I. Christliche Quellen.

[428] Die ausführlichste und authentischste ist die des englischen Gesandtschaftssekretärs und Konsuls John Ricaut, welcher gerade in dieser Zeit in der Türkei und in Smyrna, dem Hauptschauplatz S. Zewis, lebte. Er hat über diese Bewegung nach England berichtet und später in seiner History of the empire ottoman (London 1677) ihr ein ganzes Kapitel gewidmet. Das englische Original ist selten geworden, es gibt aber davon eine treue französische Übersetzung: Histoire de l'emp. Ottoman (Haag 1709), auch deutsch in (Hosmans) neu eröffneter ottomanischer Pforte II, S. 104. In der französischen Übersetzung Ricauts findet sich das hierher Gehörige B. II, S. 169 unter einer eigenen Überschrift: »Histoire de Sabatai Sevi pour Messie des Juifs.« [428] Ricaut sagt im Eingange: Comme la vie de Sabatai Sevi a fait de bruit dans le monde et que les choses qu'elle contient se sont passées principalement en Turquie, ce ne sera pas nous éloigner trop de notre sujet que de dire quelque chose de cet imposteur. Je sçay bien que son histoire est déjà publique. Mais puis qu'elle vient de ma plume, on ne trouvera pas mauvais. que je la reclame icy pour la joindre à la histoire générale. A ce que l'on sçait déjà je joindray des choses particulières et qui ne sont pas encore connues. Enfin je pousseray cette relation jusqu'à la mort de celuy qui en fait le sujet.

Das Plagiat, worauf Ricaut hier anspielt, betrifft ein Werk, welches bis jetzt als die einzige christliche Originalquelle angesehen wurde. Ricauts Berichte nach England über die Aufregung der Juden hatte nämlich ein Geistlicher namens Evelin benutzt und in derselben Redaktion wiedergegeben in einer Schrift The history of the three impostors (1669), auch in deutscher Sprache in demselben Jahre erschienen: Historia de tribus impostoribus (auch aufgenommen in Pantheon Anabaptisticum, und als besonderer Abdruck in Folio, Die Historie von Sabbataï Zevi, Frankfurt a.M. 1707). Auch was in dem Buche Two Journeys to Jerusalem (London 1680) von the counterfeit messiah at Smyrna erzählt wird, stammt aus dieser Quelle. Aus ihr sind auch die Notizen in der witzig sein sollenden Schrift entnommen: Kurieuse Nachrichten aus dem Reich der Beschnittenen, I. T., ein Dialog zwischen S. Zewi und dem Württemberger Hofagenten Joseph Süß Oppenheimer (Frankfurt und Leipzig, 1738). Ferner, was Carl Anton mitgeteilt hat als Prodromus zu Jonathan Eibeschütz' Apologie: Kurze Nachrichten von Sab. Zebhi (Wolfenbüttel 1752), ferner was Marquis d'Argent über ihn berichtet hat in Lettres Juives (T. II. B., No. 52) und endlich was Niebuhr kurz erwähnt (Deutsches Museum, 1784, 2. B., S. 11 f.).

2. Graf Gautier de Leslie, österreichischer Gesandter an der Pforte, war gerade in dieser Zeit (Mai 1665 bis März 1666) auf seiner Reise nach der Türkei und berichtet manches, wenn auch nicht viel von diesen Aufsehen erregenden Vorgängen, abgedruckt in Briot, histoire de l'état présent de l'empire ottoman, partie seconde: l'embassade à la porte, p. 163 f.

3. Bericht eines holländischen Kaufmanns aus Smyrna an einen Freund in Amsterdam, mitgeteilt in Theatrum Europaeum, T. X., p. 438 f. Dieser Bericht ist datiert vom 2. April 1666, also noch vor der Katastrophe seines Übertritts. Dem ist daselbst eine andere Erzählung angehängt, wohl des Herausgebers (Wolfgang Jakob Geiger) aus anderweitig zusammengetragenen Nachrichten, die mehr die Wirkungen betreffen, welche die sabbatianische Bewegung unter den Juden und Christen Europas hervorgerufen hat.

4. Langer Bericht eines holländischen Geistlichen der protestantischen Kirche in Smyrna, Thomas Coenen, d.d. 25. Mai 1667. Er hat ihn auf Verlangen von Freunden der Gelehrsamkeit und namentlich des auf Bekehrung der Juden lüsternen Hoornbeek geschrieben, gedruckt Amsterdam 1669 unter einem langen Titel: Idele Verwachting der Joden, getoont in der Persoon van Sabbathai Zevi ... ofte historisch Verhael ... 140 Duodezseiten. Das Buch ist selten und ist mit der folgenden Nummer verwechselt worden. Coenen lebte, wie gesagt, in Smyrna, beobachtete alle Vorgänge und hatte eine Unterredung mit Sabbataïs Brüdern, welche Sensale eines holländischen Hauses waren (p. 78) und auch mit Nathan Ghazati (p. 139). Indessen ist [429] er nur für die Vorfälle in Smyrna klassisch, was außerhalb vorging, hatte er nur vom Hörensagen. Auch sein Bericht ist vielfach benutzt worden.

5. Anonymer Bericht einer gelehrten Person, überschickt aus Galata, ins Holländische übersetzt unter dem Titel: Beschrivinge van Leven en Bedryf mitsgaders het Turck worden van den gepretendeerten Joodsen Messias, Harlem 1667, 24 Oktavseiten. Dieser Bericht hat nur Wichtigkeit für die Vorgänge in Konstantinopel während Sabbataïs Gefangenschaft daselbst und im Dardanellenschloß, was er auch ausführlicher als alle übrigen Quellen gibt.

6. Der französische Gesandtschaftssekretär de la Croix widmete die letzte Partie seines Mémoire ... contenant diverses Relations très curieuses de l'Empire Ottoman (2 Bände, Paris 1684) der Geschichte S. Zewis: Lettre cinquième, histoire de Sabbathai Zevi, prétendu Messie des Juifs (im zweiten Bande). De la Croix kann nur zum Teil als Augenzeuge gelten; denn er kam 1670 nach der Türkei; aber er hat Sabbataï noch predigen gehört (II, p. 259 f.): Je l'ai vu et j'ay assisté à quelques unes de ses prédications. Den größten Teil seiner Relation hatte er aus dem Munde eines apostasierten Sabbatianers (p. 384): Voilà une longue lettre ... que je vous débite partie comme témoin, partie comme les ayant tirés d'un Juif fort habile, qui étoit un de ces sectateurs, lequel l'abandonna au moment, qu'il se fit Turc. So ist diese Quelle zum Teil den jüdischen zuzuzählen.

7. Hottinger, Sendbrief I. Das Alles, was von dem neueren Propheten Nathan Sewi und dem aufgeworfenen König der Juden zeithero schargiert worden, ungegründet sei. II. Gleichwohl die Juden Anlaß haben, aus ihren eigenen Schriften sich unterrichten zu lassen. 1666. 4 Thesaurus Hotting. XXX. (29) S. 287-361.

Da diese Relation oder Widerlegung noch Handschrift ist, so kann sie selbstverständlich nur der Vollständigkeit halber hier aufgeführt werden. Tatsächlich neues wird sie wohl nicht viel enthalten, da Hottinger in der Schweiz lebte und wohl nur das berichtet hat, was er von anderen vernommen hatte. Die Schrift gibt indes noch einen Beweis mehr von dem großen Aufsehen, das die sabbatianische Bewegung auch in der Christenheit gemacht hatte.

Alle anderen Bücher, die mehr oder weniger von dem sabbatianischen Schwindel erzählen, haben gar keinen originalen Wert. Die kleine Schrift: Ausführliche Relation von dem neu entstandenen Propheten Nathan Levi, gedruckt 1666, enthält gar nichts von S. Zevi, sondern nur die Aufschneidereien des Pseudopropheten Nathan. Bemerkenswert ist der Schluß des christlichen Autors oder Referenten: »Was nun hiervon zu halten, ist Gott am Besten bewußt.« – Was Ragstatt de Weile in seiner kleinen antijüdischen Schrift Theatrum lucidum, Amsterdam 1671, referiert, ist entlehnt, mit Ausnahme des Wenigen, was er über Sabbataïs polnische Frau erzählt. Aus dieser Sekundärquelle ist wiederum entlehnt, was v. Lent im Schediasma de Pseudomessiis berichtet. Der Bericht des preußischen Historiographen Jean Baptiste de Roccoles: Les imposteurs insignes (Amsterdam 1683, auch in deutscher Übersetzung) ist ebensowenig Original. Der Verfasser sagt im Eingange: Deux Relations assez différentes, l'une flamande, qui m'a paru la plus curieuse et une française beaucoup plus ample, m'ont appris les actions ... de ce faux Messie, desquelles j'emprunterai cette narration. Seine holländische Quelle war Coenen. Die italienische Schrift [430] C. Alfano, R. Sabatai overo il finto Messia degli Hebrei, Viterbo 1666, welche Imbonato und Wolf zitieren, muß so wenig enthalten haben, daß sie Bartolocci (Bibliotheca magna Rabbinica IV, p. 48-50) bei der langen Erzählung von S. Z. nicht einmal erwähnt, sich vielmehr auf eine Sekundärquelle, auf v. Lents Schediasma verlassen hat10.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1897], Band 10, S. 428-431.
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