19. Die Chronologie.

[427] Mit der chronologischen Ordnung der israelitischen Geschichte von der Zeit an, wo die Data aufhören, runde Zahlen zu sein, steht es doch noch nicht so verzweifelt, wie die Ägyptologen und Assyriologen glauben machen wollen. Die Störungen, welche diese infolge ihrer eigenen chronologischen Berechnung hineingebracht haben, sind nicht so überwältigend, daß man dadurch genötigt wäre, die judäische Chronologie für die Zeit der Könige einer anderen unterzuordnen und die bisher aufgestellten Data zu verwerfen. Die ägyptische Chronologie nach den manethonischen Dynastien hat ihre schwachen Seiten, die sie nicht verdecken kann, und daher darf sie sich nicht zur Richterin aufwerfen. Dafür nimmt aber die assyrische Chronologie seit einigen Jahren einen immer stolzeren Ton an. Allein sie ist ebenfalls noch viel zu weit von mathematischer Gewißheit entfernt, um als Norm und Kontrolle zu dienen. Die von ihr aufgestellten festen Punkte sind noch lange nicht zuverlässig. [Nach den neuen Untersuchungen liegt jetzt eine von ca. 900 bis zum Untergang des assyrischen Reiches fest gefügte Chronologie vor, deren fester Stützpunkt die in den Inschriften erwähnte Sonnenfinsternis vom 15. Juni 763 ist. Vgl. fol. 72, S. 91, und den Artikel »Assyrien« bei Riehm-Bäthgen, S. 134 ff.] Um daher einen sicheren Ausgangspunkt zu gewinnen, muß ein anderer synchronistischer Kanon herangezogen werden, der anderweitig feststeht. Von diesem Kanon aus können dann die chronologischen Data der israelitischen Königsgeschichte vorwärts bis zur Zerstörung Jerusalems und rückwärts bis zur Reichsspaltung und noch darüber hinaus bis Saul normiert werden, vorausgesetzt, daß die Richtigkeit der Zahlen konstatiert ist. Dafür besitzen wir allerdings zwei Korrektivmittel. Das eine Korrektiv ist die Vergleichung der beiden Quellen, der Bücher der Könige und der Chronik, für die Regierungsdauer der judäischen Könige der nachsalomonischen Zeit bis auf den letzten König und den Untergang Jerusalems, und das andere ist der Synchronismus der judäischen und israelitischen Könige, deren Regierungsanfang in den Büchern der Könige stets aufeinander reduziert wird. Dieser Synchronismus kann deshalb als Korrektiv dienen, weil innerhalb der langen Zeitreihe der Könige beider Reiche zwei oder drei gemeinsame Anfangs- und Endpunkte zusammentreffen.

[427] 1. Von der Reichsspaltung oder dem Regierungsantritt Rehabeams bis zum Tode des Königs Achasja von Juda müssen ebenso viele Jahre abgelaufen sein wie vom Regierungsantritt Jerobeams I. bis zum Untergang des letzten Omriden.

2. Die Summe der Regierungsjahre vom Regierungsantritt der Königin Athalja bis zum Tode des Königs Usia muß fast ebensoviel betragen wie die Summe der fünf jehuidischen Könige und ihrer Nachfolger bis zum Tode des Menahemiden Pekachja.

Endlich 3. muß die Summe der Regierungsjahre der nachusianischen judäischen Könige bis zum sechsten Jahre Chiskijas ebensoviel betragen wie die Summe der Regierungsjahre der letzten Könige von Israel bis zum Untergange Samarias. Das zweite Korrektiv, die beiderseitige Reduktion, würde die israelitische Chronologie in der Königsepoche während des Bestandes beider Reiche unanfechtbar machen, wenn die parallelen Zeitreihen miteinander völlig übereinstimmten. Sie stimmen aber auf den ersten Blick nicht überall überein. Hier muß die Kritik eintreten, um die Differenzen auszugleichen, und diese Ausgleichung ist auch vielfach versucht worden, hat aber bisher kein günstiges Resultat geliefert. Zwei Hypothesen sind zur Ausgleichung aufgestellt worden; die Annahme von Mitregentschaften oder Interregnen. Oppert hat noch dazu einen neuen König von Israel, einen Menahem II., eingeschoben31. Man darf es sich aber nicht verdrießen lassen, die Harmonistik immer von neuem zu versuchen; vielleicht gelingt es, den verwickelten Knoten zu lösen. Hier soll nun ein neuer Versuch gemacht werden. Die Schwierigkeiten und Dunkelheiten sind den Fachmännern bekannt, sie brauchen nicht gezeigt zu werden; es gilt lediglich, sie zu beseitigen. Um dieses zu ermöglichen, müssen wir uns den Überblick vergegenwärtigen.


Juda.

1. Von Rehabeam bis Achasja (einschl.)

2. " Athalja bis Usia

3. " Jotham bis zum 6. Jahre Chiskijas


Israel.

= von Jerobeam I. bis Jehoram (einschl.)

= " Jehu bis Pekachja (einschl.)

= " Pekach und Hosea bis zum Untergang Samarias (einschl.).


Die Abgrenzung der Parallele der ersten Reihe ist längst gemacht worden. Die zweite parallele Zeitreihe ergibt sich aus der deutlichen Angabe, daß Usia 52 Jahre regiert hat und daß Pekachja in dessen 52. Regierungsjahre getötet wurde. Die 52 Jahre Usias sind unanfechtbar, weil der Regierungsantritt mehrerer israelitischer Könige darauf reduziert wird: im 38. Jahre Usias (II. Könige 15, 8), im 39. Jahre Usias (das. 15, 13 und 17), im 50. Jahre Usias (das. 15, 23) und im 52. Jahre Usias (das. 15, 27). – Die dritte Parallele ergibt sich von selbst, indem die letzte Zeit des Zehnstämmereiches bis zum Untergang Samarias solange gedauert haben muß, wie Jotham-Achas' Regierungszeit und noch bis zum 6. Jahre Chiskijas, da angegeben [428] ist, daß der Untergang Samarias im 6. Jahre Chiskijas erfolgte (II. Könige 18, 10).

Diese drei synchronistischen Parallelen scheinen zuweilen gestört, indem auf den ersten Blick, wie schon angegeben, die Reduzierung der Regierungsjahre des einen Königs auf die des anderen nicht zu stimmen scheint oder Widersprüche ergibt. Eine sachgemäße, besonnene Kritik vermag aber die Inkorrektheiten zu korrigieren.

Nichts ist leichter, als Zahlen zu emendieren, aber eine solche Emendation ist auch bedenklich und unzuverlässig. Sie darf daher nur da vorgenommen werden, wo offenbare Widersprüche sie gebieterisch fordern und wenn das dafür Substituierte diese aufhebt. Es wird von sämtlichen chronologischen Forschern zugegeben, daß die Zahlen in den israelitischen Geschichtsbüchern öfter durch Zahlzeichen ausgedrückt wurden, und zwar selbst in der Zeit, in der bereits die sogenannte assyrische Schriftart eingeführt war. Sämtliche alte Völker bedienten sich beim Kopieren kurzer Zahlzeichen statt langer Zahlwörter, und warum nicht auch die Hebräer? Im Verlaufe der Untersuchung wird sich die Richtigkeit dieser Annahme herausstellen. Dieses zugegeben, muß auch zugegeben werden, daß ein Verschreiben von Zahlzeichen, die miteinander Ähnlichkeit haben, wie ו und ז, ferner כ und ב, dann מ und ס u. dgl., möglich sind. Indessen muß es eine normierende Kontrolle geben, wenn nicht solche mögliche Substitutionen in Willkür ausarten sollen. Diese Kontrolle besitzen wir an der parallelen Königsreihe. Da nicht bloß angegeben ist, wie lange ein König von Juda oder Israel regiert hat, sondern auch, in welchem Jahre des synchronistischen Königs er zur Regierung gelangt ist, so müssen beide Zahlen, die der Regierungsdauer und die des synchronistischen Regierungsantrittes miteinander stimmen. Stimmen sie nicht, so muß irgendwo ein Fehler stecken. Es wird sich im Verlauf herausstellen, daß die Zahlen des synchronistischen Regierungsantrittes oder die Reduzierungen unverfälscht sind, auch da, wo auf den ersten Blick ein Widerspruch zu walten scheint. Da, wo sie wirklich korrumpiert sind, hat ein anderer Text, die griechische oder syrische Version, eine richtige Lesart erhalten. Auch das Seder Olam Rabba, das aus dem zweiten Jahrhundert stammt und sich mit der biblischen Chronologie beschäftigt, bietet hin und wieder eine bessere, d.h. zur Ausgleichung der Widersprüche geeignete Lesart. Die Reduzierung des Regierungsantrittes eines Königs auf die Zahl der bereits zurückgelegten Regierungsjahre des synchronistischen Königs ist ein sicheres Mittel, die Widersprüche in den Zahlenangaben aufzuheben, und bietet zugleich die Kontrolle. Doch reicht dieses Mittel allein nicht aus, um sämtliche chronologische Unebenheiten zu glätten; man muß noch ein anderes zu Hilfe nehmen. Es stellt sich nämlich dabei heraus, daß für die Zahl der Regierungsdauer öfter ein unvollständiges Jahr, ja auch nur einige Monate der Regierung als ein volles Jahr gerechnet wurden. Der Jehuide Zacharias regierte nur sechs Monate, und nichtsdestoweniger wird seine Regierungszeit als ein komplettes Jahr in Rechnung gebracht (II. Könige 15, 8. 13)32. Da es jedenfalls einen bestimmten Jahresanfang gegeben [429] haben muß, nach welchem die Zeitrechnung normiert worden ist, so kann es vorgekommen sein, daß ein und dasselbe Jahr dem verstorbenen Könige und zugleich seinem Nachfolger als ein volles Jahr angerechnet und daß also ein einziges Jahr als zwei gezählt wurde. Von diesem Verfahren bei der Zählungsweise nach den Regierungsjahren von Königen hat die talmudische Literatur eine Art Tradition erhalten (Tosifta Rosch ha-Schana I., babyl. Traktat Rosch ha-Sch. fol. 1 b): ןינומ רדאב ויתחת רחא דמעו רדאב (ךלמ) תמ הזל הנשו הזל הנש. »Ist ein König im Adar gestorben, und sein Nachfolger hat in demselben Monat zu regieren begonnen, so zählte man das eine Jahr dem einen und dem andern zu.« Man muß also bei der parallelen Zeitreihe der Könige auch die Plusdatierung annehmen. Nicht Ante- oder Postdatierungen kommen in dieser Chronologie in Betracht, sondern Plusdatierungen. M. v. Niebuhrs Untersuchung über diesen Punkt (Geschichte Assurs und Babels, S. 51 f.) hat nicht das Richtige getroffen. Mit der Annahme von Plusdatierungen wird die gegenseitige Reduzierung des Regierungsantrittes sicherer. Man muß öfter von der angegebenen Regierungsdauer einen Abzug machen. Diese beiden Hilfsmittel, die Reduzierung und die Abstraktion von den Plusdatierungen, ergänzen einander und beseitigen die meisten Anstöße, die man in der Chronologie der Könige gefunden hat. Durch die Kontrolle der Reduzierung läßt sich besonders die Abstraktion regulieren. Denn, wie sich denken läßt, wurde die Regierungsdauer mancher Könige auch nach vollen Jahren gezählt: so bei Jehoram33 von Israel, bei Jehu, bei Joasch von Juda und Jehoasch von Israel und bei Menahem. Bei Aßa stellt sich infolge der reduzierenden Einreihung ein Plus heraus, als wenn er etwas länger als die bei ihm angegebene Regierungsdauer regiert hätte. Bei anderen Königen wiederum müssen von der überlieferten Zahl zwei Jahre abgezogen werden. Die durchweg intakt erhaltene Reduzierung dient also zur sicheren Kontrolle der Regierungsdauer und bringt die Verschiedenheit derselben an den Tag. Im ganzen wird, die Gesamtsumme der Jahre der Königsreihen dadurch um einige Jahre gekürzt.

Treten wir jetzt mit diesen kritischen Hilfsmitteln an die drei synchronistischen Parallelen.

I. Sogleich in der ersten Parallele kommt ein Widerspruch und eine störende Angabe vor.

Sobald wir imstande sind, diese störenden Data zu eliminieren, ist alles in Ordnung.

1. II. Könige 1, 17 ist angegeben, daß nach dem Tode Achasjas von Israel sein Nachfolger Jehoram im zweiten Jahre des Joram von Juda zur Regierung gelangte, und das. 3, 1 ist angegeben, daß derselbe Jehoram von Israel im 18. Jahre des Josaphat zur Regierung gelangte.

Stellen wir die beiden einander widersprechenden Angaben einander gegenüber, um ihre Unverträglichkeit augenscheinlich zu machen.


Angabe I (II. Könige 1, 17).

[430] םיתש תנשב ויתחת םרוחי ךלמיו

.הדוהי ךלמ טפשוהי ןב םרוהיל


Angabe II (II. Könige 3, 1).

לארשי לע ךלמ באחא ןב םרוהיו

ךלמ טפשהיל הרשע הנמש תנשב

.הדוהי


Eine der beiden Angaben ist falsch! Aber welche? Gewiß die Angabe I, da anderweitig öfter erzählt wird, Josaphat habe noch mit Jehoram von Israel zusammen regiert und habe mit ihm gemeinschaftlich eine Expedition unternommen. Folglich muß dieser Jehoram noch in Josaphats Zeit zur Regierung gelangt sein. An einer anderen Stelle ist angegeben, daß Jehorams Bruder Achasja noch vor ihm in Josaphats 17. Jahre zur Regierung gelangte. Zudem hat die griechische Version die Lesart I ganz adäquat mit Lesart II (zu Könige 1, 12): καὶ Ἰωράμ υἱὸς Ἀχαἀβ βασιλεύει ἐπὶ Ἰσραὴλ ἐν Σαμαρείᾳ ἔτƞ δεκαδύο ἐν ἔτει ὀκτωκαιδεκάτῳ Ἰωσαϕάϑ. Es ist möglich, daß diese Übersetzung nur eine harmonistische Ausgleichung ist, aber sie ist eine berechtigte. Die Zahl םיתש ist demnach unhaltbar und wohl aus einem Zahlzeichen entstanden. Was »טפשוהי ןב םרוהי« betrifft, so ist das ein Lapsus, statt »ןב טפשוהי«, wie es deren bei Eigennamen mehrere gibt; z.B. לכימ statt ברמ und בקעי statt ןורהא (Jer. 33, 26 – worauf schon eine talmudische Autorität des zweiten Jahrhunderts aufmerksam gemacht hat), ferner רתיבא ןב ךלמיחא statt ןב רתיבא ךלמיחא (II. Sam. 8, 17); םיקיוהי statt והיקדצ (Jeremia 27, 1, vgl. mit das. V. 12), vielleicht auch ןב םיקיוהי והישאי statt םיקיוהי ןב ןיכיוהי (das. 22, 18, vgl. mit V. 24). Darauf ist auch zurückzuführen II. Könige 15, 30 היזע ןב םתויל םירשע תנשב statt םתוי ןב זחאל ... תנשב und die offenbar korrumpierte Lesart, II. Könige 8, 16, ךלמ הדוהי ךלמ שפשוהיו... באחא ןב םרויל שמח תנשבו טפשוהי ןב םרוהי. Es bleibt also dabei, daß Jehoram von Israel unter Josaphat die Regierung antrat und daß Josaphat im vierten Jahre Achabs zu regieren anfing34. Dieses stimmt auch mit der Reduktion, daß Achasja von Israel in Josaphats 17. Jahre die Regierung antrat. Nur bei der Reduktion der Jahre seines Bruders Jehoram auf Josaphats Regierungszeit muß eine geringe Berichtigung vorgenommen werden, die eine Stütze für sich hat. Im Texte lautet nämlich diese Reduktion: Jehoram im 18. Jahre Jerobeams. Das stimmt nicht, wie die Tafel augenscheinlich macht, da sein Vorgänger zwei Jahre regiert hat.

Merkwürdigerweise hat hier das Seder Olam (a.a.O.) das 19. Jahr statt 18. Jahr: ט"י תנשב אלהו באחא ןב םרוי ךלמ טפשוהיל ? Dieser Zahl liegt nicht etwa ein nachlässiger Text zugrunde; der Verfasser des Jalkut (zu II. Könige 17) und auch Raschi zur Stelle zitieren diesen Passus aus Seder Olam. Mit dieser Zahl 19 statt 18 sind sämtliche Reduktionen in bester Ordnung, wie sich erweisen wird.

2. Eine Inkorrektheit scheint noch darin zu liegen, daß Omri vom 31. Jahre Aßas an noch 12 Jahre regiert habe. Diese Angabe hat einige Forscher zur Annahme verleitet, daß die Zeit des Bürgerkrieges und Omris Regierung [431] zusammen 16 Jahre gedauert hätten, aber dadurch geraten sämtliche Reduktionen abwärts in arge Konfusion. Wo der Text zweimal deutlich spricht, einmal, daß Omri im ganzen 12 Jahre regiert hat, und noch dazu die Zeit begrenzt: vom 27. bis zum 38. Jahre Aßas, darf man keine Änderung vornehmen, oder man erschüttert die ganze Basis. Diese Schwierigkeit in I. Könige 16, 23 hat das Seder Olam Rabba glücklich gelöst, daß nämlich die Reduktion sich auf das Ende des Bürgerkrieges zwischen Omri und Thibni bezieht, so daß dieser fünf Jahre gedauert hat. Die Worte lauten (Kap. 17): ? וז תקולחמ התיה המכ המלש תוכלמ ירמע ךלמ אסאל א"ל תנשב .םינש שמח. »Wie lange dauerte der Bürgerkrieg? Fünf Jahre. Vom 31. Jahre Aßas an regierte Omri unangefochten und allein.« Ohne diese Ausgleichung einer älteren Autorität zu kennen, sind auch Usher und andere darauf gekommen, ein Beweis für deren Richtigkeit. Man muß demnach das Datum von V. 23 mit V. 22 verbinden: ךלמ אסאל הנש תחאו םישלש תנשב ירמע ךלמיו ינבת תמיו הדוהי, und dann einen neuen Satz beginnen lassen, der mit dem Aor. ךלמיו statt des Perf. ךלמ eingeleitet wer den muß: הצרתב .הנש הרשע םיתש לארשי לע ירמע ךלמיו הנש שש ךלמ. Diese chronologische Angabe ist gleich der von Achab, das. 16, 29. Durch diese Annahme sind sämtliche Data der ersten Reihe in bester Ordnung35.

Die Summe dieser Parallelreihe beträgt scheinbar 95 Jahre (resp. 98), in Wirklichkeit aber nur 93 Jahre, wie sich aus der Tafel I ergeben wird.

II. Die zweite synchronistische Parallele bietet eine größere Schwierigkeit dar, besonders beim Regierungsantritt der beiden Nachfolger Jehus und der Reduktion auf das Regierungsjahr des Joasch von Juda und am meisten bei Usia. Was die erste Schwierigkeit betrifft, welche die Kommentare nicht zu lösen vermochten, so kann sie sehr leicht gehoben werden, wenn man Jehoachas 16 Jahre statt 17 (ו"י statt ז"י) gibt. Noch besser würde die Reduktion stimmen, wenn man Jehoasch von Israel statt 16 volle Jahre 17 gibt, vgl. Tafel II. – Bei Usia dagegen zeigt sich ein Hiatus von 12 oder mindestens 11 Jahren. Um ihn zu beseitigen, haben nach dem Ausdruck des Vignoles »die einen Chronologen ihren eigenen Geist, die andern die Schrift auf die Folter gespannt«. Einmal ist angegeben, daß Amazja nach dem Tode des Jehoasch von Israel noch 15 Jahre regiert habe (II. Könige 14, 17), d.h. daß er im 15. Jahre Jerobeams II. gestorben sei, was also scheinbar so viel sagen will, daß Amaz jas Nachfolger (Usia) im 15. Jahre Jerobeams zur Regierung gelangte, und das andere Mal (das. 15, 1) heißt es, Amazjas Nachfolger, Usia, sei im 27. Jahre Jerobeams II. zur Regierung gelangt. Man hat diesen Hiatus auf eine leichte Weise ausgefüllt, die Zahl 27 als einen Fehler erklärt. Aus dem Zahlzeichen ו"ט sei das Zahlzeichen ז"כ entstanden, und das Zahlzeichen ו"ט (das bekanntlich aus einer späteren skrupulösen Schreibweise entstanden, um nicht den Gottesnamen ה"י zu schreiben) sei eine uralte Schreibweise.

Allein eine Inkorrektheit in den Reduktionen der Regierungsjahre Usias und Jerobeams II. aufeinander zeigt sich auch bei einem anderen Datum. Der letztere soll nach 41 jähriger Regierung im 38. Regierungsjahre Usias gestorben sein. Diese Zahl ist jedenfalls zu hoch, sei es, daß Jerobeam mit [432] Usia gemeinschaftlich 26 Jahre (41 – 15 = 26) oder nur 14 Jahre (41 – 27 = 14) regiert hat. Nach der einen Zahl fehlen an den 38 Jahren 12, nach der andern 24 Jahre, wenn die Reduktion richtig sein soll. Man hat daher, um dieses Defizit auszugleichen, Jerobeam II. 10 Jahre zugelegt, ihn statt 41 Jahre 51 Jahre regieren lassen, d.h. א"מ verbessert in א"נ. Man muß also jedenfalls zu einer Emendation Zuflucht nehmen. Ist man aber einmal dazu genötigt, so mache man doch einen ausgiebigen Gebrauch davon, um der Reduzierung von 15 und 27 zugleich gerecht zu werden. Die einzige Kontrolle bieten, wie schon gesagt, die Reduktionen; sind diese an einer Stelle unrichtig, so ist dem ganzen Synchronismus und der ganzen Chronologie der Boden entzogen. Muß die besonnene Kritik zunächst soweit wie möglich darauf achten, die erhaltene Lesart zu respektieren, so ist diese Pflicht bezüglich chronologischer Zahlen noch gebieterischer.

In unserem Texte muß um so dringlicher die Zahl 27 neben der Zahl 15 festgehalten werden, als ja gar nicht angegeben ist, Usia habe im 15. Jahre Jerobeams II. die Regierung angetreten. Der Text lautet vielmehr hier durchaus abweichend von allen andern Datumsangaben und Reduktionen (II. Könige 14, 17): Amazja regierte nach dem Tode Jehoaschs von Israel noch 15 Jahre. Daraus folgt lediglich, daß Amazja im 15. Jahre Jerobeams gestorben oder umgebracht worden sei. Die weitere Folgerung, daß Amazjas Sohn Usia im 15. Jahre Jerobeams II. König wurde, ist eine voreilige. Der Text selbst gibt es nicht an, sagt vielmehr, Usias Regierungsantritt habe erst im 27. Jahre Jerobeams stattgefunden. Zwischen der Ermordung Amazjas und dem Regierungsantritt seines Sohnes muß daher einige Zeit verstrichen sein. Dieses scheint auch die abweichende Angabe bei Amazja zu bedeuten. Schon ältere Chronologen haben hier ein Intervall oder ein Interregnum angenommen. So mißlich dieses Ausgleichsmittel auch ist, so ist es doch hier begründet, nicht wegen des Widerspruchs der Data, sondern aus historischen Andeutungen. V. 22 das. lautet nämlich sonderbar: תליא תא הנב (היזע) אוה ויתבא םע ךלמה בכש ירחא הדוהיל הבישיו. »Usia hat die Hafenstadt Ailat (am roten Meere) erbaut oder befestigt und sie wieder an Judäa gebracht, nachdem sein Vater gestorben war.« Dieser Zusatz ist jedenfalls überflüssig. Selbstverständlich hatte der beim Leben des Vaters noch im Knabenalter stehende Usia Ailat nicht zurückerobern können, mithin muß es erst nach dem Tode des Vaters geschehen sein. Was bedeutet also der Zusatz? Bedenkt man noch, daß die Wiedereroberung von Ailat die Herrschaft über Idumäa voraussetzt, so muß man annehmen, daß Usia erst bei seinem Regierungsantritt Idumäa wiedererobert hat. Allein sein Vater hatte es doch bereits unterjocht und die Felsenstadt Sela (Petra) erobert? Hier stoßen wir auf ein historisches Rätsel. Verlassen wir einen Augenblick das chronologische Gebiet und orientieren wir uns auf dem der Geschichte. Ausdrückliche Zeugnisse sagen uns, daß Idumäa in Usias Tagen unabhängig war, daß es einen Rachezug gegen Juda und Jerusalem ausgeführt hat und daß infolgedessen dieses Reich in einen hohen Grad politischer Ohnmacht geraten war. Niemand zweifelt daran, daß der Prophet Amos zur Zeit Usias gesprochen hat, und dieser bedroht Edom, weil es seinen Stammverwandten Juda mit dem Schwert verfolgt und seine Verwandtenanhänglichkeit unterdrückt hat. Am. 1, 11 f.: השלש לע ופא דעל ףרטיו וימחר תחשו ויחא ברחב ופדר לע ... םודא יעשפ 'וגו. [433] Dieses grausame Verfahren Edoms gegen Juda datiert nicht von früherer Zeit her, sondern muß in den Tagen des Propheten vorgefallen sein, denn er kommt zuletzt noch einmal darauf zurück und verkündet, daß Juda Edom bald wiedererobern werde. Das. 9, 12: םודא תיראש תא ושריי ןעמל. Er nennt den judäischen Staat »die eingefallene Hütte Davids« (das. 9, 11), תלפנה דוד תכס, und spricht von Rissen und Trümmern in Juda (ebendas.). Daraus ergibt sich das Faktum, daß Idumäer zur Zeit Usias Juda mit einem schweren Krieg überzogen und Trümmer darin zurückgelassen haben. Folglich sagt die kurze historische Nachricht von Usias Einnahme von Ailat zweierlei: daß er dieses wiedererobert hat, הדוהיל הבישיו, und daß er nicht bloß diese Hafenstadt, sondern ganz Idumäa wieder unterworfen hat. Es war eine Repressalie gegen die von Idumäa ausgeübte Grausamkeit gegen Juda. Daß Usia kriegerisch und erobernd verfuhr und Judäa wieder groß und mächtig machte, berichtet zwar bloß die Chronik, allein die Tatsache ist durch Jesaia bestätigt (2, 12 f.).

Zu welcher Zeit erfolgte nun die Zurückeroberung Ailats und Idumäas? Der Text gibt es an: בכש ירחא ויתובא םע ךלמה, aber er muß verstanden werden. Sollte Usia unmittelbar nach dem Tode seines Vaters die Wiedereroberung Idumäas durchgesetzt haben? Das ist undenkbar. Denn es muß eine Zeit dazwischen angenommen werden, in welcher die Idumäer Rache an Juda genommen haben. In die letzte Zeit Amazjas kann die Invasion der Idumäer noch weniger gesetzt werden, da doch Amos noch in Usias Zeit Juda eine eingefallene Hütte nennt; das vergossene Blut war zurzeit noch nicht gerächt. Folglich kann Usia die Wiedereroberung Idumäas bis Ailat nicht unmittelbar nach Amazjas Tod durchgeführt haben. Der Passus ויתבא םע ךלמה בכש ירחא muß demnach eine andere Bedeutung haben; er will offenbar eine chronologische Andeutung geben, nämlich nachdem Amazja in dem Erbbegräbnis der Könige Judas beigesetzt war. Betrachten wir die Vorgänge näher!

Amazja wurde in Lachisch infolge einer Verschwörung umgebracht. Von wem? Gewiß von seinen Hofleuten, den Fürsten Judas, wie sein Vater Joasch (II. Könige 12, 21 ff.) und wie sein späterer Enkel Amon (das. 21, 23). Dann heißt es: Sie brachten Amazjas Leichnam auf Rossen nach Jerusalem und setzten ihn in der Davidstadt bei. Doch wohl nicht seine Mörder, sondern andere, und doch nicht unmittelbar nach seiner Ermordung, sondern einige Zeit später. Damit hängt der Vers zusammen: Und das ganze Volk Juda setzte Usia zum Könige ein, d.h. auch nicht unmittelbar nach Amazjas Ermordung, sondern später. Man muß auch auf den Ausdruck הירזע תא הדוהי םע לכ וחקיו ותוא וכילמיו ... Gewicht legen. Es klingt geradeso wie die Relation vom Tode Amons (das. 21, 24): Das Volk tötete zuerst die Verschwörer gegen Amons Leben und dann setzte es dessen Sohn zum König ein. Ganz ebenso scheint bei Amazjas Tod eine Revolution und eine Kontrerevolution ausgebrochen zu sein. Die Aristokraten hatten sich gegen ihn verschworen, ihn bis Lachisch verfolgt und dort getötet, das ganze Volk dagegen setzte Usia zum Könige ein. Erst infolge dieser Kontrerevolution ist Amazjas Leiche nach Jerusalem gebracht und in der Davidstadt bestattet worden. Die Angabe ויתבא םע ךלמה ככש ירחא bedeutet also soviel wie דוד ריעב ויתבא םע ךלמה רבקה ירחא. Nachdem Amazjas Leiche beigesetzt war, hat Usia Ailat und folglich ganz Idumäa [434] wiedererobert. Es ist also durchaus ein Intervall zwischen Amazjas Tod und der Wiedereroberung Idumäas anzunehmen. In dieser Zwischenzeit war Juda »eine eingefallene Hütte«, in dieser Zwischenzeit »haben die Idumäer unschuldiges Blut in Juda vergossen«. Wer regierte damals? Kein König, sondern die Aristokraten, welche Amazja getötet hatten. Und wie lange dauerte dies Interregnum? Die scheinbar einander widersprechenden Data deuten die Dauer an: vom 15. Jahre Jerobeams, in welchem Amazja getötet wurde, bis zum 27. Jahre desselben, in dem Usia vom Volke zum König eingesetzt wurde, d.h. 12 oder genauer 11 Jahre. Der chronologische Text ist also in vollständiger Ordnung; beide Data sind richtig und auch die darauf bezüglichen Reduktionen. Von Amazjas Tod bis zu Usias Tod verliefen nicht 52, sondern 63 Jahre. Während dieser Zeit regierten in Israel: Jerobeam von seinem 15. Jahre an 26 Jahre (wenn er 41 Jahre regiert hat), dann die ephemeren Könige Zacharja und Schallum und endlich Menahem und sein Sohn Pekachja. Diese letzteren regierten zusammen nur 13 Jahre (also 13 + 26 = 39); es fehlen also zu 63 noch 24 Jahre, die durchaus in Jerobeams II. Regierung fehlen müssen, sonst geraten wir von der Szylla in die Charybdis und stören vier Data, welche auf Usias Regierungsjahre reduziert sind (o. S. 432). Jerobeam muß demnach länger als 41, auch noch länger als 51 Jahre regiert haben. Man ist also genötigt, mit Bunsen (Ägypten IV, 384) א"מ in א"ס zu emendieren. Diese 61 Jahre reichen zwar noch nicht vollständig aus; zur gegenseitigen synchronistischen Ausgleichung fehlen noch zwei Jahre. Allein diese Differenz kann auf eine andere Weise erklärt werden, wie weiter unten gezeigt werden wird. Sehen wir von dieser geringen Differenz ab, so stimmen die beiden Zeitreihen der zweiten synchronistischen Parallele; sie betragen zusammen 137 Jahre.

III. Die dritte Parallele ist die kürzeste, aber auch die chronologisch anstößigste. Denn sie beträgt judäischerseits 38 Regierungsjahre, israelitischerseits dagegen nur 29, nämlich für Pekach 20 und für Hosea 9; es fehlen also noch 9 Jahre. Außerdem stimmen die Reduktionen nicht. Die erste Reduktion, daß Pekach im 20. Jahre des Jotham von Hosea getötet wurde (II. Könige 15, 30): םתויל םירשע תנשב (חקפ תא עשוה והתימיו (ויתחת ךלמיו היזע ןב, ist durchaus unrichtig; indes dafür kann man Achas setzen. Allein die Zahl 20 kann auch nicht richtig sein, da weder Jotham noch Achas solange regiert haben. Die syrische Version hat für die Zahl 20 ןיתרת אתשב, d.h. im zweiten Jahre des Achas. Die Zahl stimmt besser, wenn auch nicht ganz genau, da (II. Könige 16, 1) angegeben ist, daß Achas im 17. Jahre Pekachs die Regierung antrat, also mit ihm zusammen 3 Jahre regierte. Aber wie lange hat der letzte israelitische König regiert? Aus der ersten Stelle scheint hervorzugehen, daß er unmittelbar auf Pekach folgte; aber dann müßte er mindestens 18 Jahre regiert haben. Dagegen geben fünf Stellen ausdrücklich an, daß er nur 9 Jahre regiert hat (II. Könige 17, 1; 18, 1. 9. 10). Es ist bedenklich anzunehmen, daß an vier dieser Stellen die Zehnzahl ausgefallen und daß sie an der ersten Stelle zuviel gesetzt sei. Aber ebenso unannehmbar ist es, mit Ewald die Differenz dadurch auszugleichen, daß Pekach 30 oder 29 Jahre regiert habe. Seine Regierungsdauer von 20 Jahren steht durch die ausdrückliche Angabe und die Reduktionen unerschütterlich fest. So bleibt auch hier nur die von mehreren Chronologen vorgeschlagene Ausgleichung übrig, daß zwischen Pekach und Hosea ein Interregnum anzunehmen sei. Die [435] Ausdrucksweise ךלמיו ויתחת spricht nicht dagegen, eher noch dafür. Der Vers 15, 30 will offenbar angeben, in welchem Jahre des zeitgenössischen Königs von Juda Hosea zur Regierung gelangte. Dieser synchronistische König war nicht Jotham, sondern Achas. Also Hosea begann zu regieren im xten Jahre des Achas. Wieviel betrug dieses x? Aus 17, 1 wissen wir, daß es 12 Jahre betrug. Folglich muß es auch in 15, 30 gelautet haben: והתימיו זחאל הרשע םיתש תנשב ויתחת ךלמיו. Die Zahl 12 wurde durch das Zahlzeichen ב"י ausgedrückt. Fiel das winzige י aus, so blieb 'ב36 übrig, und daraus kann 'כ – םירשע geworden sein. Der Vers will also nicht bestimmen, in welchem Jahre Hosea seinen Vorgänger Pekach getötet hat, sondern in welchem Jahre er nach ihm – später zur Regierung gelangte, geradeso wie bei Omri (o. S. 432). Zwischen Pekachs Tod und Hoseas Regierungsanfang muß demnach ein Intervall angenommen werden. Ohne einen Anhaltspunkt wäre freilich die Hypothese von einem Interregnum vage und als Notbehelf wenig überzeugend. Es sind aber auch dafür wie aus der Zeit vor Usia Andeutungen vorhanden, daß in der letzten Zeit des Zehnstämmereiches gar kein König geherrscht hat, daß also ein ἀβασίλευτον war.

Es ist hier nicht der Ort, nachzuweisen, daß der Verfasser der Kapitel 4 bis 14 im Prophetenbuche Hosea nicht identisch mit dem der ersten drei Kapitel sein kann, daß jener um mindestens ein halbes Jahrhundert später prophezeit haben muß als dieser. Indessen auch ohne Beweis erkennt jeder eingelesene Hebraist die Verschiedenheit der Verfasser und der Zeit an der durchgängigen Verschiedenheit des Inhaltes und der Form beider Partien37. Aus einigen Stellen dieses Propheten Hosea (nennen wir ihn Hosea II.) geht hervor, daß im Zehnstämmereich zu seiner Zeit kein König regierte. Hos. 10, 2 ff. heißt es: »Geteilt ist ihr Herz, jetzt werden sie vernichtet werden ... denn jetzt sprechen sie: ›Wir haben keinen König‹« – ונל ךלמ ןיא ורמאי התע יכ. Das. V. 15: »Am Morgen ist vernichtet worden der König von Israel«, לארשי ךלמ המדנ המדנ רחשב. Das. 13, 10: »Wo ist dein König, daß er dir helfen soll in allen deinen Städten? ... da du sprachst: ›Gib mir einen König und Fürsten.‹ Ich gab dir einen König in meinem Zorn und nahm ihn hinweg in meinem Grimm«, ךלמ ךל ןתא יתרבעב חקאו יפאב. Auch sonst kommen in diesem Teile Andeutungen von Königslosigkeit und Anarchie vor. Ein solches ἀβασίλευτον ist nur in der letzten Zeit des Zehnstämmereichs anzunehmen. Denn seit Usias Tagen folgte in Israel König auf König. Das Interregnum oder richtiger die Anarchie kann also nur zwischen Pekach und Hosea stattgefunden haben. So stimmen auch in der letzten Parallele die Zeitreihe und die Reduktionen. Wir haben auch in Israel wie in Juda die Gesamtsumme von 38 Jahren, nämlich Pekach 20 + Anarchie 9 + Hosea 9 = 38 oder mit der notwendigen Verringerung wegen der Plusdatierung 36 Jahre (s. Tafel).

Die ganze Dauer der Zeitreihe von der Reichsspaltung bis zum Untergang [436] Samarias oder des Zehnstämmereichs beträgt nach dieser Berechnung 266 Jahre.


  • a) Von Jerobeam bis zum Tode des letzten Omriden oder von Rehabeam bis Achasja von Juda

    ... 93 Jahre

  • b) Von Jehu bis zum Tode Pekachjas oder von Athalia bis zum 52. Jahre Usias

    ... 137 Jahre

  • c) Von Pekach bis zum Untergange oder vom 52. Jahre Usias bis zum 6. Jahre Hiskijas

    ... 36 Jahre–––––––––––––266 Jahre.


Die klaffenden Differenzen sind bei der hier angewendeten Berechnung ohne Gewaltsamkeit ausgeglichen, die chronologische Szylla und Charybdis glücklich umschifft und die Hauptschwierigkeiten gehoben. Geringfügige Differenzen, die noch bleiben, sind auf andere Umstände zurückzuführen. Im Zehnstämmereiche war nämlich das Herbstfest um einen Monat später als in Juda, und da mit diesem Feste der Jahresanfang zusammenfiel (הנשה תפוקת), so zählte man chronologisch in beiden Ländern nach den verschiedenen Jahresanfängen verschieden (vgl. über diese Zählungsweise bei Menahem und seinem Sohne II. Könige 15, 17. 23). Die Reduktion der Regierungsjahre beider Königsreihen aufeinander war dadurch kompliziert, und es konnte ein geringer Rechnungsfehler mit unterlaufen. Dazu kam noch ein anderer störender Umstand.

In Juda war aller Wahrscheinlichkeit nach das freie oder reine Mondjahr im Gebrauche, das Jahr zu 6 Monaten von 29 und zu 6 von 30 Tagen = 354 Tagen. Dafür spricht besonders der Psalmvers (104, 19): םידעמל חרי השע, »Gott hat den Mond zur Bestimmung der Festeszeiten gemacht«, d.h. die Feste sind nach dem Monde bestimmt. Jeder Monatsanfang war ein Festtag. Auf die Sonne ist keinerlei Rücksicht genommen. Wenn man dagegen geltend gemacht hat, daß das pentateuchische Gesetz die Gerstenreife oder den Halmmonat (ביבאה שדח) für die Feier des Passahfestes vorgeschrieben hat, die Gerstenreife von dem Stand der Sonne abhängig ist und nicht in allen Jahren gleich sein kann, daß mithin eine Ausgleichung des Mondjahres mit dem Sonnenjahre notwendig gewesen sei und daß also auch in Juda eine gebundene Mondjahresform eingeführt gewesen sein müsse, so hat man dabei das faktische Verhältnis übersehen. Es ist historisch beurkundet, daß bis zur Hiskijanischen Zeit das Passahfest niemals vom ganzen Volke gemeinsam gefeiert wurde, vgl. II. Könige 23, 22: אל יכ ימי לכו לארשי תא וטפש רשא םיטפשה ימימ הזה חספכ השענ הדוהי יכלמו לארשי יכלמ; vgl. II. Chron. 30, 26. Also auch zur Zeit Davids und Salomos ist das Passahfest nicht so gefeiert worden. Das »So« muß verstanden werden. Bis Hiskija bestanden trotz des zentralen Kultus in Jerusalem die Bamoth, wie wiederholentlich in den Büchern der Könige hervorgehoben wird. Diese Bamoth waren Kultusstätten für Familien oder Stammgruppen. Auch das Passahlamm wurde von verschiedenen Gruppen auf verschiedenen Bamothstätten geopfert; es gab keine Gemeinsamkeit der Feier. Auch die Gemeinsamkeit der Zeit für die Feier fehlte. Die Passahlämmer wurden allerdings im Frühlingsmonate geopfert. Aber wer hat diesen Monat kalendarisch fixiert? Selbst wenn es eine Behörde dafür gegeben hätte – wofür es aber an jedem faktischen Beleg fehlt –, so wurde ihre Autorität [437] von der Bevölkerung nicht respektiert. Das Gesetz von der Feier dieses Festes zur Zeit der Gerstenreife ist also lange ein toter Buchstabe geblieben. Mit Hiskijas. Reform änderte sich das Sachverhältnis mit einem Male. Er verbot auf das strengste das Opfern auf den Bamoth, kassierte mithin die Privatkultusstätten. Wer opfern wollte, mußte sich fortan nach Jerusalem begeben Unter Hiskija wurde daher zum ersten Male das Passah gemeinsam in Jerusalem gefeiert. Dazu mußte ein bestimmter Tag anberaumt werden. Wie in der Chronik (aus einer alten Quelle) erzählt wird, hat Hiskija Tag und Monat für diese erste gemeinsame Feier bestimmt, und zwar den 14. des zweiten Monats (Chronik das. 30, 15): ינשה שדחל רשע העבראב חספה וטחשיו. Genau genommen will das sagen: Hiskija hat einen Schaltmonat eingeführt, wie es auch der Talmud sachgemäß aufgefaßt hat: ןסינב ןסינ רבע היקזח, »er hat Nissan zum Schaltmonat gemacht«. Wenn der Chronist dafür ein Motiv angibt, daß das Volk oder die Priester am ersten Monat nicht levitisch rein gewesen wären, darum habe die Feier verschoben werden müssen, so ist das auf Rechnung seines prononcierten Levitismus zu setzen. Genau genommen will also die Geschichte von der Passahfeier unter Hiskija sagen, daß damals zum ersten Male dabei der Stand der Sonne oder des Gerstenwuchses berücksichtigt wurde. Da die Gerstenreife noch im Rückstande und also der Halmmonat noch nicht eingetreten war, hat Hiskija die Feier um einen Monat später verschoben, d.h. er hat das Mondjahr mit dem Sonnenjahr kombiniert, kurz, er hat das Einschaltungssystem (הנש רובע) eingeführt. Wir werden später auf dieses Resultat zurückkommen. Hier wollen wir nur konstatieren, daß bis dahin, d.h. die ganze Zeit der Richter und der Könige, die kombinierte Jahresform nicht im Gebrauche war. Die religiöse Zersplitterung infolge des Fortbestandes der Bamoth ließ es nicht dazu kommen. Das Gesetz von der Feier des Passah innerhalb des Halmmonates ist bis zu Hiskijas Zeit nicht zur Ausführung gekommen. Das Jahr war ein reines Mondjahr von 354 Tagen. [Vgl. hierzu jedoch die sehr besonnenen Ausführungen bei Riehm-Bäthgen, S. 670 f.]

Ganz anders scheint das Kalenderwesen im Zehnstämmereich gewesen zu sein. Hier herrschte im Kultus ägyptische Sitte; denn der Stierkultus, den Jerobeam I. eingeführt hat, war unstreitig ägyptisch. Dieser Kultus stand mit Osiris und der Sonne in symbolischer Beziehung. Höchstwahrscheinlich war also hier das ägyptische freie Sonnenjahr eingeführt; dadurch ist auch der Jahresanfang geändert worden. Der judäische Kalender war demnach von dem israelitischen verschieden; das Jahr dauerte im Zehnstämmereich um 11 Tage länger, und die Regierungszeit der Könige von Israel schien gegen die der judäischen Könige kürzer zu sein. Diese Differenz scheint besonders auf die Angabe der Regierungszeit des Königs Jerobeam II. influiert zu haben. Denn der kalendarische Unterschied macht sich erst nach 33 Jahren bemerkbar, indem 33 Mondjahre nur 32 Sonnenjahre (minus 2 Tage) zählen. Außer Jerobeam hat kein König von Israel solange regiert. Dieser aber regierte nach dem Texte 41 Jahre; diese Zahl mußte aber aus kritischen Gründen in 61 Jahre emendiert werden (nach Bunsen, s.o. S. 435). Trotzdem stimmt die Reduktion der beiderseitigen Zeitreihen nicht, es fehlen israelitischerseits zwei Jahre (vgl. Tafel). Diese zwei Jahre können aber durch die kalendarische Differenz ergänzt werden. Jerobeam regierte 61 Jahre, nach längeren Sonnenjahren berechnet. Die Regierungsjahre der [438] synchronistischen Könige von Juda waren aber nach Mondjahren berechnet. Daher Ungleichheit. Da nun 61 Sonnenjahre beinahe 63 Mondjahre ausmachten, so stimmten die Parallelzeitreihen, die zwei fehlenden Jahre sind dadurch ergänzt. Jerobeam II. regierte demnach 61 Sonnenjahre, aber 63 Mondjahre. Dadurch sind sämtliche Differenzen in den Zeitreihen ausgeglichen.

Diese hier auseinandergesetzten Ausgleichungsmittel für die Chronologie der Könige sind größtenteils von verschiedenen Forschern in Vorschlag gebracht worden. Nur hat der eine mit dem einen, ein anderer mit dem andern Mittel operiert, keiner derselben sie sämtlich in Anwendung gebracht. Dadurch sind immer Differenzen geblieben. Nur wenn sie sämtlich in Anwendung kommen, können sämtliche Schwierigkeiten gehoben werden. Diese Mittel sind folgende: 1. Offenbar korrumpierte Zahlen und Namen von Königen müssen kritisch emendiert oder eliminiert werden. 2. Die Regierungsdauer mancher Könige muß wegen offenbarer Plusdatierung verkürzt werden. 3. Zwischen Amazjas Tode und Usias Thronbesteigung muß eine Anarchie von 11-12 Jahren angenommen werden. Diese Anarchie ist nicht bloß chronologisch, sondern auch historisch belegt. 4. Ebenso ist eine Anarchie von 9 Jahren zwischen Pekachs Tod und Hoseas Thronbesteigung anzunehmen und ebenso chronologisch und historisch belegt. 5. Jerobeams Regierungsdauer muß um 20 Sonnenjahre oder um 22 Mondjahre verlängert werden. 6. Eine Differenz der Jahresform bezüglich des Anfangs und der Dauer muß zwischen beiden Reichen vorausgesetzt werden. Durch diese kritischen Mittel ergibt sich, daß die Dauer des Zehnstämmereichs oder die Zeit von Rehabeam bis Hiskijas sechstem Jahre 266 Mondjahre beträgt; diese, auf Julianische Jahre reduziert, geben 258 Jahre. Bei Einreihung der judäischen Chronologie in die allgemeine darf diese Reduzierung nicht vernachlässigt werden, was von den Chronologen nicht beachtet wurde und weswegen sie damit nicht ins reine kommen konnten. – Das Ergebnis, daß die Dauer des Zehnstämmereichs nur 266 Mondjahre betrug, kann nicht durch den Hinweis erschüttert werden, daß nach Ezechiel die Dauer desselben auf 390 Jahre angenommen worden sei, indem (4, 5) die Sünde des Hauses Israel auf 390 Tage berechnet werde und jeder Tag ein Jahr bedeute. Diesen Hinweis haben manche Chronologen mit in Rechnung gezogen und dadurch die Konfusion nur noch vermehrt. Die Ezechielsche Zahl 390 hat eine ganz andere Bedeutung und hat mit der Chronologie nichts zu tun.

Mit dem Untergang des samaritanischen Reiches hört die Kontrolle für die Chronologie der folgenden Zeit auf, weil sie allein auf den Zahlen der Regierungsdauer der sechs letzten judäischen Könige beruht38. Sind diese Zahlen richtig? Hier tritt nun eine zweite Kontrolle ein, welche noch mehr Verläßlichkeit bietet. Die judäische Chronologie tritt in dieser Zeit mit der allgemeinen, welche durch Ptolemäus' Regentenkanon chronologisch fest fixiert ist, in Kontakt und wird durch sie bestätigt. Anfang und Ende der Epoche von der Zeit des Unterganges des Zehnstämmereichs oder vom 6. Jahre Hiskijas bis zum Untergang Jerusalems oder dem 11. Jahre des letzten Königs von Juda (Zedekija) sind durch diese Kontrolle chronologisch gesichert, nämlich durch die Zeitgenossenschaft Hiskijas mit Mardokempados und[439] durch das Datum der Tempelzerstörung im 19. Jahre Nebukadnezars.

Hiskija empfing eine Gesandtschaft des Königs Merodach-Baladan, des Sohnes Baladans, als er von seiner Krankheit genesen war. Dieser Merodach-Baladan wird allgemein mit dem in Ptolemäus' Regentenkanon aufgeführten Mardokempados identifiziert. (Vgl. Bunsen, Ägypten III, Anfang, S. 113: M. von Niebuhr, Geschichte Assurs und Babels, S. 40, 75; Winer, Bibl. Realwörterb., Art. Merodach-B. [und jetzt Schrader bei Riehm-Bäthgen]). Mardokempad regierte von 26 bis 37 der Ära des Nebonassar, welche bekanntlich mit dem Jahre 747 vorchristlicher Zeit begann; er regierte also von 724-710 der vorchristlichen Zeit. Innerhalb dieser Zeit fällt also Hiskijas Regierungszeit. Man kann diese Zeit noch mehr einschränken. Merodachs oder Mardokempads Gesandtschaft kam zum judäischen König, um ihm zur Genesung von der Krankheit zu gratulieren. Diese Krankheit fiel in die Zeit während der Belagerung Jerusalems durch Sancherib. Diese Tatsache wird nicht bloß historisch angedeutet, Jesaia 38, 5. 6, verglichen mit 37, 35, auch in der Parall. II. Könige, Kap. 19. 20, sondern folgt auch aus Hiskijas Dankpsalm Jesaia 38, 16, dessen Echtheit nicht angezweifelt wird. Sancheribs Belagerung Jerusalems fiel in Hiskijas 14. Jahr, folglich gehören seine Krankheit und Genesung demselben Jahre an. Da sich nicht denken läßt, daß Merodach-Baladan lange mit der Gratulation zur Genesung gewartet hat, so hat er wohl seine Gesandtschaft an Hiskija beordert, sobald Jerusalem frei und offen war, d.h. sobald Sancheribs Heer untergegangen und der assyrische Eroberer in sein Land entflohen war. Mardokempads Gesandtschaft traf also in Jerusalem ein entweder im 14. Jahre Hiskijas oder im darauf folgenden (s.v. Niebuhr, das. S. 75. [Anders und wohl richtig Schrader a.a.O., dem auch Delitzsch, Komm. zu Jes., 4. Aufl. (1889), folgt.]). Es ist nicht zu verkennen, daß diese Gesandtschaft des babylonischen Königs einen diplomatischen Zweck hatte, er wollte sich mit dem König von Juda gegen den gemeinsamen Feind, gegen Assyrien, verbinden. Das 14. oder 15. Jahr Hiskijas kann also nicht später als das Jahr 37 der Ära Nebonassar oder als das Jahr 710 vorchristlicher Zeit oder als das letzte Jahr Mardokempados' fallen. Das ist die eine chronologische Kontrolle für den Anfang dieser Zeitreihe von Hiskijas 14.–15. Jahr bis zur Tempelzerstörung. Die andere Kontrolle des Endpunktes ist noch bestimmter. Die Tempelzerstörung oder das 11. Jahr Zedekijas ist gleich dem 19. Nebukadnezars, gleich 586 vorchristlicher Zeit oder, was dasselbe ist, das 4. Jahr Jojakims ist gleich dem 1. Nebukadnezars, gleich 604 der vor christlichen Zeit. Diese Data stehen durch den Ptolemäischen Regentenkanon fest. An diesen beiden Punkten haben wir einen zuverlässigen Maßstab, daran die Dauer der Zeit von Hiskijas 14. bis 15. Jahr bis Zedekijas 11. Jahr zu messen und die Richtigkeit der Zahlen zu prüfen. Nach der Angabe im Buche der Könige beträgt diese Zeitreihe 125 Jahre, nämlich Hiskija (von 29 Regierungsjahren 14 abgezogen) 15 + Manasse 55 + Amon 2 + Josia 31 + Jojakim 11 + Zedekija 11 = 125. Zählen wir zu diesen 125 Jahren 586 als das Schlußjahr Zedekijas hinzu, so fällt das 14.–15. Jahr Hiskijas ins vorchristliche Jahr 711-710, d.h. in das letzte oder vorletzte Regierungsjahr Mardokempads oder Merodach-Baladans. Die Summe der Zeitreihe dieser Könige darf also nicht weniger als 125 Jahre betragen, weil sonst Hiskija nicht synchronistisch mit Mardokempad [440] zusammentreffen würde. Größer dürfte diese Summe sein, bis etwa 135, bis zum ersten Regierungsjahre Mardokempads, aber nicht kleiner. Daraus ergibt sich die Richtigkeit der Zahlen der Regierungsjahre der letzten sechs judäischen Könige. Ohnehin sind die meisten derselben auch anderweitig bestätigt. Die 29 Jahre Hiskijas sind auch angegeben Jes. 36, 1; 38, 5; die 31 Jahre Josias Jeremia 25, 1-3; die 11 Jahre Jojakims und Zedekias öfter in Jeremia; von den zwei Jahren Amons ist nicht viel zu kürzen. Nur die 55 Jahre Manasses sind anderweitig nicht belegt. Movers und andere Forscher haben sie zu hoch gefunden. Mit Unrecht. Denn wie sich herausgestellt hat, ist diese hohe Zahl notwendig, damit Hiskijas Regierung mit der Mardokempads synchronistisch sei. Ein Gegenüberstellen der Zeitreihe der babylonischen Könige nach Ptolemäus und der judäischen nach dem Buche der Könige veranschaulicht die Richtigkeit der letzteren. Es hat sich ergeben, daß Hiskijas 14.-15. Jahr mit Mardokempads 12. Jahr und Zedekijas 11. Jahr mit Nebukadnezars 19. Jahr zusammenfallen:


Mardokempad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Jahr

Arkeanos5 "

Ἀβασίλευτον πρῶτον2 "

Belibos3 "

Aparanadios6 "

Regebelos1 "

Mesesimordakos4 "

Ἀβασίλευτον δεύτερον8 "

Asaradinos13 "

Saosduchinos20 "

Kineladanos 22 "

Nabopolassaros21 "

Nabokolassaros (Nebukadnezar)19 "

––––––––––

125 Jahre


Hiskija15 Jahre

Manasse55 "

Amon2 "

Josia31 "

Jojakim11 "

Zedekija11 "

––––––––––

125 Jahre


Die 55 Regierungsjahre Manasses sind demnach zu dieser Zeitreihe notwendig, diese Zahl steht ebenso fest wie die Zahlen der auch sonst bestätigten Regierungsjahre der übrigen fünf Könige. Es ergibt sich also daraus, daß Merodachs Gesandtschaft gerade in seinem letzten Regierungsjahre oder im 14.–15. Jahre Hiskijas 710 vorchristlicher Zeit in Jerusalem angekommen ist39.

Es folgt aber auch aus dieser chronologischen Zusammenstellung ein anderes Faktum. Die 125 Jahre von Hiskijas 14.–15. bis Zedekijas 11. Jahre müssen von derselben Dauer gewesen sein wie die entsprechenden 125 Jahre von Mardokempads 1. bis Nabokolassaros' (Nebukadnezars) 19. Jahr, d.h. sie müssen gebundene Mondjahre gewesen sein. Denn wenn die Zeitreihe der letzten judäischen Könige nach reinen Mondjahren von 354 Tagen gezählt wäre, während die der babylonischen durchaus nach kombinierter Form von 365 Tagen berechnet war, so würden die 125 Jahre der Zeitreihe judäischerseits gegen die babylonischerseits um mindestens drei Jahre weniger betragen, d.h. die 125 Mondjahre wären bloß 122 kombinierte oder julianische [441] Jahre. Dann würde Hiskijas 14.–15. Jahr das letzte Jahr Mardokempads nicht erreichen, dieser König wäre vielmehr zur Zeit von Sancheribs Belagerung und von Hiskijas Krankheit bereits zwei oder drei Jahre tot gewesen. Es folgt also daraus, daß von Hiskijas Zeit an die judäische Jahresform der babylonischen gleich gewesen sein muß oder, was dasselbe ist, daß in Judäa zu dieser Zeit nicht mehr nach reinen Mondjahren von 354 Tagen gezählt wurde, sondern daß von Zeit zu Zeit die Mondjahre nach den Sonnenjahren ausgeglichen worden sein müssen. Von Hiskijas Zeit an müssen also in Judäa Schaltjahre eingeführt worden sein. Das stimmt mit der historisch erhaltenen Nachricht, daß Hiskija das Passahfest um einen Monat später begehen ließ, d.h. daß er einen Schaltmonat eingeführt hat (vgl. o. S. 438 [und die bereits erwähnten anderweitigen Ausführungen bei Riehm-Bäthgen]). In Babylonien war nämlich das gebundene Mondjahr im Gebrauche. Denn nur dadurch sind die babylonischen Zyklen von Saren, Sossen und Neren erklärlich (vgl. M. von Niebuhr a.a.O. S. 238 f.). Der babylonische Kalender war zu Hiskijas Zeit in Judäa schon bekannt. Denn schon zur Zeit Achas' wurde der in Babylonien erfundene Gnomon in Jerusalem eingeführt; er erhielt den Namen זחא תולעמ, »die Sonnen- oder Schattenuhr des Achas«. Als Hiskija zum ersten Male ein gemeinsames Passahfest begehen wollte, hat er es vom Monat Nissan auf den folgenden Monat verschoben. Warum? Weil er gefunden haben muß, daß der Monat Nissan damals nicht dem Frühlings-oder Halmmonate (ביבאה שדח), welcher nach dem Gesetze dazu erforderlich ist, entsprochen hat; die Gerstenreife war noch zurück. Er muß also das Einschaltungssystem eingeführt haben. War einmal das gebundene Mondjahr nach dem babylonischen und assyrischen Kalender eingeführt, so hielt man ohne Zweifel daran fest, weil ein reines Mondjahr stets mit einem Defizit behaftet ist. Aus historischen und chronologischen Gründen ergibt sich also, daß von Hiskijas Zeit an das הנש רובע oder die Einschaltung von einem Monate nach Verlauf von zwei oder drei unvollkommenen Jahren in Gebrauch gekommen ist.

Bis zu Hiskijas Zeit dagegen waren in Judäa kurze Mondjahre im Gebrauche. Die 266 Jahre von der Reichsspaltung bis zum Untergang Samarias sind daher als Mondjahre anzusehen. Bei der Reduzierung derselben auf julianische Jahre oder die vorchristliche Zeit muß man daher, wie schon angegeben, acht Jahre von der Summe abziehen, d.h. 266 Mondjahre geben 258 julianische Jahre. Zählt man diese 258 Jahre zu Hiskijas 5.–6. Jahr, welches das Jahr des Untergangs Samarias oder das vorchristliche Jahr 719 war, hinzu, 719 + 258 = 977, so fällt das Jahr der Reichsspaltung in das Jahr 977 vorchristlicher Zeit40.

Diese Annahme stimmt also bis auf zwei Jahre mit dem von den angesehensten Chronologen, Petavius, Usher, Winer und Keil, adoptierten Jahre 975. Diejenigen, welche darüber hinaus bis zum Jahre 985 gehen, [442] haben die notwendige Reduktion der Mondjahre auf julianische Jahre nicht beachtet, und diejenigen, welche diese Zahl bis auf 960 oder mit Seyffart auf 950, mit Reinisch noch weiter hinabgedrückt haben, sind meistens Ägyptologen, welche nach ihrer Berechnung die judäische Chronologie um eine so bedeutende Zahl von Jahren verkürzen. In jüngster Zeit setzte Brandes auf Grund der assyrischen Chronologie die Reichsspaltung gar erst 929 an.

Movers chronologischer Kalkul (Phön. II, 1, S. 151 f.), wonach der Tempelbau um 969 und Salomos Tod um 933 angesetzt wird, beruht auf unerwiesenen Prämissen, nämlich auf Josephus' vager Angabe, daß der Tempelbau in Hirams 12. Jahre begonnen habe, und auf Berosus' babylonischem Regentenkanon, der von Ptolemäus' Kanon wesentlich abweicht. Die phönizische Chronologie kann nicht zum Ausgangspunkte genommen werden, sie bedarf selbst der Stütze.

Auf die ägyptische Chronologie braucht die judäische ebensowenig Rücksicht zu nehmen, da diese immer noch sicherer ist als jene. Bei dieser beträgt die Schwankung im schlimmsten Falle 20 Jahre, bei jener dagegen Tausende von Jahren. Wuttke bemerkt in seiner Schrift »Geschichte der Schrift und des Schrifttums« (I, S. 488, Anm.).: »Es setzen Menes' Anfang an: Henne ins Jahr 6467, Champollion-Figeac – 5867, Lesueur – 5778, Boeckh – 5702, Hekekyan-Bey – 5652 (was, wie Gutschmidt sagt: ›Auf ein paar Jahrhunderte ab oder zu richtig sein wird‹), Unger – 5613, Henry – 5303, Lenormant – 4915, Barucchi – 4890, Brugsch – 4455, Pickering – 4400, Lauth – 4175, Hinks – 3895, Lepsius – 3892, Bunsen – 3623, F. J. C. Mayer – 3187, Gumpach – 2785, Uhlemann – 2782, Seyffarth – 2781, Poole – 2717, Gliddon – ca. 2700, Prichard – ca. 2400, Knötel – 2387, Wilkinson – 2330, Palmer – 2224, Hofmann – 2182, also haben wir 26 verschiedene Bestimmungen ..., die sämtlich auf Untersuchungen fußen und in ihren äußersten Gegensätzen um nicht weniger als 4285 Jahre auseinandergehen! ... Ich selbst habe die Zeiten der Ägypterkönige zu berechnen unternommen, habe es aber nicht zustande gebracht. Willkürliche Aufstellungen scheue ich, und zuletzt gelangte ich zu dem Ergebnisse, welches schon Plath ausgesprochen hat, daß bei den jetzt vorhandenen Hilfsmitteln alle Ansätze ungewiß bleiben.« [Vgl. jetzt Wiedemann, Ägyptische Geschichte II, 730 ff., der die wichtigsten chronologischen Systeme und die für deren Berechnung maßgebenden Grundsätze zusammenstellt.] Von Menes, dem ersten Könige der I. Dynastie hängt aber die ganze ägyptische Chronologie ab, weil nach den Manethonischen Angaben Dynastie auf Dynastie, Könige auf Könige und Regierungsjahre auf Regierungsjahre ununterbrochen folgen. Ist der Anfang unbestimmt, so kann die ganze folgende Zeitreihe nicht auf Gewißheit pochen. Von Menephtas Regierungszeit oder von der XIX. Dynastie an glauben die Ägyptologen zwar einen festen, sogar astronomischen Ausgangspunkt zu haben, weil in dessen Regierungszeit die historische Sothisperiode fiel, ins Jahr 1322 oder 1323 (s.o. S. 27, Anm.). Nichtsdestoweniger unterliegt die ägyptische Chronologie auch von da abwärts noch vielen Schwankungen. So z.B. schwanken die Regierungsjahre der ägyptischen Könige, auf welche es auch in der Bestimmung der judäischen Chronologie ankäme, um 50-60 Jahre. Psusennes regierte nach Brugsch 1015-980, nach Reinisch dagegen 949-935. Sein Nachfolger Scheschenk 980-959 nach Brugsch, 935-914 nach Reinisch. Ist nun die [443] ägyptische Chronologie so ungewiß, wie kann sie als Norm angewendet werden? Sie muß vielmehr froh sein, wenn sie von der Zeit Salomos an bis auf die Zeit Josias und weiter hinab Hilfsmittel zu ihrer eigenen Berichtigung von der judäischen Chronologie entlehnen kann.

Dagegen tritt seit einigen Jahren die assyrische Chronologie mit dem Anspruch auf Unfehlbarkeit auf. Namentlich hat Schrader in seiner neuesten Schrift »Die Keilinschriften und das alte Testament« (1872) der judäischen Chronologie den Krieg erklärt und sie auf Grund der assyrischen dementiert. (S. 292 f. in einem besonderen chronologischen Exkurs.) Oppert dagegen bemerkt mit jenem richtigen Taktgefühl, ohne welches historische Forschungen, die auf einer Anhäufung von Zitaten und Folgerungen basieren, einem auf schwankem Untergrunde gebauten hohen Turm gleichen, folgendes: »Wenn ein auf assyrische Keilschrift basiertes System zu solchen, die biblische Zeitrechnung vernichtenden Resultaten gelangt, so hat es sicher Unrecht. Es ist uns nicht erlaubt, eine so durchaus historische Chronologie nach mißverstandenen Texten stürzen zu wollen.« (Zeitschrift der D. M. G., Jahrg. 1869, S. 136, Anm.) Schrader aber ließ sich davor nicht warnen, sondern legte es darauf an, bekannte Größen durch unbekannte umzuwandeln. Prof. Hein. Brandes versuchte die Chronologie auf Grund der assyrischen Funde zu rekonstruieren in einem Separatabdruck (1873): »Die Königsreihen von Juda und Israel nach den biblischen Berichten und den Keilinschriften.« Es gilt also die Basis zu prüfen, auf welcher diese neue Berechnung beruht. Was Schrader aus den biblischen Angaben selbst gegen die Richtigkeit der judäischen Chronologie einwendet, ist unerheblich. Er beruft sich auf die darin vorkommenden Widersprüche, allein diese beruhen auf entstellten Lesarten und sind oben berichtigt. Gewichtig erscheint auf den ersten Blick das Dementi von den assyrischen Schrifturkunden aus. Prüfen wir die Haltbarkeit ihres Grundes.

Man hat in Assyrien lange Listen von Namen in Keilschriftzeichen, über 200 Namen, gefunden. Von Zeit zu Zeit sind diese Namen durch einen dicken Strich voneinander getrennt. Die Assyriologen nennen diese Listen, von denen vier Exemplare aufgefunden wurden, den assyrischen Kanon. Die Exemplare zeigen indes mancherlei Abweichungen. Bei einer solchen Liste ist ein Name vorausgesetzt, welchen sie als Königsnamen betrachten. Bei einem anderen steht noch ein Zeichen dabei, das die Assyriologen als sarru (König) anerkannt wissen wollen. Beim vierten Kanon soll sich bei dem Namen noch sar Assur, König von Assur, finden. Die fortlaufenden Namen in den Listen betrachten die Assyriologen als Archonten oder Regenten und meinen, daß jeder derselben ein Jahr fungiert habe und chronologisch ein Jahr bedeute, so daß diese, wie in Athen die Archonten, die dem Jahre einen Namen gegeben hatten, eponyme Archonten gewesen wären. Davon nennen sie die Listen Regenten- oder Eponymenkanon. Nach der Anzahl von Namen, welche innerhalb zweier Striche stehen, glauben sie die Zahl der Regierungsjahre je eines Königs mit Sicherheit erkannt zu haben. Dieser Regentenkanon soll seine Ergänzung in einer anderen aufgefundenen Beamtenliste haben, worin noch besonders Geschichtliches angegeben sein soll. (Abgedruckt bei Schrader das.; Zeitschrift d.D. M. G., Jahrg. 1869, und Theol. Stud. und Krit., Jahrg. 1871). Diese Beamtenliste enthalte, wie sie angeben, die Namen der Verwalter oder Könige, dann noch [444] die von ihnen nach verschiedenen Ländern angetretenen Reisen, z.B. nach dem Chaldäerland (ana mat Khaldi)41, nach Babylon, nach dem Stromlande (öfter)42, nach Armenien, nach dem Zedernlande (?), nach Damaskus, nach dem Lande Hadrach (Hadrika) und Razape (Rezeph)43 und anderen Ländern unbekannten Namens und Klanges. In den Verwaltungslisten sei auch angegeben, daß der König Tiglat-Pileser sich auf den Thron gesetzt (Tiglat-habal-asar ina Kussu ittusïb); daß in dem Monate Siwan die Sonne eine Verfinsterung erlitten, und sogar, daß Ruhe im Lande gewesen. Kurz, die Verwaltungslisten sollen sich als respektable Annalen dokumentieren, und da die Regenten-oder Eponymenlisten jenen ähnlich sind, so stehen die Assyriologen nicht an, auch diese als Annalen zu behandeln, die zugleich die Dauer der Regierungsjahre der Könige bezeichnen sollen; soviel Namen innerhalb zweier Striche, soviel Jahre usw. Infolgedessen fixieren sie nicht bloß die assyrische Chronologie mit astronomischer Genauigkeit, sondern wollen auch den Synchronismus der israelitischen Königsgeschichte danach meistern. Nach Schraders Berechnung betrage die chronologische Differenz zwischen den Angaben der Bibel und den Ergebnissen nach dem assyrischen Regentenkanon für die Könige Achab und Jehu 40-50 Jahre. Folglich seien jene falsch (a.a.O. S. 299 f.).

Freilich muß man dabei den Assyriologen viel, sehr viel zugeben, was noch durch und durch von Ungewißheit beherrscht ist, und wogegen sich der kritische Takt sträubt. Man muß ihnen zunächst zugeben, daß sie die Keilinschriften richtig entziffert haben, was sie selbst einander absprechen. Man vergleiche nur, wie Oppert, eine der assyriologischen Autoritäten, über zwei andere und ältere Koryphäen urteilt; über Hinks und Henri Rawlinson, daß keiner von beiden jemals auch nur die kleinste assyrische Inschrift richtig interpretiert habe (Studien und Kritiken, S. 715 f.). Andere erkennen wiederum Opperts Interpretation nicht an. Denn die Keilschrift soll mehrere ideographische Zeichen, gewissermaßen Sigel, enthalten, und diese können, nach der Aussage der Entzifferer selbst, die verschiedensten Laute bezeichnen. Eine solche Gruppe könne z.B. ausdrücken: ab, be, ne, ku, da, bil oder bi, bat, mik, mit, chuv. »Gewiß keine Förderung richtigen Lesens«, wie Wuttke dazu bemerkt (a.a.O. S. 627). Daher sind die Assyriologen nicht imstande, das Mißtrauen gegen die Resultate ihrer Entzifferung zu bannen, wie zuversichtlich sie auch tun. Man bedenke nur, wie schwer es zuweilen geübten Semiten wird, phönizische, punische oder nabatäische Inschriften zu entziffern, selbst wenn eine griechische Inschrift sich daneben befindet und Hilfsmittel bietet, und wie sehr sie bei der Interpretation solcher Inschriften voneinander differieren! Wie erst bei den Keilinschriften, deren Schlüssel ein Passepartout ist! [In den letzten drei Jahrzehnten ist jedoch unter den Gelehrten eine derartige Übereinstimmung erzielt, daß die Inschriften [445] mit nahezu derselben Sicherheit wie phönizische, moabitische und aramäische gelesen werden können.]

Eine andere Unsicherheit entsteht aus der Sprache. Welchem Idiome gehören die Texte der Inschriften an? Die Assyriologen betrachten es meistens als semitisch und haschen nach hebräischen, arabischen, aramäischen und sogar talmudischen Wortwurzeln, um den Inhalt zu deuten. Einige Forscher wollen in der neuesten Zeit den semitischen Ursprung der Assyrier bestreiten. Oppert will endlich das Joch abschütteln und das Assyrische durch das Assyrische selbst erklären (Journal Asiatique, Jahrg. 1863, II, p. 477). Diesen häuslichen Streit mögen sie untereinander ausmachen; aber sie dürfen nicht verlangen, daß die Nichteingeweihten jetzt schon die philologische Ebenbürtigkeit der assyrischen Sprache neben der griechischen, lateinischen, hebräischen und anderen Idiomen anerkennen sollen, welche Organe für historische Urkunden geworden sind. [Jetzt steht auch fest, daß die Sprache der ninivitischen und babylonischen Inschriften eine dem Hebräischen besonders nahe verwandte ist.] – In der Sache selbst müßte man ihnen noch dazu etwas Bedenkliches zugeben, daß, wie etwa die Römer nach Konsuln, die Assyrier die Jahre nach Beamten gezählt hätten, etwas Wunderliches in einem despotisch regierten Staate, in welchem der König alles ist und Volk und Beamte gar nichts bedeuteten. Dazu kommt noch, daß, wie Oppert selbst zugibt, in Babylonien, dem Mutter- und Musterstaat für Assyrien, sich von dergleichen Eponymen keine Spur zeige (Zeitschr. d.D. M. G., Jahrg. 1869, S. 134). Dazu noch eine andere Unwahrscheinlichkeit. Die Namen der regierenden Könige sollen ebenfalls als Jahreseponymen figurieren, aber sie eröffnen nicht die Reihe nach ihrem Regierungsantritt, sondern ihre Namen werden erst hinter anderen als solche aufgeführt. War das Immat (אמאל) oder Jahresarchontat eine Ehre, so müßten die Könige, sollte man meinen, zuerst an die Reihe kommen und nicht den Beamten den Vortritt lassen! Differenzen in der Reihenfolge von Namen zwischen dem einen Exemplar des Regentenkanons und dem anderen, zwischen dieser Liste und der Verwaltungsliste können die Assyriologen selbst nicht abstreiten und müssen daher zu Auslegungskünsten ihre Zuflucht nehmen (s. Studien und Krit., das. S. 683, 685). Bildet die Aufeinanderfolge der Namen eine ununterbrochene Reihe oder fehlen vielleicht Namen in den Listen? Die englischen Assyriologen und Schrader behaupten das eine, Oppert das andere. Dieser nimmt in der Liste eine Unterbrechung von 47 Jahren an (s. Revue Archéolog. 1868 Nov., Schrader, Keilinschrift und Altes Testament, S. 305, Note). Den in den biblischen Urkunden genannten assyrischen König Phul finden die Assyriologen weder in den Listen noch in den Inschriften und identifizieren ihn bald mit Tiglat-Pileser, bald mit einem babylonischen König Por bei Ptolemäus oder mit einem anderen Namen. Salmanassar, welcher Samaria belagerte, finden sie auch nicht oder nur mit knapper Not. [Jetzt herrscht auch hierüber Einigkeit. Vgl. Jeremias a.a.O. S. 299 ff.] Und trotz aller dieser Unsicherheiten soll die assyrische Chronologie infallibel und Meisterin über die judäische sein!44

[446] Aber woher nehmen die Assyriologen den sicheren Ausgangspunkt, die assyrische Chronologie nach den Listen auf die vorchristliche Ära vom Jahre 893-665 so genau zu reduzieren? Es sind Berge, die an einem Haare hängen. Sie haben in den Listen und Inschriften einen König Sargon, Sargina oder Sarukin entdeckt und wissen viel von seinen Taten und Bauten zu erzählen. Dieser assyrische König soll auch in der Reihenfolge der babylonischen Könige in Ptolemäus' Kanon unter dem Namen Ἀρκέανος – als der sechste seit Nabonassar – vorkommen. Arkeanos regierte 38-42 der Ära Nabonassars, d.h. vom Jahre 709-705 vorchristlicher Zeit. Das ist ein Hauptanhaltspunkt für die Assyriologen. Sargon oder Sarukin soll sein erstes Jahr als König von Babylon nach dem Immat oder der Eponymie eines Beamten bezeichnen, der, nach Strichen gerechnet, dem Jahre 709 entspräche. Folglich könne man von diesem Datum aus aufwärts und abwärts chronologisch operieren, Sargons Regierungsanfang 722 (oder 721) und die seines Sohnes Sancherib 705 (704) ansetzen. Auf dieselbe überzeugende Weise identifizieren sie noch einige Namen im Ptolemäischen Kanon mit solchen aus der sog. Regentenliste, z.B. Ἀπαρανάδιος mit Asurnadin-sum, Ἀσαρίδινος mit Asur-ahi-iddin, unbekümmert darum, daß die anderen assyrischen Könige, obwohl sie ebenfalls über Babylon herrschten, nicht in Ptolemäus' Kanon aufgeführt werden. Dabei müssen sie wieder künstliche Ausgleichungen anwenden; denn nach dem Ptolemäischen Kanon regierte Arkeanos nach Mardokempados (Merodach-Baladan). Das stimmt aber nicht mit ihrer Berechnung, nach welcher Sargon vor Merodach regiert habe. Sie fügen deswegen einen unerwiesenen Merodach II. ein; lauter Notbehelfe. [S. jetzt Jeremias a.a.O. S. 14. 304 f.] – Doch Schrader und sein englischer Vorgänger F. Smith stützen die assyrische Chronologie noch auf ein anderes Datum als »auf einen festen Ausgangspunkt« (Keilinschriften und A. T., S. 302), nämlich auf eine Sonnenfinsternis, welche bei dem Namen eines Beamten in der Liste angemerkt sei, und diese soll nach astronomischer Berechnung nur im Jahre 763 stattgefunden haben. Man muß sich die mühsame Entzifferung ansehen, mit welcher dieses Faktum von der Sonnenfinsternis zusammenbuchstabiert wird (Athenäum, Jahrg. 1867, p. 660 f., Theol. Stud. und Krit., Jahrg. 1871, S. 682, Note). Da kommt aber Oppert, bestreitet die Richtigkeit dieses Jahres und setzt diese Sonnenfinsternis in das Jahr 809 (D. M. G., Jahrg. 1869, S. 135) – ein Strich durch die Rechnung! [Vgl. Jeremias S. 292.] Nichtsdestoweniger will Schrader nach diesen zweifelhaften Konjekturen die biblische Chronologie meistern.

Gehen wir jetzt an die Beweise, welche dafür vorgebracht werden, daß die israelitischen Könige in den assyrischen Inschriften genannt werden, wodurch Schrader sich zu der Behauptung veranlaßt fühlt, daß »der Löwenanteil der neuen assyrischen Entdeckungen dem alten Testament zufällt.« In den Büchern der Könige ist von den Assyrern zu allererst in der Regierungszeit Menachems und Usias die Rede. Daher galt es lange als Norm, daß die Propheten, welche Assyrien nicht erwähnen, vor dieser Zeit gesprochen haben. Die Assyriologen wollen aber entdeckt haben, daß schon zu Achabs Zeit die Assyrer in das Geschick des Zehnstämmereichs eingegriffen hätten. [447] Unter einem Salmanassar soll Achab, König von Israel, 2000 Wagen und 10 000 Mann mit noch vielen anderen Fürsten zum Kriege gegen diesen assyrischen König gestellt haben. Ist die Lesart auch gesichert? 1864 las G. Rawlinson noch auf der Inschrift: Ainab of Samhala (The five monarchies II., p. 362); erst ein Jahr später entdeckte er, daß es laute: Ahab of Jezreel (das. IV, p. 576). Schrader liest A-cha-abbu Sir'-la-ai; das letzte Wort soll Israel, nicht Jesreël bedeuten (das. S. 58, 94). [S. Jeremias a.a.O.] Allzuviel Gewißheit bietet also dieser Passus keineswegs, zumal, wie die Assyriologen eingestehen, der Name »Land Israel« auf den bisher entdeckten Inschriften sich sonst nicht findet; darum sind die englischen Assyriologen für Jesreël. Aber soll ein König nach seinem Winteraufenthalt näher bezeichnet werden? – Denn die Hauptstadt blieb doch immer Samaria. Es kommt aber noch besser. – Jehu soll zweimal auf den Inschriften Salmanassars II. vorkommen, einmal Maadatu sa Jahua habal Chuumrii, Tribut Jehus, Sohnes des Omri (Schrader, das. 66, 107, G. Rawlinson II, p. 364 f. [Jeremias S. 297, vgl. 296]). Aber wieso kann denn ירמע geschrieben sein ירמוח? Und wie kommt Jehu, der Vertilger des Hauses Omri, dazu, ein Sohn desselben genannt zu werden? Und auf diese Seifenblasen bezieht G. Rawlinson ohne weiteres ein Bild auf einem der assyrischen Monumente auf Israeliten »bringing tribute to Salmaneser II.«! Wenn man so vage Hypothesen als Geschichte ausgeben darf, dann ist man auch berechtigt, Bit-Chuumri als die Stadt Samaria oder als Land des Zehnstämmereichs ohne Skrupel zu erklären (Rawlinson, das., Schrader, das. S. 58, 145). Noch dazu soll bei Chuumri sich das Adjektivum ruk finden, und soll das Ferne (etwa קוחר) bedeuten, als wenn Gaza und Ägypten nicht noch entlegener wären als Samaria. – Menachem, der König, welcher nach der biblischen Quelle zuerst dem assyrischen König Phul Tribut gezahlt hat, darf natürlich in den assyrischen Inschriften nicht fehlen, obwohl Phul selbst schwer zu finden ist. Er soll die Minihimmi Usimurunaai oder S'amirinaoi genannt sein (Schrader S. 93, 119, 120, 143 [Jeremias S. 299]). Aber noch ein anderer Menachem drängt sich gar ungelegen auf. Nachdem das Zehnstämmereich von Salmanassar oder Sargon zerstört und die Stadt Samaria zertrümmert und das Königtum von Israel verschwunden war, erscheint noch einmal als Revenant ein Minichimmi Simurunaai, bringt mit anderen Fürsten dem König Sancherib Tribut und küßt ihm die Füße (Schrader, das. 174, vgl. das. S. 121). Soll man das alles als geschichtliche Tatsachen hinnehmen? Hätte nicht eine solche historische Unmöglichkeit die Assyriologen stutzig machen sollen? Kein Samaria und kein israelitischer König mehr unter Sancherib und doch soll ein Menachem von Samaria diesem Sancherib Geschenke gebracht und ihm die Füße geküßt haben! Ebenso gewiß kommt Usia auf den Monumenten vor unter dem Namen Azriyaahu mat Jahuda-ai oder Asriyaahu (d.h. והירצע, Schrader, das. S. 115 f.). Nur schade, daß Oppert in diesem Namen einen ganz anderen König erblickt, nämlich den Sohn Tabels, der als Gegenkönig gegen Achas aufgestellt werden sollte (Lepsius' ägyptische Zeitschr. 1869, S. 68). – Auf welcher Gewißheit beruht nun die Behauptung der Assyriologen, daß Samaria im ersten Jahre des Sargon, d.h. 721 oder 722 vorchristlicher Zeit (nach dem supponierten Regentenkanon) von demselben eingenommen worden ist? Schrader bemerkt selbst darüber (S. 159): »Ausführlicher [448] hatte Sargon sich in seinen ›Annalen‹ über das Ereignis verbreitet; aus ihnen er fahren wir, daß es in sein erstes Regierungsjahr fällt. Leider ist, wie überall der Text der Annalen, so auch dieser betreffende Abschnitt arg verstümmelt. Von diesem sind bloß erhalten die Worte: Ina ris ... rinai.« Und aus der Ergänzung dieser Lücken soll nun folgen, daß Sargon im Anfang seiner Regierung die Stadt Samaria erobert habe! [Jeremias S. 303, 340.] Wahrlich, nicht in griechischen, lateinischen oder hebräischen Texten dürfte man sich solche Ergänzungen erlauben, geschweige denn in solchen, wo das Lesen so mühsam und unsicher ist; noch weniger dürfte man daraus chronologische Data kombinieren und dadurch etwa entgegenstehende Data dementieren! – Die judäische Chronologie braucht also keinerlei Rücksicht auf die assyrische zu nehmen und muß es dieser überlassen, sich erst überzeugender zu dokumentieren!

Einer anderen Einwendung gegen die Richtigkeit der chronologischen Data in den Büchern der Könige von seiten der sogenannten Mesainschrift muß noch begegnet werden. Im Jahre 1869 hat Clermont-Ganneau eine Stelle oder einen Block mit Inschriften in alten Schriftzügen jenseits des Jordans aufgefunden, welche zwar die Erzählung des Kriegszuges Jorams von Israel in Verbindung mit Josaphat und dem König von Edom gegen Mesa, König von Moab, bestätigen und ergänzen, aber ihrer chronologischen Angabe zu widersprechen scheinen. Über diese Mesa-oder moabitische Inschrift ist in Zeitschriften und Broschüren viel geschrieben worden. Der Block ist nämlich von Beduinen zertrümmert worden, und Clermont-Ganneau konnte nur einen Abklatsch davon veröffentlichen, welcher viel Lücken enthält. Diese Lücken haben zwar Clermont-Ganneau und andere später durch aufgefundene Trümmersplitter ergänzt, nichtsdestoweniger sind viele Zeilen ganz oder teilweise lückenhaft und unverständlich. Aus einer solchen lückenhaften Zeile wird ein Widerspruch mit der israelitischen Chronologie herausgelesen. Nach II. Könige 3, 4 hat Jehoram von Israel den Feldzug gegen Mesa unternommen, und zwar im ersten Jahre seiner Regierung, da Moab bei der Nachricht vom Tode Achabs abgefallen war. Von welchem israelitischen König Moab unterworfen wurde, ist nicht angegeben. Die Mesainschrift nennt aber Omri als Eroberer einer moabitischen Stadt (Medaba). Die darauf folgende Zeile ist aber lückenhaft. Zeile 7 Ende und Zeile 8 lauten nämlich nach Clermont-Ganneaus Ergänzung:


... תא ירמע שריו

... תש ןעברא הנב ימי ... הב בשיו אבד המ צ


Hier ist nun für Konjekturen ein weiter Spielraum gelassen. Liest man mit Schlottmann:


,תש ןעברא הנב ימי[בו וימיב לארשי] הב בשיו


so folgt natürlich daraus, daß Israel in den Tagen Omris und Achabs darin 40 Jahre gewohnt habe, und es entsteht ein Widerspruch mit der Angabe, daß Omri und Achab zusammen nur etwa 30, mit knapper Not 34 Jahre regiert haben. Nöldeke ergänzt daher הנב ןב ימיבו הנב ימיב und zieht noch Jorams Regierungszeit hinzu. Andere lesen statt הנב [bena], »sein Sohn«, הנב [bana], »er hat gebaut«, und תש als Wortfragment; denn תש für Jahr ist eine abstruse Form. Auch die Schreibweise אבדהמ für אבדימ ist auffallend. Kurz, die Zeile 8 in der Mesainschrift gibt keine Gewißheit, weder [449] über die Zeit, noch über das Faktum. Es steht demnach gar nichts entgegen, die Reichsspaltung 977 und den Untergang des Zehnstämmereichs 266 Mondjahre, d.h. 258 julianische Jahre, später, um 719 vorchristlicher Zeit, anzusetzen.

Von Rehabeam oder der Reichsspaltung die Chronologie aufwärts zu führen, dazu fehlt allerdings jede Kontrolle. Salomos Regierungsdauer von 40 Jahren wird noch dazu wegen der runden Zahl verdächtigt. Dadurch ist die erste Stufe zum Hinaufsteigen abgebrochen. Allein diese 40 jährige Regierungsdauer muß aus zweifachen Gründen für genau angenommen werden. Selbst die am meisten pessimistische Kritik muß zugeben, daß die Zahl der Regierungsjahre sämtlicher nachsalomonischer Könige nicht als runde Zahlen anzusehen sind. Es wird niemandem einfallen, Joaschs 40 Jahre als eine runde Zahl zu verdächtigen, eben weil die seiner Vorgänger und Nachfolger genau angegeben sind. [Dennoch ist dieses Wellhausen (Prolegomena zur Geschichte Israels, S. 284 ff.) nichtsdestoweniger eingefallen. Vgl. gegen ihn die schlagenden Einwendungen Schalls (Die Staatsverfassung der Juden auf Grund des A. T., S. 54)]. Dieses setzt voraus, daß die israelitischen Annalisten von Rehabeam und Jerobeam I. an angefangen haben, die Regierungsdauer der Könige, soweit sie Kunde davon hatten, genau anzumerken oder vielleicht gar aufzuzeichnen. Sollte diese chronologische Genauigkeit erst mit Rehabeam begonnen haben und nicht schon mit der Glanzregierung seines Vaters? Wenn es Annalisten oder Aufzeichner der Tagesbegebenheiten (םימיה ירבד) für die späteren Könige gegeben hat, so sollte man denken, daß sie in Salomos Zeit nicht gefehlt haben. Ist doch selbst in Davids Regierung genau angegeben, daß er 40 Jahre und 6 Monate regiert hat, und zwar 7 Jahre 6 Monate in Hebron und 33 Jahre in Jerusalem. In der widerwärtigen Geschichte Absaloms sind mehrere Data genau notiert (s.o. S. 226, Anm. 1). Auch für die Regierungsdauer Sauls ist eine genaue Zahl angegeben, wie weiter er wiesen werden soll. Innerhalb Salomos Regierung sind ebenfalls mehrere Daten genau angemerkt. Im vierten Regierungsjahre im zweiten Monat begann er den Tempelbau; der Bau dauerte sieben Jahre. Seinen Palast baute er in 13 Jahren. Sehr genau ist noch einmal angegeben, daß der Bau des Tempels und Palastes zusammen 20 Jahre gedauert hat. Diese Zahlen hat doch nicht der Redakteur der Bücher der Könige erfunden, sondern er muß sie doch vorgefunden haben. Es hat also eine oder mehrere Personen interessiert, sich diese Zahlen zu merken und sie zu notieren. Und dieser oder diese Personen sollten nicht auch das Interesse gehabt haben, Salomos Regierungsdauer genau zu überliefern? Das ist nicht denkbar. Es gibt also einen triftigen Grund, der für die Genauigkeit der Zahl 40 von Salomos Regierungsdauer spricht. Ein anderer ergänzt ihn. Salomo hat eine Pharaonentochter heimgeführt; er stand also mit dem ägyptischen Hofe im Verkehr und kannte die dortigen Lebensgewohnheiten; er hat sie auch nur zu sehr kopiert und alles, wie in Ägypten, in der Person des Königs konzentriert. In Ägypten war es nun Sitte, daß alles, was geschah, nach Regierungsjahren der Könige datiert wurde. Treffend bemerkt Bunsen (Ägypten IV, S. 112): »Sie, die Ägypter, tun nichts, sie lernen nichts, sie werden nicht geboren und sie sterben nicht, ohne daß das Königsjahr angegeben ist.« Diesem ägyptischen Einfluß ist es ohne Zweifel zuzuschreiben, daß seit Salomo die Regierungsjahre der Könige zum chronologischen Kanon [450] genommen wurden. Wahrscheinlich haben, wie in Ägypten die Priester, so in Salomos Regierungszeit die Ahroniden oder Leviten die Zuvorkommenheit oder den Auftrag gehabt, die öffentlichen Vorgänge nach der Sonnenuhr der königlichen Majestät zu bezeichnen.

Nach dieser Betrachtung ist man genötigt, die 40 Regierungsjahre Salomos als eine genaue Zahl gelten zu lassen. Ein Stein des Anstoßes für die ältere israelitische Chronologie ist damit beseitigt. Genauigkeit bietet, wie schon angegeben, auch Davids Regierungszeit, 401/2 Jahre. Wir können aber die relativ exakte Chronologie noch weiter hinauf führen, wenn wir den zweiten Stein des Anstoßes beseitigen. In Sauls Geschichte ist nämlich angegeben (I. Sam. 13, 1): לארשי לע ךלמ םינש יתשו וכלמב לואש הנש ןב. Diese rätselhafte Angabe hat zu den abgeschmacktesten Lösungen geführt, die man zusammengestellt findet in Gustav Röschs Artikel Biblische Zeitrechnung (Herzog, Realenzyklopädie, 1. Aufl., XVIII, S. 453). Am richtigsten ist die von Scaliger gegebene Erklärung, daß eine Lücke in der Zahlenangabe anzunehmen ist. Aber die Ergänzung dieser Lücke ist noch nicht befriedigend gefunden worden. Die Ausfüllung der Lücke des Alters, in welchem Saul stand, als er König wurde, ist für die Chronologie gleichgültig. Ein griechisches Scholion hat dafür 30 Jahre: υἱὸς τριάκοντα ἐτῶν Σαουλ ἐν τῷ βασιλεύειν αὐτόν. Diese Zahl ist aber zu gering angenommen, wie schon Bunsen richtig bemerkt hat (Ägypten I, 3, S. 231; IV, S. 372). Saul muß nämlich viel älter bei seiner Salbung gewesen sein, da er schon einen erwachsenen Sohn Jonathan hatte. Wahrscheinlich stand ursprünglich die runde Zahl וכלמב לואש הנש םיעברא ןב. Doch, wie gesagt, das ist für die Bestimmung der Chronologie gleichgültig. Wichtiger ist es, wie die zweite Lücke, die Zahl der Regierungsjahre, ergänzt werden soll.

Bunsen schlägt vor, 22 Jahre zu ergänzen. Er meint, es habe ursprünglich gelautet םירשעו וכלמב ... ךלמ םינש יתשו; aus der vollen Zahl 20 sei später der Zahlenbuchstabe 'כ geworden. Dieser sei durch das vorhergehende וכ im Worte וכלמב absorbiert worden, aus dem ursprünglichen םינש יתשו כ וכלמב sei als scheinbare Dittographie כ weggelassen worden und nur die Einzahl יתשו stehen geblieben (a.a.O. S. 373). Diese Ausgleichung ist entschieden falsch. Sind die Zahlen durch Zahlenbuchstaben ersetzt gewesen, so hätte nicht bloß die 20 durch כ, sondern auch die 2 durch ב angegeben sein müssen. Woher kommt nun das Wort יתשו [ushtej]? Aber die Ausgleichung verstößt auch gegen die hebräische Grammatik. Bei Zahlen von 20 aufwärts steht nämlich niemals םינש [sha nim], Plural, sondern regelmäßig הנש [shana], Singular. Dann werden die Einheiten nie im Status constructus יתשו [ushtej], sondern absolut ausgedrückt, entweder םירשעו םיתש [shtajim...] oder םיתשו םירשע הנש [...ushtajim...]. Beide in dem lückenhaften Texte stehengebliebenen Wörter יתשו und םינש legen daher die Ergänzung sehr nahe, daß nicht eine Zahl von 20 oder 30, sondern eine Zehnzahl ausgefallen sein muß. Bei der Zahl 12 kommt zwar auch meistens הנש vor, aber man kann auch םינש setzen (vgl. Nehemia 5, 14: הרשע םיתש םינש). Das Datum für Sauls Regierungsdauer hat also notwendigerweise ursprünglich gelautet: לארשי לע ךלמ םינש הרשע יתשו וכלמב לואש הנש... ןב [...ushtej esra shanim...]. Saul hat also 12 Jahre regiert. Sämtliche Vorgänge in seiner Regierungszeit lassen sich in den Rahmen von 12 Jahren hineinbringen. Diese Zahl läßt sich auch von einer anderen Seite her rechtfertigen. David war beim Tode Sauls 30 Jahre alt, da er im ganzen [451] 70 Jahre alt wurde und 40 Jahre regierte. Er war also bei dem Regierungsantritt Sauls, wenn dieser 12 Jahre regiert hat, 18 Jahre alt, d.h. ungefähr gleichaltrig mit seinem Freunde Jonathan. Hätte Saul auch nur 22 Jahre regiert, so wäre David bei dessen Regierungsantritt erst 8 Jahre alt gewesen, dann hätte wegen des abstechend ungleichen Alters keine innige Freundschaft zwischen dem Königssohn und dem Besieger des Riesen Goliath entstehen und bestehen können. Hat doch David Sauls Oberkleid anlegen und dessen Helm aufsetzen können, als er zum Zweikampf gegen Goliath auszog; er kann also damals kein Knabe gewesen sein. Der Ausdruck רענ, welcher von David bei seiner Salbung gebraucht wird, verschlägt nichts dagegen. רענ wurde jeder Sohn genannt, der noch in des Vaters Gewalt stand. Auch die viel älteren Brüder Davids werden םירענ genannt (I. Sam. 16, 11). Wir haben also eine relativ gesicherte Chronologie bis zum Regierungsanfang Sauls oder bis zum Anfang des Königtums oder bis zum Ende der Richterzeit. Von Saul an hat die chronologische Angabe nach runden Zahlen aufgehört. Wir haben oben Rehabeams Regierungsanfang 977 (oder 975) der vorchristlichen Zeit angesetzt. Rechnen wir dazu


Salomo . . . 40 Jahre

David . . . . 401/2 "

Saul . . . . . 12 "

––––––––––––––––––––––––––––––––––

Summa 92 + 977 = 1069 der vorchr. Zeitr.


Allenfalls muß man auch hier die zwei Jahre Differenz des freien Mondjahres gegen das gebundene in 92 Jahren abziehen. Bis zum Beginn des Königtums ist also die Chronologie so sicher, wie sie überhaupt bei der Berechnung nach Regierungsjahren nur sein kann.

Vollständig unsicher wird sie erst höher hinauf in der Richterperiode, weil hier bei den Zahlenangaben der Zeiten der Abhängigkeit und der, nennen wir es Regierungsjahre der einzelnen Richter, genaue mit runden Zahlen abwechseln. Außerdem scheinen manche Richter gleichzeitig aufgetreten zu sein, so ganz gewiß Jephtah mit Simson. Wenn aber die Ägyptologen diese chronologische Unbestimmtheit benutzen und ihrer ägyptischen Chronologie zuliebe die Richterperiode oder die Zeit vom Einzug in das Land Kanaan bis zum Anfang des Königtums bis auf 200 Jahre reduzieren – Frl. Corbau, welche den Auszug um 1291 berechnete, sogar noch weniger! –, so muß man ihnen immer und immer wieder die von Jephtah bestimmt ausgesprochene Zahl vorhalten, daß seit dem letzten Jahre der Wüstenwanderung bis zu seiner Zeit 300 Jahre abgelaufen waren (Richter 11, 26): הנש תואמ שלש. Mag die Zahl auch rund sein und mag sie ihm ein späterer Bearbeiter in den Mund gelegt haben, so muß der eine oder der andere doch noch Kunde davon gehabt haben, daß vom letzten Jahre der Wüstenwanderung bis zu Jephtah mehr als 200 Jahre verstrichen waren.

Allerdings hat die Zahl 480 vom Auszug aus Ägypten bis zum Tempelbau den Charakter der Ungenauigkeit. Aber mehr als 400 Jahre müssen entschieden bis Salomo abgelaufen sein, wenn man auch nur die 40 Wanderjahre, die ungefähre Zahl 300 Jahre bis Jephtah und die 52 Jahre Sauls und Davids berücksichtigt = 395 und noch dazu Elis und Samuels Zeit hinzuzieht. Nach den zwei Genealogien des prophetischen Richters Samuel (I. Chron 6, 7-12. 18-23) liegen zwischen Korach, Moses Zeitgenossen, [452] und Samuel mindestens 14 Geschlechter, die, noch so niedrig angesetzt, mehr als 400 Jahre ergeben. Der Auszug aus Ägypten hat also jedenfalls vor dem Jahre 1400 vorchristlicher Zeit stattgefunden. Über die Berechnung der Ägyptologen s.o. S. 26 [und die Bemerkungen dazu].

Die hier aufgestellte Chronologie weicht von der von Petavius und Usher angenommenen Zahl für die Reichsspaltung nur um zwei Jahre ab. Die Reichsspaltung oder Rehabeams Regierungsanfang beginnt demnach 977, und es dauert


Sauls Regierung 1069-1057 der vorchr. Zeitr.

Davids " 1057-1017 " " "

Salomos " 1017- 977 " " "


Da man aber die 92 Jahre der ersten drei Könige nur als Mondjahre ansehen muß (o. S. 452), so muß man sie, wenn man sie auf julianische Jahre reduzieren will, um mindestens zwei Jahre verkürzen. Sauls Regierungszeit fiel demnach um 1067-1055.

Die beigegebenen synchronistischen Zeittafeln veranschaulichen das kritische Verfahren, wie die Widersprüche ausgeglichen werden können. Sie zeigen das Ineinandergreifen der gegenseitigen Zeitreihen und wo die Regierungsjahre der Könige nach vollen oder nach unvollständigen Jahren gezählt sind. Die Doppelzahlen bei den Jahren: 1-2, 2-3, bedeuten, daß nur ein Teil des Jahres mit dem entsprechenden der Parallele sich deckt. 0-1 bedeutet, daß das Regierungsjahr als unvollständig anzusehen ist. Bei der Reduzierung der Regierungsjahre auf die allgemeine Chronologie der vorchristlichen Zeit sind dieselben bis Hiskija als Mondjahre mit den tropischen oder julianischen Jahren derart ausgeglichen, daß je 33 der ersteren in 32 der letzteren verkürzt sind. Die fetten Zahlen veranschaulichen diese Umwandlung oder Verkürzung. Die dritte Tafel enthält die Regierungsjahre der Könige von Hiskija bis zum Untergang des judäischen Reiches und die Synchronistik der babylonischen Könige nach Ptolemäus' Regentenkanon. Sie veranschaulicht, daß die Regierungsjahre der letzten sechs judäischen Könige nach gebundenen Mondjahren, also beinahe nach julianischen Jahren gezählt sind, indem das 14. Jahr Hiskijas dem 12. des Mardokempados, das 4. Jahr Jojakims dem 1. Nabokolassars und das 11. Jahr Zedekias dem 19. desselben Königs entspricht. Dadurch ergibt sich, daß Hiskija 723-724 der vorchristlichen Zeitrechnung zur Regierung gelangt ist, und wird zugleich veranschaulicht, daß die vorangegangenen Zeitreihen der Könige richtig sind und welchem vorchristlichen Jahre sie annähernd synchronistisch entsprechen. Die Parallelisierung mit der vorchristlichen Chronologie kann nur annähernd angenommen werden, weil es nicht bekannt ist, in welchem Jahre Hiskija die kalendarische Umwandlung eingeführt hat, d.h. in welchem Jahre die Zählung nach reinen Mondjahren aufgehört hat. Hypothetisch ist dafür das 7. Jahr Hiskijas oder das Jahr nach dem Untergang des Zehnstämmereichs angenommen worden.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1908], Band 1, S. 427-454.
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Der Hungerpastor

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340 Seiten, 14.80 Euro

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Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

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