sich in Schweigen, und der durch die Anklagen noch mehr zur Wuth gereizte Erzdekan erblickte darin eine Ermuthigung zur Verschärfung seiner Feindseligkeit gegen die Juden. Er stachelte in seinen Predigten und auch in außerkirchlichen Reden gegen sie auf, und wenn ihn einige menschlich denkende Priester vom Kapitel zur Rede stellten und ihm die Bullen mehrerer Päpste entgegenhielten, welche die Freiheit der Juden in ihrem religiösen Verhalten und ihren Schutz gegen Gewaltthätigkeit gewahrt wissen wollten, scheute er sich nicht, wie gegen die Juden, so gegen die Autorität des Papstthums Ausfälle zu machen, daß die Päpste nicht unfehlbar seien, und daß sie gegen die Worte des Evangeliums nicht fehlen dürfen. Es war die Zeit des Kirchenstreites von zwei rivalisirenden Päpsten, Urban VI. von Rom und Clemens VII. von Avignon, welche an Schandbarkeit einander nichts nachgaben und gegen einander Bannflüche schleuderten. Sollte Martinez sich durch die Bulle eines Papstes zu Gunsten der Juden in seinem haßerfüllten Beginnen gegen sie abbringen lassen? Dem erzbischöflichen Kapitel von Sevilla war allerdings sein Treiben zu arg, und es schickte zwei Abgeordnete an den König, gegen ihn Klage zu [54] führen (Sommer 1388). Kühl antwortete der König, er werde überlegen was gegen ihn zu thun sei. Denn obwohl sein Eifer gegen die schlechten und verderbten Juden lobenswerth sei, so sei doch zu fürchten, daß seine Predigten und seine Handlungen das Volk gegen sie zu Thätlichkeit aufstacheln würden. Da aber Don Juan es bei der nichtssagenden Antwort bewenden ließ, so lud der Erzbischof von Sevilla, Pedro Gomez Barroso, Martinez zur Rechtfertigung vor eine Versammlung von Geistlichen und Gelehrten ein, und als er trotzdem sich nicht gefügig zeigte, entzog er ihm die Kanzel und bedrohte ihn mit dem Banne als Hartnäckigen, Widerspenstigen und der Ketzerei Verdächtigen27 (August 1389).

Unglücklicher Weise starb der Erzbischof Barroso, der noch im Stande war, dem priesterlichen Wütherich Zügel anzulegen, kaum ein Jahr nach dem Strafverfahren gegen ihn (7. Juli 1390) und drei Monate später auch der König Don Juan (9. October). So wenig dieser die Juden liebte, so hatte er doch gewaltthätige Ausschreitungen gegen sie nicht zugelassen. Sobald Don Juan heimgegangen war und für den elfjährigen Nachfolger Heinrich III. ein Regentschaftsrath eingesetzt wurde, dessen Uneinigkeit einen neuen Bürgerkrieg herauf zu beschwören drohte, glaubte der fanatische Priester das Aeußerste wagen zu dürfen. Er geberdete sich als Vicar des Erzbisthums und sandte, kaum zwei Monate nach des Königs Tod (8. December), an sämmtliche Geistliche des Erzbisthums Sevilla unter Androhung der Excommunikation und selbst Gewaltmittel den Befehl, die Synagogen, in welchen die Feinde Gottes und der Kirche, die sich Juden nennen, ihren Götzendienst treiben, bis auf den Grund zu zerstören und allen Schmuck und Geräthschaften aus denselben ihm zuzusenden28. Es war geradezu eine Aufreizung, gewaltthätig gegen die Juden zu verfahren. Sie hatte eine trübselige Wirkung. Eines Tages (15. März 1391) [55] – ein denkwürdiger Tag nicht blos für die Juden und nicht blos für die Spanier, sondern für die ganze Weltgeschichte, weil dadurch der Keim zur Geburt des Ungeheuers »Inquisition« gelegt wurde – eines Tages predigte Martinez in gewohnter Weise auf einem öffentlichen Platze gegen die Juden und stachelte die Menge geradezu gegen sie auf, in der Erwartung, daß auf diesem Wege viele Judenbekehrungen vorkommen würden. Das Volk ließ sich zu Angriffen auf die Juden entflammen. Indessen schritten die Behörden der Stadt, der Oberpolizeimeister (Alguacil mayor), Don Alvar Perez de Guzman, und zwei Richter zum Schutz der Juden ein und ließen zwei Rädelsführer ergreifen und stäupen. Dieses Verfahren reizte aber das fanatisirte Volk noch mehr. In seiner Wuth tödtete es viele Juden und bedrohte selbst die den Unglücklichen zu Hilfe Eilenden, den Gouverneur Don Juan Alfonso, Grafen von Niebla, und den Oberpolizeimeister mit dem Tode. Einige angesehene Juden von Sevilla, welche einsahen, daß die Behörden zu schwach waren, den Aufstand zu dämpfen, eilten an den Hof des jungen Königs und beschworen den eingesetzten Regentschaftsrath, dem Judengemetzel Einhalt zu thun. Sie fanden auch dazu die beim König versammelten Räthe geneigt. Es wurden sofort Boten nach Sevilla gesandt, die Menge aufzufordern, im Namen des Königs die Juden in Ruhe zu lassen. In Folge dieser königlichen Befehle stellte sich auch der Adel zum Schutze der Juden auf und besiegte die Aufständischen. Und als die christliche Bevölkerung in den Nachbarstädten Miene machte, die Scenen in Sevilla nachzuahmen, sandten die Regentschaftsräthe auch dorthin Boten mit denselben Befehlen29. So wurde für den Augenblick die beabsichtigte Judenhetze hingehalten. Allein sie war dadurch keineswegs unterdrückt, im Gegentheil, sie brach von Neuem mit größerer Heftigkeit und in weiterer Ausdehnung aus. Es mag wohl einigen Mitgliedern des Regentschaftsrathes Ernst gewesen sein, die Schlächtereien der Juden nicht zuzugeben; allein es lag ihnen nicht soviel daran, das rechte Mittel anzuwenden, um sie unmöglich zu machen. Ein solches Mittel wäre gewesen: den Mordprediger Ferrand Martinez unschädlich zu machen, oder wenigstens ihm die aufregenden Reden zu verbieten. Nichts dergleichen that die Regentschaft, sondern ließ ihm volle Freiheit, seine giftige Zunge gegen die Juden zu kehren. Gestützt auf die Uneinigkeit im Regierungskreise, auf die ihm erwiesene Straflosigkeit und auf die Gährung, welche im ganzen Lande deswegen herrschte, hatte Martinez den Muth, die Menge gegen die Juden von Sevilla von Neuem zu [56] hetzen und diesmal mit größerem Erfolge30. Kaum drei Monate nach dem ersten Gemetzel griff sie am frühen Morgen geräuschlos von allen Seiten, wie auf Verabredung, das Judenviertel (Juderia) an (6. Juni 1391), legte Feuer daran und begann ihr frommes Mordhandwerk ohne die geringsten Gewissensbisse. Inmitten der Verwüstung, der Feuersbrunst und der Leichenhaufen stand der Priester, der angebliche Diener der Religion der Liebe, ungerührt von dem Jammergeschrei der Verwundeten und Sterbenden, und ermuthigte die Menge, die Gräuelthaten fortzusetzen, bis sämmtliche Juden vertilgt sein würden. Von der bedeutenden, reichen Sevillaner Gemeinde, welche 6000-7000 Familien, also wohl an 20,000-30,000 Seelen, zählte, blieb nur sehr wenig übrig. 4000 fielen unter den gegen sie geführten Streichen, die Meisten, von Todesfurcht ergriffen, ließen sich taufen. Frauen und Kinder verkauften die bluttriefenden Menschen an Mohammedaner als Sklaven. Von den dreiundzwanzig Synagogen Sevilla's wurden die meisten zerstört oder in Kirchen verwandelt. Zu der großen Menge derer, welche in Sevilla Taufwasser gegen Feuer und Schwert gebrauchten, gehörte jener Samuel Abrabanel, [57] der Ahn der berühmt gewordenen Familie Abrabanel, der unter Don Heinrich II. großen Einfluß hatte und eine Zierde der Gemeinde war; er nahm den christlichen Namen Juan de Sevilla an31.

Von Sevilla aus wälzte sich das Judengemetzel wie ein verheerender Strom zunächst über die naheliegenden Städte, welche zum Erzbisthum Sevilla gehörten, und in welchen Juden wohnten, in Carmona, Ecija und andere, in denen nicht ein einziger Jude zurückgeblieben ist32, und wie auf eine geheime Verschwörung auch über einen großen Theil von Spanien. Die Raubgier hatte mehr Antheil daran, als der fanatische Bekehrungseifer33. Zunächst traf es die Muttergemeinde Spaniens Cordova, von wo aus die Gehobenheit der spanischen Juden ausgegangen war. Auch hier wurden Viele schmählich getödtet und Viele zum Christenthume gezwungen. Die Synagogen wurden dem Erdboden gleich gemacht, darunter auch eine, welche ein Prachtgebäude war und mit einer von den Chalifen erbauten kunstvollen Moschee wetteifern konnte34. Am Fasttage zur Erinnerung an den Fall Jerusalems (17. Tammus = 20. Juni) erhob sich die Bevölkerung von Toledo gegen die größte Gemeinde Spaniens. Das vergossene Blut Derer, welche an der Einheit Gottes festhielten und ihren Glauben nicht wechseln mochten, floß in den Straßen. Unter den vielen Märtyrern in Toledo fielen die Nachkommen des Ascheri, welche mit der Standhaftigkeit der deutschen Juden dem Tode entgegengingen. Jehuda b. Ascher II., ein Urenkel Ascheri's, der in Burgos lebte, aber damals gerade in Toledo anwesend war, entleibte seine Schwiegermutter, seine Frau und dann sich selbst35. Auch in Toledo ging eine große Zahl zum Christenthum über. Ungefähr siebzig Gemeinden wurden von der schrecklichen Verfolgung heimgesucht, darunter die bekannten Ecija, Huete, Logroño,[58] Jaen, Carrion, Ocaūa, Cuenca und Madrid36, das damals zwar eine geringe Bedeutung hatte, aber bereits jüdische Einwohner innerhalb der Stadt und Umgegend zählte. Auch hier wurden Mehrere getödtet und die Uebrigen zur Taufe gezwungen. Dadurch büßte das Kloster der Dominicaner die Einnahme ein, welche ihm von den Juden zugewiesen war; mit dem Untergang der Gemeinde hörte die Judensteuer von selbst auf. Hier, wie in anderen Städten, wurde zwar auf die Urheber und Hauptschuldigen an den Mördereien, Verwüstungen und Räubereien gefahndet, manche auch in Gewahrsam gebracht; aber mit ihrer Bestrafung wurde wenig Ernst gemacht. Manche Mitglieder des Stadtrathes, berufen, Ruhe und Sicherheit zu schützen, hatten aus Raublust oder Judenhaß bei der Vertilgung ihrer jüdischen Mitbewohner die Hand im Spiele37. Auch den Mauren oder Mohammedanern, welche im Königreich Sevilla wohnten, hatten die fanatisirten Christen dasselbe Gemetzel zugedacht. Allein die Besonnenen machten das Volk auf die Gefährlichkeit dieses Schrittes aufmerksam, weil sonst die Christen, welche im mohammedanischen Königreiche Granada wohnten oder jenseits der Meeresenge unter Mauren als Gefangene weilten, als Opfer der Wiedervergeltung fallen würden. Die Maurenschlächterei unterblieb deswegen38. Die Juden allein mußten den bittern Kelch leeren, weil sie schwach waren. Nichts kann eindringlicher als dieser Zug beweisen, wie die Geistlichkeit das Volk zu Menschenschlächtern gemacht hat.

Obwohl Herrscher und Volk von Aragonien und Catalonien sich sonst gewöhnlich gegen Castilien absperrten und für Unrecht hielten, was dort als Recht galt, so war doch für den Judenhaß und die Judenverfolgung keine Grenzmarke zwischen diesen beiden Reichen. Diese Länder waren damals von dem wohlwollenden, aber schwachen König Juan I. sozusagen beherrscht, der wegen seiner Jagd- und Musikliebe seinem durchschnittlich ungebildeten Volke zum Gespötte diente und wenig Macht besaß. Kaum drei Wochen nach den Metzeleien in Toledo stand das Volk in der Provinz Valencia gegen den jüdischen Stamm auf (7. Ab = 9. Juli). In der Hauptstadt Valencia39 wohnten [59] etwa 1000 jüdische Gemeindemitglieder, etwa 5000 Seelen und unter ihnen sehr reiche, welche Schifffahrt und überseeischen Handel trieben. Don Samuel Abravalla hatte der Stadt während der Belagerung durch Don Pedro von Castilien eine bedeutende Anleihe vorgeschossen und sich erboten, während derselben hundert Ritter auf seine Kosten zu erhalten. Don Joseph Abarim hatte ein Vermögen von 20,000 Goldflorinen. Diese Wohlhabenheit lockte das Gesindel und auch gewissenlose Bürger, sich auf eine leichte Weise zu bereichern. Raufbolde, Galeerensträflinge und Abenteurer gab es damals in Menge in dieser Seestadt, durch auswärtige und Bürgerkriege herbeigelockt. Es herrschte in ihr Anarchie, und Menschenleben wurde gering geachtet. Sobald die Nachricht von dem Gemetzel in Sevilla und andern Städten nach Valencia gedrungen war, sammelten sich etwa dreißig oder vierzig Gassenbuben mit einem Banner und einigen Kreuzen, denen sich der Auswurf der Stadt zugesellte, riefen: »Ferran Martinez kommt, um euch zu taufen« und suchten in das Judenviertel einzudringen, das erst kurz vorher mit einer Mauer und Pforten versehen worden war. Beim Eindringen durch die Pforten, welche die Juden eilig verrammelten, wurden einige Buben eingeschlossen; einer derselben erhielt einen Schlag, alle erhoben ein jämmerliches Geschrei, daß die Juden sie todtschlagen wollten. Darauf sammelten sich Ritter und Bürger, Soldaten und Mönche mit Mordwerkzeugen und suchten eine Holzpforte einzuschlagen. Als bei der Vertheidigung derselben ein christlicher Blutgeselle erschlagen wurde, steigerte sich die Mordwuth der Angreifer. Sie drangen in das Judenviertel mit Wuthgebrülle ein, tapfere jüdische Jünglinge und Männer setzten sich zur Wehr, so entstand ein Kampf Mann gegen Mann. Aber die Christen waren ihnen an Zahl überlegen, mordeten, plünderten die Häuser, entehrten Frauen und Jungfrauen. Etwa 250 Juden kamen dabei um's Leben, von Christen fielen im Kampfe etwa zehn bis zwölf. Ferran Martinez konnte mit dem Gemetzel der Juden in Valencia zufrieden sein. Sein Christenthum hatte triumphirt. Nur Wenige entkamen durch die Flucht in's nahe Gebirge, die meisten Juden gingen zum Christentume über, um dem fürchterlichen Tode durch eine Mordbande zu entgehen. Joseph Abarim ließ sich erst taufen, nachdem er verwundet, sein Bruder getödtet, seine Nichte und eine Amme von Martinez' Jüngern geschändet und sein ganzes Vermögen geplündert worden waren. Auch Don Samuel Abravalla, der Wohlthäter der [60] Stadt, mußte sein Leben durch die Taufe retten40. Und nicht nur in der Hauptstadt, sondern im ganzen Königreiche wüthete das Volk so sehr mit Feuer und Schwert gegen die waffenlosen Juden, daß nur die jüdische Gemeinde von Murviedro verschont blieb41.

Die blutige Raserei wälzte sich von da über das Meer nach der Insel Mallorca. In der Hauptstadt Palma zogen wie in Valencia Gassenbuben und Matrosen durch die von Juden bewohnte Montesionstraße, trugen zwei übereinander gebundene Knüttel als Kreuz vor sich her und riefen: »Tod den Juden« (2. August = 1. Ellul). Als ein handfester Jude, der von der wilden Rotte angegriffen, sich zur Wehre gesetzt und einen der Schreier gepackt und erdrückt hatte, kannte die Wuth der Angreifer kein Maaß. Racheschnaubend stürzten sie in die Häuser der Juden und begannen ein schonungsloses Morden. Vergebens eilte der Gouverneur der Insel mit seinen Rittern den Unglücklichen zu Hilfe; sie konnten der Rotte nicht Meister werden, welche einem Fanatiker Nikolas Brou de Palla folgte und ihnen ein förmliches Treffen lieferte. Selbst die Häuser der Christen, welche barmherzig die Unglücklichen bei sich verborgen hielten, wurden überfallen. So fielen 300 Märtyrer, darunter auch der Rabbiner En-Vidal Efraim Gerundi, der mit Salomo Zarfati in Streit gelebt42. Mehrere suchten auch hier ihr Heil in der Annahme der Taufe. Achthundert Personen hatten sich in das Castell gerettet; darauf machten die Wütheriche Anstalten, sie dort zu belagern. Da sich die Belagerten dort nicht lange halten konnten, so entfernten sie sich allmählich mit Erlaubniß des Gouverneurs in dunkler Nacht aus dem Castell und suchten auf Schiffen nach dem Berber-Lande zu entkommen. Der König Don Juan I. (oder vielmehr die Königin Violante) that zwar, als wollte er den gemordeten und geplünderten Juden von Palma Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er legte der Stadt Palma eine schwere Geldstrafe dafür auf, aber gerade so, wie in Valencia, wo trotz des Drängens des Bürgerrathes, die Schuldigen zu bestrafen – etwa hundert derselben waren im Kerker – wurde ein Schleier der Vergessenheit über das grausige Gemetzel gebreitet. Allein, es erwies sich hinterher, daß sie nur die Gelegenheit wahrnahmen, den Schatz zu füllen. Denn auch der Adel und die getauften Juden sollten der Geldstrafe verfallen. Vergebens brachte eine Adelsdeputation Beweise herbei, daß dieser Stand weit entfernt, sich am [61] Gemetzel der Juden betheiligt zu haben, sie vielmehr beschützt hatte. Es blieb dabei, und die Adeligen mußten ebenfalls einen Betrag zu den Bußgeldern liefern, die über 100,000 Florins betrugen43. Am härtesten wurde aber die Insel Mallorca für das Judengemetzel dadurch bestraft, daß die Handelsblüthe, welche einen schönen Anlauf genommen und mit den italienischen Handelsrepubliken hätte rivalisiren können, seit der Zeit geknickt wurde und sich bis auf den heutigen Tag nicht wieder erhob.

Drei Tage nach der Metzelei in Palma begann die Judenschlächterei, wie auf gemeinsame Verabredung, in der catalonischen Hauptstadt Barcelona, dem Sitz so vielen jüdischen Geistes- und Gesinnungsadels. Der große Wohlstand der Juden dieser Stadt, durch überseeische Geschäfte erworben, scheint das christliche Volk zum Auflauf gegen sie gereizt zu haben. An einem Sabbat und am Tage eines Marienfestes (5. August) griffen Rasende die Juden an, als wollten sie ihre Himmelskönigin durch Menschenopfer verehren. Im ersten Anlauf fielen nahe an 250 Seelen. Der größte Theil der Gemeindemitglieder wurde zwar vom Gouverneur bereitwillig in das Castell aufgenommen und sogar verpflegt. Allein auch hier setzte sich der Pöbel gegen den Adel zur Wehr, griff das Castell mit Wurfgeschossen an, unternahm eine förmliche Belagerung und legte endlich Feuer an. Als die eingeschlossenen Juden keine Rettung mehr sahen, entleibten sich viele unter ihnen mit eigener Hand, Andere stürzten sich von der Mauer, noch Andere verließen die Festung, lieferten den Angreifenden einen Kampf und kamen ehrenvoll um44. Unter den Märtyrern befand sich auch der junge, einzige Sohn des edlen Chasdaï Crescas, der seiner Hochzeit mit einer edlen Jungfrau entgegensah. Elf Tausend Juden sollen sich bei dieser Gelegenheit getauft haben. Nur Wenige entkamen, und nicht ein einziger Jude blieb in Barcelona zurück. Dasselbe Schicksal traf auch andere Gemeinden und Städte, in denen ein Theil getödtet wurde, ein anderer sich taufte und der geringste entfloh. Nur in der strengfrommen Gemeinde Gerona, welche fünf Tage später (10. August) angegriffen wurde, gingen nur Wenige zum Christenthume über. Die Rabbiner leuchteten den Laien als Muster der Todesverachtung und der Standhaftigkeit im Glauben voran. Wie in der Provinz Valencia, so blieben im Königreich Catalonien nur wenig Juden verschont; sie entgingen nur dadurch dem [62] Tode, daß sie mehrere Monate in den Burgen der Edelleute – allerdings für hohe Summen – beschützt wurden. In Aragonien selbst fielen weniger Opfer, weil die jüdischen Gemeinden zeitig und vorsichtig alle ihre Schätze dem Hofe für ihren Schutz angeboten hatten45. Ganz zuletzt kamen die Juden der alten und angesehenen zwei Gemeinden Burgos (12. August) und Lerida an die Reihe, wo achtundsiebzig erschlagen und die Leichname, wie Schlachtvieh aufeinander geworfen, auf einem Wagen zum Verscharren geschleppt wurden46.

Ein viertel Jahr hat die Judenschlächterei in vielen Theilen Spaniens gedauert, und später noch waren die Gemüther der Juden so beunruhigt und ängstlich, daß der Rest nicht wagte die Zufluchtsstätten zu verlassen. Mit gebrochenem Herzen und thränendem Auge theilte der edle Chasdaï Crescas, welchen die Blutmenschen um seinen einzigen Sohn und sein Vermögen gebracht hatten, in einem Sendschreiben47 die traurigen Vorfälle der Gemeinde von Avignon mit, die sich in brüderlichem Mitgefühle Kunde darüber erbeten hatte. – So waren denn auch die spanischen Juden demselben herben, thränenreichen Geschicke verfallen, wie die deutschen kaum ein halbes Jahrhundert vorher zur Zeit des schwarzen Todes. Auch sie hatten nun Stoff für bittere Klagelieder über blutige Verfolgungen, die sie in die Gebetordnung einreihten48. Aber für sie waren die Folgen noch entsetzlicher, als die Metzeleien selbst; denn ihr Mannesmuth wurde dadurch vollständig gebrochen, ihr Auge getrübt, ihr Geist verdüstert. Scheu schlichen auch die bis dahin stolzen jüdischen Spanier einher und wichen ängstlich jedem Christen aus, weil sie in ihm einen Mörder oder einen Hetzer zu Mordthaten an Juden argwöhnten. Wenn hundert Juden zusammenstanden, und ein Bube hetzend auf sie los kam, stoben sie wie eine aufgescheuchte Vogelschar auseinander49. Erst seit diesen Metzeleien fühlten auch sie die ganze [63] Bitterkeit des Exils, während sie sich bis dahin trotz mancher Widerwärtigkeiten heimisch und sicher wähnten. Erst seit dieser Zeit ließen auch sie das sonst stolz aufgerichtete Haupt hängen. Es waren nicht mehr dieselben, welche für Don Pedro so muthig die Waffen geführt hatten. Der blutige Fanatismus und die Raublust haben Spanien tiefe Wunden geschlagen, den Wohlstand vernichtet. Die großen Webereien von Sevilla, Toledo, Lerida, Valencia, Teruel und Palma, in welchen die jüdischen Inhaber viele Tausende von christlichen Arbeitern beschäftigt hatten, waren zerstört, die Gerbereien und feineren Lederarbeiten von Cordova vernichtet, die großen Märkte, auf welchen jüdische Kaufleute Prachtgewänder, Geschmeide, Teppiche aus dem Orient, aus Damaskus und Persien ausgestellt hatten, verödet. Spanien wurde dadurch so verarmt, daß die Staatseinkünfte bedeutend veringert waren, und die Kirchen, Altäre, Klöster, denen die Einkünfte von den Steuern der Juden zugewiesen worden waren, den Verlust nicht decken konnten und Bettelbriefe an die Fürsten für ihre Erhaltung richten mußten50.

Was ist dem Ungeheuer Ferrand Martinez geschehen, der so unsägliches Elend über die Juden Spaniens heraufbeschworen und mittelbar auch das Land ruinirt hat? Allerdings ließ ihn König Heinrich, sobald er mündig geworden war und die Regierung übernommen hatte (1395), in Haft nehmen und als Volksaufwiegler bestrafen mit dem Zusatze, daß niemand ihm aus Mitleid beistehen sollte. Aber seine Gesinnungsgenossen sorgten dafür, daß seine Strafe nicht allzu herbe ausgefallen ist. Er wurde in einem Kloster in Gewahrsam gehalten. Einige Jahre später durfte er ein Hospital de Santa Maria gründen und seine Tage ruhig beschließen, und von Vielen wurde er als Muster der Frömmigkeit bewundert51. Die böse Saat, die Martinez ausgestreut hat, konnte fortwuchern. In kaum zwei Jahrzehnten später hatte er einen Nachfolger, der über die spanischen Juden fast noch mehr Unheil gebracht hat.

Nur in Portugal blieben die Juden im Ganzen von der fanatischen Raserei verschont. Denn dort konnte der König Don João I, von der Volksgunst, die ihn emporgehoben, getragen, mit fester Hand Ordnung halten und Ausschreitungen entgegentreten. Von den nach Portugal Geflüchteten wurden die zwangsweise Getauften, welche dort wieder als Juden lebten, als rückfällig angeklagt, und sahen einer schweren Kirchenstrafe entgegen. Der Oberrabbiner Don Mose [64] Navarro, zugleich sein Leibarzt, legte ihm indeß zwei Bullen von den Päpsten Clemens VI. und Bonifacius IX. vor, daß die Juden nicht durch Gewaltmittel zur Taufe gezwungen werden dürften. In Folge dessen erließ der König eine Verfügung (17. Juli 1392), daß sich niemand an den Zwangstäuflingen vergreifen dürfe. Die Bullen wurden in allen Städten Portugals öffentlich bekannt gemacht und auch in die Gesetzsammlung aufgenommen. Portugal wurde dadurch eine Zufluchtsstätte für die Gehetzten aus Spanien52. Indessen, wenn auch Volksaufläufe gegen sie niedergehalten wurden, so war dieser wankelmüthige König keineswegs stets freundlich gegen die Söhne Jacobs. Er erließ öfter drückende Gesetze gegen sie, bald den Zwang, sich zu Zeiten nicht außerhalb ihres Quartiers blicken zu lassen, bald den, demüthigende Abzeichen zu tragen, legte auch den Geschäften in jüdischer Hand hemmende Beschränkungen auf, mußte sie aber aus Rücksicht auf den Staatshaushalt und auf seinen Leibarzt hin und wider mildern. In Navarra dagegen blieben die spärlichen Gemeinden völlig verschont. Es gab da nicht viel zu rauben seit dem blutigen Gemetzel auf Anstiftung des blutdürstigen Priesters Olligoyen (VII S. 312). Die Zahl der Juden hatte sich da vermindert und der Rest war verarmt. Auch hielt der Leibarzt des Königs, Joseph Orabuenn, zugleich Großrabbiner und Pächter der Staatseinkünfte, dem das navarrensische Königshaus viel zu danken hatte, seine schützende Hand über seine ohnehin unglücklichen Glaubensgenossen53.

Aber die südfranzösischen Juden blieben nicht ganz vom Gemetzel verschont. Denn der Sturm der Judenhetze, wie er über's Meer nach der Insel Mallorca flog, setzte auch über die schneeigen Pyrenäen und zog die Juden der Provence in seinen Wirbel. Sobald die Nachricht von den blutigen Angriffen auf die Juden Spaniens nach Südfrankreich gedrungen war, erhob sich auch da die Bevölkerung gegen die Juden in der Provence und fing an sie zu plündern und zu morden. Da das Königthum auch unter dem schwachen Karl VI. bereits erstarkt und die Volkskraft durch die blutige Dämpfung so vieler Aufstände gebrochen war, so gelang es [65] den Behörden, Meister der Zusammenrottung gegen die Juden zu werden. Der König ertheilte nämlich den Juden besondere Schutzbriefe (Sauvegarde) und gebot dadurch dem heranwehenden Sturme Halt54.

Indessen konnten sich die Juden nicht lange mehr in Frankreich halten, trotz der Begünstigung, die ihnen der schwachsinnige und öfter wahnsinnige König und seine Oheime zu Theil werden ließen. Ihre precäre Existenz brachte es mit sich, Gegenstand des allgemeinen Hasses zu werden. Sie waren nur auf eine bestimmte Zeit in Frankreich zugelassen worden, und wenn diese Frist auch öfter verlängert wurde, so mußten sie stets auf eine Ausweisung bedacht sein und so viel Geld erwerben, um in einem anderen Lande ein Unterkommen finden zu können. Wie ihre Vorfahren in Aegypten, so hatten sie in Frankreich stets ihre Lenden gegürtet, ihre Stäbe in der Hand und ihre Bündel geschnürt, die Wanderung anzutreten. Wenn ihnen auch der Erwerb von Grundstücken gestattet war, so mußten sie sich doch größtentheils auf Geldgeschäfte verlegen und den Augenblick ausnutzen. Sie waren Wucherer aus Noth. Manche unter ihnen nahmen einen höheren Zinsfuß als die Privilegien ihnen gestatteten, und von säumigen Zahlern ließen sie sich Zins von Zins geben. Der König zwang sie förmlich dazu, sich auf übertriebene und aufreizende Wuchergeschäfte zu verlegen. Denn er forderte für seine Kriege so außerordentliche Summen von ihnen55, daß sie dieselben nur durch Uebertretung der Gesetze erschwingen konnten. Aber dem Volke machte diese Schinderei die Juden verhaßt. Einige Richter und Prevôts nahmen die jüdischen Wucherer in Strafe und suchten die Juden überhaupt – öfter aus Bosheit – zu schädigen. Der König, in dessen Vortheil die Bereicherung der Juden lag, schritt zwar auf Antrag der jüdischen Vertreter, Isaak, Christofle und Vivant de Montréal, gegen die Behörden ein und verbot [66] ihnen aufs nachdrücklichste die Schädigung der Juden56; aber das verminderte die Gehässigkeit nicht. Ein anderer Umstand trug ebenfalls dazu bei, die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den Juden zu steigern. Um böswillige oder säumige christliche Schuldner zur Zahlung zu zwingen, wendeten die jüdischen Gläubiger die Schuldhaft gegen sie an. Dieses wurde aber in jener Zeit als Macht angesehen, welche »die Söhne des Teufels über die Söhne des Himmels« ausübten. So groß war die Erregtheit der Bevölkerung gegen das Privilegium der Juden, Schuldner verhaften zu dürfen, daß der König Karl VI. es aufheben mußte57. Die Nothwendigkeit, den jüdischen Gläubigern dieses Recht einzuräumen, war aber von der anderen Seite so gebieterisch, weil sie ohne dasselbe um ihre ausstehenden Schulden gekommen wären, daß der König und das Parlament es ihnen einen Monat später in beschränktem Maße wieder zuerkannten: daß sie nämlich befugt sein sollten, solche Schuldner verhaften zu lassen, die sich im Schuldscheine mit ihrem Leibe verpflichten würden58.

Ein geringfügiger Umstand fachte den Zunder des Judenhasses in Frankreich zur hellen Flamme an. Ein reicher Jude Denys Machault aus Villa-Parisis war zum Christenthum übergetreten und dann mit einem Male verschwunden. Darüber entstanden abenteuerliche Gerüchte. Die Einen sagten: die Juden hätten ihn umgebracht, die Andern: sie hätten ihn ins Ausland befördert, um ihm die Mittel zur Rückkehr in den Schoß des Judenthums zu erleichtern. Die Geistlichkeit mischte sich in diese Angelegenheit ein, das Volk wurde fanatisirt, und das Gericht von Paris stellte eine Untersuchung gegen sieben angesehene Juden an59. Eine Commission von Geistlichen und Juristen brachte die Angeschuldigten unter die Folter und erpreßte ihnen das Geständniß: Sie hätten Denys Machault den Rath ertheilt, das Christenthum wieder abzustreifen. Als Beförderer des Abfalls vom christlichen Glauben wurden sie daher von der Commission zum Feuertode verurtheilt. Das Parlament milderte die Strafe zum Scheine: Die Angeschuldigten sollten blos auf drei öffentlichen Plätzen von Paris gestäupt werden, so lange im Kerker bleiben, bis Denys Machault wieder erscheinen würde, und dann mit dem Verluste ihres Vermögens aus Frankreich verbannt werden. Wegen ihrer Oeffentlichkeit machte diese Geschichte ungemeines [67] Aufsehen und entzündete die Gemüther noch mehr gegen die Juden im Allgemeinen.

Der den Juden feindselige Geist kam darauf zum Vorschein durch die Reformatoren, welche Karl eingesetzt und mit ausgedehnten Vollmachten versehen hatte, um Mißbräuche, Beamtenwillkür, Ausschreitungen und Ungerechtigkeit aller Art abzustellen. Diese Reformatoren zogen auch die Juden vor ihr Tribunal, hörten die Klagen und Gerüchte gegen sie über übertriebenen Wucher, Erpressungen, Fälschungen ihrer Privilegien an, brachten die angesehensten Juden in Haft der Conciergerie von Paris, machten ihnen peinliche Processe und trugen auf Confiscation ihres Vermögens an. Es gelang zwar dem Einflusse und dem Gelde der Juden, einen Befehl vom König zu erwirken, vermöge dessen die Anklagen gegen die Juden niedergeschlagen, ihre etwaigen Vergehen verziehen und sie überhaupt der außerordentlichen Gerichtsbarkeit entzogen bleiben sollten (15. Juli 139460). Allein diese Begünstigung war nicht von langer Dauer. Immer mehr wurden der schwachsinnige König und seine Räthe von Geistlichen und Laien bestürmt, die schützende Hand von ihnen abzuziehen und sie aus Frankreich zu verbannen. In einem Vierteljahre hatte sich der Wind bei Hofe gegen sie gedreht. Die Judenfeinde erwirkten endlich vom König die Ordonnanz der Ausweisung61. Vielleicht mit Absicht wurde sie gerade am Versöhnungstag erlassen (17. Sept. 139462), während die Betroffenen den ganzen Tag fastend in den Synagogen zubrachten. Da die verlängerte Frist für den ihnen bewilligten Aufenthalt noch nicht abgelaufen war, so mußte ein Beschönigungsgrund für den Bruch des Vertrages angegeben werden. Der königliche Erlaß konnte aber kein bestimmtes Verbrechen und Vergehen ihnen zur Last legen, und bewegte sich daher in dunkeln Allgemeinheiten: Er hätte von glaubwürdigen Personen und auch von seinen Procuratoren und Beamten vernommen, daß sich Klagen über Vergehen und Ausschreitungen der Juden gegen den heiligen Glauben und gegen den Inhalt der ihnen bewilligten Privilegien erhüben, d.h. sie hätten getaufte Juden zum Rücktritt ermuthigt und übermäßigen Wucher getrieben – das Letztere hatte Karl theils gutgeheißen, theils verziehen – darum befehle er mit einem unwiderruflichen Gesetze: daß keine Juden künftighin in irgend einem Theile Frankreichs, weder in Languedoil, noch in Languedoc (Nord- und Südfrankreich) wohnen und weilen dürfen.

[68] So mußten denn die französischen Juden nach dem zweitmaligen vier und dreißigjährigen Aufenthalte zum Wanderstab greifen, etwa neunzig Jahre nach der ersten Austreibung unter Philipp dem Schönen. Aber Karl verfuhr viel milder gegen sie als sein herzloser Vorfahr. Sie wurden keineswegs, wie damals, aller ihrer Habe beraubt und nackt ausgestoßen. Karl VI. erließ im Gegentheil Befehle an den Prevôt von Paris und an die Gouverneure der Provinzen, daß sie dafür Sorge tragen möchten, daß die Juden weder an Leib noch an Gut geschädigt werden sollten. Es wurde ihnen auch ein Termin bis zum 3. November eingeräumt, ihre Schulden einzuziehen. Die Pfänder, welche bis dahin noch nicht eingelöst sein sollten, hätten die Beamten in Beschlag zu nehmen und die Schuldner aufzufordern, Zahlung zu leisten oder gewärtig zu sein, sie einzubüßen. Die ohne Pfänder ausgeliehenen Schulden sollten die Beamten mit aller Strenge zu Gunsten der Juden eintreiben. Bis zum Ablauf dieser Zeit durften sie noch im Lande bleiben, aber keine Geldgeschäfte machen. Die Beamten wurden auch angewiesen, die Juden sicher und ohne Schädigung über die Grenze zu bringen. Sie verließen aber Frankreich erst gegen das Ende des Jahres 1394 oder im Anfang des folgenden63. Manche Adelige und Städte waren aber mit der Ausweisung der Juden gar nicht zufrieden. So wollte der Graf von Foix die Gemeinde von Pamier durchaus behalten und mußte von den königlichen Beamten zur Ausweisung gezwungen werden. In Toulouse blieben zwölf jüdische Familien und in der Umgegend sieben zurück, die also besondere Begünstigung erhalten haben müssen. Es blieben auch Juden in denjenigen Landestheilen, welche nicht unmittelbar der französischen Krone unterworfen waren, in der Dauphiné, in der Provence im engern Sinne und in Arelat, welche Lehnsländer des deutschen Kaiserthums waren. Die blühende See- und Handelsstadt Marseille hatte noch lange Zeit nachher eine jüdische Gemeinde64. Selbst die Päpste von Avignon duldeten die Juden in ihrem kleinen Kirchenstaate Venaissin, in den zwei größeren Städten Avignon und Carpentras, die sich bis auf die neuere Zeit dort erhielten und einen eigenen Ritus65, verschieden von dem spanischen und französischen, hatten. In dieser Zeit hatte das Papstthum sehr wenig von den bis [69] zur Ohnmacht geschwächten Juden zu fürchten; darum zeigte es sich scheinbar duldsam gegen sie.

Die Verbannten aus Frankreich, welche in duldsamern Landestheilen, im Avignon'schen Kirchenstaat, in der Dauphiné und in der engern Provence kein Asyl finden konnten, wanderten meistens nach Deutschland und Italien aus, die wenigsten nach Spanien, dem sonst gastfreundlichsten Lande für verfolgte Juden. Seit dem Gemetzel von 1391 fing es an für die eingeborenen Juden eine Hölle zu werden, und die fremden mieden es, wenn sie anderweitig ein Unterkommen finden konnten. Ganze französische Gemeinden besetzten sich im Piemontesischen, in den Städten Asti, Fossano und Moncalvo, wo sie ihren alten Synagogen-Ritus unvermischt erhalten konnten.66 Der Rabbiner R. Jochanan von Paris, derselbe, welcher einige Jahre vorher um das Ober-Rabbinat von Frankreich einen Streit mit Jesaia b. Abba-Mari hatte (o. S. 35), ließ sich mit seiner Gemeinde in Norditalien nieder67. – Den meisten aus Frankreich Verbannten erging es, wie in jenem schönen Gleichniß des Propheten Amos: »Es fliehet Jemand vor einem Löwen, und es begegnet ihm ein Bär, er eilt ins Haus, stützt seine Hand an die Wand, und es beißt ihn eine Schlange«. Denn fast überall brachen Verfolgungen über sie herein, öfter von getauften Juden herbeigeführt. In Deutschland trat ein solcher Namens Peßach, der als Christ den Namen Peter angenommen, mit schweren Anschuldigungen gegen seine Stammgenossen auf, um eine neue Verfolgung über ihre Häupter heraufzubeschwören. Zu den alten Anklagen, daß die Juden Jesus den »Gekreuzigten und Gehängten« nannten, und daß sie in einem ihrer Gebete die Geistlichen verwünschten, fügte Peßach-Peter eine [70] neue hinzu: Daß sie in dem erhabenen Schlußgebete von der einstigen Gottesherrschaft auf Erden (Alenu-Gebet) eine schmähende Anspielung auf Jesus machten68, und noch andere lügenhafte und lächerliche Anschuldigungen. In Folge dessen wurden viele Juden in Prag verhaftet (3. August 1399). Unter diesen befand sich auch der erste und vielleicht einzige gebildete deutsche Jude im Mittelalter, Lipmann (Tab-Jomi) aus Mühlhausen69. Er beschäftigte sich nächst dem Talmud auch mit der Bibel, was schon für jene Zeit viel sagen will, und hatte nicht nur karäische Schriften, sondern auch das neue [71] Testament in lateinischer Sprache gelesen. Ein deutscher Rabbiner, der dieses Alles und noch dazu lateinisch, wenn auch dürftig, verstand, war allerdings ein seltener Vogel in jener Zeit. Freilich mußte sich Lipmann Mühlhausen vor der öffentlichen Meinung des jüdischen Kreises entschuldigen70, daß er die gebahnte Straße verlassen und einen Weg eingeschlagen hat, der weit ab vom Talmud lag. Er stellte sich die schwere Aufgabe, das rabbinische Judenthum gegen alle Angriffe von philosophischer, ketzerischer (karäischer) und christlicher Seite zu rechtfertigen, und verfaßte zu diesem Zwecke eine kleine, aber inhaltsreiche Schrift (Nizzachon, Sieg), worin er die vielfachen Einwürfe widerlegte. Allein seine Schultern waren zu schwach, so Schweres zu tragen; er erlag der Last. Das Beste, was er hervorgebracht, sind noch seine Angriffe auf das Christenthum. Gelehrte deutsche Christen, welche mit Erstaunen einen Juden in das neue Testament eingelesen sahen, der noch dazu dessen Schwächen aufzudecken im Stande war, fühlten sich so sehr davon betroffen, daß der Bischof von Brandenburg, Stephan Bodecker, einige Jahrzehnte nach dem Erscheinen der Lipmann'schen Schrift eine Gegenschrift verfaßte.

Lipmann von Mühlhausen, der sich unter den Gefangenen befand, die unter der Anschuldigung des Apostaten Peßach-Peter litten, wurde von der Geistlichkeit aufgefordert, dessen Anklagepunkte zu widerlegen. Seine Widerlegung ist sehr glücklich ausgefallen, scheint aber keine Wirkung hervorgebracht zu haben; denn sieben und siebzig Juden wurden an dem Tage, an welchem der Kaiser Wenzel entthront, und Ruprecht von der Pfalz zum Kaiser erwählt wurde (22. August 1400), hingerichtet, und drei Wochen später wurden noch drei zum Scheiterhaufen geschleppt.71


Fußnoten

1 Keine Quelle erwähnt, wessen seine Gegner ihn angeklagt haben. A. de los Rios (II. 333, Note) vermuthet, daß die Anklage vielleicht mit dem Strafgeld für die toledanische Gemeinde in Zusammenhang gestanden haben mag.


2 Das hebräische Wort ןישלמ »Verleumder« ist auch ins Spanische übergegangen (malsin) und bedeutet in dieser Sprache ebenfalls »Aufhetzer«, »Unruhstifter«, »Zänker« und davon sind die Abstracta malsindad, malsineria und das Verbum malsinar gebildet.


3 Ayala, Cronica II. p. 126 f. Zuñiga, Annales da Sevilla II. p. 211. Diese Namen der zwei Juden kommen in Ayala's Compendium vor, Note a.a.O.


4 Das.


5 Ayala das. p. 127 f.


6 Cortes-Verhandlungen, A. de los Rios das. 336 f. Note.


7 Zuñiga Annales a.a.O ... y por ser este Judio (Juçaf Picho) muy amado del pueblo de Sevilla, comenzó a aborrecer los de su Aljama odio que los años adelante porumpío en terribiles execuciones.

8 Lindo, Auszug aus den Cortesgesetzen p. 166 ff. Nur findet sich dort ein Druckfehler; statt: Cortes met at Saragossa muß es heißen: at Valladolid.


9 Das Summario de los Reyes de España hat einen unglaublichen Bericht: Juan I. habe auf Anrathen Uebelwollender die Juden zur Annahme des Christenthums gezwungen, wodurch Viele getauft, Andere ausgewandert und um Hab und Gut gekommen wären; die Juden hätten in Folge dessen die fürchterlichsten Verwünschungen gegen ihn und sein Haus ausgestoßen, worüber die Königin Leonora sich so verletzt gefühlt habe, daß sie sich geweigert habe, die ihr von Juden angebotenen Geschenke anzunehmen, obwohl ihr Beichtvater ihr dazu gerathen habe; und sie habe sich lieber in ihre Geldverlegenheit gefügt (El despensero mayor, sommario ect. p. 77 Note). Das müßte also vor dem Tode der Königin, vor 1382, geschehen sein. Allein aus der urkundlichen Geschichte ist es bekannt, daß die Judenverfolgung erst 1391 begann und daß diese nicht vom König ausging.


10 Ueber die Gemeinde- und Rabbinatseinrichtung in Portugal ausführlich: Codex Affonsino in der Ordenançao Affonsino und Joaquim José Fereira Gordo, memoria sobre os Judeos en Portugal in den Historia y memoria da Academia Real das sciencias T. VIII. parte 2 (Lissabon 1823) von cap. 4 u. ff. nach dem Codex Affonsino daraus zusammengestellt in Schäfer, Geschichte von Portugal III. S. 17 ff. und bei Andern. Herculano, da Origem da Inquiscão em Portugal I. 85 fg. Kaiserling, Geschichte der Juden in Portugal, S. 8 fg.


11 Fernão Lopes, Chronica del Rei Fernando in der Sammlung Collecão da Academia T. IV. p. 502 ff.


12 Nunes de Lião, Cronice de D. João, Joseph Suares de Sylva c. 19 memoria para a historia de Portugal T. III c. 212. Schäfer a.a.O. II. S. 133-164. David Negro scheint mit David b. Gedalia aus der portugiesischen Familie Ibn-Jachja und Ibn-Jaisch identisch zu sein. Denn auf der Grabschrift desselben heißt es: וענ ויתולגעמ אייליטשק ץראלו ויתולגרמ ויה לאגוטרופ ץראמ (Epitaphien der Toledaner Gemeinde, Abne Sikkaron No. 26 p. 30 ff.). Das Datum seines Todes ist daselbst angegeben: םלוע דוסי קידצו d.h. die Zahl 86 zu 5100 = 5186 = 1426. Es spricht nicht dagegen, daß, wie Carmoly in einem Codex gefunden hat, der Grabhügel dieses David Ibn-Jachja zwischen dem des Ascheri (gestorben 1327) und dem des Menahem b. Zerach (gest. 1386) lag: רבקנה דוד ןוד ורפס לש ברה חרז ןב םחנמ 'רה תבצמ ןיבו ל"ז שארה תבצמ ןיב הלוטילוטב (Carmoly איחי ינבל םימיה ירבד p. 8). Wenn Carmoly daselbst ein anderes Datum (1386) herausbringt, beruhend auf Hervorhebung der Buchstaben םלוע, so ist das lediglich gerathen, da Luzzato angiebt: daß lediglich der Buchstabe י in dem Worte קידצו und das Wort דוסי mit Zahlen bedeutenden Punkten versehen sind. Falsch auch bei Kayserling das. S. 35 Note. – Der Beiname Negro (schwarz) mag dem Umstande angehören, daß die Familie Ibn-Jachja einen Mohrenkopf im Siegel und Wappen führte, wie der Historiker Gedalia aus dieser Familie referirt (Schalschelet p. 29 b): לע םתחפשמ םש וארק (ןושארה איחי ןב לש) וינבש םשכו ישוכה שאר םנגמו םמתוח תינבת וחקלו וירחא וכשמנ ןכ ומש םויה םישוע ונא ןכו הזה. Die Herleitung dieses Zeichens das. scheint aber eine Fabel zu sein.


13 Die genannten Quellen zur Geschichte Portugals.


14 Isaak b. Scheschet Respp. No. 374 ff.


15 Das. No. 445.


16 Petrarca, epistolae sine titulo No. 10. Mitto stupra, raptus, incestus, adulteria, qui jam pontificiali lasciviae ludi sunt.


17 Nicolaus de Clemangis, de ruina ecclesiae in von der Hardt's Concilium Constantinum T. I. c. 29, 20 und an anderen Stellen.


18 Stetten, Geschichte von Augsburg I. S. 127. Es scheint nicht, daß sich der Passus in der Zionide יוה םעז םויב ולכ .. ןגניל(ד)רענו גרופשגיוא ... אליזאב (bei Landshut Amude Aboda II. Beilage p. IV.) auf diese Verfolgung bezieht, wie Zunz, synagogale Poesie S. 44 annimmt.


19 S. Note 5.


20 Hauptquelle für diese Verfolgung ist die Selicha des Abigedor Kara (im böhmischen und polnischen Ritus, Anhang האלתה לכ תא), die kritische Vergleichung mit anderweitigen Quellen in der Zeitung des Judenthums, Jahrgang 1840, S. 725 f.


21 Diese Bulle wird nur in einer portugiesischen Quelle angeführt, in der Ordonnançao Affonsino, woraus Gordo ihren Inhalt mittheilt (in der Quelle o. S. 46 Anmerk.). Auffallend ist es aber, daß diese Bulle (ausgest. 2. Juli 1389) Bonifacius IX. zugeschrieben wird, während dieser sein Pontificat erst 2. November desselben Jahres antrat. Sollte sich die portugiesische Quelle im Datum geirrt haben, oder stammt die Bulle von seinem Vorgänger Urban IV?


22 Vergl. Stobbe, die Juden in Deutschland während des Mittelalters S. 134 fg.


23 Lichtvoll dargestellt ist diese Schuldentilgung bei Stobbe das. S. 136 fg., wo auch die Quellen angegeben sind.


24 Würfel, Nachrichten von der Judengemeinde Nürnberg, S. 7. Gemeiner, Regensburger Chronik II. S. 318.


25 Aus einem Codex mitgetheilt von Luzzato historische Nachrichten in Gabriel Polak, Halichot Kedem p. 79.


26 Vergl. das Citat aus Zuñiga o. S. 42 N.


27 Diese für die Vorgänge in Spanien bezüglich der Juden hochinteressante Urkunde hat Amador de los Rios aus dem Archiv einer Sevillanischen Kirche ausgezogen, a.a.O. II. S. 578 fg. Interessant ist, wie die Geistlichen damals über das Papstthum dachten. Martinez hatte öffentlich gepredigt: que el Papa non puede absolver de los pecados; das hielt ihm der Erzbischof vor und fügte hinzu: é otras cosas que, como quier que para los que lo entienden, podrien aver buen sesso, pero á los simples é aun á los non mui letrados puede traher en grand escándalo, é al Papa en menospreçio (das. p. 593), d.h. so viel als: die Verständigen wissen, was sie von den Päpsten und ihrer Unfehlbarkeit zu halten haben, aber den Simpeln und Halbgebildeten darf man dergleichen nicht offenbaren, denn es würde zur Geringschätzung der Päpste führen.


28 Amador II. 348. Eines seiner drohenden Sendschreiben ist mitgetheilt das. 611 II.

29 Ayala, cronica II. p. 361 f. Zuñiga Annales de Sevilla II. 230 ff. Die jüdischen Quellen sprechen von diesem ersten Aufstande nicht.


30 Hauptquellen für diese und die folgenden Thatsachen sind die bereits angegebenen, der Zeitgenosse Ayala a.a.O. und auch p. 390; Zuñiga a.a.O. und p. 237; Chasdaï Crescas, Sendschreiben an die Gemeinden von Aragonien (wovon später). Ferner Salomo Alami רסימה תרגא p. 23; Schebet Jehuda No. 27, No. 45, 47 und 48, die letztere eine Relation des Zeitgenossen Schem-Tob Ibn-Schem-Tob. In dieser letzten Quellenschrift muß das falsche Datum ן"ק in א"נק emendirt werden 5151 = 1391 und in No. 45 ebenso א"נק statt ג"נק. Zacuto hat nichts Neues darüber, sondern lediglich aus den älteren Quellen geschöpft. In Betreff des Tagesdatums für den Beginn der zweiten Metzelei in Sevilla differirt Chasdaï's Relation von Zuñiga's. Der Letztere ganz bestimmt: Martes 6 de Junio se levantó de nuevo tal mutin de los Christianos contra los Judios (en Sevilla). Der Erstere dagegen: תלהק לע ביואה תיתשק יה ךרד ... א"נק זומת ח"ר םוי האיליבס. Der erste Tammus fiel in jenem Jahre auf den 4. Juni, also eine Differenz von zwei Tagen. Da nun Zuñiga neben dem Monatsdatum auch den Wochentag – Dienstag – fixirt und aus Sevillanischen Quellen geschöpft hat, so hat seine Angabe mehr Gewicht. Das Klagelied über diese Verfolgung aus einem Fir kowitzischen Codex (edirt in Schebet Jehuda ed. Wiener p. 133) hat weder poetischen, noch historischen Werth. Es giebt die Gemetzel nur summarisch in einigen Versen an:


היהנ הבר הללי טופב

היאשב א"נקה תנשב

היליבאיש להק ברחנ יכ

סולדנא לכ תולהקו

ץוחנ ער איצניבורפו

זובל היה אינולטקבו

.זוחא םמע ןוגראו


31 Schem Tob in Schebet Jehuda No. 48; de los Rios p. 360. Ueber die Zahl der Synagogen, welche theils zerstört und theils in Kirchen verwandelt wurden: A. de los Rios a.a.O. II. 359 Note.


32 Zacuto in Jochasin.


33 Ayala a.a.O. p. 390:.. et todo esto fue cobdicia de robar, segund parecia, mas que devocion.


34 de los Rios das.


35 Zacuto in Jochasin ed. Filipowski p. 225: היה זאו ןב הדוהי 'ר דומלתה לכ עדוי ויתובאל המוד לודג םכח שוגרובב תוקח רפ? השעו א"נק אלוטיליטב גרהנו שארה לש ונינ רשא םימשה. Auch das. p. 222 b wird er nicht als Ascheri's Sohn bezeichnet (wie in der Vulgata-Edition); hiermit ist Luzzato's Bemerkung (zu Abne Sikkaron p. 10 Note) bestätigt, die übrigens auch Asulaï gemacht hat. Isaak b. Scheschet correspondirte mit diesem Jehuda Ascheri II. (Respp. No. 340, 273, 285, 291). Aus No. 240 ergiebt sich, daß er sich mit Avicenna's Werken beschäftigt hat und daß Isaak Alchadib sein Jünger war.


36 Ueber die Juden in Madrid vergl. Revue des Etudes Juives XIII. Jahrg. 1886 p. 245 nach den von Fiel Fita mitgetheilten Urkunden in dessen Estudios historicos V. 1886 p. 77 f.


37 Amador d.l.R. a.a.O. p. 362 Note 2.


38 Ayala a.a.O. p. 391.


39 Ueber Valencia als Ergänzung zu Chasdaï's Bericht: Francisco Danvila, el robo dé la Juderia de Valencia en 1391 und Boletín de la real Academia de historia, Jahrg. 1886, T. VIII. p. 358 f., auszüglich in Revue des Etudes XIII. p. 240 f. und bei Amador h. II. Documentos XIV. und XV.


40 Bei Danvila und bei Amador a.a.O.


41 Chasdaï Crescas Sendschreiben.


42 Vergl. über ihn o. S. 50, 2; Simon Duran Respp. II. 256 und öfter bezeichnet ihn als שודק = Märtyrer.


43 Quellenzusammenstellung über die Verfolgung in Palma bei Kayserling, Geschichte der Juden auf Mallorca S. 164 ff. Revue des Etudes IV. p. 38 No. 26-27, 30-36.


44 Lafuente historia general de España VII. p. 413.


45 Chasdaï Crescas Sendschreiben; auch Profiat Duran (Efodi) bemerkt es; vergl. Note 1.


46 Ueber diese Gemeinden Amador historia etc. II. 378, 380 Note.


47 Chasdaï's Sendschreiben ist aus einem Carmoly'schen Codex edirt in Wiener's Edition des Schebet Jehuda p. 128 ff. Es war früher nur unvollständig und mit corrumpirtem Text aus Ibn-Jachja's Schalschelet bekannt.


48 Ein Klagelied aus dieser Zeit ist das o. S. 57 Anmerk. erwähnte. Zwei Bekaschot, das eine von Isaak Tartan und das andere von einem Anonymen (als Anhang zu Profiat Duran's antichristlicher Satyre יהת לא ךיתובאכ) stammen aus dieser Zeit. Das Erstere mit dem Anfang תוחורה יהלא לא ist kunstvoll angelegt und sehr stachlig gegen die christl. Dogmen.


49 Schebet Jehuda No. 7 p. 9: םבבל ךרוממ רמאנ המו םוק רמאיו ירכנ ןטק רענ אביו םידוהי האמ בוחרב ואצמי םאש םלכ וחרבי םידוהיה לע; vergl. auch das. im Anhange p. 117.


50 Vergl. Amador, historia II. 382 f. der Noten.


51 Derselbe p. 388 nach Gil Gonzalez Davila.


52 Codex Affonsino V. II. Titel 94. Schäfer III. S. 16. Kayserling a.a.O. S. 38. Auch Salomo Alami, welcher entweder 1391 oder 1411-12 von Spanien nach Portugal entfloh, berichtet, daß die Juden Portugals während der spanischen Verfolgungen unangefochten blieben (רסומה תרגא p. 72). תובשחמ 'ה בשח תאז םג ףאו ונילע ורזגיש תורודה דחאב ונאצמ אל יכ חדנ ונממ חדי יתלבל ותלמחב םמע םיררוגתמ ונחנא רשא תויכלמה הלא ןמזב תורזג ברח ינפמ בגשהל םוקמ ונל ןתנ (לאגוטדופ) תוכלמה םגו .... .הטורמ


53 Vergl. darüber ausführlich Amádor II. p. 449 fg.


54 Vaisette berichtet darüber (histoire générale de Languedoe IV. p. 405): Les conseillers du roi de France accordèrent 22 Juli 1391 des lettres de sauvegarde aux Juifs de Languedoc, que les peuples du pays menaçaient de tuer et de piller comme en Espagne. Daß die Drohung zum Theil zur Thätlichkeit übergegangen war, folgt aus dem Verse des Klageliedes o. S. 57 Anmerk.


55 In einer Ordonnance gestand es der König selbst zu:.. pour les grans sommes de Deniers que Nous avons fait lever et faisons chacun jour sur eulz (eux, les Juifs), pour aidier (aider) et supporter les fraiz, missions et despens que soustenier Nous convient pour le fait de nos guerres, Ordonnance vom Juli 1387 und Februar 1388 in Ordonnance des rois de France T. VI. p. 171, auch die Ordonnance das. p. 225.


56 Ordonnances a.a.O. und das. p. 232 f.


57 Das. p. 589, vom Juli 1389.


58 Das.


59 Quelle Jean Gallus bei Depping, histoire des Juifs en moyen-age p. 192 f.


60 Ordonnances p. 643 f.


61 Das. p. 675 und Vaisette histoire générale de Languedoc IV. ad. an. 1394.


62 Ordonnances a.a.B. p. 676 f. und Vaisette a.a.O. Vergl. Note 1.


63 In den Senechallaten von Toulouse, Carcasonne und Beaucaire waren sie noch am 15. Januar 1395, Ordonnances T. VII. p. 32.


64 Vergl. Carmoly, Revue orientale, Jahrg. 1842 p. 217 ff. Depping a.a.O. p. 196 ff.


65 שרטנפרקו ןויניוא להק גהנמ.


66 םפא ןהנמ d.h. וולקנומ ונאסופ יטסא; vergl. Luzzato, Einleitung zum römischen Festritus p. 7.


67 Mose da Rieti in seinem טעמ שדקמ p. 104:

תרזגמ לודגה םאז בא םש ,ימע ינמוא (תפרצב) םש .הריפס

.םאיבי אוה ןנחוי ומש הזו

In der Anmerkung referirt der Dichter: ומש יתפ ר צ םכח תפרצ שוריג רחא המ םינש האילטיאב בשי ונימיבו .... ןנחוי 'ר היהו ה"וק תנש ל"ר יששה ףלאל האמ רחא ה"לכ תנש היהש 'ר) רטפנו ... וירחא ךמסנ ףסוי 'ר ברה ונבו ותנקזב דיחי םכח ןכ םג בר היהש ויחא ףסוי 'רו ט"פק תנש לש באב 'ט םוי (ןנחוי האיצנטשוקב רטפנ ןנחוי 'ר לש ונב ףסוי 'רו וינפל םימי 'ג רטפנ המ םינש תאז ירחא .... Die Identität des aus Frankreich eingewanderten R'Jochanan und des Jochanan b. Matthatia aus Paris ist unzweifelhaft. Aus dieser Familie stammt wohl der Rabbiner Benjamin von Arta und Venedig (Verf. der Respp. באז ןימינב vollendet 1534), der so viel Mißhelligkeit mit David Corfu hatte (Note 7). Er nennt seine Vorfahren im Einleitungsgedicht: Matthatia seinen Vater, Jochanan seinen Großvater. Der Letztere mag ein Sohn des Joseph b. Jochanan gewesen sein.


68 In Lipmann's Nizzachon gegen Ende. Den Beweis für die Blasphemie gegen Jesus führte er von dem Worte קירו in dem Passus קירו לבהל םיוחתשמ םהו, dessen Zahlenwerth 316 gleich sei dem Werthe des Wortes ושי.


69 Vergl. über ihn Wolf I. p. 347 ff., wo das Datum in dessen ןוחצנ (verfaßt 1410, zuerst corrumpirt edirt von Hackspan, Altdorf 1644), wo 1459 in 1399 zu verwandeln ist. Beachtenswerth ist der bei Wolf citirte Passus aus einer Widerlegungsschrift von dem Bischof Stephan Bodeker von Brandenburg: Surrexit etiam novissime quidam Judaeus circa annos 1420 in regno Poloniae, in civitate Cracovia, qui se nominat Rabí Libman qui ... novas blasphemias veteribus adjunxit. In latina namque lingua utique parumper eruditus. Lipmann lebte aber nicht in Krakau, sondern in Prag, wie der kaum ein Jahrhundert später lebende Naphtali Treves in der Einleitung zu seinem kabbalistischen Gebetbuche bezeugt: 'רהמ שודק ורמא דחכא אלו גארפ ק"קמ ןאמפיל. Dann wird ein langer Passus von Lipmann citirt, worin der Verfasser sein Nizzachon und sein Buch Eschkol erwähnt, und zum Schlusse heißt es: ןנושלב תארקנה גארפמ ןאמפיל 'רהמ ןושל ןאכ דע ידרגיזמ (soll heißen: ידרגיזיו, d.h. Wyschigrod, ein Theil von Prag). Die Erwähnung des Buches Eschkol von Lipmann führt darauf, daß die lange Abhandlung im Buche רמאש ??רב von Simson b. Elieser über die graphische Darstellung der hebr. Buchstaben und ihre mystische Bedeutung von p. 17 a mit dem Anfang אה ב"א ךל zunächst bis zum Schlusse p. 24 a: תלפת הכ ימוי בט םתוחה, demselben Lipmann von Mühlhausen angehört. Denn er beruft sich öfter auf sein Buch Eschkol: לוכשאה רפסב יתשריפ רשאכ, p. 21 a, c; p. 22 b (mehreremal); p. 23a, b. ימויבט ist der chaldäisirte Name für בוט םוי = Lipmann. Auch das Weitere im Buche רמאש ךורב stammt von demselben; denn ganz zu Ende heißt es: רפס רבחמה לעבמ אתיב אפלאה קיל? לוכשאה. – Aus dieser Abhandlung über das hebräische Alphabet und aus dem langen Auszug bei Naphtali Herz Treves folgt, daß Lipmann von Mühlhausen ein entschiedener Anhänger der Kabbala war. In der erstgenannten Schrift combinirt er durch einen kabbalistischen Calcül, daß der Messias ץ"ק ירשת d.h. Sept. 1429 eintreffen werde (29 c; 30 c. d). Daß Lipmann zu seiner Zeit auch als rabbinische Autorität galt, folgt aus seinem Sendschreiben an deutsche Gemeinden in Betreff des Schofar; vergl. Kerem Chemed VII. p. 56, VIII. p. 207. Herr Halberstamm theilte mir mit, daß in seiner Handschrift (No. 223, Bl. 71) ein Dokument vom Jahre 1413 aus Prag vorkommt, in welchem Lipmann-Mühlhausen als Rabbinatsbeisitzer unterschrieben ist: הגארפב ... ג"עק תנש ..... האשרה חסונ ןייר ןזוהלימ ןמביל ארקנה המלש 'רב בוט םוי ..... אתמ. Unterzeichnet ist noch: .ןייד ארק קחצי 'ר שודקה ןב רודגיבא


70 Nizzachon No. 3.


71 Nizzachon gegen Ende.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1890], Band 8, S. 73.
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Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

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