12. Die Lage von Machanaïm und Ramoth-Gilead.

[401] Zweimal bildete Machanaïm jenseits des Jordans auf kurze Zeit die Hauptstadt des Landes, unter Isch-Boschet und unter David nach seiner Flucht vor Absalom. Die Lage desselben ist aber noch nicht ermittelt. Von einigen ist sie gar falsch angesetzt. Seetzen war wohl der erste, welcher Machanaïm mit einem Dorfe Mahneh oder Maneh, fünf Meilen nordöstlich von dem Flusse Jabbok (jetzt ez-Zerka הקרז לא) entfernt, identifizierte (Seetzen, Reise I, 385). Robinson hat, ohne die Gegend besucht zu haben, diese Identifikation adoptiert (Physische Geographie des heiligen Landes, S. 84). H. B. Tristram, der mehr mit naturhistorischen Kenntnissen als mit Kritik ausgerüstete englische Tourist, welcher 1863-1864 das Land dies- und jenseits besucht und in der Gegend des Jabbok sich umgesehen hat, zweifelte ein wenig an der Identität von Maneh und Machanaïm, befreundete sich aber zuletzt doch damit (The Land of Israel, p. 487). Er bemerkt, daß er in Maneh keinerlei Trümmer gefunden habe, welche aus alter Zeit stammen könnten, nicht nur keine altisraelitischen, sondern nicht einmal römische. Der Platz muß also von jeher unbedeutend gewesen sein. Er fährt dann fort: Still ... should not feel any doubt about the identity of this spot (Maneh) with Machanaim, where it not that it is so far north of the Jabbok, the [401] boundary of Gad within whose limits Machanaim lay, and that from the history of Jacobs journey Machanaim appears to have been between Mount Gilead and the Jabbok. Nichtsdestoweniger schließt Tristram, es sei die Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß Machanaïm sich in Maneh erhalten habe. Allein es läßt sich streng beweisen, daß Machanaïm dicht am Jabbok und am Jordan gelegen hat. Um uns zu orientieren, ist es notwendig, die Bodenbeschaffenheit des jenseitigen Jordanlandes zu markieren, weil dieses wegen der Unsicherheit der Reisen nur von wenigen Touristen und nicht durchgängig erforscht wurde.

Die östliche Bergwand des toten Meeres läuft für das Auge in einiger Entfernung nördlich fort bis zum Jabbok, d.h. es nimmt sich wie ein langgestreckter Bergrücken aus. Sein höchster Punkt wird G'ebel Oescha genannt, der etwa 3630 Fuß das Meeresniveau überragt. Er liegt ungefähr dem Kurn-Surtabeh (אבטרס im Talmud) diesseits gegenüber. Dieser Gebirgszug, welcher ungefähr 11 Meilen lang und 11/2–2 Meilen breit ist, wird in der Bibel Berg Gilead (דעלגה רה) genannt. Aber auch noch die nördliche Fortsetzung desselben, etwa noch 8 Meilen bis zum ehemaligen Gadara (jetzt Umkreis) wird als Berg Gilead bezeichnet. Zwischen diesem Bergrücken und dem Jordanbet te flacht sich eine Ebene ab, die sich, bald sich verengend, bald sich erweiternd, bis zum Tiberiasmeer ausdehnt. Die Ebene wird in der Schrift die Tiefebene (קמעה) genannt (Josua 13, 27). In derselben werden die Städte angeführt םרה תיב, ferner חרמנ תיב, ferner תוכס und ןופצ (vgl. Rosenmüller, Scholia ad Josua, p. 256, Raumer, Palästina, S. 252, welche das Richtige angegeben haben). Östlich vom Gebirgszuge dehnt sich ebenfalls eine Ebene aus, welche sich in Wüstenland verliert. Diese wird ganz besonders רושימה, auch רושימה ץרא genannt. Südlich vom Jabbok bildet Peräa also drei Längenzonen, Tiefebene, Gebirge und Flachebene. Nördlich vom Jabbok dagegen erstreckt sich das Hochland weiter östlich, steigt sogar zu hohen Kuppen auf und wird gegenwärtig G'ebel Aglun genannt, weil die Stadt Aglun der Hauptort desselben ist. Vom Jabbok nordwärts sind die Höhen mit Eichen bewachsen, die an gewissen Stellen dichte Wälder bilden. Das Hochgebirge erstreckt sich mit Tälern abwechselnd noch weiter bis Edreï (Darat). Ganz im Süden reichte das den Israeliten zugewiesene jenseitige Land bis zum Arnon (jetzt el-Mogeb oder Mogib).

Das Land vom Arnon, östlich vom toten Meere, bis zum Jabbok fiel Rëuben und Gad zu (Deuteron. 3, 16). לחנה ךות ןונרא לחנ דעו דעלגה ןמ יתתנ ידגלו ינבוארלו ןומע ינב לובג לחנה קבי דעו לבגו.20 So weit reichte nämlich das ehemalige Gebiet der Ammoniter, das nun den beiden Stämmen zugeteilt wurde. Das Land nördlich vom Jabbok aber wurde Halbmanasse zugeteilt; es bestand aus dem Gebirge längs des Jordans, also[402] einem Teil des Gebirges Gilead und dem östlichen Gebirge Baschan samt den Tälern und Ebenen. Manasse beherrschte demnach ein größeres Gebiet. Gad dagegen war nur auf einen schmalen Streifen des Gebirges, die Ebene am Jordan und eine andere schmale Ebene (Mischor) im Osten angewiesen. Kurz und deutlich ist das Grenzgebiet der Stämme Gad und Rëuben, d.h. das ehemalige ammonitische, in Richter 11, 22 angegeben: ןדריה דעו רבדמה ןמו קוביה דעו ןונראמ, d.h. von Süd nach Nord bestimmt, vom Arnon bis zum Jabbok und von Ost nach West, von der Wüste (Ebene) im Osten bis zum Jordan im Westen. Ebenso das. 13: ןדריה דעו (רבדמה ןמו) קוביה דעו ןונראמ. Der Jabbok wird überall als Grenzfluß bezeichnet. 1. Ehemals bildete er die Nordgrenze von Ammon. 2. Dann war er Grenzfluß zwischen dem Gebiet von Sichon, das den Emoritern, und dem von Baschan, das Og gehört hat. 3. Bildete er die Grenze zwischen Gad und Halbmanasse. Auch in Deuteron. 2, 37 ist angedeutet, daß die Israeliten das von den Ammonitern innegehabte Gebiet nicht ganz erobert haben, sondern nur insoweit, als Sichon es diesen entrissen hatte, und zwar קבי לחנ די לכ, das ganze Uferland des Flusses Jabbok. – Da dieser Fluß eine tiefe Kluft zwischen dem nördlichen und südlichen Gebirgszuge bildet und davon seinen Namen hat (קבי von קקב, Höhlung, die hohle Schlucht), so teilt er gewissermaßen das Gebirge in zwei Hälften. Die südliche Hälfte des Gebirges gehörte zu Gad und Rëuben und die nördliche Hälfte zu Halbmanasse. Deutlich ist diese Grenzbestimmung angegeben in Deuteron. 3, 12-13: וירעו דעלגה רה יצחו -דגלו ינבוארל יתתנ. Wenn es weiter heißt: ... דעלגה רתיו השנמה טבש יצחל, so ist darunter der nördliche Bergrücken und die Gegend von Gadara bis zum Jarmuch (Hieromax) zu verstehen. Ebenso Josua 13, 31: יצחו דעלגה. Überhaupt, wo von Gilead in der Bibel die Rede ist, ist es von der Gebirgsgegend parallel dem Jordan zu verstehen, nicht von der östlichen Fortsetzung.

Wenn solchergestalt einerseits der Jabbok als scharfe Grenzscheide zwischen Gad und Manasse angegeben ist, so wird anderseits Machanaïm als Grenzpunkt bezeichnet. Josua 13, 26: לובג דע םינחממו ריבדל21, woraus hervorgeht, daß die Stadt Machanaïm zu Gad gehört hat. Das. V. 30 heißt es von Manasse: 'וגו ןשבה לכ םינחממ םלובג יהיו. Demnach müßte man annehmen, daß Machanaïm an der Grenze zwischen Gad und Manasse, in der Kluft des Jabbok gelegen hat, was aber eine Unmöglichkeit ist. Denn in dieser Tiefe könnte keine Stadt erbaut sein. Hier stehen wir vor einem topographischen Rätsel, und daher kommt es, daß die Lage von Machanaïm schief aufgefaßt wurde. Diese Schwierigkeit wird durch die Angabe der Örtlichkeit in Genesis von Jakobs Zuge noch vermehrt. Von Norden kommend, war Jakob zuerst in Machanaïm (32, 3), und dann zog er erst durch den Paß des Jabbok (קבי רבעמ, V. 23-24). So muß doch Machanaïm [403] im Norden des Jabbok gelegen haben. Wie ist dieser Widerspruch auszugleichen?

Indessen gibt gerade diese Erzählung an die Hand, wohin Machanaïm zu setzen ist. Jakob übernachtete in dieser Stadt; von hier sandte er Sklaven mit Tieren als Geschenk für Esau voraus, und von hier aus zog er noch in derselben Nacht über den Jabbok. Wenn es noch nicht deutlich genug aus V. 14 hervorginge, »er weilte dort in dieser Nacht«, so wird es deutlicher aus V. 22: הנחמב אוהה הלילב ןל אוהו. Dieses הנחמב bezieht sich auf םינחמ, von dem früher der Ursprung der Benennung angegeben ist = םיהלא הנחמ, und weiter V. 8: תונחמ ינש, Doppellager. Von Machanaïm ausziehend, setzte Jakob noch in derselben Nacht Frauen und Kinder über den Jabbok, und nachdem dieses geschehen war und er mit dem Engel gerungen bei Penuel, südlich vom Jabbok, ging der Morgen auf. Es wird also nur eine geringe Distanz von Machanaïm zum Jabbok vorausgesetzt. Es wird auch dabei vorausgesetzt, daß der Jordan dem Schauplatze sehr nahe war. Denn im Gebet spricht Jakob von diesem Jordan (V. 11: הזה ןדריה תא יתרבע); er muß ihn also im Auge gehabt haben. In der Tat konnte ein Frauen und Kinder mit sich führender Familienvater es unmöglich unternehmen, den Jabbok da, wo er im Gebirge eine tiefe Schlucht bildet, zu passieren. Erst 11/2 Stunde vor der Mündung des Jabbok in den Jordan tritt er aus dem Gebirge heraus, d.h. werden seine Ufer niedriger. Also in diesem Winkel der Jordanebene (קמע), zwischen Jordan und Jabbok im Norden an dem Fuße des Gebirges Gilead haben wir Machanaïm zu suchen. Hier war es leichter, Frauen und Kinder über den Jabbok oder den Paß (קבי רבעמ) zu setzen. Wir werden später ein noch entscheidenderes Argument kennen lernen, daß Machanaïm in der Nähe des Jordans lag. Vor allem müssen wir das Auffallende beseitigen, daß Machanaïm nördlich vom Jabbok und doch zum Stamm Gad gehört haben soll, dessen Gebiet doch nur bis zum Jabbok reichte!

Eine Stelle in dem Grenzverzeichnis des Buches Josua gibt Aufschluß darüber. Allerdings ging Gads Gebiet auf dem Gebirge Gilead, also das halbe Gebirge Gilead nur bis zum Jabbok. Aber in der Ebene zwischen dem Gebirge und dem Jordan reichte sein Gebiet weiter, bis zum Tiberiassee, d.h. die ganze Strecke längs des Jordans (Josua 13, 27): תיב קמעבו החרזמ ןדריה רבע תרנכ םי הצק דע ... םרה. Die Lokalität ist hier ganz bestimmt und unzweideutig beschrieben. Das. 12, 2-3 ist ebenfalls angegeben, daß das Gebiet Sichons, dessen nördlicher Teil Gad zugefallen war, in der Araba, d.h. dem Jordan-Ghor, war und bis zum Kineretsee reichte. םי דע הברעהו ... לשומ ... ןוחיס החרזמ (ןדריה רבע) תורנכ. Da nun Machanaïm nicht weit vom Jabbok in der Jordanebene gelegen haben muß, so gehörte es noch zu Gad. Aber ein wenig nordöstlich von Machanaïm, vom Fuße des Gebirges an, begann schon das Gebiet von Halbmanasse; daher ist in dem Verzeichnis angegeben, daß dessen Grenze von Machanaïm östlich bis Basan ging (o. S. 403).

Aus der Erzählung von Davids Aufenthalt in Machanaïm während seiner Flucht vor Absalom und von dem Kriege gegen seinen rebellischen Sohn geht ebenfalls mit Bestimmtheit hervor, daß diese Stadt nicht weit vom Jordan gelegen haben muß. Der Krieg war in einem Walde nicht weit von Machanaïm (II. Sam. 18, 8). Dieser Wald wird םירפא רעי genannt (das. V. 6). [404] Das hat keinen Sinn, denn Ephraim hatte jenseits des Jordans keine Besitzung. [Vgl. jedoch Buhl S. 121.] Man muß dafür lesen םיאפר רעי, Wald der Rephaïm, so genannt, weil früher die Rephaïm dort gewohnt hatten, wie mehrere topographische Punkte nach diesem Volke benannt werden (vgl. Deuteron. 2, 20). Ein Wald in Palästina dies- und jenseits des Jordans setzt ein Gebirge voraus; denn nur auf Höhen gedeihen dort Waldbäume, die hohe Temperatur der Ebene neun Monate hindurch ist ihnen schädlich. Deuteron. 3, 13 wird angegeben, daß der ganze Kreis Argob, der zu Baschan gehörte, das Land der Rephaïm genannt wurde: אוהה ןשבה לכל בוגראה לבח לכ םיאפר ץרא ארקי. Im folgenden Vers ist angegeben, daß Jaïr, der Manassite, den Kreis Argob erobert hatte. I. Könige 4, 13 ist angegeben, daß Argob in Baschan lag ןשבב רשא בוגרא לבח. Nun ist die Lage von Argob bekannt, wie schon Ritter (Erdkunde, Sinaïhalbinsel, Palästina II, S. 1041) aus verschiedenen Notizen nachgewiesen hat. Die bestimmteste Angabe über die Lage hat Eusebius' Onomastikon. Er sagt, noch zu seiner Zeit habe es ein Dorf Erga gegeben, in der Gegend von Gerasa, 15 römische Meilen = 3 geographische Meilen von da nach Westen, nach dem Jordan zu (ed. Lagarde p. 216 [ed. Klostermann S. 16, 19]): Ἀργώβ ... κεῖται δὲ εἰς ἔτι νῦν κώμƞ πέριξ Γέρασαν πόλιν τῆς Ἀραβίας ὡς ἀπὸ σƞμείων ιε᾽ πρὸς δυομάς, καλεῖται δὲ νῦν Ἐργά. Bei Josephus heißt die Stadt Ragaba. Der Namen hat sich bis auf den heutigen Tag erhalten, Ragib, ein Städtchen, 11/4 Stunden in gerader Richtung nördlich vom Jabbok, und ein Flüßchen Wadi Ragib, das nördlich vom Jabbok in den Jordan mündet. [Vgl. hierzu Buhl S. 118 f.]

Wir haben damit festen Boden gewonnen; der Krieg zwischen Davids und Absaloms Scharen fand im Walde Rephaïm statt. Unweit des Jabbok war die Stadt Argob, von welcher die Gegend den Namen לבח בוגרא erhalten hat. Es wird auch das Land Rephaïm genannt. Folglich war dies Treffen auf dem Waldgebiete bei Argob nördlich vom Jabbok und unweit von Machanaïm. Damit stimmt das Folgende vorzüglich. Nach dem Tode Absaloms und der Flucht seiner Schar sandte Joab einen Äthiopier, um David davon Kunde zu geben. Achimaaz drängte sich ebenfalls als Bote auf, nach Machanaïm zu eilen, und er lief auf dem Wege des Khikhar (II. Sam. 18, 23): ץעמיחא ץריו רככה ךרד. Das Wort רככח ist eine Ellipse für ןדריה רככ (Genesis 13, 12; 19, 17-25 28-29; Deuteron. 34, 3), nämlich das Jordan-Ghor22. Anstatt vom Waldgebirge Rephaïm oder von Argob über Berge und Täler zu laufen, was seinen Lauf verzögert hätte, stieg Achimaaz zur Jordanebene hinab, lief auf ebenem Wege nach Machanaïm und überholte so den Äthiopier, der zwar einen kürzeren, aber mühsameren Weg eingeschlagen hatte. Die Stadt Machanaïm muß also unweit des Jabbok und des Jordan-Ghor gelegen haben. Daher konnten die Träger Abners Leichnam in einer Nacht und einem Teil des folgenden Tages von Gibeon nach Machanaïm bringen. Sie gingen zuerst an der westlichen Seite des Jordans die ganze Nacht, durchwateten eine Furt des Jordans, gingen dann an der östlichen Seite des Flusses (welche ןורתב genannt wird) und kamen, über den Jabbok setzend, nach Machanaïm (II. Sam. 2, 29). Der Weg beträgt kaum acht Meilen, und die Nacht hat zwölf Stunden.

[405] Genau die Lage von Machanaïm, unweit des Jordans und des Jabbok und unweit Ragib zu bestimmen, ist allerdings aus Mangel an weiteren Hilfsmitteln unmöglich. Raumer hatte eine Vermutung, daß Machanaïm in der Jordanaue gesucht werden müsse (Palästina S. 244). In Berghaus' Karte dagegen ist Machanaïm dicht am Jabbok auf der Gebirgshöhe eingetragen; das ist jedenfalls unrichtig (vgl. Ritter a.a.O. S. 1039); denn es muß in der Ebene gelegen haben, etwa südlicher und westlicher von dem Dorf und Wady Abu-Obeideh (Abeida) zum Andenken an den mohammedanischen Feldherrn Abu-Abeida, der hier 635 n. Chr. den Tod fand (Ritter, das. S. 1032). Die Grenze an der Nordseite des Jabbok (ez-Zerka) ist voller Trümmer, auch in der Ebene; da ließe sich vielleicht die Lage von Machanaïm ermitteln. Keineswegs kann es mit Maneh identisch sein, das weit nordöstlich vom Jabbok in einer Gegend liegt, die schon zu Baschan gehört hat, während Machanaïm noch zu Gilead gehörte. [S. auch Buhl S. 257, vgl. S. 121.]

Durch diese Auseinandersetzung läßt sich auch die Lage einer anderen viel gesuchten Stadt jenseits des Jordans ermitteln. Ehe Jakob nach Machanaïm kam, hatte er an einem Punkte eine ernste Unterredung mit seinem ihm nachsetzenden Schwiegervater Laban. Es war am Berge Gilead, wo ihn Laban eingeholt hatte (Genesis 31, 22-23). Der Platz war also im Norden von Machanaïm, aber nicht zu weit davon entfernt; denn es heißt: nachdem beide (Laban und Jakob) friedlich nebeneinander am Berge übernachtet hatten, sei der letztere am darauffolgenden Tage in Machanaïm eingetroffen (das. 31, 54; 32, 1-3). Vor der Versöhnung hatte jeder von ihnen an einem anderen Platze die Zelte aufgeschlagen (das. 31, 25). בקעיו דעלגה רהב ... ולהא תא עקת ןבלו רהב ולהא תא עקת. Diese Bezeichnung: Jakob hatte sein Zelt am Berge und Laban am Berge Gilead, ist unverständlich. Gab es denn da neben dem Gebirge Gilead noch ein anderes Gebirge in der Nähe? Offenbar setzt die Bezeichnung רהב schlechthin einen bestimmten, bekannten Berg voraus. Nun wird dieser Berg in V. 48 bis 49 genannt: 'ה ףצי רמא רשא הפצמהו דעלג ומש ארק ןכ לע. Es wird damit der Ursprung der Benennung von Gilead und Mizpeh erklärt. Das eine bedeute Steinhaufen, דעלג (oder aramäisch אתודהש רגי), weil Laban und seine Leute einen Steinhaufen zum Zeugnis zusammengetragen haben, und das andere bedeute Schauen, weil Gott auf das Bündnis schauen und den Übertreter bestrafen möge. Es ist schon von anderen darauf aufmerksam gemacht worden, daß auch die Steinsäule הבצמ, welche Jakob zum Zeichen des Bündnisses aufgerichtet hatte (V. 45), auf הפצמ anspielt, wegen der Klangähnlichkeit. Darum wird V. 52 wiederholt: דע הבצמה דעו הזה לגה. Daraus geht mit Bestimmtheit hervor, daß in dieser Erzählung Gilead (Galed) und auch Mizpeh eine Rolle spielten. Laban wird mit Galed (Gilead) und Jakob mit Mazebah, Mizpeh, in Verbindung gebracht. Wenn es also heißt: Laban hatte sein Zelt am Berge Gilead und Jakob am Berge aufgeschlagen, so ist unter dem letzteren Mizpeh zu verstehen, als wenn da stünde הפצמה רהב. Die Szene zwischen Jakob und Laban spielte also bei Mizpeh in Gilead, oder kurz דעלג הפצמ. Dieser Ort lag also nördlich vom Jabbok und Machanaïm.

Sämtliche topographische Punkte, welche hebräisch הפצמ [mitzpa] oder הפצמ [mitzpe] heißen, zeichnen sich dadurch aus, daß sie auf einer Höhe liegen und nach [406] allen Seiten hin eine freie Aussicht gewähren. Es waren hohe Warten, von denen man den anrückenden Feind, von welcher Seite er auch kommen mochte, von ferne erblicken konnte, so Mizpeh oder Mizpah = Neby-Samwil nördlich von Jerusalem, wo Samuel Versammlung hielt und Saul gesalbt wurde, so am Hermon der hohe Punkt הפצמה ץראב ןומרח תחת (Jos. 11, 3); es ist die Bergwand am Fuße des Hermon, in der Tiefe Paneas, welche das. 8 הפצמ תעקב החרזמ genannt wird. Um also die Lage von Mizpeh- Gilead zu finden, müssen wir nördlich vom Jabbok eine freie Berghöhe suchen. Vorausgeschickt muß werden, daß Jakob auf seiner Reise sich soviel als möglich in der Ebene gehalten hat; denn mit Kindern und Vieh ist das Reisen über das Gebirge außerordentlich beschwerlich. Sobald er das Jordan-Ghor erreicht hatte, hat er sich wohl in demselben gehalten, so daß ihm das Gebirge Gilead östlich, der Jordan westlich war. Nun gibt es in der Nähe des Jordans und nördlich vom Jabbok nur einen einzigen Punkt, der verdiente, hohe Warte הפצמ genannt zu werden; das ist das gegenwärtig bekannte Kastell Kalát Rubud oder er-Rubud (דבר לא העלק), etwa zwei Stunden nordöstlich vom Jordan. [So auch Merill, East of the Jordan (1881), S. 365 ff.: vgl. Buhl S. 263.] Der Felsen bildet einen Pik des Gebirges Aglun, nicht weit von Wady Aglun. Man sieht diese Felsenspitze weit und breit, selbst wenige Stunden von Jerusalem 6-8 Meilen weit. Die Festung er-Rubud gleicht einer hohen Ritterburg. Von diesem hohen Punkte aus konnte Buckingham 15 Winkelmessungen vom Karmel im Norden bis zum toten Meere im Süden vornehmen (Ritter a.a.O. II, 1116). Wir dürfen also Mizpeh-Gilead ohne weiteres mit Kalát-er-Rubud identifizieren. Die Festung liegt vom Jabbok oder der mutmaßlichen Lage Machanaïms etwa zwei Stunden in gerader Richtung. Jakob brauchte also mit Kindern und Herden von hier aus bis zu Machanaïm und dem Jabbok beinahe einen Tag. Nachdem er Laban verlassen hatte, reiste er von Mizpeh bis Machanaïm und übernachtete hier, um in der Nacht an einer seichten Stelle über den Jabbok zu setzen. Es ist kein Zweifel, daß der Erzähler dieses Stückes in Genesis Jakob und Laban in der Nähe dieses hohen Punktes הפצמ zusammenkommen läßt.

Da dieses הפצמ oder die hohe Warte von Kalát-er-Rubud nördlich vom Jabbok liegt, so gehörte es zu Halbmanasse. Hier war der Aufenthalt des manassitischen Richters Jephtah (Richter 11, 34), חתפי אביו ותיב לא הפצמה. Von hier aus durchzog er zuerst Gilead im Süden, d.h. das Gebiet des Stammes Gad, dann Manasse im Norden und Osten, um Scharen zum Kriege gegen die Ammoniter zu werben, kehrte dann nach seiner Vaterstadt zurück, wo die Scharen sich sammelten, und zog von hier aus gegen den Feind im Süden (das. V. 29). דעלג הפצמ ist also identisch mit Kalát-er-Rubud. Es wird auch הפצמה תמר genannt (Josua 13, 26), wo die Grenze des Gebietes von Gad angegeben ist: von Hesbon im Süden bis zu Ramath Mizpeh im Norden. Es führte auch den Namen תמר דעלג oder die hohe Feste Gileads (I. Könige 4, 13). Der Landpfleger für Baschan, d.h. für Halbmanasse, wohnte in Ramoth-Gilead. [S. jedoch Buhl a.a.O. S. 261 ff.] Es kann daher unmöglich mit es-Salt identisch sein, mit dem es Burkhardt zuerst identifiziert hat – wodurch diese Identifikation auf die Karten übergegangen ist. Winer (Art. Ramoth) hat diese Parallelisierung mit Recht angezweifelt. Jehu zog in kurzer Zeit in einem Ritt von Ramoth-Gilead [407] nach Jesreël (II. Könige 9, 14-16). Wäre es es-Salt, so hätte er eine längere Zeit dazu gebraucht. Dieses liegt nämlich acht Stunden südlich von er-Rubud in gerader Richtung. Eben weil die Feste er-Rubud oder דעלג תומר דעלגב תמאר, דעלג הפצמ, eine außerordentliche Wichtigkeit hatte und das Land beherrschte, so war sie ein Zankapfel zwischen den Königen von Israel und den Aramäern. Die Forscher sind an der Orientierung über Ramoth-Gilead irre geworden, weil es als gaditische Levitenstadt bezeichnet wird, also zu Gad gehört haben müsse. Allein im Buch der Könige wird es ausdrücklich als zu Manasse gehörig angegeben. Was folgt daraus? Nichts weiter, als das Ramoth-Gilead als Grenzfeste bald zu Gad, bald zu Halbmanasse gehört hat, wie auch einige rëubenische Städte zu Gad gezählt werden (vgl. o. S. 73). Das Besitzgebiet der Nachbarstämme unterlag Fluktuationen. Man könnte zwar gegen die Bestimmung der nahen Lage von Machanaïm und Ramoth-Gilead (er-Rubud) den Umstand geltend machen, daß dann zwei Amtsleute Salomos dicht beieinander ihr Gebiet gehabt hätten (I. Könige 4, 13-14), was unannehmbar wäre. Allein es ist sogar noch ein dritter Amtmann für Gilead genannt (V. 19). Es könnte also sein, daß der Amtmann von Machanaïm das Gebiet der östlichen Jordanebene vom Tiberiassee bis zum toten Meere, ein anderer die Städte des Gebirges und der östlichen Ebene und ein dritter die Landschaft Baschan verwaltet hatte; allein das Verzeichnis der Amtsleute ist nicht intakt auf uns gekommen; Josephus kennt Machanaïm gar nicht als Sitz eines Amtmanns (vgl. o. S. 280, Anm. 1). Die Unrichtigkeit der Identifizierung von Ramoth-Gilead mit es-Salt folgt übrigens auch daraus, daß es als nördliche Grenzstadt Gads angegeben ist (Josua 13, 26), es-Salt aber in der Mitte des Gebietes Gad liegt23.

Was Baschan betrifft, so begann es gleich nördlich vom Jabbok, und zwar von dem Gileadrücken nach Osten zu. Man muß sich nicht von der späteren Benennung Batanäa verleiten lassen, es in den Norden von Scheriat-Mandhur oder Hieromax zu verlegen. Der Name ןשב, איינתב, auch ןנתמ, Βαταναία wurde wie der von Galiläa zuerst auf einen engen Bezirk beschränkt und dann auf ein weiter ausgedehntes Gebiet erweitert. Der Kreis Argob (Ragaba) im Anfang des G'ebel Aglun wird auch schon Baschan genannt, לבח ןשבב רשא בגרא. Dichte Eichenwälder finden sich heute noch zwischen Aglun und Suf. Hier waren die ינולא ןשב, hier hausten die Rinder von Baschan im Waldgebirge. Als Jaïr, der Gileadite, weitere Eroberungen machte und 60 feste Städte (ריאי תוח) in der Basalt-und Lavagegend einnahm bis zum Süden des Hauran (תנק = חבנ, Kanwat, s.S. 415), wurde auch diese Strecke Basan genannt. Die Hauptstadt von Basan, soweit es im Besitze der Manassiten war, war nicht Edreï (Darat) im Norden und nicht Aschtarot (Bostra) im Nordost, sondern Golan, und wegen ihrer Wichtigkeit wurde die ganze Gegend Gaulanitis genannt. Ursprünglich waren also [408] Batanäa, d.h. Basan, und Gaulanitis identisch. Dem Namen ןלוג scheint mir die jetzige arabische Benennung Aglun zu entsprechen. Man leitet dieselbe in der Regel von ןולגע ab; aber es läßt sich nicht nachweisen, daß es jenseits eine Stadt Eglon gegeben hat. Wohl aber kann es von Golan abstammen, mit angefügtem Guttural. Es ist nicht selten, daß die Araber den ע-Laut an Städtenamen affigieren. Aschkalon sprechen sie ןולקשע aus, Jatir = ריתי lautet jetzt ריתע. Den Namen der Stadt ןולגע im diesseitigen Palästina sprechen die Araber Aglan aus, nicht Aglun. Neben Aglun hat sich auch der Name Gelon für die Landschaft erhalten. Mit einem Worte, die ganze Gegend vom Jabbok nordostwärts bis zum Haurangebirge wurde erst allmählich Basan genannt. [Vgl. hierzu Buhl S. 83 f.]


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1908], Band 1, S. 401-409.
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