6. Abstammung der Philister.

[368] In der Altertumsforschung muß man darauf gefaßt sein, sonnenklare Dinge angefochten zu sehen, und in die Notwendigkeit gesetzt zu werden, sie immer wieder beweisen zu müssen. Die Abstammung der Philister von der Insel Kreta ist unzweifelhaft. [So auch Riehm-Bäthgen S. 258 ff., 1214 ff.] Sie werden in der Bibel םיתרכ יוג genannt (Zephania 2, 5, Ezech. 25, 16). Indessen auf Namenähnlichkeit kann man nicht allzuviel bauen. Es muß daher noch ein anderes Argument beigebracht werden. An einer biblischen Stelle wird die Abstammung der Philister von Kaphtor oder von der Insel Kaphtor angegeben oder vorausgesetzt (Amos 9, 7): רותפכמ (יתילעה) םייתשלפו; (Deuteron. 2, 23) רתפכמ םיאציה םירתפכ; (Genesis 10, 14)8 תאו םיתשלפ םשמ ואצי רשא םירתפכ; (Jeremia 47, 4) 'ה דדש יכ רתפכמ יא תיראש םיתשלפ תא. Schon Calmet hat Kaphtor mit Kreta identifiziert; aber seine und seiner Nachfolger Beweise sind ungenügend befunden worden. Daher kommen einige wieder auf die Hypothese zurück, unter Kaphtor sei Kappadozien zu verstehen (s. Gesenius' Thesaurus s.v. רתפכ und יתרכ). Ein [368] schlagendes Argument für die Identität von Kaphtor und Kreta bietet der Talmud. In Tr. Mechanot, p. 28 b, heißt es von der Verzierung רותפכ an dem Tempelleuchter, sie sei kretischen Äpfeln ähnlich gewesen: םייתרכה יחופת ןימכ ןימוד ןה המל םירותפכ. Kretische Äpfel sind Quitten; sie heißen griechisch Κυδώνια oder μῆλα κυδώνια, und der Baum heißt κυδωνία von der kretischen Stadt Kydonia, welche im Norden der Insel am Eingange zum Vorgebirge Kyamon lag. Dort war der Ursprung der Quitten, und darum nannten die Hebräer Quitten םירותפכ, Kaphtor- oder Kretaäpfel, und die Griechen Kydonia, eben davon Kydonia- oder Kretaäpfel. Das Wort ist also nicht eine Komposition von רפכ und רתכ, sondern ein Eigenname. Von der Ähnlichkeit des Säulenknaufes mit einer Quitte wird auch dieser רותפכ genannt (Amos 9, 1). Damit ist die Abstammung der Philister von Kreta oder Kaphtor unwiderleglich erwiesen. Sie sind zunächst aus Kydonia eingewandert; daher ist Ewalds Annahme unhaltbar, daß sie ihren Namen von der Stadt Phalasarna erhalten hätten. Übrigens müssen noch zur Zeit, als die Philister bereits durch lange Ansiedlung und durch Vermischung mit den eingeborenen Rephaïm und Anakim ein eigenes, von den ursprünglichen Kolonisten oder kretischen Seeräubern verschiedenes Volk bildeten, neue Zuzügler aus Kreta nach dem Küstenlande eingewandert sein. Diese müssen ihren ursprünglichen Namen Kreter behalten, sich nicht Philister genannt und einen eigenen Landstrich im Süden von Gaza bewohnt haben. Denn es wird ein יתרכה בגנ, das südliche Territorium der Kreter, angeführt (I. Samuel 30, 14), das von Philistäa verschieden war. Von dieser Völkerschaft mietete David die Soldtruppe der Krethi = יתרכ, nicht direkt von den Philistern. Das damit stets verbundene Plethi = יתלפ kann daher unmöglich Philister mit ausgestoßenem Sch-Laute sein, wie Ewald behauptet. Denn Philister hat David schwerlich in Sold genommen. Itaï aus Gath mit seinen 600 Mann hat sich von selbst David angeschlossen und sich dem israelitischen Volk einverleibt, wie aus II. Sam. 15, 18-19 hervorgeht.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1908], Band 1, S. 368-369.
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