4. Kapitel. Der Streit um den Talmud, ein Schibolet der Humanisten und Dunkelmänner. (Fortsetzung.)

[93] Reuchlins Gutachten zugunsten des jüdischen Schrifttums und der Juden. Die anderen Gutachten; Hochstraten für ein ständiges Inquisitionsgericht gegen die Juden. Die Mainzer Universität gegen die Bibel. Mißbrauch der Dominikaner von Reuchlins Gutachten. Der Handspiegel; erste Schmähschrift gegen Reuchlin; dessen Augenspiegel zugunsten der Judenschafft eine öffentliche Meinung. Freude der Juden und Jubel des Humanistenkreises darüber. Engherzigkeit und Kurzsichtigkeit Erasmus', Pirkheimers und Mutians.


(1510 bis 1511.)

Es war ein glücklicher Wurf für die Juden, daß der biedere, wahrheitsliebende und für die hebräische und kabbalistische Literatur schwärmerisch eingenommene Reuchlin um ein Urteil über die Zulässigkeit oder Verwerflichkeit des jüdischen Schrifttums angegangen wurde. Die Cölner Dominikaner, welche ihn in Vorschlag gebracht haben mochten, haben dadurch ihr Vorhaben selbst vereitelt und in weiterer Entwicklung ihn zum Feinde ihrer boshaften Bestrebungen ge macht.

Reuchlin machte sich, sobald ihm die Aufforderung vom Kaiser zugekommen war, sofort an die Beantwortung der Frage: »Ob es göttlich, löblich und dem christlichen Glauben nützlich sei, die jüdischen Schriften – worunter namentlich der Talmud gemeint war – zu verbrennen.« Er vollendete sein Gutachten in kaum drei Monaten (12. August bis 6. Oktober 1510). Sein Urteil fiel außerordentlich günstig für die angeklagten Schriften aus, und er ließ es dabei nicht an derben Seitenhieben gegen die gewissenlosen Hetzer fehlen. Die Geliebte seines Herzens, die jüdische Literatur, sollte in den Anklagestand gesetzt werden, und er sie nicht mit dem ganzen Aufgebot seines Geistes verteidigen? Reuchlins Gutachten ist zwar sehr pedantisch und in dem schwerfälligen Stile damaliger Rechtsdeduktionen gehalten, aber nicht ohne Geschicklichkeit ausgearbeitet. Er ging dabei von dem richtigen Gesichtspunkte aus, daß man bei Beantwortung dieser Frage die jüdischen Bücher [93] nicht in Bausch und Bogen als ein gleichartiges Schrifttum zu behandeln habe; vielmehr müsse man darin (außer der Bibel) sechs voneinander verschiedene Klassen auseinanderhalten. Unter der Klasse: Poesie, Fabeln »Merlin«, Satire, mag es allerdings Schmähschriften gegen das Christentum geben, von denen jedoch ihm nur zwei bekannt seien, nämlich Lipmanns gegen christliche Schrift und die »Geburtsgeschichte Jeschu des Nazaräers«, die aber nach der Versicherung der Juden selbst unter ihnen zum Lesen verboten und vernichtet worden seien. Gegen solche Schmähschriften, wenn sich solche noch fänden, sollte und müßte mit aller Strenge verfahren und sie ohne weiteres verbrannt werden. Die Klasse der Auslegungsschriften oder Bibelkommentarien dagegen – von R. Salomon (Raschi), Ibn-Esra, den Kimchiden, Moses Gerundensis1 und Levi ben Gerson–weit entfernt dem Christentum nachteilig zu sein, sei vielmehr für die christliche Theologie unentbehrlich. Das Beste, was die gelehrten Christen über die alttestamentliche Schriftauslegung geschrieben, stamme von Juden, als Brunnen, woraus die rechte Wahrheit und das Verständnis der heiligen Schrift fließen. Wenn man aus den umfangreichen Schriften des besten christlichen Auslegers, des Nikolaus de Lyra, die Bestandteile ausscheiden wollte, die er von Raschi entlehnt habe, so würde sich das, was er aus dem eigenen Kopfe hinzugefügt hat, in wenigen Blättern zusammenfassen lassen. Es sei auch eine Schande, daß viele Doktoren der christlichen Theologie wegen Unkenntnis des Hebräischen und Griechischen die Schrift falsch auslegten. Einige christliche Theologen mögen zwar sagen: »Wir wollen uns mit unseren Kommentarien behelfen, was brauchen wir die Juden!« Solchen könnte geantwortet werden: »Wer sich behelfen muß, der hat nicht viel übrig, wie wenn sich einer im Winter mit dünnen Beinkleidern behelfen wollte«. – Die Klasse der Predigt-, Gesang- und Gebetbücher und ähnlicher Schriften darf man den Juden nach kaiserlichem und geistlichem Recht nicht entziehen, das ihre Synagogen, Zeremonien, Riten, Gewohnheiten, Sitten und Andacht unangetastet wissen wolle. – Die Klasse der hebräischen Schriften, welche Philosophie, Naturwissenschaften und freie Künste enthalten, unterschieden sich in nichts von solchen, welche etwa in griechischer, lateinischer oder deutscher Sprache geschrieben sind. Ist ihr Inhalt schädlich, dann möge man sie beseitigen. Was nun den Talmud selbst betrifft, gegen den die Hauptanklage gerichtet war, so gestand Reuchlin ein, nichts, gar nichts davon zu verstehen; aber auch andere gelehrte Christen verständen nicht mehr davon, es sei denn durch die Anklagen, welche die Gegner desselben, Raimund Martin, Paulus von Burgos, Alfonso de Spina, Peter Schwarz und in[94] neuester Zeit Pfefferkorn dagegen erhoben haben. Er kenne aber auch manche, welche kein Wort vom Talmud verstehen und doch ihn verdammen. Wie will aber jemand gegen die Mathematik schreiben, ohne ein Wort davon zu verstehen? Es wäre ein Bacchantenargument, statt die Angriffe der Juden auf das Christentum zu widerlegen, mit der Faust darein zu schlagen. Er sei daher der Meinung, daß der Talmud nicht verbrannt werden sollte, wenn es auch wahr sein sollte, daß unter vielem andern auch Schmähworte gegen die Stifter des Christentums darin enthalten seien. »Wäre der Talmud so verdammungswert, wie behauptet wird, so hätten ihn unsere Vorfahren vor vielen hundert Jahren, die mehr Ernst mit dem christlichen Glauben gemacht haben, als wir in unserer Zeit, längst verbrannt. Die getauften Juden, Peter Schwarz und Pfefferkorn, die einzigen, welche auf dem Verbrennen desselben bestehen, mögen ihre Privatabsichten dabei haben.«

In der bis zum Ermüden langen Auseinandersetzung ist das Bestreben Reuchlins sichtbar, vom Talmud durchaus die Brandfackel fern zu halten. Die Gründe dafür sind wenig stichhaltig und noch dazu, weil zugleich juristisch gehalten, sehr kniffig und rabulistisch. Das Gutachten macht seinem Herzen, aber nicht seinem Kopfe und seiner Rechtsgelehrsamkeit Ehre. Wen könnten folgende Gründe überzeugen? Der Talmud müsse, wenn schlecht, um so eher erhalten bleiben, um den christlichen Gottesgelehrten als Schießscheibe zu dienen, woran sie ihre Fechtkunst üben sollten! Oder: »Die Juden könnten, wenn wir den Talmud verbrennen, sich rühmen, die Christen fürchteten für ihren Glauben, wie wenn ein Herzog mit einem Ritter fechten wollte, und er seinem Gegner vorher sein Messer entzöge!« Oder: »Die Juden würden dann erst recht sich an den Talmud klammern, weil das Verbotene erst recht mundet!« Oder: »Die Christen könnten einmal auf Kirchenversammlungen den Talmud zum Belege brauchen und würden dann kein Exemplar finden!« Oder: »Wenn die Christen nicht mehr mit den Juden disputieren könnten – und das könnte nur auf dem Boden des Talmud geschehen – so würden sie unter einander in Uneinigkeit und Spaltung geraten, »weil das menschliche Gemüt nicht feiern kann, worin der Anfang in dem Streite über Marias Empfängnis zwischen den Dominikanern und Franziskanern bereits gemacht ist, und ob der Apostel Paulus verehelicht und der Kirchenvater Augustinus ein Mönch gewesen.« Unter den letzten Gründen ist noch der folgende der leidlichste: Das Verbrennen des Talmud in Deutschland würde das Ziel verfehlen, denn die Juden haben ihre hohen Schulen in Konstantinopel, im Orient überhaupt und auch in Italien, wo sie frei lehren dürfen. Dann brachte Reuchlin noch juristische Kniffe an: das kanonische Gesetzbuch verbietet, den Juden Geld [95] und Geldeswert zu nehmen; wer solches tue, verfalle dem Bann. Der Bann wird aber nur über eine Todsünde verhängt, folglich ist es Sünde, also Gott nicht wohlgefällig, den Juden ihre Bücher zu rauben. Auf dieses Gesetz seien auch Könige und Kaiser verpflichtet, und das kaiserliche Recht hat es bestätigt. Auch ist es kanonisch verboten, den Juden ihre Kinder mit Gewalt zu entziehen. »Darunter sind auch Bücher zu verstehen, denn manchem sind Bücher ebenso lieb wie Kinder, wie man auch von den Poeten sagt, daß sie ihre Bücher für ihre Kinder halten.«

Die Klasse der kabbalistischen Schriften zu verteidigen und sie vor dem Brande zu schützen, hatte Reuchlin leichtes Spiel. Er brauchte sich nur auf die Vorgänge am päpstlichen Hofe vor kaum zwei Jahrzehnten zu berufen. Der gelehrte und wunderliche Graf Pico de Mirandola hatte für die Kabbala eine schwärmerische Verehrung angeregt und den Satz aufgestellt, sie sei das festeste Fundament für die Hauptlehren des Christentums. Papst Sixtus IV. hatte einige kabbalistische Schriften ins Lateinische übertragen lassen.2 Als nun später der Bischof Peter Gavisia gegen Pico de Mirandola auftrat und die Schädlichkeit der Kabbala behauptete, habe Papst Alexander VI. die Streitfrage von einem Kardinalskollegium untersuchen lassen und durch ein apostolisches Breve (1493) Picos Rechtgläubigkeit und die Nützlichkeit der Kabbala bestätigt. Reuchlin schloß sein Gutachten mit dem Resultat: Man sollte den Juden keineswegs ihre Schriften nehmen und verbrennen, vielmehr an jeder deutschen Universität zwei Professoren der hebräischen Sprache auf zehn Jahre anstellen, welche allenfalls auch das Rabbinische zu lehren hätten; dann könnten die Juden auf sanftem Wege durch Überzeugung zum Christentum bekehrt werden.

Reuchlin begnügte sich nicht, in seinem Gutachten sein Urteil über das jüdische Schrifttum abzugeben, sondern er suchte auch die Gründe zu entkräften, welche die Judenfeinde, namentlich Pfefferkorn, dagegen vorgebracht hatten. Wenn es auch wahr wäre, meinte er, daß sie den Stifter des Christentums und seine Lehren leugnen, so wiegen diese Schriften doch nicht schwerer als die Tatsache selbst, daß die Juden beides ein für allemal nicht anerkennen, und doch hat sie die Christenheit vierzehn Jahrhunderte geduldet. Reuchlin bemerkte dabei, daß ja auch die Christen alljährlich in den Kirchen am Charfreitag öffentlich die Juden als treubrüchig (perfidi Judaei) schmähten.

Besonders brandmarkte er unter der Hand den Ankläger Pfefferkorn, zwar ohne ihn zu nennen, aber doch kenntlich genug. Er bemerkte: Er habe keinen einzigen Juden zu seiner Zeit gekannt, der den Talmud [96] verstanden hätte, und deutet dabei geflissentlich boshaft an, er habe nicht nur mit Peter Schwarz, sondern auch mit Pfefferkorn Bekanntschaft gemacht. Er schilderte die gemeinen Beweggründe, welche Juden zur Bekehrung zu führen pflegen: »Ich rede nicht von denen, die aus Neid, Haß, Furcht vor Strafe, Armut, Rache, Ehrgeiz, Liebe zur Welt, schlichter Einfalt zu uns kommen, und allein mit Worten und dem Namen nach Christen werden. Solcher habe ich viele kennen gelernt, aus denen nichts Gutes geworden ist; diese glauben eins wie das andere, und wenn es ihnen auf dieser Seite nicht gut geht, so laufen sie in die Türkei und werden wieder Juden.«3 In einer andern Stelle seines Gutachtens versetzte Reuchlin Pfefferkorn unter der Blume die allerderbsten Püffe. »Wenn ein Unverständiger käme und spräche: ›Allergroßmächtigster Kaiser! Ew. Majestät soll die Bücher der Alchemie unterdrücken und verbrennen, weil in denselben lästerliche, schändliche und närrische Dinge gegen unsern Glauben geschrieben sind.‹ Was sollte die kaiserliche Majestät einem solchen Büffel oder Esel zur Antwort geben, als daß er sagte: ›Du bist ein einfältiger Mensch, viel mehr zu verlachen, denn zu willfahren.‹ Weil nun ein so schwachsinniger Kopf nicht die Tiefe einer Kunst begreifen und fassen kann und die Dinge anders versteht, als sie sind, wolltet Ihr raten, daß man solche Bücher verbrennen müßte?«4

Reuchlins Parteinahme für die Juden oder sein Unwille über Pfefferkorn brachte ihn dahin, in grellem Widerspruche mit seiner eigenen Äußerung in seinem Sendschreiben an einen Junker (o. S. 83) Pfefferkorns Anschuldigung gegen die Juden aus der Verwünschungsformel in ihrem Gebete so lächerlich zu machen, als wenn diese und andere Klagen auf nichts, gar nichts begründet wären, und als ob er selbst sie nicht erhoben hätte. »Kürzlich ist ein Büchlein gedruckt worden,«5 bemerkte Reuchlin, »wider die Juden und darin angezeigt ein Gebet in ihren Gebetbüchlein, das sie wider uns gebrauchen ... Dasselbe wird gar zu schwer wider sie angezogen, als ob sie die heiligen Apostel und ihre Nachfolger ... die gemeine christliche Kirche und das [97] römische Reich aus Bosheit verfluchten. Dadurch könnten die Juden leicht in einen solchen Haß bei den Ungebildeten gebracht werden, daß sie um Leib und Leben kämen. Bei Lichte besehen, findet man aber kein Wort darin, das die Getauften oder die Apostel oder die Christen überhaupt und das römische Reich bedeute.«

Gewiß, seitdem die Juden von der Christenheit gemißhandelt und verfolgt wurden, haben sie keinen so wohlwollenden Sachwalter gefunden, wie Reuchlin und noch dazu in einer amtlichen Erklärung für den Reichskanzler und den Kaiser. Zwei Punkte, welche Reuchlin betont hatte, waren von besonderer Wichtigkeit für die Juden. Der erste, daß die Juden Mitbürger des deutsch-römischen Reiches seien und desselben Rechtes und Schutzes genießen.6 Es war gewissermaßen der erste stotternd ausgesprochene Laut zu jenem befreienden Worte vollständiger Gleichstellung, welches mehr als drei Jahrhunderte brauchte, um voll ausgesprochen und anerkannt zu werden. Damit war der mittelalterliche Spuk zum Teil gebannt, daß die Juden durch Vespasians und Titus' Eroberung Jerusalems ihren Nachfolgern, den römischen und deutschen Kaisern, mit Gut und Blut verfallen seien, daß diese das volle Recht hätten, sie zu töten und nur Gnade übten, wenn sie ihnen das nackte Leben ließen, daß mit einem Worte die Juden gegenüber den Machthabern durchaus rechtlos wären. Die Juden haben auch ein Recht, das geachtet werden müsse, auch von Kaiser und Reich, von Geistlichen und Weltlichen, das war der erste schwache, zitternde Lichtstrahl nach so langer düsterer Nacht. – Der zweite Punkt, den Reuchlin schon mit mehr Offenheit betonte, war nicht minder wichtig: Die Juden dürfen nicht als Ketzer angesehen und behandelt werden. Da sie außerhalb der Kirche stünden und zum christlichen Glauben nicht gezwungen seien, so seien die Begriffe Ketzerei und Unglauben – jene entsetzenerregenden und lebenverwirkenden Bannwörter im Mittelalter – gar nicht auf sie anwendbar. Entzog das erste Wort die Juden der Willkür des weltlichen Armes, so zog das zweite gewissermaßen ein Asyl um sie, wo sie die damals weit reichende geistliche Macht nicht erreichen konnte. In seinem Unwillen über Pfefferkorns Unverschämtheit ermaß Reuchlin selbst nicht die Tragweite seiner Äußerungen; sie sind ihm gewissermaßen nur entschlüpft; aber seine Feinde ermangelten nicht, sie als Waffen gegen ihn zu gebrauchen.

[98] Von welchem Nutzen sein Gutachten für die Juden war, erkennt man erst aus dem Urteil der zu Rate gezogenen Fakultäten,7 denen der Talmud natürlich ein Buch mit sieben Siegeln war. Die Cölner Dominikaner samt und sonders, die theologische Fakultät, der Ketzermeister Hochstraten und der graue Täufling Viktor von Karben, welche sämtlich aus einem Munde sprachen, ließen sich gar nicht auf die Beweisführung ein, daß der Talmud Schädliches und Christenfeindliches enthalte; sie schickten das vielmehr voraus, waren daher mit ihrem Rate bald fertig, die talmudischen Schriften und auch alle übrigen, welche wohl desselben Geistes seien, den Juden zu entreißen und zu verbrennen. Sie gingen aber noch weiter, namentlich hatte Hochstraten die Keckheit, es auszusprechen, die Juden sollten auf die Anklagebank gesetzt werden. Kundige Männer sollten nämlich ketzerische Stellen aus dem Talmud und den übrigen jüdischen Schriften (d.h. solche Äußerungen, welche mit dem Schriftworte nicht übereinstimmen, ihm widersprechen oder es aufheben), ausziehen und zusammenstellen. Dann sollten die Juden befragt werden, ob sie die Schädlichkeit der Schriften, in welchen solches gelehrt würde, anerkennen oder nicht. Geständen sie es ein, so dürften sie nichts dagegen haben, wenn solche lästerliche und ketzerische Schriften dem Feuer übergeben würden. Beharrten sie dagegen halsstarrig, solche Stellen als einen Teil ihres Bekenntnisses anzusehen, dann möge sie der Kaiser der Inquisition als offenbare Ketzer zur Bestrafung überlassen. Eine angenehme Aussicht für die Juden und gewinnverheißend für die Beutelust der Cölner Dominikaner! Pfefferkorn oder Viktor von Karben bekämen dann den Auftrag, Stellen aus dem Talmud auszuziehen, welche nicht sehr schmeichelhaft vom Urchristentum sprechen oder mit der Bibel nicht harmonieren. Daraufhin würde sich Hochstraten als Inquisitor darüber zu Gerichte setzen, die Juden des Rheinlandes vor ein Tribunal laden, sie ausfragen, sie natürlich bei ihrer Zähigkeit ketzerisch strafwürdig finden und sie entweder zum Feuertode verurteilen oder wenigstens Geld von ihnen abzapfen! Dieser Einfall macht dem Scharfsinne seines Erfinders Ehre. – Die Mainzer Fakultät gab ein ähnliches Urteil ab, ging aber noch viel weiter. Nicht bloß sämtliche talmudische und rabbinische Schriften seien voll von Irrtümern und Ketzereien (wie gelehrte Männer behaupten, denn aus eigener Anschauung wüßten sie es nicht), sondern auch die biblischen Schriften dürften davon verdorben und verschlechtert worden sein, namentlich im Punkte des Glaubens! Daher seien auch diese den Juden abzunehmen, zu untersuchen, und wenn nach Erwarten befunden, dem Scheiterhaufen zu überliefern. Das war nicht minder schlau angelegt: Der hebräische Text [99] der Bibel stimmt nicht mit dem Text der lateinischen von der Kirche benutzten Vulgata überein, welche von Stümpern herrührt. Die beschränkten Kirchenväter führten stets Klage, die Juden hätten manche Stellen in der Bibel gefälscht und namentlich Zeugnis von Jesus darin ausgemerzt. Wie, wenn man die unverdorbene Mutter der entarteten Tochter gegenüberstellte und ihr bewiese, daß, sofern sie nicht die Fehler der Tochter teile, sie nicht verdiente zu existieren? Ja, es war auch ein guter Einfall der Dominikaner, sich den unbequemen hebräischen Text, »die hebräische Wahrheit«, vom Halse zu schaffen, jenen Text, der zu dem Kinderspiele der kirchlichen Deutelei majestätisch den Kopf schüttelte. Torquemada, der allmächtige Generalinquisitor in Spanien, hatte Tausende von hebräischen Büchern und darunter auch die heilige Schrift verbrennen lassen (VIII3, 479), weil ihr Inhalt nicht mit der Vulgata und dem Kirchenglauben übereinstimme und daher ketzerisch sei. Ein so frommes und gottgefälliges Werk müßte in Deutschland nachgeahmt werden. Wenn die Mainzer und Cölner Theologen mit ihrem Gutachten durchgedrungen wären, so wäre das Buch vom flammenden Sinai, die Prophetenworte, die Psalmenlieder, Denkmäler einer gnadenreichen Zeit, den Flammen überliefert und dafür ein Bastard (die verdorbene lateinische Vulgata) untergeschoben worden. Die Mainzer und Cölner Dominikaner scheinen es geahnt zu haben, daß von dem schlichten Wortsinn der Urbibel ihrem Unwesen Untergang drohte. – Die Erfurter theologische Fakultät hat in demselben Sinne geantwortet. Nur die Heidelberger theologische Fakultät war besonnen genug, dem Kaiser zu raten, Gelehrte aus sämtlichen Universitäten zu einer Kommission zusammentreten zu lassen, um die Frage über Duldung oder Vertilgung des Talmud gemeinsam zu beraten. – Die meisten Gutachten erwiesen sich auch in einem andern Punkte als Echo der Pfefferkornschen Gehässigkeit, indem sie damit das Gesuch an den Kaiserverbanden, den Juden Geldgeschäfte auf Zins zu verbieten. Die Cölner und Mainzer hatten sich sämtlich so eng mit Pfefferkorn verbunden, daß sie den Kaiser um Schutz für ihn anflehten vor der angeblichen Verfolgung der Juden wider ihn und ihn als einen vortrefflichen Christen und eifrigen Diener der Kirche empfahlen. Glücklicherweise haben die Cölner ihren schlau angelegten Plan durch ein Bubenstück selbst vereitelt.

Reuchlin hatte sein günstiges Gutachten über die jüdische Literatur versiegelt durch einen vereideten Boten dem Kurfürsten-Erzbischof Uriel8 von Mainz überschickt. Er hatte vorausgesetzt, daß es als Amtsgeheimnis nur von demselben und von dem Kaiser erbrochen und gelesen werden würde. Aber Pfefferkorn, der sich dem Ziele nahe glaubte, [100] Rache an den Juden nehmen zu können, bekam es erbrochen noch vor dem Kaiser in die Hand. Wie dies zugegangen war, blieb ein unaufgehellter Punkt. Reuchlin bezeichnete die Cölner geradezu als gewissenlose Siegelbrecher.9 Pfefferkorn aber, dem übrigens wenig zu glauben ist, erzählte den Hergang folgendermaßen. Der Kurfürst habe sämtliche Gutachten mit Befugnis geöffnet und sie ihm, als dem vom Kaiser bezeichneten Agenten (Sollizitator) übergeben. Über Reuchlins judenfreundliches Urteil habe derselbe spöttisch gelächelt, als wenn ein Jude hinter diesem beim Niederschreiben gestanden und ihm diktiert hätte. Als es Pfefferkorn aus der Kanzlei habe holen wollen, habe er es vernachlässigt auf einem Schreibpulte, ein Spott des Schreiberburschen, gefunden. Und als dann Pfefferkorn sämtliche Ratschläge über den Talmud dem Kaiser überbracht, habe dieser, zu beschäftigt, um sich selbst ein Urteil darüber zu bilden, drei Männern den Auftrag dazu erteilt, dem Professor der Theologie Hieronymus Baldung, dem Juristen Angelus von Freiburg und dem kaiserlichen Beichtvater, dem Karthäuserprior Georg Reisch, ihm Vorschläge über das Verfahren in betreff des jüdischen Schrifttums zu machen. Diese hätten nach reiflicher Überlegung dem Kaiser geraten, die ganze Bibel den Juden zu lassen, die übrigen Schriften ihnen durch die Bischöfe mit Hilfe des weltlichen Armes zu nehmen, ein Verzeichnis davon anzulegen, diejenigen auszusuchen, welche Philosophie, Medizin und Poesie zum Inhalte haben, und sie den Eigentümern zurückerstatten, die talmudischen und rabbinischen Schriften dagegen, überhaupt alle, welche sich mit verkehrter Auslegung der heiligen Schriften befaßten und daher ketzerisch und lästerlich seien, zur Belehrung für Christen und zum Zeugnis für den Glauben zum Teil in Bibliotheken zu verteilen, sie aber an Ketten zu legen, damit sie nicht wieder in die Hände der Juden gerieten, endlich aber die übrigen zu verbrennen. Über Reuchlins Urteil soll sich der Karthäuser Georg geäußert haben, es sei mit goldener Tinte (d.h. für Geld von den Juden empfangen) geschrieben. Der Kaiser selbst soll geneigt gewesen sein, die Frage über Duldung und Vernichtung der talmudischen Schriften dem nächsten Reichstage vorzulegen. – Dagegen teilt der glaubwürdige Reuchlin mit, der Kaiser sei durch sein Gutachten so sehr von der Falschheit der Anklage überzeugt worden, daß er die noch zurückgehaltenen jüdischen Schriften zurückzuerstatten befohlen habe.10

[101] Aber die Verbissenheit Pfefferkorns und der Cölner Dominikaner hat ihnen das für gewonnen gehaltene Spiel verdorben. Fast sollte man ihnen dafür dankbar sein, daß sie die anfangs in Amtsgeheimnis gehüllte Sache an die Öffentlichkeit gebracht, dadurch ein anderes Tribunal geschaffen und die Gefährdung der Juden in die Gefährdung der Kirche verwandelt haben. Sie waren nämlich über Reuchlins Urteil außer sich geraten, weil dessen Stimme viel Gewicht beim Kaiser und seinen Räten hatte. Sie machten sich daher bald daran, eine geharnischte Widerlegung gegen dessen Parteinahme für Juden und ihr Schrifttum in die Welt zu schicken und zwar in deutscher Sprache, um ihre Sache volkstümlich zu machen, und die Menge so zu fanatisieren, daß der Kaiser selbst außerstande sein sollte, auf Reuchlin zu hören. Schon der Titel derselben war geeignet, eine Judenhetze heraufzubeschwören: »Handspiegel gegen die Juden und ihre Schriften, die das christliche Regiment schmähen, als gotteslästerlich, ketzerisch und abergläubisch vernichtet werden müssen.« Welche Frechheit gehört dazu, eine für den Kaiser ausgearbeitete Urkunde zum Gegenstand eines öffentlichen Angriffes zu machen! Zur Frühjahrsmesse von Frankfurt boten (1511) Pfefferkorn und sein Weibchen den »Handspiegel« feil, gingen auch damit von Stadt zu Stadt, von Tür zu Tür hausieren.

Mehr noch als an Pfefferkorns früheren giftigen Schriften hatten die Cölner Dominikaner an dem »Handspiegel« Anteil. Er gestand es auch ein, daß er sich mit seinen Freunden bei der Abfassung beraten. Die Schrift ist daher gelehrter und nicht so platt gehalten. Schon am Eingange verrät sich die Teilnehmerschaft oder Mitschuld eines derselben, des aufgeblasenen Arnold von Tongern. Vorgeblich ist der Handspiegel eine längst fertige Beantwortung auf Arnolds Frage, warum denn der löbliche Handel betreffs der jüdischen Bücher keinen Fortgang nähme. Die Antwort lautet, schuld sei daran nicht bloß die Anfechtung von seiten der boshaften Juden, sondern auch von seiten mancher Christen. Pfefferkorn stellte sich darin als der Beleidigte und Verletzte, als unschuldig verfolgtes Opfer dar, indem ihm Reuchlin nicht bloß an seine Ehre gegriffen, sondern ihn auch dem Kaiser als strafwürdigen Verleumder gebrandmarkt habe. Die schwachen Seiten des Reuchlinschen Gutachtens waren den Gegnern sofort aufgefallen; gegen diese richteten sie zuerst ihre Angriffe und klammerten sich fest daran, um dadurch den sie so sehr überragenden Riesen zu Falle zu bringen. Reuchlin hatte im Gutachten behauptet, daß die Verwünschungsformel im jüdischen Gebete ganz harmloser Natur und gar nicht auf die Christen und das römische Reich gemünzt sei. Dagegen werden nun im Handspiegel Zeugnisse von getauften Juden, Paulus von Burgos, Geronimo de Santa Fé, auch von Alfonso de Spina [102] und dem Kirchenvater Hieronymus angeführt. Nebenher wird bemerkt, daß Reuchlin das Hebräische, auf das er stolz tue, wenig kenne; nur lateinisch oder deutsch verdolmetschte Wörter verstände er, aber er lese sie so holperig, »wie wenn man einen Esel treppauf treibe«. Seine hebräische Grammatik sei gar nicht von ihm selbst verfaßt; Juden hätten ihm dabei geholfen. Wenn er nun in diesem Punkt ein Stümper sei, wie dürfte er sich herausnehmen, ein Urteil abzugeben und an Fürsten und Herren zu schreiben, die Juden sollten nicht als Feinde, sondern als Mitbürger des römischen Reiches geachtet werden?

Die verwundbarste Stelle an Reuchlin war sein fünf Jahre vorher erlassenes Sendschreiben an einen Junker über die Juden (o. S. 83), worin er mit ebenso dickem Vorurteil, ebenso vielen falschen Schlüssen, nur ohne die Giftigkeit Pfefferkorns und der Cölner Dominikaner dieselbe halbe Wahrheit aufgestellt hatte, weil die Juden ehemals Jesus hingerichtet, so hätten sie Gott gelästert und kämen aus der Lästerung des Stifters, Marias, der Apostel, des ganzen christlichen Volkes nicht heraus. Auch Reuchlin hatte sich auf polemische Schriften und auf die Verwünschungsformel berufen. Mit teuflischem Hohn deckt nun der Verfasser des »Handspiegels« die grellen Widersprüche auf, welche zwischen Reuchlins Ansicht über die Juden in jener Sendschrift (Missive) und in seinem Gutachten an den Kaiser herrschen. »Will nun Reuchlin auf dem Inhalte seines Gutachtens beharren, worin er die Juden entschuldigt und verantwortet, so müßte er sein erstes Urteil widerrufen. Hält er aber dieses noch fest, daß die Juden sich in Schmähungen und Lästerungen ergehen, dann hat er den Kaiser und die Fürsten belogen!« Das war eine unerbittliche Logik, und Reuchlin mußte die Versündigung schwer büßen, die er früher an den Juden begangen hatte. Alles übrige, was der »Handspiegel« noch enthält, sind abgehaspelte Gehässigkeiten und boshafte Verleumdungen der Juden. Als Beweis ihrer Lästerung wird die Grausamkeit mitgeteilt, mit der jüngsthin der Markgraf Joachim I. achtunddreißig Juden in Berlin verbrennen ließ (o. S. 90). Auszüge aus den zwei polemischen Schriften von jüdischen Verfassern sollten die Christenfeindlichkeit der Juden belegen. Hätte Pfefferkorn die wuchtigen Einwürfe der spanischen Juden gegen die christliche Urgeschichte und Dogmen gekannt, so hätte er das Sündenregister bei weitem vermehren können. Oberflächliche Auszüge aus dem Talmud, nicht aus eigener Lektüre, sondern anderen nachgeschrieben, sollten die Behauptung erhärten, daß die Juden durchaus – gegen Reuchlins Annahme – Ketzer im verdammlichen Sinne des Wortes seien, ihre Schriften Ketzerei enthielten und also verbrannt werden müßten.

Eine noch schwerere Anklage Reuchlins sollte diesen in den Augen aller Christen brandmarken und Entsetzen vor ihm erregen: [103] »Reuchlin wird von den Juden gerühmt, folglich ist er bereits ihnen verfallen.« Das seien so die jüdischen Künste, Christen in ihr Netz zu locken.« Dafür führte der Verfasser des »Handspiegels« haarsträubende Geschichten an, wie die Juden einige Christen zum Abfall vom Christentum verlockt hätten, Geschichten, die eben so gut ganz erfunden wie halbwahr gewesen sein können. Ein christlicher Arzt Thomas, ein wohlberedter Mann, der viel mit Juden verkehrte, habe Jesus verleugnet, sich heimlich zum Judentum bekannt, mit ihnen in den Fastenzeiten gelebt und – entsetzlich – nahe an 600 Christen mit Arznei vergeben. Dieser Doktor Thomas habe auch nach Anleitung der Juden Christen zum Abfall vom Glauben verleitet, unter anderen sogar einen Priester in Aßmannshausen (Rheingau) und dieser wieder zwei junge Christenknaben. Pfefferkorn will alle diese abgefallenen Christen, den Doktor, den Pfarrer und die Kinder in Prag gesehen haben, von wo sie nach der Türkei oder Reußen (Polen) ausgewandert sein dürften. Desgleichen sollten die Juden es einem christlichen Boten aus Deutz jüngsthin angetan und ihn dermaßen verführt haben, daß er die Gebetriemen angelegt hätte. Dabei betroffen, sei derselbe vom Ketzermeister (Jakob Hochstraten?) zu ewiger Kerkerstrafe bei Wasser und Brot verurteilt worden.

Pfefferkorn teilt dabei einen nicht uninteressanten Roman mit von einem judenfeindlichen Mönch in Erfurt, der nicht lange vorher von den Juden durch List zum Übertritt berückt worden wäre. Dieser junge Barfüßer habe öfter von der Kanzel gegen die Juden gedonnert, ihre Schmähungen, ihren Wucher und ihre leichte Beschäftigung gegeißelt und das Volk gegen sie gehetzt. Vergebens hätten die Juden versucht, ihn durch Geschenke zum Schweigen zu bringen, vergebens den Bürgerrat beschworen, ihnen gegen den fanatischen Mönch beizustehen. In der Verzweiflung der Juden habe sich ein alter Rabbi erboten, Hilfe zu schaffen, wenn ihm dazu 1000 Gulden zur Verfügung gestellt würden. Er habe damit angefangen, den Bettelmönchen regelmäßige Gaben an Brot und anderen Nahrungsmitteln zu verabreichen unter dem Vorwande, dadurch die Sünde des Wuchers, deren er sich bisher schuldig gemacht, zu büßen und sein unrechtmäßig erworbenes Vermögen würdigen Christen zukommen zu lassen. Diese ungewöhnliche Bußfertigkeit des Rabbi habe ihn den Mönchen und sogar dem grimmigen Prediger nahe gebracht. Schon träumte der letztere, den Rabbi in den Schoß des Christentums zu führen, da dieser einige Geneigtheit dazu zu zeigen schien. Zum Erstaunen sah die Bevölkerung von Erfurt den Barfüßer und den Rabbi stets zusammen. Dererstere scheute nicht das Haus des Juden, der letztere nicht das Kloster.

Der Rabbiner hatte eine schöne Tochter. Diese zu bekehren, forderte er den Mönch geradezu auf, dem er sie als Waise und als [104] Pflegetochter ausgegeben. Bei seinen Bekehrungsversuchen der schönen Jüdin überkamen aber den Bekehrer weltliche Gedanken, die sein Herz in Unruhe versetzten. Sobald ihn der Rabbiner in dieser Stimmung gesehen, habe er ihm unter Tränen ein lange in der Brust verschlossenes Geheimnis verraten, daß der Mönch sein eigener Sohn sei, entsprossen aus einem jugendlichen Vergehen mit dessen Mutter. Als Beweis habe er dem erstaunten Barfußprediger ein Muttermal angegeben, das dieser am Leibe trage und habe hinzugefügt, nur deswegen habe er dem Kloster Almosen gespendet, um mit ihm, seinem natürlichen Sohne, in Berührung zu kommen. Der Mönch glaubt es und will sein Gemüt infolge der seltsamen Offenbarung durch Bekehrung seines angeblichen Vaters beschwichtigen. Dieser entgegnete ihm aber: In der Schrift heißt es, der Sohn müsse Vater und Mutter ehren und ihnen folgen, nicht aber umgekehrt. Durch die Aussicht auf die Hand der schönen Jüdin entschließt sich der Mönch endlich, da er von dem Rabbi und seiner Tochter nicht mehr lassen kann, Erfurt und den Schauplatz seiner Kapuzinaden gegen die Juden zu verlassen, die Kutte abzulegen, nach Rubischow in Polen zu entfliehen, dort das Judentum anzunehmen und die Jüdin zu heiraten. Später soll der Barfüßer über seinen Abfall Reue empfunden haben und von den Juden unter Martern erschlagen worden sein. Die Nutzanwendung von diesem Roman machte Pfefferkorn im »Handspiegel«: »So man sich mit den Juden einläßt, sie durch Überredung bekehren zu wollen, ziehen sie die Christen in ihren Irrtum und ihren Aberglauben hinein.«

Zuletzt greift der Verfasser des »Handspiegels« Reuchlin an seine Ehre. Er sagt zwar nicht mit dürren Worten, aber er deutet es handgreiflich an, daß die Juden ihm Geld gegeben, Pfefferkorn zu unterdrücken. Reuchlin, der vielleicht der Unbestechlichste seiner Zeit war, warfen seine habsüchtigen Gegner vor, er habe sich den Juden verkauft! Pfefferkorn und seine Mitarbeiter hetzten auch den ganzen Franziskanerorden gegen ihn, als habe er unehrerbietig von einem seiner Mitglieder gesprochen. Die Hauptangriffe waren aber dahin gerichtet, Reuchlin habe das schwere Verbrechen begangen, den Juden eine gewisse Gleichberechtigung einzuräumen und sie nicht als Ketzer gelten lassen zu wollen. Mit der Wahrheit nahmen es die Verfasser des »Handspiegels« nicht so genau; sie bürdeten ihm geradezu Dinge auf, die er in seinem Gutachten gar nicht berührt hatte, z.B. daß er den Wucher der Juden in Schutz genommen hätte.

Diese Schmähschrift, in vielen Exemplaren verbreitet, gegen einen so hochgestellten und hochgeachteten Mann, den Vorsitzenden des schwäbischen Bundesgerichts, einen Gelehrten, der einer ganzen Universität gleichkam, machte natürlich außerordentliches Aufsehen; es war seit Erfindung der Buchdruckerkunst das erste geharnischte Pamphlet gegen [105] einen Würdenträger, und noch dazu in deutscher Sprache zu jedermanns Verständnis geschrieben. Reuchlins Freunde – und deren gab es nicht wenige – waren über die Unverschämtheit eines getauften Juden, der sich rechtgläubiger geberdete als ein in Ehren stehender geborener Christ, und der sich herausnahm, ihn mit Schmähungen zu überhäufen, mit Recht empört. Als Pfefferkorn mit einer neuen Ladung Anklagen in die Hofburg kam, fuhren ihn die Hofleute, der Propst Zobel und der gebildete Patrizier Peutinger wegen seiner Schmähungen hart an.11 Die Cölner Dominikaner hatten darin ihrem giftigen Hasse mehr nachgegeben, als die Klugheit riet. – Gegen solche Angriffe mußte Reuchlin etwas tun; seine Ehre war zu tief verletzt. Zunächst eilte er zum Kaiser Maximilian und führte Klage gegen seinen boshaften Verläumder Pfefferkorn, unter dessen Namen der »Handspiegel« erschienen war. Der Kaiser gab durch Wort und Geberden seinen Unwillen über diese Schmähschrift zu erkennen und beruhigte den aufgeregten Reuchlin mit der Aussicht, die Angelegenheit durch den Bischof von Augsburg untersuchen zu lassen. Aber im Drange der Geschäfte in der Verwicklung der italienischen Händel, vergaß er – wie die Großen der Erde zu allen Zeiten – Reuchlin, die ihm widerfahrene Kränkung und die ihm versprochene Genugtuung. Die Frankfurter Herbstmesse nahte heran, auf welcher Pfefferkorn den Rest der Exemplare feilbieten wollte, ohne daß für Reuchlin etwas dagegen geschehen war.12

So war denn Reuchlin gezwungen, für die Talmudfrage als eine persönliche Angelegenheit einzutreten, die öffentliche Meinung als Richterin anzurufen und dadurch der Sache einen weittragenden Klang zu geben. Er bereitete eine Verteidigungs- und Anklageschrift gegen den »Handspiegel« für die Frankfurter Messe vor. Vorher versuchte er aber manches, was er in seinem Gutachten teils allzu günstig für die Juden und teils nicht juristisch beweisend dargestellt hatte, abzuschwächen, zu berichtigen und die Ausstellungen dagegen im »Handspiegel« von vornherein zu widerlegen. Er schrieb 52 Artikel, angeblich an den Erzbischof Uriel von Mainz als Nachtrag zu seinem Gutachten (18. August 1511).

Kurz darauf (Ende August oder Anfang September) erschien seine weltgeschichtlich berühmt gewordene Gegenschrift »Augenspiegel« (eine Brille auf dem Titelblatte gezeichnet), die er in aller Eile druckfertig gemacht hatte. Damit wollte er die Gemeinheit Pfefferkorns und seiner Mitarbeiter dem deutschen Publikum in scharfen Linien zeigen, aber damit deckte er, ohne es zu wollen, die Blößen des damaligen Christentums auf. Das war eine Schrift, von der man ohne[106] Übertreibung sagen kann, sie wog eine Tat auf. Sie war zunächst gegen Pfefferkorn, aber doch auch gegen die Cölner Dominikaner, als öffentliche Gönner, Beschützer und Anreger seiner Schmähungen, gerichtet.

Reuchlins »Augenspiegel« wendet sich an alle diejenigen, welche, »weß Standes, Stellung und Würde auch immer, die Wahrheit lieben und Lügen, hinterhaltige, tückische Überfälle, wie sie sich Pfefferkorn in seiner Lästerschrift gegen ihn erlaubt hat, aus dem Grunde hassen.« Er erzählt in schlichten, treuherzigen Worten den ganzen Hergang, wie der getaufte »Jud« alle Anstrengungen gemacht, den Talmud durchaus für gefährlich auszugeben und dem Scheiterhaufen zu überliefern, und wie er auch ihn, Reuchlin, dazu habe benutzen wollen. Er teilt die Aktenstücke des Kaisers und des Erzbischofs von Mainz an ihn und sein Gutachten mit. Er berichtet, wie sich Pfefferkorn auf unehrliche Weise sein Gutachten zu verschaffen gewußt und es zu einer Schmähschrift ausgebeutet habe, welche nicht weniger als vierunddreißig Unwahrheiten gegen ihn enthalte. Der ganze Ton im »Augenspiegel« gibt die gerechte Entrüstung eines Ehrenmannes, dem ein Wicht ein Bein gestellt hat, wirkungsvoll wieder. Ehe Reuchlin an die Aufdeckung der Pfefferkornschen Gemeinheiten gegen ihn geht, verwahrt er sich dagegen, als habe er damit auf sein anderweitig ihm zustehendes Recht verzichtet. Denn Pfefferkorns Schmähschrift erfordere eine peinliche Strafe, die ihn wohl auch treffen würde. Habe er doch auch die Untertanen im Reich aufgefordert, Aufruhr und Auflauf gegen ihre Obrigkeit zu machen, um diese zu zwingen, die Juden zu verfolgen, ein Vergehen, welches mit dem Tode durch den Henker belegt sei. So möge denn entweder das Halsgericht ihn vorladen, oder er möge – was Reuchlin gewünscht zu haben scheint – »dem festen, fürsichtigen, ehrsamen, weisen, echten und rechten Freischöffen des heiligen, heimlichen westfälischen Fehmgerichtes« verfallen. Die Blutrichter der roten Erde sollten gewissermaßen für den Talmud eintreten!

Am meisten war Reuchlin empört über die gegen ihn erhobene Beschuldigung, er habe um Geldeswillen die Schutzschrift für den Talmud erlassen. Mit gerechter Entrüstung beteuerte er daher, daß er sein Lebtag, von seinen Kindeszeiten an bis auf diese Stunde von den Juden oder ihretwegen weder Heller, noch Pfennig, weder Gold, noch Silber, weder Kreuz, noch Münz empfangen habe. »Und wer zur Verletzung seiner Ehre anders geschrieben oder gesprochen, der lüge wie ein nichtsnütziger, ehrloser Bösewicht, und hätte er eine fromme Miene wie ein Kartäuser!« Das war ein empfindlicher Stich für den Beichtvater des Kaisers, der ihn beschuldigt hatte, mit goldener Tinte geschrieben zu haben (o. S. 101). Nicht minder empfindlich war Reuchlin über die Geringschätzung seiner hebräischen Kenntnisse und namentlich über die Beschuldigung, daß er seine hebräische Sprachlehre [107] nicht selbst verfaßt habe. Würdig ist auch sein Auftreten für die Juden. Der Schelm Pfefferkorn hatte ihm auch zum Vorwurf gemacht, daß er von den Juden hebräisch gelernt und also mit ihnen verkehrt hätte, was gegen die kanonische Satzung verstieße. Darauf Reuchlin: »Der getaufte Jud schreibt, das göttliche Recht verbiete mit den Juden Gemeinschaft zu haben, das ist nicht wahr. Es mag jeder Christ vor Gericht mit ihnen rechten, von ihnen kaufen, ebenso ihnen etwas schenken oder geben. Es kann ein Fall vorkommen, daß ein Christ mit einem Juden eine gemeinsame Erbschaft antritt. Man darf auch mit ihnen sprechen oder von ihnen lernen, wie der heilige Hieronymus und Nikolaus de Lyra getan haben. Und endlich soll ein Christ den Juden lieben wie seinen Nächsten; das alles ist in den Gesetzen begründet.« – Hin und wieder hat der »Augenspiegel« auch beißenden Witz. Pfefferkorn hatte aufgestellt, der Jude sei wie der Teufel geartet. Darauf Reuchlin, die wahre Philosophie sei anderer Meinung darüber. Sollte es aber wahr sein, so sei es nicht zu verwundern, daß Pfefferkorn so viel Unwahrheit aufgestellt habe, weil er der teuflischen Natur teilhaftig sei und teuflische Milch getrunken habe. – Reuchlin sagte ihm ins Gesicht, er verstände sehr wenig hebräisch und habe in seinen judenfeindlichen Schmähschriften nichts neues aufgetischt, das nicht schon früher in lateinischer Sprache geschrieben wäre, das eine ausgenommen wie »die Juden den Hühnern und Fischen beichten«, das ist die köstlichste Wissenschaft, womit er die christliche Kirche beschenkt hat.13

Indessen tat Reuchlin auch Pfefferkorn in manchen Punkten Unrecht. Er behauptete, dieser habe den »Handspiegel« nur um Gewinnes willen veröffentlicht. Da er eingesehen, daß man seiner Judenbüchlein satt geworden und er als Ungeheuer nicht mehr über die Juden schreiben könne, daraus er Geld wie bisher lösen könnte, so wolle er sich mit den Christen herumstreiten, um eine neue »Materie für Geldgewinn zu haben; denn er hat jetzt mehr Gulden aus mir gelöst, als Judas Pfennige aus unserm Herrgott.« – Nein, nein, Geldgewinn allein hat Pfefferkorn nicht bewogen, auch nicht Leichtsinn, die Juden und Reuchlin zu verunglimpfen, sondern Haß und Rachegefühl gegen die ersteren und Notwehr gegen den letzteren. Denn wie sehr es auch Reuchlin in seinem »Augenspiegel« beteuerte, er habe ihn nicht in seinem Gutachten an den Kaiser angegriffen, so war das eine Selbsttäuschung. Pfefferkorn war allerdings der Herausgeforderte und Angegriffene, weil er aber die Fehde mit plumpen Faustschlägen und Kotwerfen gegen einen so hochgestellten und feingebildeten Mann geführt, hatte dieser auch das Recht, ihn mit wuchtigen Schlägen zu zermalmen.

[108] Man kann sich denken, welches Aufsehen Reuchlins »Augenspiegel« in deutscher Sprache gemacht hat, als er zur Zeit der Frankfurter Messe erschien, damals der Sammelplatz von Tausenden, zu einer Zeit, wo es noch keine Öffentlichkeit gegeben hat und jedermann einer Skandalgeschichte volle Aufmerksamkeit schenkte. Daß ein gefeierter Mann, wie Reuchlin, der zur höchsten Beamtenaristokratie gehörte, einen Ankläger der Juden als Verleumder, Lügner und Wicht an den Pranger stellte, war so neu und überraschend, daß sich die Leser die Augen rieben und sich fragen mußten, ob sie nicht bisher wie in einem Traum geduselt hätten. Die Judengriffen noch gieriger nach der Schrift, weil zum erstenmal ein Ehrenmann mit gewichtiger Stimme für sie in die Schranken trat und die so oft wiederholte Anschuldigung gegen sie als Verleumdung brandmarkte. Sie jubelten, daß sie endlich einmal einen Verteidiger gefunden und dankten Gott, daß er sie in ihrer Not nicht verlassen. Wer will es ihnen verargen, daß sie für Verbreitung der Reuchlinschen Schrift geschäftig waren?14

Am meisten jedoch sorgten die Finsterlinge vom Gelichter der Cölner selbst für deren Verbreitung. Peter Meyer, einer der unwissendsten und unverschämtesten Prediger (in Frankfurt), so wie er Reuchlins Schrift zu Gesichte bekommen und bei einem guten Frühstück mit Pfefferkorn einiges darin gelesen hatte, rief im Zorn: »An den Galgen damit, an den Galgen damit!« – Er geberdete sich überhaupt [109] als Kommissarius des Erzbischofs von Mainz und verbot den Buchhändlern den Verkauf des »Augenspiegels«.15 Aber fast das ganze Mainzer Kapitel, fast alle Kanoniker waren mehr humanistisch als christlich gesinnt und als solche Verehrer Reuchlins. Sie und andere Freunde haben wohl auf den Erzbischof Uriel zu Reuchlins Gunsten eingewirkt, daß dieser das Verkaufsverbot, als gar nicht von ihm ausgegangen, aufhob. Durch diesen Aufsehen erregenden Zwischenfall wurde der »Augenspiegel« nur noch mehr gesucht, gekauft und gelesen. Von allen Seiten, aus gelehrten und ungelehrten Kreisen, kamen Glückwünsche an Reuchlin und Äußerungen der Freude darüber, daß er den unverschämten Pfefferkorn und seine Hintermänner so derb und mutig abgefertigt habe.

Nur jene Parteigenossen Reuchlins, welche sich nach dem Muster der heidnischen Literatur einen künstlichen Olymp geschaffen, von dessen Höhe herab sie auf das sumpfige Treiben der Kirchlichen, auf das Christentum nicht minder wie auf den Talmud, mit achselzuckender Verachtung herabblickten, jene mattherzigen Überklugen, Erasmus von Rotterdam, der Domherr Mutian von Gotha, der reiche und gelehrte Patrizier Pirkheimer in Nürnberg, sie tadelten selbstvergnügt Reuchlins Auftreten gegen den Halbjuden Pfefferkorn und für den verachteten Talmud. Genußsüchtige Egoisten, schwelgten sie in der wiederaufgegangenen Bildung, mochten ihr aber keinen Einfluß auf Umgestaltung der verderbten kirchlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse einräumen. In ihren Konventikeln und bei [110] ihren Schmausereien verlachten sie das Christentum mit seinem Gottmenschen und die Kirche mit ihrem Statthalter und ihren Pfaffen als Erdichtung und Betrug. Aber vor uneingeweihten Ohren wagten sie auch nicht das geringste Wort des Tadels. Erasmus, der bedeutendste Humanist seiner Zeit, aber schwankend wie ein Rohr, äußerte sich gegen Pirkheimer, der Bösewicht (Pfefferkorn) könne gar nicht besiegt werden, weil er nur aus Verleumdung und Anschwärzung zusammengesetzt sei und so und so viel Gesinnungsgenossen habe, die ihm neue Kräfte einhauchten, wenn er ermatten sollte. Durch Schmähungen könne er daher am wenigsten überwunden werden. Gebildete kämpften nicht nur zur eigenen Unehre, sondern auch vergebens gegen ihn, da er siegend oder besiegt seinen Gegnern nur Schande bringe.16 Pirkheimer, nur auf das Äußerliche und Vergängliche, auf eitlen Ruhm Wert legend, nahm es Reuchlin übel, daß er durch seine Schrift den Namen des Halbjuden Pfefferkorn, der aus dem Gedächtnisse der Menschen ausgelöscht werden müßte, erst recht verewigt habe.17 Am widerlichsten erweist sich das Urteil des feingebildeten, aber verzärtelten Domherrn Mutian. Er machte Reuchlin zum Vorwurf, daß er die Geheimnisse des Gelehrtenkreises der große Menge ausgeplaudert und dadurch das Ansehen des Kaisers, des Reiches, des Papstes, der Kirche und namentlich der geistlichen und gelehrten Kaste erschüttert habe. »Darum laß uns, gelehrter Kapnion, unsern Glauben (oder Unglauben) und begünstige die Juden nicht auf der einen Seite, um auf der andern Seite den Christen Schaden zuzufügen.«18


Fußnoten

1 Mose b. Nachman – ן"נמר.


2 Bd. VIII.3 S. 247.


3 Augenspiegel p. 32 b.


4 Das. p. 28.


5 Reuchlin meinte damit (a.a.O. S. 23) die Stelle in Pf. hostis Judaeorum, wo die Verwünschungsformel im Gebete םידמישמלו (ursprünglich םינימלו) auf die getauften Juden und ןורז תוכלמ auf das römische Reich bezogen wird Reuchlin stellte sich an, als wenn er gar nicht wüßte, daß םידמושמל getaufte Juden bezeichnet, und als ob das Wort ein ganz unschuldiges participium praesentis temporis passivi wäre. Auch die Widerlegung einer anderen Anklage ist mehr den Juden wohlwollend als richtig. Pfefferkorn hatte aufgestellt: Si quando Christianus Judaeum adeat, ille cum eum excepit specie benevola inquit ancipiti verbo teutonico: »Seth vilkumm«, quod est Sathanas venisti bene ... Seth diabolus. Allerdings mögen einige rohe Juden das Wort: »Seid oder Sed Willkommen« so gedeutet haben. Dagegen Reuchlin: »Das kann nach richtiger Grammatika der hebräischen Sprache nicht sein. דש, so einen Teufel heißt, hat es einen Punkt auf der rechten Seite des Buchstabens (ש); das kann ein jeglicher Bauer merken, wenn sie sprächen: Sched willkum, daß es nicht sei als: »seid willkumm«.


6 Daß Reuchlin wirklich das hat sagen wollen, ersieht man aus der Abschwächung, die er in den lat. Argumenta daran anbringt: Arguitur sextum, quod dixerim: Judaeos concives esse nobiscum Romani imperii etc.


7 Vergl. Note 2.


8 Es ist gewiß von Pfefferkorn erlogen, als wenn der Erzbischof, welcher sich bis dahin der Juden angenommen hatte, sich gutachtlich in Übereinstimmung mit der Mainzer Fakultät geäußert hätte.


9 Augenspiegel a.a.O. S. 18 und Defensio contra calumniatores Colonienses a.a.O. p. 92 b unten.


10 Vergl. Reuchlins hebr. Brief an Bonet de Lates (Note 2) und Simon Oratio continens historiam Capnionis (B. 4 b): Haec sententia (Reuchlini de Talmud) aequior cum imperatori placuisset, libri incuriam Frankfurdiensem translati Judaeis restituuntur.


11 Pfefferkorn Defensio contra famosas Ep.


12 Einleitung im Augenspiegel und in Defensio Reuchlini contra calumniatores Colonienses.


13 Augenspiegel a.a.O. p. 47 b und p. 53; die 32 ste Unwahrheit.


14 Das Dekanat der Cölner theol. Fakultät, d.h. Jakob Hochstraten, in Reuchlins Briefsammlung II, Nr. 12: Judaeis ipsis, qui (uti nobis relatum est) hunc tuum tractatum vernacula nostra lingua editum et impressum, legunt et circumferunt, occasionem praestitisti, quo amplius nos irrideant, quando inter Christianos et quidem inter eos, qui docti reputantur, te unicum invenerint, qui suam causam agat, tueatur ac defendat. Pfefferkorn, – Clag. G. 3 b: »Und da nun die Juden aus allen Landen da waren, da kauften sie Deinen Augenspiegel allenthalben und konnten seiner niet satt werden.« – Auch Defensio contra famosas E. 3 und H. 2. Peter Meyers Schreiben an Arnold von Tongern vom Februar 1512: Dominatio vestra significat, quid de libello Reuchlini actum sit et gaudeo vehementer. ... ne impii Judaei de nostra religione risum de cetero, ut hactenus fecerunt, moveant, quia manifeste nobiscum dixerint, quod Dominus nunquam deseruit eos, sed semper novos mittit defensores. Der Verf. der Defensio contra famosas (sei es Pfefferkorn oder ein anderer) bezieht diesen Brief P. Meyers auf Reuchlins Anklage gegen die Cölner. Allein da diese erst 1513 erschien, das Schreiben aber vom Februar 1512 datiert ist, so kann unter libellus nur der Augenspiegel verstanden sein.

Die Empfindung der Juden bei diesem Vorgange gibt Joselins Tagebuch wieder (Nr. 5): םיביוא ומק םג ונל הארהו (? הפ לעבש) בתכבש הרות לטבל ונימעב םיצירפו םק (? תומוא ימכחמ דחאה) תומוא ימכח י"עש סנ ךותב סנ י"שה םשפנ תא ורסמ טראוקנארפ ק"ק .הנשויל הרות ריזחהל ודגנכ ונליצהו וניינעב 'האר ה .הז לע הזמ תואצוה בורב םדואמו .ןימה תבשחממ


15 Reuchlin, Defensio contra calumniatores p. 57 a und Pfefferkorn, Clag G. 4a. Meiners und Maierhoff beziehen diese Machination P. Meyers als gegen Reuchlins »deutsche Erklärung« und nicht gegen den Augenspiegel gerichtet. Das ist aber durchaus falsch, denn die »Erklärung« ist erst den 22. März 1512 gedruckt, und Reuchlins Brief an Kollin (Briefsammlung II, Nr. 20) vom V. Idus Mart. = 13. März 1512 berichtet schon von Peter Meyers faux-pas, daß er Pf. hatte predigen lassen. Diese Predigt fand statt am Montage des Marienfestes = 7. September, und zwar nachdem schon Peter Meyers Machination gegen den Augenspiegel mißlungen war def. l.c.: Plebejus sacerdos ... defensionis meae volumina ... mercatoribus vendere prohibuit ... sed illustrissimus princeps ... noluit prohibere defensionem, immo refutavit confirmare prohibitionem ... qua re commotus et ira punctus idem sacrificulus proclamavit.. Pepricornum.. in sequenti profesto beat. virg. Mariae praedicare velle. Beide Tatsachen, das Verbot der Reuchlinschen Schrift und Pfefferkorns Predigt, fielen also September 1511. Meiners und Maierhoff haben den Ausdruck defensio an dieser Stelle mißverstanden und sie auf die Erklärung bezogen, während nur der Augenspiegel darunter verstanden sein kann, der im Grunde eine Verteidigungsschrift war. Auch der Verf. der defensio contra famosas (B. 3) berichtet, P. Meyer habe den Augenspiegel verboten, hat aber die erlogene Wendung, als wenn der Erzbischof Uriel den Verkauf desselben habe inhibieren lassen.


16 Von allen Biographen Reuchlins zitiert.


17 Reuchlins Briefs. I, Nr. 87.


18 Bei David Strauß, Hutten I. S. 209.



Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig 1907, Band 9, S. 112.
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