13. Kapitel. Ansiedelung der Juden in Holland. Erste schwache Anfänge zu ihrer Gleichstellung.

[439] Rückgang der Bildung. Verfolgungen in protestantischen und katholischen Ländern. Kaiser Rudolph II. und der hohe Reb Leb. Mardochaï Meisel und seine erstaunliche Wohltätigkeit. Die Juden Italiens und Papst Gregor XIII. Bulle gegen jüdische Ärzte, jüdische Gönner der Marranen und den Talmud. Bekehrungseifer. Papst Sixtus V. David de Pomis. Unterhandlung mit dem Papste wegen Abdruck des Talmud. Clemens VIII. Die Zensurplackereien. Ausweisung aus Mantua und Ferrara. Die Niederlande und die Marranen. Samuel Palache. Die schöne Maria Nuñes und die Auswanderer nach Holland. Jakob Tirado und sein Zusammentreffen mit Mose Uri Halevi in Emden. Erste heimliche Synagoge in Amsterdam. Neue Ankömmlinge; Alonso-Abraham de Herrera. Überraschung der ersten Gemeinde in Amsterdam am Versöhnungstage. Der erste Tempel Jakob Tirados. Beteiligung der portugiesischen Juden an der indischen Handelskompagnie. Märtyrertod des Proselyten Diego de la Ascension. David Jesurun, Paul de Pina-Rëul Jesurun, Elia Montalto. Zuwachs der Amsterdamer Gemeinde, ihr Tempel, Rabbinen und Begräbnisplatz. Joseph Pardo, Juda Vega und Jakob Usiel. Beschränkte Duldung in Holland.


(1593-1618.)


Der freie Geist der europäischen Völker, welcher zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts einen so kühnen Hochflug genommen, die alten Fesseln, womit die Kirche die Gemüter so lange geknechtet, gebrochen und den Mehltau des Zweifels an der bis dahin heilig gehaltenen Autorität bis in das Gehirn der Träger der römischen Kurie geworfen hatte, dieser Geist, welcher eine Wiedergeburt der zivilisierten Menschheit und auch politische Befreiung zu bringen versprach, schien in der zweiten Hälfte desselben Jahrhunderts vollständig niedergebeugt zu sein. Das Papsttum oder der Katholizismus hatte sich von seinem ersten Schrecken erholt und sich zusammengerafft. Durch das Konzil von Trient außerordentlich gehoben, schmiedete es neue Fesseln, in welche sich die treugebliebenen Völker gern fügten. Der Orden der Jesuiten, dieser rührige und unermüdliche [439] Vorkämpfer, der den Gegner nicht bloß entwaffnete, sondern ihn auch in seine Reihen herüberzog, hatte mit seinen großartigen Zielen und weiten Plänen bereits viel verlorenen Boden zurückerobert und neue Lagen geschaffen, das Eingebüßte mit doppeltem Zins zurückzugewinnen. Italien, ein großer Teil Süddeutschlands und der österreichischen Länder, Frankreich nach langen Zuckungen und Bürgerkriegen nach der blutigen Bartholomäusnacht und dem Morde zweier Könige und größtenteils auch Polen und Litauen waren wieder katholisch geworden und zwar fanatisch katholisch wie Spanien und Portugal, die lodernden Höllen der Inquisition. In dem lutherischen und reformierten Deutschland, England und Skandinavien war ein anderes Papsttum zur Herrschaft gelangt, das Papsttum der trockenen Glaubensformel, die Knechtschaft des Buchstabens. Das byzantinische Gezänk um schattenhafte Dogmen und begriffsleere Wörter spaltete die evangelischen Gemeinden in ebenso viele Sekten und Untersekten, als es Mittelpunkte gab, und wirkte lähmend auf die politische Neugestaltung. Der Eifer der deutschen Fürsten für die Reformation war, nachdem sie die geistlichen Güter an sich gerissen hatten, bedeutend erkaltet, und sie traten teilweise zum Katholizismus über oder ließen ihre Söhne in ihm erziehen. Die klassische Philologie, welche so befreiend und befruchtend im Anfange gewirkt hatte, war durch die strenge Bibelgläubigkeit von der einen und die Autoritätgläubigkeit von der andern Seite vernachlässigt und zur spielenden Schönschreiberei oder zu gelehrtem Kram herabgesunken. Das Studium der hebräischen Sprache, welches zuerst zündend gewirkt hatte, lag ebenfalls darnieder oder wurde nur oberflächlich für kirchliches Gezänk getrieben. Die Kenntnis der hebräischen Sprache galt in stockkatholischen Kreisen noch immer oder damals erst recht als Ketzerei. Und nun gar erst die rabbinische Literatur! Als der gelehrte spanische Theologe Arias Montano die erste vollständige Polyglottenbibel auf Kosten Philipps II. in Antwerpen herausgegeben, zugleich eine hebräische und verwandtsprachliche Grammatik nebst Wörterbüchern dazu ausgearbeitet und auch auf ältere jüdische Schriftausleger Rücksicht genommen hatte, wurde er, der Liebling des Königs Philipp, er, der selbst einen Index ketzerischer Bücher angelegt hatte, von den Jesuiten und der Inquisition der Hinneigung zur Ketzerei und des heimlichen Judaisierens angeklagt und als Rabbiner verlästert. Wenn sich nicht der König und der Papst seiner kräftig angenommen hätten, wäre er der Inquisition verfallen. Allerdings haben dabei persönliche Gehässigkeit und Neid seiner Gegner eine Rolle gespielt. Aber einen großen Anteil an Montanos Verfolgung hatte das dunkle Gefühl, daß die Verallgemeinerung der hebräischen [440] Sprache und der Bibelkenntnis die katholische Kirche untergrabe.1 Die Naturwissenschaften waren auf katholischer wie protestantischer Seite geächtet oder zur demütigen Stellung gegenüber der finstern Theologie mit der Zuchtrute verdammt. Das philosophische Denken mußte sich verkriechen; freie Denker wurden verfolgt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt, wie Giordano Bruno, oder mußten heucheln, wie Baco von Verulam. So schien die menschliche Gesellschaft einen Rückgang anzutreten, nur mit dem Unterschiede, daß das, was früher heitere, naive Gläubigkeit war, seitdem finsterer, verbissener Glaubenstrotz geworden war.

Die übereifrige Kirchlichkeit, welche jene Spannung erzeugte, die sich später in der gegenseitigen Vernichtung des dreißigjährigen Krieges entlud, machte den Aufenthalt der Juden in katholischen wie in protestantischen Ländern zu einer immerwährenden Qual. Luthers Anhänger in Deutschland vergaßen, was Luther im Anfang zu deren Gunsten so eindringlich geäußert hatte, um sich nur dessen zu erinnern, was er in seiner Verbitterung im Alter Gehässiges gegen sie vorgebracht hatte (o. S. 297 f.). So wurde den Juden Berlins und des Brandenburgischen Gebietes die traurige Wahl gestellt, sich taufen zu lassen oder auszuwandern, weil der jüdische Finanzminister, der mächtige Günstling des Kurfürsten Joachim II. und seine rechte Hand in finanziellen Schwindeleien, der Arzt Lippold, von seinem Nachfolger Johann Georg in Untersuchung gezogen, unter der Folter ausgesagt hatte, seinen Gönner vergiftet zu haben, obwohl er es später widerrufen hatte.2 Die katholischen Völker und Fürsten brauchten ihren protestantischen Gegnern nicht an Duldsamkeit und Menschlichkeit voranzugehen, und so wurden denn auch um dieselbe Zeit in einigen mährischen Städten die Juden von der Bevölkerung totgeschlagen3 und im Mainzischen von dem Erzbischof Daniel gequält, geschunden und dann ausgewiesen.4

Es war ein halbglücklicher Zufall für die Juden Deutschlands und der österreichischen Erbländer, daß der damalige Kaiser Rudolph II., obwohl ein Jesuitenzögling, in dem Lande der [441] stets rauchenden Scheiterhaufen erzogen und ein Todfeind der Protestanten, gegen die Juden nicht allzu vorurteilsvoll war. Wenn er auch vermöge seiner Schwäche und Haltlosigkeit nicht imstande war, Verfolgungen gegen sie Einhalt zu tun, so beförderte er sie doch wenigstens nicht. Rudolph richtete doch wenigstens einen Erlaß an einen Bischof (von Würzburg), die Juden in ihren Privilegien nicht zu kränken, und an einen andern (von Passau), sie nicht vermittelst der Folter zu peinigen.5 Damit er aber ja nicht von seinen Zeitgenossen oder der Nachwelt als Judengönner verschrieen werde, erließ er zur Abwechslung einen Befehl, die Juden innerhalb eines halben Jahres aus dem Erzherzogtum Österreich auszuweisen.6

Die Zeitgenossen machten damals viel Wesens von einer Unterredung, welche der Kaiser mit dem damaligen Rabbiner oder vielmehr Lehrhausleiter Liwa (Juda) ben Bezalel (geb. um 1525, starb 1609)7 geführt, ja ihn eigens dazu berufen hat. Dieser Mann ist unter dem Namen »der hohe Rabbi Leb« mehr durch die Sage als durch seine Leistungen bekannt geworden. Seine talmudischen und rabbinischen Kenntnisse waren nicht so bedeutend, daß er den zeitgenössischen Großen der polnischen Schule an die Seite zu stellen wäre. Er beschäftigte sich auch mehr mit agadischer als mit halachischer Auslegung und schriftstellerte meistens auf jenem Gebiete. Liwa ben Bezalel hatte sich zwar einige mathematische und oberflächliche philosophische Kenntnisse angeeignet, die er aber zur leidenschaftlichen Bekämpfung der freien Forschung und zur Verketzerung der Denker, namentlich des Asarja deï Rossi (o. S. 386) benutzte.8 Das Volk glaubte von ihm, er habe aus Ton einen Menschen (Golem) gebildet, ihm durch einen Zettel, mit Gottesnamen beschrieben, Leben eingehaucht und ihn zu seinem Dienste verwendet. So oft er ihm den kabbalistischen Zettel entzogen, sei der Golem wieder in einen Tonkoloß zurückgesunken. Über die wesenhaften Geister in den Seelen und Gemütern der Menschen hatte Liwa keine Macht. Hatte Kaiser Rudolph, der sich selbst auf Erforschung der Naturgeheimnisse in müßiger Spielerei verlegt hatte, Liwa ben Bezalel zur Audienz eingeladen, um von ihm Wundertaten[442] solcher Menschennachbildung zu lernen oder sonst kabbalistische Geheimnisse von ihm zu erfahren? Der Rabbiner verschwieg hartnäckig den Gegenstand der Unterredung mit dem Kaiser. Aber erfreulicher Art war sie wohl nicht. Denn Liwa verließ mehrere Monate darauf Prag, um das Rabbinat in Posen anzunehmen, das gerade auch nicht glänzend gewesen sein kann, da die Gemeinde kurz vorher durch einen großen Brand in äußerste Not geraten war.9

Der kleinliche, habgierige Charakter des Kaisers, der sich mit den Sternen und mit Goldmacherkunst beschäftigte und für seinen Schmelztiegel edles Metall gebrauchte, zeigte sich in seinem Verfahren gegen einen edlen Prager Juden, den die Zeitgenossen nicht genug verherrlichen konnten, und dessen Andenken bis auf den heutigen Tag durch Denkmäler der Wohltätigkeit geblieben ist.

Marco oder Mardochaï Meisel (Meysell, geb. 1528, gest. 1601)10 gehörte zu den selten auftauchenden Menschen, welche den Mammon, die Quelle so vieler Übel und Verbrechen, zu heiligen vermögen und den rechten Gebrauch davon zu machen wissen. In Geschäftsgemeinschaft mit einem Arzte Isaak hatte er so glückliche Erfolge erzielt, daß er, nachdem er mit einem großen Teil seines Vermögens Segen um sich verbreitet hatte, noch über 600000 Mark Silbers hinterlassen haben soll. Meisel war der erste jüdische Kapitalist in Deutschland. Ein solcher Mann, den Wohltätigkeitssinn und Edelmut noch mehr als Reichtümer hoben, hätte es in jedem andern Lande zu einer angesehenen Stellung gebracht; in Deutschland soll Meisel höchstens den Titel Rat des Kaisers Rudolph erhalten haben. Für die zerrüttete, verkommene und verarmte Prager Gemeinde war Meisels reiche und weise spendende Hand ein erquickender Tau. Er speiste die Hungrigen, kleidete die Nackten, verheiratete jährlich zwei verwaiste Jungfrauen, baute Armenhäuser und Hospitäler, und, was noch mehr bedeutet, er schoß auch dem Herabgekommenen zinsfreie Gelder zum Geschäftsbetriebe vor. Durch seine unermüdliche Wohltätigkeit steuerte er der schrecklichsten Not, welche in Prag seit der Rückkehr der Juden aus ihrer Verbannung (o. S. 349) geherrscht hatte. Sogar den Schmutz des Judenviertels verbannte er durch Pflasterung desselben. Es versteht sich von selbst, daß, religiösen Sinnes, wie er war, er auch Anstalten zur Förderung des Judentums [443] ins Leben rief, ein Lehrhaus (Klaus), dessen Leiter (Liwa ben Bezalel)11 und Jünger auf seine Kosten unterhalten wurden und zwei Synagogen, wovon der Bau der einen, der Meiselsynagoge, ihm über 10000 Thlr. gekostet, die damals als ein Kunstwerk galt und seinen Namen bis auf den heutigen Tag verewigt. Meisels Wohltätigkeit beschränkte sich weder auf Juden allein, noch auf seine eigene Gemeinde. Verfolgte und in Gefangenschaft geratene Juden befreite er mit reichen Mitteln aus Not und Knechtschaft. Als das Judenviertel in Posen ein Raub der Flammen geworden (1590) und, der größte Teil der Gemeinde in Armut geraten war, schenkte er ihr die beträchtliche Summe von 10000 Talern und eben so viel später der in Not geratenen Krakauer Gemeinde. Daß er auch die Gemeinde in Jerusalem mit Spenden bedacht hat, lag in der religiösen Richtung jener Zeit und kann nicht besonders hoch angeschlagen werden. Mehr noch als für die Steuerung der Not leistete Meisel für die Steuerung der Zerrüttung der Prager Gemeinde, in welcher damals die Ungerechtigkeit und Käuflichkeit ihr Zelt aufgeschlagen hatten. Die Vorstandswahl gab stets Veranlassung zu schreiendem Skandal. Nicht Würdigkeit oder Unwürdigkeit, sondern Gunst oder Feindschaft gab den Ausschlag für Wahl oder Ausschließung von derselben. Die kaiserlichen Behörden mußten sich daher in die Gemeindeangelegenheiten mischen und Vorsteher aufdrängen, wobei natürlich auch nicht immer nach Billigkeit verfahren wurde. Durch Meisels Bemühung erhielt die Prager Judenschaft wieder ihre Wahlfreiheit für Älteste, Rabbiner und Richter, und er hat wohl dafür gesorgt, daß sich die Ungebührlichkeiten dabei nicht wiederholten.12

Wie wurde dieser edle Mann oder dieser kaiserliche Rat vom Kaiser Rudolph behandelt? Meisel hatte einem Edelmann eine Summe Geldes geliehen und sie sich auf dessen Güter versichern lassen. Der Schuldner machte aber den Einwand geltend, daß es gegen das Gesetz sei, liegende Güter an Juden zu verpfänden, und demgemäß erklärte die kaiserliche Kammerkanzlei Meisels Schuldforderung für verfallen. – Er hatte ferner der kaiserlichen Kasse eine bedeutende Summe vorgeschossen und Silbergeschirr für die Tafel geliefert, natürlich auf Interessen. Aber er erhielt weder die Zinsen, noch das Kapital zurück.13 Noch habgieriger und gewissenloser zeigte sich des Kaisers Sinn nach Meisels Ableben. Wohl ehrte er Meisels [444] Hülle indem er sich bei dessen Leichenbegängnis vertreten ließ. Viele Hofbeamte folgten dem Zuge des aufrichtig betrauerten Wohltäters, aber dessen letzten Willen ehrte der Kaiser nicht. Er hatte bei Ermangelung eines Leibeserben seine Neffen zu Erben eingesetzt und ihnen wahrscheinlich aufgetragen, sein Andenken durch Gründung von Wohltätigkeitsanstalten zu erhalten. Aber der Kaiser ließ dessen ganze Hinterlassenschaft, baares Geld und unbewegliches Gut, über eine halbe Million, einziehen, indem der kaiserliche Fiskus die Erbschaft kinderlos verstorbener Juden, als kaiserlicher Kammerknechte, anzutreten berechtigt sei. Die Rabbinen wurden noch dazu gezwungen, unter Androhung des Bannes, allen Schuldnern Meisels und denen die sonst etwas von ihm in Händen hätten, zur Pflicht zu machen, alles vollständig an die kaiserliche Kammer auszuliefern. Der Prozeß wegen dieser Hinterlassenschaft zog sich 10 Jahre in die Länge.

In dieser Lage, von Katholiken und Lutheranern ohne Unterschied gerupft und mit Füßen getreten oder ins Elend gejagt, vom Kaiser wenig geschützt, aber dafür ausgesogen, steigerte sich die Verkommenheit und Gesunkenheit der deutschen Juden noch mehr, wenn das noch möglich war. Sie waren so sehr von Sorgen für den Augenblick erfüllt, daß sie sogar das Talmudstudium, das ihrem Geiste sonst Nahrung gegeben, vernachlässigt haben. Außer Liwa ben Bezalel, seinem Bruder Chajim ben Bezalel14 und allenfalls ihren zwei andern Brüdern, gab es damals in Deutschland keinen Talmudisten von einiger Bedeutung.

Den Juden Italiens erging es in dieser Zeit fast noch schlimmer, und auch sie sanken in Elend und Verkommenheit. Hier war der Hauptsitz der verbissenen, schadenfrohen, unerbittlichen, kirchlichen Reaktion, die auf nichts sann, als darauf, die Gegner des Katholizismus vom Erdboden zu vertilgen. Vom Vatikan aus wurde die Brandfackel des Bürgerkrieges nach Deutschland, Frankreich, den Niederlanden geschleudert. Da nun die Juden seit Paul IV. und Pius V. (o. S. 324 f., 353 f.) auf der Liste der Ketzer oder der Feinde der Kirche standen, so war ihr Los nicht beneidenswert. Mit dem Verlust des letzten Restes ihrer Freiheit verloren sie auch ihre Zahl. In Süditalien wohnten keine Juden mehr. In Norditalien zählten die größten Gemeinden Venedig und Rom etwa zwischen 2000 und 1000 Seelen, in Mantua 1844 und im ganzen Mailändischen (Cremona, Lodi, Pavia, Alessandria, Casalmaggiore wohnten nur 889).15

Auf Pius V., der von Natur finster kirchlich und verfolgungssüchtig war, und die Juden wie verfluchte Söhne Chams behandelt [445] hatte, war Gregor XIII. gefolgt (1572-1585), der von den Jesuiten und Theatinern künstlich zum Fanatismus abgerichtet worden war. Und der Wille des strengen Papsttums war für Italien maßgebend. Für die Juden war Gregor der konsequenteste Fortsetzer der Lieblosigkeit seines Vorgängers. Es gab trotz wiederholter Verbote noch immer viele Christen in Italien, welche – in ihrer Verblendung – sich lieber von jüdischen bewährten Ärzten, wie David de Pomis, Elia Montalto, als von christlichen Quacksalbern heilen lassen wollten. Das wollte Gregor aufs strengste verboten wissen. Indem er das alte kanonische Gesetz erneuerte,16 daß christliche Kranke nicht von jüdischen Ärzten behandelt werden dürften, und daß sie innerhalb dreier Tagen vom Beginn der Krankheit die Sterbesakramente nehmen müßten, belegte er nicht bloß die christlichen Übertreter desselben mit schwerer Strafe, sondern auch die jüdischen Ärzte, wenn sie sich einfallen ließen, einem christlichen Leidenden das Leben zu verlängern oder auch nur die Schmerzen zu mildern. Seine Strenge drang diesmal durch. Ein anderes gregorianisches Gesetz traf nicht bloß einen Stand, sondern die Juden im allgemeinen. Er stellte sie unter die Argusaugen der Generalinquisition. Wenn einer von ihnen irgend etwas Ketzerisches, d.h. der Kirche Mißliebiges, behauptete oder lehrte, ja, wenn er mit einem Ketzer oder einem von der Kirche Abgefallenen umginge oder ihm auch nur die geringste Hilfeleistung oder Gefälligkeit erwiese, solle er von der Inquisition vorgeladen und, je nach Befund, zum Verlust des Vermögens, zur Galeerenstrafe oder gar zum Tode verurteilt werden. Wenn also ein aus Spanien oder Portugal entflohener Marrane in Italien betroffen wurde, daß sein jüdischer Bruder ihm Herberge gegeben oder Erquickung gereicht, so konnten beide gewärtig sein, dem unerbittlichen Arm der italienischen Generalinquisition zu verfallen. Auch gegen den Talmud entlud sich der Zorn des Papstes Gregor XIII. Die Juden wurden abermals ermahnt, die talmudischen und andere als kirchenfeindlich verdächtigen Bücher auszuliefern, die römischen innerhalb zehn Tagen, die übrigen innerhalb dreier Monate. Die Inquisitoren und andere geistliche Behörden wurden angewiesen, überall Nachsuchungen nach solchen zu halten. Wer später im Besitze derselben betroffen werden sollte, selbst mit Angabe, daß sie von den angeschuldigten Stellen gereinigt und zensiert wären, sollte einer schweren Strafe verfallen17 – Am meisten ließ sich Gregor XIII. die Bekehrung der [446] Juden angelegen sein. Er, der die Jesuiten und ihre fangarmige Schule aufs nachdrücklichste beförderte, ein propagandistisches Seminar aller Nationen – damals mit fünfundzwanzig Sprachen – ausstattete und als Collegium Germanicum begründete, um vermittelst der darin gebildeten Zöglinge die abgefallenen Deutschen wieder in den Schoß des Katholizismus zu locken, er schärfte das kanonische Gesetz ein, daß christliche Prediger an Sabbaten und Feiertagen in den Synagogen, womöglich in hebräischer Sprache, über die christliche Glaubenslehre Vorträge halten sollten, und die Juden, mindestens der dritte Teil der Gemeinde, beide Geschlechter, Erwachsene über zwölf Jahre, mußten sich dazu einstellen. Die katholischen Fürsten wurden ermahnt, solchen Bekehrungseifer zu unterstützen.18 Was der halbtolle schismatische Papst (Benedictus XIII.) in leidenschaftlicher Erregtheit ersonnen hatte, das verschärfte bei kaltem Blute der Oberhirt der gesamten katholischen Kirche, einen Religionszwang aufzulegen, welcher dem des Antiochus Epiphanes, den Tempel des einigen Gottes dem Jupiter zu weihen, nicht ganz unähnlich war. Charakteristisch ist der Zug für die damalige Anschauung, daß die Juden gehalten sein sollten, den ihnen widerwärtigen Predigern für den ihnen angetanen Gewissenszwang Gehalt zu geben! Wie sein Vorgänger Pius V. scheute Gregor kein Mittel, Juden anzulocken. Wie jener einen angesehenen Juden der römischen Gemeinde von spanischer Abkunft Elia Corcos nach seinem Übertritt zum Christentum adelte, so erhob auch dieser einen Verwandten dieser Familie, Salomo Corcos samt Sohn und Schwiegertochter in den römischen Adelsstand.19 So manche ließen sich aus Furcht oder Vorteil zur Bekehrung bewegen, und einige von ihnen unterstützten die Plackereien der italienischen Juden. Denn Gregors Erlasse blieben nicht toter Buchstabe, sondern wurden mit aller Strenge und Herbigkeit durchgeführt.

Eine besondere Freude machte es der bekehrungssüchtigen Klerisei, wenn sie einen jüdischen Täufling fand, der, des Hebräischen kundig, sich dazu hergab, den Juden das Christentum in ihrer Synagoge zu predigen. Ein solcher war Andrea de Monti. Er war so hochherzig, für seine Bekehrungspredigten von ihnen keine Belohnung zu verlangen. Ein Jude hatte den Mut, diesem Überläufer in einem anonymen Brief zu sagen, was die Zuhörer von ihm und von dem unbarmherzigen päpstlichen Regimente dachten. Diese Regierung [447] sei eben so weltlicher Natur, wie die der Pharaonen, der Chaldäer und der alten Römer, und wie diese nicht imstande waren, dem von Gott erwählten Volke, dem Samen Abrahams, beizukommen, so werde es ebenso wenig dem christlichen Despoten gelingen. Gottes fortdauernder Schutz für dieses Volk erweise sich auch darin, daß selbst unter der Allgewalt des Papsttums die Juden von einigen Fürsten geachtet, geehrt, frei und reich seien. Ihm, dem apostatischen Prediger werde es wie Haman ergehen. Gott habe tausend Wege die Verfolger und Bedrücker seines Volkes zu züchtigen. Sie dankten ihm keineswegs dafür, daß er ihnen unentgeltlich predige. Sie würden lieber von jedem urchristlichen Prediger für Bezahlung die Predigten anhören als von ihm.20 Infolge dieses Gewissenszwanges und anderweitiger Quälereien verließen viele Juden Babel-Rom.21

Unter seinem Nachfolger Sixtus V. (1585-1590), jenem Papste, dessen Erhebung vom Schweinehirten zum Oberhirten der katholischen Christenheit und dessen rücksichtslose Energie in der Verwaltung des Kirchenstaates ihn zu einer außergewöhnlichen Erscheinung gestempelt hat, änderte sich scheinbar die Lage der Juden Roms. Er duldete sie um sich und hegte einen aus Portugal entflohenen Marranen, Lopez, der ihm Ratschläge zur Verbesserung der kirchenstaatlichen Finanzen gab.22 Es war keine geringe Nachsicht, einem vom Katholizismus Abtrünnigen, den seine unmittelbaren Vorgänger auf dem Petrusstuhle hätten verbrennen lassen, ein solches Vertrauen zu schenken! Aber er ging noch weiter und erließ eine Bulle (22. Okt. 1586), welche fast sämtliche Beschränkungen seiner Vorgänger aufhob. Sixtus gestattete nicht bloß den Juden, in allen Städten des Kirchenstaates zu wohnen, sondern auch mit Christen zu verkehren und sich ihrer als Gehilfen zu bedienen. Ihre Religionsfreiheit umgab er mit schützenden Paragraphen und erteilte ihnen Amnestie für vergangene Verbrechen, d.h. für Verurteilungen wegen des Besitzes ihrer Religionsschriften. Er verbot ferner den Rittern des Malteserordens, zur See von Europa nach der Levante oder umgekehrt fahrende Juden zu Sklaven zu machen, was diese gottgeweihten Streiter bis dahin zu tun pflegten. Papst Sixtus [448] war der Mann, welcher seinem Gesetz gewordenen Worte Achtung zu verschaffen wußte, darum kehrten die ehemals ausgewiesenen Juden wieder nach dem Kirchenstaate zurück. Die römische Gemeinde zählte unter ihm 200 Mitglieder.23 Endlich hob er den Bann, welcher auf den jüdischen Ärzten lastete, christliche Leidende nicht behandeln zu dürfen, auf. Nur die von seinem Vorgänger eingeführten Zwangspredigten ließ Sixtus bestehen.

Diese damals wichtige Toleranz, jüdische Ärzte zu christlichen Kranken zuzulassen, hat wahrscheinlich der damals berühmte Arzt David de Pomis für sich und seine Kollegen vom Papste erwirkt. David de Pomis (geb. in Spoleto 1525, gest. in Venedig 1588) aus einer sehr alten jüdischen Familie, deren Stammvater schon unter Titus nach Rom gekommen sein soll, war eine nicht alltägliche Erscheinung. Er verband mit medizinischer Kenntnis Sprachkunde und Belesenheit in der jüdischen und klassischen Literatur, schrieb Hebräisch und Lateinisch gleich elegant und verstand auch Philosophie. Den Wechsel der Stimmungen in der päpstlichen Kurie erfuhr er recht empfindlich auf seinem Lebenswege. Durch Pauls IV. judenfeindliche Erlasse war er um sein ganzes Vermögen gekommen. Von Pius IV. freundlich behandelt, gestattete man ihm infolge eines schönen lateinischen Vortrages, vor diesem Papste und dem Kardinalskollegium gehalten, ausnahmsweise bei Christen zu praktizieren; aber von Pius V. wieder quälerischen Beschränkungen unterworfen, mußte er seine Kunst im Dienste kleiner und launenhafter Adliger verwerten. Um die undurchdringlichen Vorurteile gegen die Juden und namentlich gegen die jüdischen Ärzte in ihr Nichts aufzulösen, arbeitete de Pomis ein lateinisches Werk: »Der hebräische Arzt24 aus, das ein sehr günstiges Zeugnis für seine edle Gesinnung und seine gediegene Bildung ablegt. Mit einem Aufwand von Beredsamkeit führte de Pomis den Beweis, daß der Jude von seiner Religion verpflichtet sei, den Christen als seinen Bruder zu lieben, und daß der jüdische Arzt, weit entfernt, dem leidenden Christen Schaden zufügen zu wollen, ihm vielmehr die aufmerksamste Pflege zuzuwenden pflege. Er zählte eine Reihe von jüdischen [449] Ärzten auf, welche Kirchenfürsten, Kardinäle und Päpste behandelt und deren Gesundheit wiederhergestellt hatten und von diesen, sowie auch von ganzen Städten ausgezeichnet worden waren. Zum Schlusse teilte Pomis sittliche Kernsprüche aus dem Talmud in lateinischer Übersetzung mit, um darzutun, daß dieses vielfach verlästerte Buch nicht so verderblich sei, wie die Judenfeinde angaben. Diese Apologie für das Judentum und die jüdischen Ärzte, die er dem Fürsten Francisco Maria von Urbino gewidmet hat, und deren eleganter lateinischer Stil von einem kundigen Geschmacksrichter seiner Zeit sehr gepriesen wurde, scheint einen Eindruck auf den Papst Sixtus gemacht zu haben. De Pomis muß ihm überhaupt nahe gestanden haben, da er ihm seine zweite bedeutende literarische Arbeit, ein talmudisches Wörterbuch in drei Sprachen, widmen durfte.

Das günstige Verhalten dieses Papstes gegen die Juden ermutigte sie zu der Hoffnung, welche für sie zugleich eine Gewissensund Existenzangelegenheit war, den Bann über den Talmud und das jüdische Schrifttum für immer aufgehoben zu sehen. Unter den zwei letzten Päpsten durfte in Italien kein Talmudexemplar zum Vorschein kommen, ohne dem Besitzer Fährlichkeiten von seiten der lauernden Inquisition zuzuziehen. Auch andere ganz harmlose Schriften in hebräischer Sprache zu besitzen, war nicht ohne Gefahr; denn da die Inquisitoren und die geistlichen Behörden nichts davon verstanden, so verurteilten sie durchweg alles als kirchenfeindlich – ein weiter Spielraum für Denunziationen! Es hing dann in letzter Instanz von der Stimmung getaufter, des Rabbinischen kundiger Juden ab, ob der Besitzer eines hebräischen Buches zum Verluste seines Vermögens oder gar zu den Galeeren verurteilt werden sollte. Um nun solchen Plackereien zu entgehen, hatte die Gemeinde von Mantua die Beratung einer Bitte an Sixtus V. angeregt, den Juden zu gestatten, Talmudexemplare und andere Schriften zu besitzen, wenn dieselben vorher von den angeschuldigten, scheinbar christenfeindlichen Stellen gesäubert und zensiert würden. Die Gemeinden von Mailand, Ferrara und andere schlossen sich dem Schritte an. Sie konnten sich auf den Beschluß des Papstes Pius IV. berufen, daß der Talmud nicht ohne weiteres verdammt sei, sondern daß er nur verdammungswürdige Stellen enthalte, die durch Zensurstriche entfernt werden sollten (o. S. 351). Mit 2000 Skudi versehen, hatte sich ein jüdischer Deputierter Bezalel Masserano (Juni 1586)25 nach Rom begeben, um die Bitte der Juden zu den [450] Füßen seiner Heiligkeit zu legen. Und sie wurde in einer Bulle (vom 22. Okt. 1586) bewilligt, vielleicht durch Vermittlung des Lopez und jedenfalls durch Aussicht auf Geldgewinn. Sixtus gestattete den Wiederabdruck des Talmuds und anderer Schriften, allerdings nach vorangegangener Zensur. Dazu wurden zwei Kommissionen ernannt, zu welchen natürlich getaufte Juden als Sachverständige zugezogen wurden. Schon freuten sich die italienischen Juden, einen, wenn auch verstümmelten Talmud besitzen zu dürfen. Sie gingen daran, eine neue Ausgabe desselben zu veranstalten; denn die kurz vorher in Basel erschienene Ausgabe des Talmuds26 war gar zu sehr von der Zensur mißhandelt und unbrauchbar geworden. Ein ganzer Traktat, der vom Götzentum und Heidentum handelt (Aboda Sara), war weggelassen, als bezöge sich das, was in diesem Traktate von Götzendienst und Abgötterei gesagt ist, ohne weiteres auf das Christentum. Viele Summen waren aber zur neuen Auflage des Talmuds erforderlich; um diese zu beschaffen, richtete das römische Rabbinat Rundschreiben an die Gemeinden, ein so frommes Unternehmen durch reiche Spenden zu unterstützen. Allein kaum hatte die Kommission die Zensurbedingungen zusammengestellt (7. August 1590), so starb der kluge Papst und das begonnene Unternehmen, den Talmud, wenn auch mit Verstümmelung wieder abzudrucken, unterblieb teils aus Mangel an Eifer von seiten der reichsten venezianischen Gemeinde, teils durch eingetretene Ungunst der Zeiten.

Sixtus' V. Nachsicht gegen die Juden war nämlich nicht einem Gerechtigkeitsgefühl entsprungen, sondern aus seiner glühenden Leidenschaft, einen bedeutenden Schatz zu sammeln. »Den Christen,« sagt sein Biograph, »ließ dieser Papst an der Kehle zur Ader, den Juden dagegen zapfte er das Blut aus allen Gliedern.«27 Sie sahen sich öfter genötigt, unglaubliche Summen in die päpstliche Schatzkammer zu liefern. Er schützte sie wohl gegen Mißhandlung recht kräftig. Einen Diener des gräflichen Hauses Conti, der einem Juden den Hut vom Kopfe gerissen und in den Tiber geworfen hatte, ließ er im Ghetto vor den Augen der Juden hängen. Aber Geld mußten sie hergeben, viel Geld.

Für Geld ging er auch zuweilen von seiner sprichwörtlich gewordenen Regentenstrenge ab. Unter seiner Regierung kam nämlich ein christlicher Shylock in Rom vor. St. Domingo, die spanische Besitzung in Westindien, wurde von den Engländern unter Drake hart belagert (1586). Ist die Insel von den Engländern [451] erobert worden oder nicht? Darüber entstand auf der Börse in Rom ein hitziger Wortwechsel zwischen einem christlichen Kaufmann Pietro Secchi, der gewisse Nachricht über den Fall St. Domingos erhalten haben wollte, und einem jüdischen Sansone Ceneda, welcher es in Abrede stellte und im Eifer des Streits eine Wette einging, ein Pfund Fleisch aus seinem Leibe schneiden zu lassen, wenn er verlieren sollte. Der christliche Kaufmann gewann die Wette und bestand auf dem verpfändeten Pfund Fleisch des Juden. Als Sixtus von dieser Wette vernahm, lud er beide vor sich, sprach dem Gewinner sein Recht zu, aber mit der Drohung, sein Leben zu verwirken, wenn er ein Drachme mehr ausschneiden sollte. Er verurteilte aber beide zum Tode, den Christen, weil er den Tod des Juden geplant hatte, und diesen, weil er seinen Leib, der dem Souverän gehört, verwettet hatte. Erst durch Vermittlung eines Kardinals begnadigte sie der Papst zuerst zur Galeere und dann zu einer Geldstrafe von je 2000 Skudi.28 Der christliche Shylock ist noch gelinde genug davongekommen.

Es scheint, daß im Kardinalskollegium kurz nach Sixtus' Tode seine Behandlung der Juden maßgebend geblieben ist. Denn Gregor XIV., obwohl ein Fanatiker, gestattete trotz des kanonischen Verbotes gleichgesinnter Vorgänger dem halbnärrischen jüdischen Arzte und langweiligen Schriftsteller Abraham ben David Portaleone (geb. 1542 in Mantua, gest. 1612)29, die ärztliche Praxis für Christen (August 1591). Dieser Papst brachte aber die Zeit seines Pontifikats größtenteils auf dem Siechenbette zu, es ist also eher anzunehmen, daß diese Nachsicht von sixtinisch gesinnten Kardinälen ausgegangen war. – Mit Clemens VIII. dagegen (1592-1605) kehrte das unduldsame System Pauls IV., Pius' V. und Gregors XIII. in Behandlung der Juden wieder. Gleich im Beginne seiner Priesterherrschaft führte er wieder die drückendsten Beschränkungen gegen die Juden des Kirchenstaats Venaissin ein, daß sie ja nur mit alten Kleidern Handel treiben sollten, mit einem leisen Tadel gegen Sixtus V., daß sie durch Lässigkeit nicht beachtet worden wären (Febr. 1592).30 In Carpentras und andern Städten dieses päpstlichen [452] Enklaves hatten sich wahrscheinlich unter Sixtus V. wieder Juden angesiedelt. Der Papst wiederholte abermals das Verbannungsdekret gegen die Juden des Kirchenstaates (25. Febr. 1593)31 und ließ sie nur in Rom, Ancona und Avignon wohnen. Würde ein Jude in einer andern päpstlichen Stadt betroffen werden, so sollte er es mit Verlust seines Vermögens und mit Galeerenstrafe büßen. Den in drei Städten Geduldeten legte Clemens die alten Beschränkungen auf, namentlich daß sie den Talmud und andere rabbinische Schriften weder lesen, noch besitzen dürften (28. Febr. desselben Jahres).32 Da er aber politischer als seine gleichgesinnten Vorgänger war und den für die päpstliche Schatzkammer einträglichen Anconitanischen Handel mit der Levante nicht schädigen mochte, so gestattete er zugunsten der Juden aus der Türkei Ausnahmen von den Beschränkungen (8. März 1593).33

Die aus dem Kirchenstaat ausgewiesenen Juden scheint Ferdinand, Herzog von Toskana aufgenommen und ihnen Pisa zum Aufenthalt angewiesen zu haben (Juli 1593). Er gestattete ihnen auch Bücher jeder Art und Sprache, also auch den Talmud zu besitzen; aber die Exemplare sollten vorher nach den Regeln der von Sixtus V. eingesetzten Kommissionen zensiert werden.34 So sehr war der Fanatismus des apostolischen Stuhles maßgebend, daß auch edle Fürsten wie Ferdinand de Medici von Toskana, und Vicenzo Gonzaga von Mantua – der einen jüdischen Günstling Joseph de Fano hatte35 – nicht davon abzuweichen sich getrauten. Auch da, wo den Juden der Besitz zensierter Bücher aus Gnade gestattet war, waren sie allerhand Plackereien und Schindereien ausgesetzt. Sie mußten für die Verstümmlung derselben Summen an die Zensoren, größtenteils getaufte Juden, zahlen und waren doch nicht sicher, daß sie ihnen nicht wieder konfisziert und sie selbst in Strafe genommen wurden, weil noch das eine oder andere verdächtige Wort darin ungestrichen geblieben sei. Weh' denen, welche einen angebrachten Zensurstrich wieder ausgelöscht hätten! – Sie selbst legten, um nicht Schikanen ausgesetzt zu sein, Hand an ihre literarischen Heiligtümer und strichen nicht bloß alles, was von Abgötterei handelte, sondern auch alles, was Rühmliches von dem jüdischen Stamme angegeben war, oder wo von dem Messias und seinem einstigen Erscheinen die Rede ist.36 [453] Da nun Italien damals der Hauptmarkt für jüdische Druckwerke war, so erhielten die auswärts wohnenden Juden nur verstümmelte Exemplare, worin die lauten oder stillen Proteste gegen Rom vollständig verwischt waren.

Wenn solches unter den Augen halb und halb judenfreundlicher Fürsten vorging, was hatten sie erst von systematisch judenfeindlichen zu erwarten! Die Duldung der Juden im Mailändischen, das dem für Scheiterhaufen schwärmenden Philipp II. gehörte, beruhte eigentlich auf einer Inkonsequenz. In Spanien und im ganzen großen Reiche, in welchem damals die Sonne stets am Horizonte stand, dem Feuertode überliefert zu werden, wenn ein Jude darin betroffen wurde, und in diesem von Spanien beherrschten Winkel Italiens geduldet zu werden, war zu unnatürlich. Sobald daher die Aufmerksamkeit des Madrider Hofes auf sie gelenkt wurde, mußte diese Inkonsequenz zu deren Nachteil fallen. Mißhelligkeit zwischen Juden und Christen in Cremona zog die Aufmerksamkeit auf sie. Der Mörder eines Juden war aus einer Kirche zum Tode geschleift worden, allerdings mit Bewilligung des Bischofs. Das reizte den Zorn der Bürger von Cremona, und diese, im Verein mit denen von Pavia, führten Klage am Hofe Philipps II. gegen die Juden. Vergebens sprach sich der Vizekönig zu ihren Gunsten aus, da deren Unentbehrlichkeit sich erst jüngsthin bei einer wütenden Pest bewährt hatte. Vergebens war auch die beredte Verwendung eines jüdischen Deputierten, Samuel Coen aus Alessandria, beim König. Die Judenfeinde hatten auch ihrerseits einen Vertreter in der Nähe des Königs, welcher die Ausweisung der Juden betreiben sollte. Bald diente der Wucher der Juden, bald ihre Religionsschriften, die trotz des päpstlichen Verbots bei ihnen gefunden worden seien, zum Vorwande, den Zorn des finstern Königs gegen sie zu reizen. Ein Beichtvater Philipps II. tat das Seinige, und so wurden die Juden aus dem Mailändischen, aus den Städten Cremona, Pavia, Lodi und andern – etwa 1000 Seelen – ausgewiesen (Frühjahr 1597)37; sie mußten um ein Unterkommen in Mantua, Modena, Reggio, Verona und Padua betteln. Bei der Auswanderung wurden sie noch von herzlosen Christen ihrer Habe beraubt, und ihre außenstehenden Schulden einzutreiben, kostete ihnen große Anstrengung. Auch über die Juden Ferraras, das von jeher ein zuverlässiges Asyl für sie und sogar für die eingewanderten Marranen war, schwebte eine Zeitlang das kanonische Schwert. Der herzogliche Stamm de Este, dessen Träger an Edelmut und Kunstsinn mit den Mediceern wetteiferte, war ausgestorben. Die Juden Ferraras hatten sich mit [454] dem Geschicke dieses fürstlichen Hauses so verwachsen gefühlt, daß sie bei der schweren Krankheit der sinnigen Prinzessin Leonora – welche zwei große Dichter in den Himmel der Poesie versetzt und unsterblich gemacht haben – ein öffentliches Gebet in der Synagoge um ihre Genesung veranstaltet hatten38; sie war selbst eine Gönnerin der Juden und hat sie oft in Schutz genommen. Nun war der letzte Stammhalter Alfonso II. ohne Leibeserben gestorben (1597), und Ferrara wurde gegen seine letztwillige Verfügung von Clemens VIII. dem Kirchenstaate einverleibt. Die jüdische Gemeinde, meistens aus ehemaligen eingewanderten Marranen bestehend, hatte sich schon auf Verbannung gefaßt gemacht, da sie bei diesem Papste nicht auf Duldung rechnen konnte. Sie baten nur noch den päpstlichen Nepoten Aldobrandini, der Besitz von Ferrara genommen hatte, ihnen eine günstige Frist zur Vorbereitung für die Auswanderung zu gönnen. Da dieser die Handelsblüte der Stadt in den Händen der Juden sah, so war er doch einsichtsvoll genug, sie im Interesse des Kirchenstaates nicht zu knicken; er erteilte ihnen daher Toleranz auf fünf Jahre und setzte es gegen den fanatischen Willen des Papstes Clemens VIII. durch, der sie zu verbannen gedachte.39 Aber ein flüchtiger Marrane durfte nicht mehr in Ferrara Halt machen, ohne den Fangarmen der blutigen Inquisition zu verfallen. So war auch das letzte Asyl für diese Klasse von Juden in Italien aufgehoben, und es gab eigentlich damals in der ganzen Christenheit keine sichere Stätte mehr für sie.

Es gab allerdings eine winzige marranische Gemeinde in Bordeaux, portugiesische Flüchtlinge, welche der Tollwut der Inquisition entronnen waren.40 Ihre Stammverwandten, welche lange vorher sich in derselben Stadt angesiedelt und als Ärzte, Advokaten oder Professoren an hohen Schulen und an der Universität Ansehen erlangt hatten, ganz besonders die gelehrte Familie der Govea, hatten für sie eine günstige Aufnahme von der Bürgerschaft und die Erlaubnis vom Könige Heinrich II. erwirkt, in Bordeaux ihre Geschäfte zu machen und auch Grundbesitz zu erwerben. Sie waren indes nur als Neuchristen und portugiesische Kaufleute geduldet. Sie mußten ihr jüdisches Bekenntnis verheimlichen, mußten noch [455] die Kirche besuchen, die Sakramente mitmachen und ihre Kinder taufen lassen. Trotzdem wurden die fünfzig oder sechzig Familien, welche nach und nach aus Portugal und Spanien in Bordeaux eingewandert waren, als heimliche Juden beargwöhnt. Ein fanatischer Parlamentsrat de Lancre, beauftragt, auf Hexen und Zauberer zu fahnden und sie dem Feuer zu überliefern, klagte diese marranischen Familien geradezu an, daß sie judaisierten, kein Schweinefleisch äßen und am Sabbat nicht ihre Speisen bereiteten. Wenn sie nicht das Parlament und die Schöffen dieser Stadt in Schutz genommen hätten, wären sie verfolgt worden. Diese winzige Gemeinde und ihre Kolonie in Bayonne müssen von einer außerordentlichen Liebe zu ihrem Bekenntnis durchdrungen gewesen sein, daß sie nicht im Christentum untergegangen sind, obwohl sie lange das Scheinchristentum bewahren mußten.

Es erscheint abermals als ein Werk der Vorsehung, daß der jüdische Stamm, der in Europa und Asien, in der Christenheit und unter dem Islam, am Ende des sechzehnten Jahrhunderts keinen rechten Halt mehr hatte, gerade in dem Lande ihres hartnäckigsten Feindes, Philipps II. von Spanien, festen Boden fassen und von da aus sich eine Gleichstellung erobern konnte. Und in letzter Verkettung von Ursachen und Wirkungen war es gerade das blutige Inquisitionstribunal, welches ihnen die Freiheit vorbereiten half. Holland, dieses der Meeresflut abgerungene Stück Erde, wurde für die gehetzten Opfer des grausigen, raffinierten Fanatismus ein Ruhepunkt, auf dem sie sich lagern und ihre Eigenart entfalten konnten. Aber welche Wandlungen und Wechselfälle mußten vorangehen, bis diese kaum geahnte Möglichkeit eine Wirklichkeit werden konnte? Der nordwestliche Winkel Europas wurde von jeher nur von wenigen Juden bewohnt, und es ist von ihnen nur eine geringe Kunde vorhanden; hervorgetan haben sie sich durch nichts. Sie litten wie ihre Nachbarbrüder unter den Zuckungen des aufgeregten Fanatismus, waren zur Zeit der Kreuzzüge und des schwarzen Todes niedergemetzelt oder verjagt worden, hatten sich wieder hier und da gesammelt, alles in lautloser Ungekanntheit und in dunkler Vergessenheit. Als dieser Strich unter dem Namen der Niederlande unter dem weitreichenden Zepter Karls V. mit Spanien vereinigt war, wurden die Grundsätze der spanischen Judenfeindlichkeit auch auf die Juden dieses Landes übertragen. Dieser Kaiser hatte Befehle über Befehle erlassen, daß die wenn auch geringzähligen Juden aus den niederländischen Städten ausgewiesen werden sollten. Jeder Bürger war gehalten, die widergesetzliche Anwesenheit von Juden den königlichen Beamten anzuzeigen. Infolge der Einführung der Inquisition in Portugal hatten sich mehrere marranische Familien [456] mit ihren Reichtümern, ihrer Gewerbtätigkeit und ihrem Kunstfleiße nach den aufblühenden Städten der Niederlande Antwerpen, Brüssel, Gent begeben, um dort ungefährdeter ihrer Religion heimlich leben zu können. Den Mittelpunkt derselben hatten eine Zeitlang Diogo Mendes und seine hochherzige Schwägerin Doña Gracia gebildet.41 Auch diese traf die strenge Gesetzgebung Karls, doch noch mehr die seines Sohnes Philipps II.; sie wiederholten den Befehl, sie nicht zu dulden. Die Magistrate kamen in diesem Punkte dem Befehle ihres Herrn pünktlich nach, weil sie fürchteten, die Anwesenheit von Neuchristen könnte für sie die Inquisition herbeiziehen – ein Übel, das ihnen in ahnungsvoller Seele als eine große Gefahr für sie vorschwebte.42

Der Inquisition konnten die Niederländer doch nicht entgehen. Waren sie doch, obwohl ein Anhängsel von Spanien, von lutherischen Ketzern umgeben und hatten solche gar in ihrer Mitte! Sie sollte auch bei ihnen eingeführt werden. Das war eine der Hauptursachen, welche den Abfall der Niederlande herbeigeführt und jenen langdauernden Krieg erzeugt hat, der klein in seinen Anfängen und groß in seinen Erfolgen war, der das gewaltige Spanien ohnmächtig und das winzige Holland zu einer Macht ersten Ranges erhoben hat. Die niederländischen Unabhängigkeitskriege zeigten in der Geschichte das erste Beispiel vom Siege zähen Bürgertums über höhnische Überhebung blutiger Tyrannei. Der zähneknirschende Ingrimm des düstern Philipp II., des Henkerfeldherrn Alba, der Blutfeder Varga mit ihren Hunderttausenden von Soldknechten vermochten zuletzt nichts gegen den unvertilgbaren Freiheitssinn eines Völkchens. Der fanatisch grausame Papst Pius V. war mit der Menschenernte, welche Alba und der Blutrat unter den niederländischen Ketzern hielt, sehr zufrieden. Aber es schien, als ob aus jedem Kopfe, den Alba in den Niederlanden abschlagen ließ, hydraartig [457] hunderte emporwüchsen. Daß in diesem blutigen Strauß, der das ganze Land in einen glühend heißen Kampfplatz verwandelt hat, keines Bleibens für die Juden war, versteht sich von selbst. Alba hatte an den Rat von Arnheim und Zütphen eine Ermahnung ergehen lassen, wenn Juden sich da befänden, sie in Gewahrsam zu bringen, und so lange zu halten, bis er darüber verfügen würde. Man wußte, was diese Sprache aus solchem Munde zu bedeuten hatte. Die Antwort des Rates war, es gäbe keine Juden in ihrer Mitte.43 Indessen gab es doch einige in dem Städtchen Waggeningen (Gelderland), und diese wurden zur Erhöhung der Feier für die Geburt eines spanischen Infanten ausgewiesen44.

Die portugiesischen Marranen, welche auch im dritten Geschlechte ihre jüdische Abstammung nicht vergessen konnten und nicht aufgeben wollten, hatten ihr Augenmerk auf die um Freiheit ringenden Freistaaten gerichtet, zumal die Inquisition noch immer gegen sie wütete und sie in Kerker warf und zu Scheiterhaufen schleifte.45 Seit den ersten Anzeichen von dem Erlöschen des spanischen Glückssternes, seit dem Untergang der unüberwindlichen Flotte, vermittelst welcher Philipp II. nicht bloß für England, sondern womöglich bis ans Ende der Erde die Ketten körperlicher und geistiger Knechtung zu tragen gedachte, seitdem regte sich im Herzen der Scheinchristen unter dieses Tyrannen eiserner Zuchtrute immer mehr das heiße Verlangen nach Freiheit.46 Da Italien für sie durch die verfolgungssüchtige Politik der reaktionären Päpste verschlossen war, so blieb ihnen nur noch die Hoffnung auf ein Asyl in den Niederlanden.

Ein angesehener Jude Samuel Pallache, welcher vom König von Marokko als Konsul nach den Niederlanden gesandt worden war (um 1591), machte dem Magistrate von Middelburg (Provinz Seeland) den Vorschlag, Marranen aufzunehmen und ihnen Religionsfreiheit zu gewähren; dafür wollten sie aus dieser Stadt vermittelst ihrer Reichtümer einen blühenden Handelsplatz machen. Die weisen Väter der Stadt wären gern auf diesen Vorschlag eingegangen; aber der so leidenschaftlich geführte Religions- und Freiheitskrieg gegen den doppelten spanischen Despotismus hatte auch die reformierten Prediger fanatisch und unduldsam gestimmt. Diese waren gegen die Aufnahme der Juden in Seeland.47

[458] Die Marranen gaben aber nichtsdestoweniger den Gedanken nicht auf, in den bereits vom spanischen Joche befreiten Provinzen der Niederlande eine sichere Stätte zu suchen. Mit mächtigen Banden fühlten sie sich zu dieser Bürgerrepublik hingezogen, sie teilten mit ihr den glühenden Haß gegen das nach Menschenopfern lechzende Spanien und seinen König Philipp II. Der große Statthalter Wilhelm von Oranien, die Seele des niederländischen Unabhängigkeitskampfes, hatte den Gedanken gegenseitiger Duldung und freundlichen Zusammenlebens verschiedener Religionsparteien, Bekenntnisse und Sekten ausgesprochen. Wenn auch dieser erste Keim echter Humanität anfangs zu Boden fiel, so knüpften die Marranen doch daran die Hoffnung auf eine Erlösung aus ihrer täglichen Pein. Eine beherzte marranische Frau Mayor Rodrigues scheint den Plan befördert zu haben, ein Asyl zunächst für ihre Familie in Holland zu suchen. Sie, ihr Gatte, Gaspar Lopes Homem, ihre zwei Söhne und Töchter, sowie mehrere Glieder dieser reichen und geachteten Familie waren dem Judentum noch immer zugetan und der Heuchelei müde, christliche Bräuche mitmachen und ein Glaubensbekenntnis hersagen zu müssen, die ihnen in tiefster Seele verhaßt waren und sie doch nicht vor den Schrecknissen der Inquisition zu schützen vermochten. Als ein Schiff mit auswandernden Marranen unter Leitung eines Mannes, namens Jakob Tirado48, von Portugal aus – wer weiß unter welchen Vorsichtsmaßregeln – absegelte, scheint Mayor Rodrigues ihre liebreizend schöne Tochter Maria Nuñes und ihren Sohn Manuel unter dem Schutze ihres Schwagers Lopez Homem dem Fahrzeug anvertraut zu haben. Die Mutter scheint auf den Zauber ihrer Tochter gerechnet zu haben; die außerordentliche Schönheit der Maria Nuñes sollte den von Gefahren umringten Auswanderern als Schild dienen und ihnen in Holland ein Asyl eröffnen. In der Tat gelang es ihrer Schönheit, die erste Gefahr, welche den marranischen Flüchtlingen zugestoßen war, abzuwenden. Sie wurden nämlich von einem englischen Schiffe, welches Jagd auf die spanisch-portugiesische Flagge machte, gekapert und nach England geführt, und Maria Nuñes hatte den Kapitän, einen englischen Herzog, so sehr bezaubert, daß er ihr, in der Meinung, sie gehöre dem portugiesischen Grandenkreise an, die Hand bot. Sie schlug aber den ehrenvollen Antrag aus, weil sie als Jüdin leben wollte. Die Schönheit der in Gefangenschaft geratenen Portugiesin machte indes so viel von sich in London reden, daß die jungfräuliche, männliche Königin Elisabeth selbst neugierig wurde, die so sehr gefeierte und für die Liebe eines Herzogs [459] unzugängliche Schöne kennen zu lernen, sie zu einer Audienz einlud und mit ihr in einem offenen Wagen durch die Straßen der Hauptstadt fuhr. Wahrscheinlich durch Maria Nuñes' Vermittlung konnten die ausgewanderten Marranen ungefährdet England verlassen, um nach Holland steuern zu können. Aber ein Sturm bedrohte die von aller Welt Ausgestoßenen mit dem Untergang; die zwei Schiffe, auf denen sie mit ihren Reichtümern fuhren, wurden leck. Indessen beruhigte sich das Meer, und sie konnten in den Hafen von Emden einlaufen. In Emden wie überhaupt in Ostfriesland wohnten damals wenige deutsche Juden, vielleicht schon seit längerer Zeit.49

Sobald die Marranen zufällig durch hebräische Buchstaben und andere Zeichen von der Anwesenheit von Stammgenossen in dieser Stadt erfuhren, begab sich der angesehenste unter ihnen, Jakob Tirado, zu dem für gelehrt geltenden Mose-Uri Halevi (geb. 1544, gest. 1620), an dessen Haus sie hebräische Buchstaben bemerkt hatten, entdeckte sich ihm und äußerte seine und seiner Genossen Absicht, das Scheinchristentum los zu werden und vollständig, womöglich sofort, ins Judentum aufgenommen zu werden. Mose-Uri hatte aber Bedenken, einen so auffallenden Schritt, anscheinend die Bekehrung von Christen zum Judentum, in einer nicht bedeutenden Stadt, wo nichts verborgen bleiben konnte, zu tun. Er riet daher den Marranen, sich nach Amsterdam zu begeben, gab ihnen den Platz an, wo sie sich ansiedeln sollten, und versprach ihnen, mit seinem Sohne Ahron und seiner ganzen Familie zu ihnen zu kommen, bei ihnen zu bleiben und sie im Judentume zu unterweisen. Verabredetermaßen trafen die Marranen unter Tirado in Amsterdam ein (22. April 1593), suchten Wohnungen, die ihr Zusammenleben ermöglichten, ließen sich, als Mose-Uri mit den Seinen nachgekommen war, ins Judentum aufnehmen und unterwarfen sich freudigen Herzens der schmerzhaften und nicht gefahrlosen Operation. Der bereits betagte Jakob Tirado ging ihnen mit dem Beispiel des Mutes voran. Mose-Uri und sein Sohn richteten den Marranen darauf ein Bethaus ein und fungierten darin als Vorbeter. Dabei zeigten großen Eifer nicht nur Jakob Tirado, sondern auch der Konsul Samuel Pallache und ein aus Madeira eingewanderter marranischer Dichter Jakob Israel Belmonte, welcher die von der Inquisition verhängten Qualen in Versen unter dem passenden Namen Hiob geschildert hat.50 [460] Neue Ankömmlinge verstärkten die junge Gemeinde durch Personenzahl und Ansehen. Eine englische Flotte, die unter dem Grafen Essex die Festung Cadix überrumpelte und den Spaniern empfindlichen Schaden zufügte (Sommer 1596), brachte mehrere Marranen nach Holland und darunter einen originellen Mann, der nicht ohne Bedeutung für die Folgezeit war, Alonso de Herrera (geb. um 1570, starb 1631). Er stammte von jüdischem und altspanischem Blute ab; sein Ahn war der große Kapitän Gonsalvo de Cordova, Eroberer Neapels für Spanien (o. S. 6). Er selbst war spanischer Resident für Marokko in Cadix und geriet bei der Einnahme dieser Stadt in englische Gefangenschaft. Freigelassen, kam er nach Amsterdam, nahm das Judentum und den Namen Abraham de Herrera an (falsch Irira). Er wurde von Israel Saruk belehrt, ein Hauptbeförderer der lurjanischen Kabbala unter den gebildeten Juden (o. S. 420) und verlieh ihr einen gleißnerischen Firnis von der neuplatonischen Philosophie.51

Indessen wurde den Marranen in Amsterdam die Ausübung ihrer Religion nicht so leicht. Als diese erste portugiesische Gemeinde zum vierten Mal heimlich den Versöhnungstag feierte (Oktober 1596), fiel den christlichen Nachbarn das heimliche Hineinschleichen vermummter Gestalten in ein und dasselbe Haus auf; sie witterten verräterische Zusammenkünfte verschworener Papisten und zeigten es dem Magistrate an. Während die marranischen Juden in Gebet vertieft waren, drangen Bewaffnete in das Bethaus ein und verbreiteten [461] Schrecken unter den Versammelten. Da die meisten, noch erschreckt von den Überfällen der Inquisition, in Amsterdam ein ähnliches Los befürchtend, sich durch die Flucht retten wollten, erregten sie noch mehr den Verdacht der Amsterdamer Offiziere. Diese suchten nach Kruzifixen und Hostien und führten den Vorbeter Mose-Uri und seinen Sohn in den Kerker. Indessen wußte Jakob Tirado, der sich mit der Behörde lateinisch verständigen konnte, dieselbe zu überzeugen, daß die Versammelten nicht Papisten, sondern Juden, dem Moloch der Inquisition entflohen, wären, ferner daß sie viele Schätze mitgebracht hätten, und endlich daß sie viele Gleichgesinnte mit ihren Reichtümern aus Portugal und Spanien nachziehen und dem Handel Amsterdams Aufschwung geben würden. Tirados Rede machte Eindruck und die Gefangenen wurden entlassen. Da ihr Religionsbekenntnis einmal bekannt war, so wagten sie durch Jakob Tirado das Gesuch an den Magistrat zu richten, ihnen den Bau einer Synagoge zu gottesdienstlichen Zusammenkünften zu gestatten. Nach vielfacher Beratung wurde das Gesuch gewährt. Jakob Tirado kaufte einen Platz und baute darauf den ersten jüdischen Tempel im europäischen Norden, »das Haus Jakobs« genannt (Bet Jakob, 1598), das mit Begeisterung von der kleinen Gemeinde eingeweiht wurde.52

Die günstigen Nachrichten von den angesiedelten Marranen, die auf heimlichem Wege nach Spanien und Portugal gelangten, lockten immer mehr zu Auswanderungen. Die erste Anregerin derselben Mayor Rodrigues Homem fand auch Gelegenheit aus Portugal zu entkommen und sich mit ihrer schönen Tochter Maria Nuñes und ihrem Sohne Manuel zu vereinigen. Sie brachte ihren jüngern Sohn Antonio Lopez und ihre jüngere Tochter Justa Pereyra mit (um 1598); ihr Gatte scheint vorher das Zeitliche gesegnet zu haben. Zur selben Zeit traf auch eine andere angesehene Familie aus Portugal ein, die bereits den Flammen der Inquisition verfallen schien, die Familie Franco Mendes, Eltern mit zwei Söhnen Franciso Mendes Medeyros, einem literarisch gebildeten Manne, der den jüdischen Namen Isaak annahm, und Christopal Mendes Franco, reich und wohltätig, der sich Mardochaï nannte. Diese beiden spielten eine bedeutende Rolle in der Amsterdamer Gemeinde, haben aber später zu einer Spaltung Anlaß gegeben.

Philipp II. erlebte es noch, daß die zwei Volksstämme, die er am blutigsten gehaßt und verfolgt hatte, die Niederländer und die Juden, sich zum Verderben seiner Schöpfungen gewissermaßen [462] die Hand reichten. Denn der Staat Holland hatte seinen Nutzen von den eingewanderten portugiesischen Juden. Er war früher einer der ärmsten; der blühende Handel und der Luxus waren nur im Süden, im eigentlichen Flandern heimisch; die Abgeordneten der Nordstaaten dagegen pflegten sich zu den wichtigen Versammlungen unter Wilhelm von Oranien ihr Schwarzbrot und ihren Käse mitzubringen. Die erbitterten verheerenden Kriege hatten das Land noch ärmer gemacht. So waren denn die Kapitalien, welche die Marranen allmählich nach Amsterdam brachten, sehr willkommen und kamen dem ganzen Lande zustatten. Erst dadurch waren die Holländer imstande, den Grund zu ihrer Größe zu legen, indem sie den indischen Handel den mit Spanien in einer Mißehe verbundenen Portugiesen entrissen. Die Kapitalien der Marranen haben ohne Zweifel die Gründung der großen überseeischen Gesellschaften und die Ausrüstung von Handelsexpeditionen (Maatschappy van derre) erst ermöglicht, die Eingewanderten waren dabei beteiligt.53 Auch die Verbindungen, welche die portugiesischen Juden mit heimlichen Glaubensgenossen in den indischen Besitzungen der Portugiesen hatten, beförderten die Unternehmungen der Holländer.

Philipp II. starb (Sept. 1598) als ein abschreckendes Beispiel für eigensinnige und gewissenlose Despoten. Geschwüre und Ungeziefer hatten seinen Leib bedeckt und ihn zum Gegenstand des Abscheues gemacht, dem sich selbst seine zitternden Diener nur mit Ekel nähern konnten. Ein Geistlicher soll ihm diesen schmählichen Tod wegen seiner blutigen Härte gegen die Marranen prophezeit haben.54 Auch das große Reich, das er seinem schwachen Sohn Philipp III. hinterließ, war voll von Eiterbeulen und Ungeziefer; es ging seinem Siechtum entgegen und zählte nicht mehr im europäischen Völkerrate. Die Zügel der Regierung erschlafften, und dadurch wurde es den Marranen noch leichter, durch die Flucht den Fangarmen der Inquisition zu entkommen. Sie hatten jetzt ein Ziel, dem sie zusteuern konnten. Ein außerordentlicher Vorfall in Lissabon hatte auch die lauesten Marranen entzündet, sich dem Judentume wieder zuzuwenden. Ein Franziskanermönch Fray Diogo de la Asumção von altchristlichem Blute, durch das Bibellesen von der Wahrheit des Judentums und dem Ungrund des Christentums überzeugt geworden – das Bibellesen ist gefährlich – hatte diese seine Überzeugung gegen seine Ordensgenossen [463] offen ausgesprochen. Wozu wäre die Inquisition erfunden worden, wenn sie solche Verbrechen ungestraft lassen sollte? Diogo wurde in den Kerker geworfen; aber es gab da nichts auszuforschen, da er seine Missetat, seine Liebe zum Judentume, offen und ohne Rückhalt eingestand; höchstens mochte das Tribunal mit der Folter versuchen, ihn zu bewegen, seine Mitschuldigen anzugeben. Denn er hatte versichert, mehrere seiner Ordensgenossen teilten seine Überzeugung. Gelehrte Theologen wurden darauf angewiesen, den apostatischen Franziskaner durch Disputation von seiner Überzeugung abzubringen und die Schmach vom Christentume und dem Orden abzuwenden. Vergebens. Diogo blieb seiner Überzeugung von der Wahrheit des Judentums treu. Nachdem er ungefähr zwei Jahre im Inquisitionskerker zugebracht hatte, wurde er endlich bei einem feierlichen Autodafé in Lissabon in Gegenwart des Vizekönigs mit noch einigen andern Personen lebendig verbrannt (August 1603)55, darunter auch eine Marranin Thamar Barocas, die wahrscheinlich mit ihm in Verbindung gestanden hatte.

Diese Tatsache, daß ein geborener Christ, ein Mönch, für das Judentum gelitten hatte und standhaft gestorben war, machte auf die portugiesischen Marranen einen gewaltigen Eindruck und riß sie förmlich zum Bekenntnis ihrer Väter hin Die Inquisition hatte seitdem ihre Schrecken für sie verloren; sie traten offener mit ihrem Judentume auf, unbekümmert darum, ob sie dadurch dem Tode entgegen gingen. Ein junger Dichter David Jesurun, den die Muse schon von Kindesbeinen an anlächelte, und der daher von seinen Bekannten »der kleine Dichter« genannt wurde, besang in einem feurigen Sonett in portugiesischer Sprache den Feuertod des Märtyrers Diogo de la Asumçao:


»Du warst das Gold, vergraben im dunklen Gange des Blutgerichts,

Und wie das Gold das Feuer von Schlacken reinigt,

So wolltest Du im Feuer geläutert werden.

Du warst der Phönix, der sein Leben erneut

Und dem Tode nicht untertan bleibt.

Du verbranntest in der Glut,

Um aus der Asche wieder zu erstehen,

Ein Ganzopfer,

Im Feuer Gott dargebracht.

Im Himmel lachst du derer, die dich gemartert,

Und heißest nicht mehr Fray Diogo,

Sondern goldner Phönix, Engel, Opfer.«56


[464] Dieser glühende junge Dichter war so glücklich, der Inquisition zu entgehen und nach Amsterdam zu eilen. Er dichtete ein schwungvolles Lied in spanischer Sprache beim Anblick dieser Stadt, die ihm wie ein neues Jerusalem erschien.57 Auch auf sein Beschneidungsfest dichtete er einige Verse. Ein anderer marranischer Dichterjüngling wurde gerade durch den tragischen Tod des Franziskaners Diogo dem Judentum anhänglich. Paul de Pina, von poetischen Anlagen, hatte ein schwärmerisch-religiöses Gemüt und war im Begriff, Mönch zu werden. Einen seiner Verwandten, Diogo Gomez Lobato, im Herzen dem Judentum anhänglich, erfüllte ein solcher Schritt mit Schmerz, und er wollte ihn daran hindern. Er gab ihm daher auf seiner Reise nach Italien ein Schreiben an den zu seiner Zeit gefeierten jüdischen Arzt Elia Montalto, früher als Scheinchrist Felix Montalto58 genannt. [465] folgenden Inhalts mit: »Unser Vetter Paul de Pina geht nach Rom, um Mönch zu werden. Ihre Gnaden werden mir die Gunst erweisen, ihn davon abzubringen.« Wenn dieser Brief einem Mitgliede der römischen Inquisition in die Hände gefallen wäre, so hätte es dem Schreiber und Empfänger das Leben gekostet. Elia Montalto, jüngerer Bruder des ausgezeichneten Arztes Amatus Lusitanus (o. S. 327), hatte ebenfalls Portugal, sein Geburtsland verlassen, um dem Judentume zu leben. Er ließ sich in Livorno nieder, der neuen Hafenstadt, welche die Herzöge von Toskana nach der Zerstörung des Hafens von Pisa zur Blüte erhoben. Montalto galt als ein ebenso geschickter Arzt wie sein Bruder, und der Herzog ließ sich von ihm behandeln. Er war auch eingelesen in die theologische Literatur und hatte das klare Bewußtsein darüber, warum er die Dogmen des Christentums für falsch hielt. Als er in Venedig weilte, führte ihm ein Edelmann einen Franziskanermönch zu, welcher mit ihm disputieren und die Wahrheit des Christentums beweisen wollte. Da die Disputation sich in die Länge zog und Montalto gerüstet war, die landläufige kirchliche Beweisführung zu widerlegen, so bat ihn der Mönch, seine Widerlegung gegen die christlichen Dogmen ihm schriftlich nach Spanien nachzusenden, wohin er sich eiligst begeben müßte. Zu diesem Behufe verfaßte Montalto eine Widerlegungsschrift, welche von der Unhaltbarkeit der Erbsünde und des daraus gefolgerten Erlösungsdogmas ausging und die falsche Auslegung des dreiundfünfzigsten Kapitels des Propheten Jesaia beleuchtete59 – die wertlose Fundgrube für die christliche Dogmatik. Es fiel Montalto nicht schwer, den jungen de Pina, der ihm den Brief überbrachte, von seinem Entschlusse abzubringen und ihn für die Religion seiner Väter zu gewinnen. Es scheint ihm indessen nur soweit gelungen zu sein, daß de Pina zunächst die Reise nach Rom aufgab, sich nach Brasilien einschiffte, dann wieder nach Lissabon zurückkehrte, aber im Christentum verharrte. Erst der Märtyrertod des Diogo de la Asumção scheint ihn vollständig gegen das Christentum eingenommen zu haben. Mit der Trauerbotschaft eilte er nach Amsterdam (1604), trat mit Begeisterung zum Judentum über und nahm den jüdischen Namen Rohel (Rëuel) Jesurun an. Der für sein Heil so sehr besorgte Verwandte Lobato nahm ebenfalls offen das jüdische Bekenntnis an und nannte sich Abraham Cohen.60 De Pina wurde einer der eifrigsten Bekenner des Judentums und eine Zierde der Amsterdamer Gemeinde.

Die Anhänglichkeit an das Judentum, welche portugiesische Marranen seit der Zeit unvorsichtig zeigten, mehrte natürlich die [466] Opfer der Inquisition. Hundertundfünfzig derselben wurden nicht lange darauf in finstere Kerker geworfen, gemartert und zum Geständnis gebracht. Es schien dem Regenten von Portugal selbst bedenklich, eine so große Zahl verbrennen zu lassen. Außerdem hatten die marranischen Kapitalisten den spanischen Hof, dem seit der Vereinigung beider Königreiche auch Portugal zugehörte, gewissermaßen in Händen. Er schuldete ihnen hohe Summen, die er wegen der zunehmenden Verarmung beider Länder nicht zahlen konnte. Diese Marranen boten dem König Philipp III. Entlastung von den Schulden und überdies noch ein Geschenk von 1200 000 Cruzados (2400 000 Mark), wenn den eingekerkerten Marranen Verzeihung gewährt werden würde. Um die Räte dafür zu gewinnen, den König für die Begnadigung der Marranen umzustimmen, wurden auch ihnen 150000 Cruzados gegeben. Infolgedessen zeigte sich der Hof für den Gnadenweg geneigt und wandte sich an den Papst Clemens VIII., die Inquisition zu ermächtigen, diesmal nicht auf dem Tod der Sünder zu bestehen. Dieser erinnerte sich oder wurde daran erinnert, daß seine Vorgänger Clemens VII. und Paul III. den portugiesischen Marranen Absolution erteilt hatten. Er tat dasselbe und erließ eine Bulle der Begnadigung für die eingekerkerten Scheinchristen (23. August 1604). Die Inquisition begnügte sich daher mit der erheuchelten Reue der Eingekerkerten. Mehrere Hundert derselben wurden in Büßerhemden zum Autodafé in Lissabon geführt (10. Januar 1905), nicht um die Scheiterhaufen zu besteigen, sondern um, ihre Schuld öffentlich bekennend, lediglich dem bürgerlichen Tode zu verfallen.61 Von diesen aus den Kerkern [467] Befreiten begaben sich alle oder doch sehr viele nach dem neueröffneten Asyle, darunter auch Joseph ben Israel nach dreimal erlittener Höllenpein und mit zerrütteter Gesundheit und Verlust seines Vermögens. Er brachte seinen Sohn Manasse – oder wie er als Christ geheißen haben mag – als Kind mit62, das berufen war, ein schönes Blatt in der jüdischen Geschichte zu füllen.

Zweihundertachtundvierzig Männer nahm Mose-Uri allmählich in den Bund des Judentums auf63, so sehr wuchs die Zahl der jungen Amsterdamer Gemeinde. Sie ließen sich einen Rabbinen sefardischer Abkunft aus Salonichi kommen, Joseph Pardo (starb 10. Dez. 1619), der die Stimmung der halbkatholischen Gemeindeglieder gut kannte und ihnen ein Buch (in spanischer Sprache) in die Hand gab, das einen mehr christlichen als jüdischen Ton anschlägt.64 Bald genügte die von Tirado erbaute Synagoge Bet-Jakob für die große Zahl der Beter nicht mehr, und es mußte eine neue (Newe Schalom) erbaut werden (1608). Sie wurde von Isaak-Francisco Mendes Medeyros65 und seinen Verwandten gegründet. Wie den Entdeckern eines bis dahin unbewohnten Landes jeder Schritt, den sie in dasselbe setzen, jede neue Einrichtung, die sie ins Leben gerufen und alle Personen, die sich dabei durch irgend etwas hervorgetan, wichtig und denkwürdig bleiben, so zeichnete die junge Amsterdamer Gemeinde freudig alles auf, was bei ihren Anfängen in ihrer Mitte vorgegangen war. Sie bewahrte auch die Namen derer, welche in der zweiten Synagoge fungierten: Juda Vega, aus Afrika eingewandert, als Rabbiner, und Ahron Uri, Sohn des ersten Gemeindegründers, als Vorbeter. Vega, der mehr talmudische Kenntnisse besaß, als er in Amsterdam verwerten konnte, hielt es [468] nicht lange in einer Gemeinde aus, deren Mitglieder kaum richtig hebräisch zu lesen verstanden, verließ sie daher, um in Konstantinopel einem Lehrhause vorzustehen. Dort verfaßte er ein Geschichtswerk von der Tempelzerstörung bis auf seine Zeit66, das er lieber den portugiesischen Halbchristen in die Hand hätte geben sollen. – Besser paßte für diese eigentümliche Gemeinde sein Nachfolger Isaak Usiel (starb 1620), der ebenfalls aus Afrika (Fez) herübergekommen war, wahrscheinlich ebenfalls einer Flüchtlingsfamilie angehörte und daher seine Schicksalsgenossen in Amsterdam gut kannte. Er war Dichter, Grammatiker und Mathematiker, aber mehr als dieses alles ein eindringlicher, das Gemüt ergreifender Prediger, der es zuerst wagte, die durch katholische Gewohnheiten eingelullten Gewissen seiner Zuhörer mit gewaltiger Stimme aufzurütteln, daß sie nicht glauben sollten, durch gedankenlos ausgeübte religiöse Riten einen Freibrief, gewissermaßen einen Ablaß für Sünden, Torheiten und Modelaster erkauft zu haben. Isaak Usiel schonte auch die Angesehensten und Mächtigen seiner Gemeinde nicht, zog sich aber dadurch ihren Haß zu, der bis zur Spaltung führte. Dafür hatte er auch hingebende Anhänger gefunden, die ihn in begeisterten Versen besangen.67

Für die religiöse Sammlung und Kräftigung der religiös verwilderten portugiesischen Auswanderer war auf diese Weise gesorgt, aber noch nicht für die Bestattung ihrer Toten. Sie waren gezwungen, sie weitab von der Stadt nach Groede (in Nordholland) zu führen. Durch Bemühung der hervorragenden Gemeindeglieder, des Jakob Israel Belmonte, des dichterischen Rohel Jesurun (de Pina) und anderer, erlangten sie nicht gar zu weit von Amsterdam in Ouderkerk (bei Muiderberg) einen Begräbnisplatz [469] (April 1514)68, was der Gemeinde große Freude machte. Der erste Mann, welcher darauf begraben wurde, war Manuel Pimentel (jüdischer Name Isaak Abenacar), der ein vertrauter Spielgenosse des französischen Königs Heinrich IV. war und von ihm »König der Spieler« genannt wurde.69 Zwei Jahre später wurde die Hülle des bedeutenden und edlen Elia Felice Montalto nach diesem Friedhofe aus der Ferne gebracht.

Die Königin Maria de Medici, Gemahlin Heinrichs IV. von Frankreich, welche ihn von ihrem Vaterhause kannte, schätzte ihn so hoch, daß sie ihn bewog, nach Paris zu kommen. Montalto stellte aber die Bedingung, daß es ihm, seinem Hause und seinem Anhang frei stehen sollte, als Juden zu leben, was ihm auch bewilligt wurde. Der Hof nahm auch außerordentliche Rücksicht auf seine religiöse Observanz. Als eine Prinzessin entfernt von Paris erkrankt war und Montalto gedrängt wurde, an ihr Siechenbett zu eilen, aber Bedenken hatte, daß er die Reise nicht vor Eintritt des Sabbats zurücklegen könnte, ließ der König mehrere Postgespanne für den Weg vorauseilen, damit er noch rechtzeitig an Ort und Stelle ohne Zeitverlust eintreffen könnte.70 Nach dem Tode Heinrichs IV. blieb er Leibarzt des Hofes und begleitete ihn auf allen Reisen. In dieser Begleitung verschied er in Tours (16. Februar 1616). Die Königin ließ seine Leiche einbalsamieren und unter Begleitung seines Sohnes, seines Oheims und seines Jüngers Saul Morteira über Nantes nach dem Begräbnisplatze von Ouderkerk bringen.71 Indessen waren die Amsterdamer Juden gezwungen, eine sehr geraume Zeit von jeder Leiche eine Abgabe an die Kirchen zu leisten, vor welchen sie vorbeigeführt wurde.72 – Überhaupt waren sie in der ersten Zeit offiziell nicht geduldet, sondern lediglich übersehen. Es herrschte gar anfangs ein Mißtrauen gegen sie, daß sie unter der Maske von Juden Spionsdienste für das katholische Spanien leisteten und auf Verrat sännen. Aber auch als die Machthaber und die Bevölkerung sich von ihrem aufrichtigen Hasse gegen Spanien und Portugal überzeugt hatten, waren sie noch weit entfernt, sie als eine eigene Religionsgenossenschaft anzuerkennen und sie zu dulden. Auf eine kurze Zeit wurden die Synagogen verboten [470] und geschlossen.73 Jüdische Flüchtlinge aus der pyrenäischen Halbinsel, die in Havre angekommen waren, wurden noch ins Gefängnis geworfen.74 Zu dieser Unduldsamkeit in dem Lande, wo die Religionsfreiheit zuerst ihren Tempel erbauen sollte, trug der leidenschaftliche Streit zwischen zwei reformatorischen Parteien bei, den Remonstranten und Kontraremonstranten. Die erstern, die Anhänger des Predigers und Professors Arminius (die Arminianer), waren milder in der Auslegung und Anwendung des Christentums als ihre Gegner, die finstern Calvinisten, holländische Independenten, die Parteigänger des Professors Gomarus (Gomaristen). In Amsterdam hatten die Kontraremonstranten das Übergewicht und verfolgten ihre Gegner, die als heimliche Anhänger Spaniens und als Verräter galten. Obwohl die Remonstranten Grund hatten, für allgemeine Duldung aller Glaubenssekten zu wirken, traten gerade sie als Ankläger gegen die Juden auf. Sie beschwerten sich öfter beim Magistrate von Amsterdam, daß alle Sekten in der holländischen Hauptstadt zugelassen würden, sogar die Juden, welche »den Heiland schmähen«, nur sie selbst nicht.75 Das Staatsoberhaupt, der Prinz Moritz von Oranien, war zwar den Juden günstig, aber er vermochte nichts gegen den Geist der Unduldsamkeit und die Selbständigkeit der einzelnen Staaten und Städte. Auch in Holland wurde demzufolge eine Judenfrage verhandelt und eine Kommission zur Beratung ernannt. Endlich wurde beschlossen (1615), daß jede Stadt, so wie Amsterdam, eine besondere Verordnung in betreff der Juden erlassen könne, sie zu dulden oder auszuweisen; aber da, wo sie geduldet wurden, sollten sie nicht gehalten sein, ein Abzeichen zu tragen.76 Auf wiederholte Beschwerden der Remonstranten legte der Bürgermeister Reinier Pauw dem Rate die Erwägung vor (15. Oktober 1519), was dagegen geschehen sollte, daß die vielen aus Portugal geflüchteten Juden sich sogar mit den Töchtern des Landes vermischten, welches ein großes Ärgernis gäbe, und besonders den Remonstranten Gegenstand der Beschwerden wäre, denen der Gottesdienst verboten würde, während er den Juden gestattet sei. Darauf wurde der Beschluß gefaßt (8. November), daß fleischlicher Umgang der Juden mit christlichen Frauen, selbst mit Dirnen, streng untersagt werden solle, im übrigen bliebe es ihnen gestattet, sich frei zu ihrer Religion zu bekennen.77

Indessen, das damals noch nicht reiche Amsterdam konnte die Juden, welche Reichtümer und Weltkenntnis dahin verpflanzt hatten, nicht mehr entbehren. Die veralteten Vorurteile gegen sie schwanden [471] daher im nähern Verkehr mit ihnen immer mehr. Denn die eingewanderten portugiesischen Juden verrieten durch ihre gebildete Sprache, ihre Haltung und Manieren nicht, daß sie zu einer verworfenen Kaste gehörten; sie traten vielmehr durchweg als Edelleute auf, mit denen zu verkehren es manchem christlichen Bürger zur Ehre gereichte. Sie wurden daher mit einer gewissen Vorliebe behandelt. Bald wuchs ihre Zahl zu vierhundert Familien an, und sie besaßen in der Stadt dreihundert Häuser.78 Es dauerte nicht lange, so entstand eine hebräische Druckerei in Amsterdam, welche die Argusaugen der Zensur nicht zu fürchten brauchte. – Aus Neid über den durch die portugiesischen Juden Amsterdam zugefallenen Wohlstand rissen sich manche christliche Fürsten um sie und luden sie in ihre Länder ein. Der König Christian IV. von Dänemark richtete ein Schreiben an den jüdischen Vorstand von Amsterdam (25. November 1622), daß er einige Mitglieder ermuntern möge, sich in seinen Staaten und besonders in Glückstadt niederzulassen; er verhieß ihnen Freiheit des Gottesdienstes und noch andere günstige Privilegien.79 Der Herzog von Savoyen lud portugiesische Juden nach Nizza und der Herzog von Modena nach Reggio ein, und beide räumten ihnen weitgehende Freiheiten ein.80 So bildeten sich inmitten der finstern verfolgungssüchtigen Christenheit, deren zwei Religionsparteien im dreißigjährigen Kriege Schwerter gegeneinander zückten, kleine freundliche Oasen für die Juden, von wo aus sie die eingebüßte Freiheit wieder erobern und sich allmählich aus der schweren Knechtschaft erheben konnten.

Die geduldete Niederlassung der portugiesischen und spanischen Marranen ermutigte die gehetzten Opfer der Inquisition, auch in Frankreich unter dem protestantisch gesinnten König Heinrich IV. sich anzusiedeln. Sie hatten die damals schon blühende Handelsstadt Nantes in Aussicht genommen. In Berücksichtigung des Wohlstandes, welchen die Flüchtlinge aus der iberischen Halbinsel überall förderten, und aus Feindschaft gegen Spanien gestattete ihnen dieser König die Ansiedlung in dieser Stadt (um 1600). Bald wuchs ihre Zahl auf mehr als fünfhundert Personen. Nur mußten sie, wie ihre Schicksalsgenossen in Bordeaux ihr Bekenntnis verheimlichen. Hier hatten sie aber Feinde nicht bloß an den katholischen Geistlichen, sondern auch an der auf ihren Welthandel neidischen Kaufmannschaft. Sobald Heinrich IV. die Augen geschlossen hatte, wies sein Sohn oder vielmehr die Königin-Regentin die Marranen aus Nantes (1615)81.


Fußnoten

1 Vergl. über Arias Montanus' Verfolgung Llorente, histoire de l'Inquisition en Espagne III p. 75 fg. und über den Charakter der ersten Polyglotte (Regia), gedruckt Antwerpen 1569-1572, bei Wolf Bibliotheca II p. 341 fg.


2 1573. S. Menzel, Geschichte von Preußen in Heeren und Uckert I. p. 346. Mendelsohns Vorrede zu Manasse ben Israel.


3 Gans, Zemach David I. und II. zum J. 1574.


4 Schaab, diplomatische Geschichte der Juden von Mainz S. 182 fg. Zeit zwischen 1577-1582.


5 Wolf, Aktenstücke in Maskir I. p. 131 vom Jahre 1577.


6 Wolf a.a.O.


7 Seine Biographie von Hook, in Liebens Grabsteinschriften des Prager Friedhofes S. 2 fg.


8 Seine Schrift הלוגה ראב (Prag 1580) ist eine fortlaufende Polemik gegen alle diejenigen, welche auch nur einen leisen Zweifel an der talmudischen Agada ausgesprochen haben; von p. 38 b an ist die Polemik gegen Asarja deï Rossi gerichtet.

9 Gans, Zemach David I. z.J. 5352. Die Unterredung Liwas mit dem Kaiser fand statt 1592 und schon Ijar desselben Jahres verließ er Prag. Über den großen Brand in Posen Juni 1590 s. Perles a.a.O. 30.


10 Quellen über ihn bei seinem Zeitgenossen Gans das.; die Grabschrift auf ihn bei Lieben a.a.O. Nr. 16 und Hook dazu; Fortsetzer des Emek ha-Bacha p. 171 fg. Wolf, Aktenstücke, Maskir Jahrg. 1862 p. 40.


11 Auf Meisels Grabschrift heißt es: דעו תיב השעו םימכחל, und von Liwa b.B. referiert Gans I. 5352: אויל זיולק ארקנה םימכחל דעו תיב דסי .. 'ב 'ב; daraus scheint die Identität Beider hervorzugehen.


12 Folgt aus dem Aktenstück, mitgeteilt von Wolf, Maskir a.a.O.


13 Das.


14 Jünger Schachnas und Genosse Isserles', starb in Friedberg 1588.


15 Maskir V. p. 75.


16 Bulle vom 30. März 1581: Multos adhuc ex Christianis hominibus esse, qui ... praecipue Judaeorum et aliorum infidelium cura sanari volunt.


17 Bulle vom 1. Juni 1581. Ne quosvis libros Thalmudicos ... etiam sub praetextu, quod expurgati fuerant vel donec expurgentur, legere, habere vel retinere, emere vel vendere aut evulgare audeant vel praesumant (Judaei).


18 Bulle vom 1. Sept. 1584 im Bullarium magnum Romanum, auch bei Bartolocci Bibliotheca III p. 784.


19 Bei Bartolocci das. p. 785. Der das. genannte Elia Corcossus et doctrina et divitiis inter suos princeps, scheint nicht identisch zu sein mit סוקרוק הילא 'המכ אפור bei de Pomis, Einleitung zu seinem דוד חמצ von 1587.


20 Charles Dejob in Revue d. Et. XI 87. Dejob vermutet, daß dieser Prediger Andrea de Monti identisch sei mit demjenigen, welchen Montaigne im Jahre 1581 in Rom gehört hat, und den er bezeichnet als: un Rabi renié qui prêchait les Juifs le Samedi après-diner.


21 Leti, vita di Sisto Quinto c. 14. Auffallend ist, was der Fortsetzer des Emek ha-Bacha von ihm berichtet p. 147: הולשב וימיב לארשי תיראש ובשיו ... וירוגירג רויפיפא .רושימבו


22 Ranke, Fürsten und Völker II. S. 466.


23 Bulle vom 22. Okt. 1586: Christiana pietas infelicem Hebraeorum statum commiserans, findet sich nicht in allen Bullarien, sondern nur in Coquelines' Bullarum etc. amplissima collectio Tomus IV. pars IV. Nr. 69 der sixtinischen Konstitutionen. Sie ist größtenteils in italienischer Sprache abgefaßt, in der ausgesprochenen Absicht, damit sie von dem Volke gelesen werde. Der Inhalt ist auch angegeben in der Fortsetzung des Emek ha-Bacha p. 155. Vergl. Leti das.


24 De medico Hebraeo enarratio apologetica (Venedig 1588); sein zweites Hauptwerk דוד חמצ, Lexicon Hebraicum (das. 1587). Die Einleitung enthält das angegebene Biographische.


25 Vergl. darüber Emek ha-Bacha p. 155; Bericht M. Mortaras, Zensur hebr. Bücher in Italien und Canon purificationis = קוקזה רפס in Maskir V. p. 72 fg., 96 fg.


26 1570-1580 vergl. darüber Wolf Bibliotheca II p. 900 fg.


27 Leti a.a.O.


28 Leti zum Jahre 1587 in den Ausgaben vom Jahre 1593 und folgendenden, Parte terza, libro II p. 135. In den älteren Ausgaben fehlt diese Erzählung, weil Leti sie erst später zur Charakteristik dieses Papstes nachgetragen hat.


29 Vergl. über ihn die hebr. Bibliographie und Wolfs Aktenstücke in Maskir I. p. 18.


30 Revue d. Et. X, 180 fg. Auf ein dringliches Gesuch der Bürgerschaft von Ferrara gestattete er ausnahmsweise dem ihm als geschickt geschilderten jüd. Arzte Mose Alatino (wahrscheinlich Sohn des Vital Alatino) und seinem Sohne Bonajudo christliche Patienten zu behandeln, Juli 1592. Revue XIX, 134 f.


31 Bulle in Bullarium Clementis VII. constitutio 19; Emek ha-Bacha p. 158.


32 Bulle das. const. 20.


33 Das. const. 26.


34 M. Mortara in Maskir a.a.O. p. 75.


35 De Barrios Historia Universal Judayca p. 69; Emek ha-Bacha p. 155


36 M. Mortara das. p. 76, 97 fg.


37 Emek ha-Bacha p. 154, 157 fg.


38 Luzzatto aus einem Kodex von 1584 in Maskir VII. p. 23. דעב ק"פל ה"מש תנש הראריפב תישענ הלפת בוט תשרוד םידוהיה תבהוא" .... יטסיא יד הרונואיל הרויניס ".םידדצ ידצ לכב ונימעל


39 Fortsetzer des Emek ha-Bacha p. 165 fg.


40 Vergl. über die Ansiedelung und Geschichte der Marranen in Bordeaux Malvesin, histoire des Juifs à Bordeaux 104 ff. Das Privilegium für sie von Heinrich II. das. 106 f. stammt vom Jahre 1550.


41 S. oben 331 f.


42 Über die Geschichte der Juden in Belgien und Holland: Carmoly, Revue orientale I. p. 42 fg., 168 fg. Koenen Geschiedenis der Joden in Nederland p. 127 fg. Emile Ouverleaux »Notes et Documents sur les Juifs de Belgique« Paris 1885, Separatabdruck aus Revue d. Et. J., Tome VII, VIII, IX. Eine Kommission vom Jahre 1653 richtete an den Erzherzog Leopold Wilhelm eine Denkschrift, worin angegeben ist, daß Karl V. und Philipp II. Befehl erlassen hätten, die Marranen aus den Niederlanden auszuweisen. (Bei Ouverleaux p. 32). »Pero hallamos que en el año 1550 y 1559 fueron publicados en este pais dos edictos sobre la salida de los marranos judios o nuevos christianos que echados de Portugal y España havian venido á este pais, mas esto se hizo entonces de autoridad del Rey.« Koenen S. 130 das. bemerkt mit Recht, daß die Furcht vor der Inquisition die Bürger gegen die Marranen eingenommen hat.


43 Koenen a.a.O. p. 133 vom J. 1570.


44 Das. vom J. 1571.


45 Samuel Valerio, Komment. zum Daniel (gedr. 1586) p. 76a. Siehe italienische Information Ende, Note 6.


46 Koenen das. p. 190 f.


47 Das.


48 S. Note 11.


49 Vergl. Gans, Zemach David II. zum J. 1581 הז רבד ןדריונ ןמלביוו רמכ ןירוא רבו .ןדמע שביוו יראשמ ... יתעמש .דנלזירו תנידמ יבשוי םירחא םיברמו


50 De Barrios, Triumpho del govierno popular p. 61 fg, wo auch die übrigen ersten Gemeindemitglieder aufgezählt sind; über Belmonte das. und in andern kleinen Schriften dess. Verf.


51 Ders. Historia universal Judayca p. 20. Diese Relation ist noch wenig beachtet. Darum gebe ich sie hier mit einer kurzen Beleuchtung. Es heißt daselbst, daß der Prinz Moritz von Oranien samt dem Adel vom Haag der Leiche des Residenten Samuel Pallache (1616) folgte. Dasselbe geschah zu Ehren des Abraham Herrera; dann fährt de Barrios fort: come en el de 1531 (leg. 1631) el del insigne Jaxam Abr. Herrera, cuya vida canta este soneto; es ist eine Grabschrift:


»Don Alonso de Herrera con nobleza

Fue del gran Capitan gran descendiente,

Y del Rey de Marruecos Residente.

Donde en el Cabo Herculeo el mar empieza,

Prendiolo la Anglicana fotaleza,

Quando a Cadiz rindio su naval gente.

Y en la tierra de Hollanda al fin sapiente

Guardó la ley Mosayca con firmeza,

Llamose Abraham Herrera, y el loado

Libro de Cabalá con docto anhelo

Hizo, Puerta del Cielo intitulado etc.


Das Faktum von der Einnahme von Cadix durch die englischen Flotten fiel 1596 vor, wie aus der englischen Geschichte bekannt ist.


52 S. Note 11; andere Quellen geben diese Fakta ein wenig verschieden an.


53 Manasse Ben-Israel, Humble Address to the Protector Cromwell in Jewish Chronicle, Jahrg. 1859 Nov. Dec.; deutsch von Kayserling, Jahrb. des literarischen Vereins 1861 p. 158; de Barrios, Historia universal Judayca p. 4.


54 Mitteilung des Marranen Abraham Ibn-Jaisch bei Chajim Vital, Selbstbiographie p. 24.


55 Manasse Ben-Israel, Spes Israelis p. 88. Ishak Cardoso, Excellencias p. 363; de Barrios, Govierno popular Judayco p. 43. Die Spanier nannten den portugiesischen Proselyten-Märtyrer in ihrer Aussprache Diego de la Assención.


56 De Barrios, Triumpho del Govierno popular p. 75.


57 Das. p. 74.


58 Das. Relacion los Poetas p. 55; Barbosa Machado Lusitana II, p. 75; derselbe bemerkt, Montalto sei ein jüngerer Bruder des Amatus Lusitanus gewesen. Von Montaltos Entrüstung über die Aufschneidereien der Lurjanisten, als er noch in Italien war, w.u. Über seine Schriften s. die Biographien und Carmoly, histoire des Médecins Juifs p. 169. Handschriftlich ist von ihm noch vorhanden: Trattado sobre o Capitulo 53 de Isaias e otros textos de sagrada Escritura in portugiesischer Sprache, im Besitze des Dr. Kayserling (vergl. Frankel, Monatsschrift 1868 S. 323). Die Seminarbibliothek besitzt ebenfalls eine Handschrift von Montalto (Nr. 87) unter dem Titel Trattado por el Doctor Montalto sobre el capitulo de Ezayas in spanischer Sprache, kopiert 1670. Es ist nur ein Auszug aus dem Original. Die Veranlassung zur Abfassung dieses Traktats, welche im Original im Anfang gegeben ist, befindet sich im Spanischen zum Schluß. Das von de Rossi in der Bibliotheca judaica antichristiana Nr. 120 angeführte libro feyto por el illustre Eliau Montalto ist entschieden identisch mit dem Trattado nach dem von de Rossi angegebenen Inhalt. Dagegen ist das Razonamiento del señor Haham Montalto en Paris eine Pseudepigraphie, so wie das ganze in Brüssel 1868 von Kaplan edierte Werkchen unter dem Titel Daniello ó repuesta á los Christianos pseudepigraph ist. Alles, was darüber in der Monatsschrift a.a.O. gesagt ist, hat nicht den geringsten historischen Wert. Interessant ist, was Leon Modena über Montalto berichtet in םהנ ירא p. 66. Der kabbalistische Sendbote aus Palästina, Juda Galante, hatte in Venedig von den Wundern erzählt, die Isaak Lurja verrichtet haben soll. Da er krank wurde, behandelte ihn Montalto in Venedig und war außer sich über diese Wundertäterei. קועצל ליחתהו ותטמ לע בשיו אפורה קזחיו באכה ותוא וזחא ונבשח יכ .ול היה המ ונעדי אל .לודג לוקב רקש לכה !ינומה יח לובסל לוכי יניא :רמא ותקעצבו .ילוחהמ המ דע עדוי ונתא ןיאו איבנ דוע ןיא וניאר אל וניתותוא .בזכו. Modena bemerkt dabei ein Datum: הז ינפב היהש המ הנש ה"כ ןמ רתוי. Dieses Datum muß indes näher bestimmt werden. Das antikabbalistische Werkchen ירא םהנ vollendete der Verf. Winter 1638 (zum Schluß); 25 Jahre und mehr vorher, wäre etwa 1613 oder 1612. Allein Montalto war noch vor Heinrichs IV. Tod (1610) nicht in Venedig, sondern in Paris (s.w.u.). Man müßte also lesen רתויו ח"כ. Das wäre 1610 oder 1609.


59 Barrios, Casa de Jacob 18.


60 Barrios, Casa de Jacob 18.

61 Ohne Zweifel jene Massenanklage in Portugal, welche die Bulle Clemens' VIII. vom 23. August 1604 veranlaßt hat, Nr. 342 der Clementinischen Constitutiones: Absolutio et venia generalis pro conversis a Judaismo ad fidem Christianam, iisque, qui ab iis descederunt in locis.. Portugalliae. Der Anfang lautet: Postulat a Nobis officii pastoralis ratio. Dann heißt es: Cum itaque.. in Portugalliae et Algarbiorum regnis. ... post editas a Clemente VII. et deinde a Paulo III. ... literas super generali venia et absolutione ... omnibus et singulis.. ex Hebraica perfidia ad Christi fidem conversis. .... nonnulli ex genere hujusmodi oriundi Hebraicam perfidiam rursus sectari. ... non dubitaverint ... Da die rücksichtslose Strenge der Inquisition das Übel nur noch schlimmer gemacht habe, von der Milde dagegen eine aufrichtige Bekehrung zu erwarten sei ... et hi omnes ... sub ejusdem Philippi (III.) regis id summopere desiderantis et a Nobis exposcentis ac enixe postulantis obedientia revertantur. Darum erteilt der Papst eine allgemeine Absolution und befiehlt der Inquisition, die Eingekerkerten in Freiheit zu setzen. Über das Faktum der Absolution vergl. Kayserling, Geschichte der Juden in Portugal S. 284. Manuel Thomaz referiert darüber (Leis extravagantes do Reino de Portugal p. 1888): Christiaõs Novos desobrigaraõ a fazenda Real da divida, a quel lhe eraõ credores, e contriburaõ alem disso com o serviço de um milho e duzentos mil cruzados pelo perdão geral, que o Soberano obteve do Santo padre.


62 S. Kayserling, Manasse ben Israel im Jahrbuch des Lit.-Vereins 1861. S. 61 fg.


63 Scaligerana II. (vor Jan. 1609, Scaligers Todesjahr) Artikel Judaei: Il y a plus de 200 Juifs Portugais à Amsterdam. De Barrios, Casa de Jacob p. 1, 2.


64 De Barrios, vida de Ishak Huziel und an anderen Orten; Bartolocci Biblioth. III p. 817, Wolf I. p. 237, 556; der erstere sagt eigentlich J. Pardo vertit 1610 librum תובבלה תבוח, also nicht gedruckt in diesem Jahre.


65 De Barrios, Casa de Jacob p. 10; Govierno popular p. 27. Vergl. über die Gründungen der ersten Synagogen in Amsterdam S. H. de Castro, de Synagoge der Portugeesch-Israel. Gemeente te Amsterdam (1875) p. 5 fg.


66 Die Nachrichten über ihn hat de Barrios erhalten: Vida de Ishak Huziel p. 42 und Triumpho del Govierno popular Judayco Bl. 3 b. An der ersten Stelle versifizierte er:


El sabio Vega ... Y hay en la rara Synagoga Griega

El Libro Jazania (?) intitulado,

De quanto á sus Hebreos ha passado,

Desque que á destruirlos Tito Ilega.


Das heißt eigentlich, was den Hebräern zustieß seit der Tempelzerstörung durch Titus. Basnage, histoire des Juifs (V. p. 2093) hat die Stelle mißverstanden »bis zur Zerstörung des Tempels« und Wolf hat den Irrtum fortgepflanzt (Biblioth. III, p. 313). Über einen andern Juda Vega (אגיב, falsch bei Zunz und Fürst: Bigo), Verf. der Predigtsammlung הדוהי יכלמ (Lublin 1616), vergl. Conforte p. 40.


67 Hauptquelle über ihn de Barrios: Vida de J. Huziel. Dort ist angegeben, daß er 1607 von Fez nach Amsterdam gekommen ist. Gedruckt ist von ihm eine kurze hebr. Grammatik ןושל הנעמ 1627.


68 Das. Triumpho del Govierno popular p. 83 (falsche Pagina-Zahl), Gemilat Jassadim p. 50.


69 Das. Triumpho p. 84.


70 Ders. Vida de Huziel p. 37 fg. Relacion de los poetas p. 55 s.o. S. 85.


71 Auch Bassempierre, memoire de sa vie zum Jahre 1615 erzählt von Montaltos Tod und dessen Leichenkondukt nach Amsterdam auf Veranlassung der Königin Mutter.

72 Koenen a.a.O. p. 149.


73 Koenen, p. 146. Vergl. S. H. de Castro a.a.O. p. 6 fg.


74 Das. p. 147, Note 1.


75 Das. p. 146.


76 Das. p. 147.


77 Das. p. 146.


78 Manasse ben Israel, Estatua de Nabuchadnezar p. 248. Humble Adress to the Protector Cromwell.


79 Ders. Adress; David Franco Mendes bei Koenen p. 430; de Barrios, Historia Universal Judayca p. 4.


80 Das.


81 Vergl. Revue d. Et. XVII, 125 f.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1907, Band 9, S. 473.
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