1. Israel Baal-Schem.

[569] Die Zeit, in der er bereits einer Sekte oder einem Konventikel vorstand läßt sich aus den angeführten Quellen genau umgrenzen. Aus seinem Briefe (I, 2) ergibt sich, daß er im Jahre 1747 [lies: 1746] nur wenige Anhänger hatte oder daß seine Doktrin damals noch nicht verbreitet war. Es heißt nämlich das. תנש ה"רב יכ ורזח םיבר םיעשר םגו... המשנה תילע תעבשה יתישע ז"קת חישמ יפ תא יתלאשו... ינממ ושקב דחאכ םלוכו הבושתב םלועב הלגתיו ךדומל םסרפתיש תעב עדת תאזב יל בישהו... המשנה תילע יתישע י"קת תנש ה"רבו... הצוח ךיתוניעמ וצופיו. Demnach war die Sekte 1747 [1746] noch nicht verbreitet. Aber 1750 kannte sie Salomo Chelm bereits als תכ (o. S. 566). Gestorben ist Bescht 1759, wie das Ms. (II, 3) angibt (Bl. 174): והותה ירחא םירסה תאזה תכה .יתנותח תנש איה ט"יקת תנשב תמ רשא רזיבזעמ לארשי... תועימק בתוכ םש לעבל קר ןדמל אלל םסרופמ היהש ינרוכזו םיקושב ךלוה היהו דומלל לוכי היה אל יכ ללכ דמל אלו םישנה םע רבדמו קוביצו יקלולה ויפב הואג רטוח םע תוביחרבו. Israel Beschts öffentliche Tätigkeit dauerte also etwa von 1747 [1746] bis 1759. Im Jahre 1750 gab er noch die Absicht zu erkennen, nach Palästina auszuwandern, wie aus seinem Briefe hervorgeht. Sein Ruf muß damals noch nicht sehr verbreitet gewesen sein. Ungenau ist also die Angabe bei Jost, daß er von 1740-60 oder 1730-60 gewirkt hat, noch unrichtiger bei Loebel (S. 13): zwischen 1760-65. Sein Geburtsjahr läßt sich ebenfalls annähernd danach bestimmen. In dem 1750 geschriebenen Brief spricht er schon von seinem Enkel Ephraim (oder Mose Chajjim Ephraim), welcher noch einen älteren Bruder hatte. Er ist also wohl im letzten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts geboren. – Von seinen Antezedentien ist nur das eine sicher, daß er lange Zeit in den galizischen Karpathen zwischen Kassow und Kuty (Kutow) zugebracht hat. Die Quelle I, 4, p. 3 a referiert: אבחתה... טש"עבה ןיב בוסאק ןיבו בוטוק ריע ןיב... בורלו תורעמבו תואובחמב המש רשא םילודגה םירהה. Ebenso seine wunderhafte Lebensbeschreibung (I, 1) p. 3a: ןיב דדובתהל ךלה אוהו גריבג ארקנח םילודג םירה. In dieser Gegend am Pruth brachte er lange Zeit zu (das. p. 4 b): תודדובתהל ךלה טורפ ארקנה רהנה רבעמב. Diese Relation stammt von seinem Jünger Jakob Joseph Kohen und ist darum jener vagen Erzählung vorzuziehen, [569] daß er im Norden in oder bei Brody gewohnt habe (das. p. 2 c.d.). Auch Quelle I, 3, p. 49b: םיפוגס ידי לע ט"שעבה גישהו םיעלסה יקיקנב תודדובתהו. Daß er Kuren an wirklichen oder eingebildeten Patienten angewendet hat, berichten fast alle Quellen, auch die chaßidäischen; nur behaupten einige letztere, es sei ohne magische Praktiken, ohne Beschwörung und Kameen (תועימק) geschehen (I. 3): ילבו תועבשה ילב ויה םלכ... ויתואלפנו ויתפומ תועימק.

Die handschriftliche Quelle tradiert: דימת היה וכרד רכש תלבק רובע תואיפר םהמע תושעל םיצירפל עוסנל. S. Maimon a.a.O. S. 217: »R. Joël (l. Israel) Baalschem wurde durch einige glückliche Kuren, die er durch seine medizinischen Kenntnisse und Taschenspielerkünste bewerkstelligte, zu dieser Zeit sehr berühmt, indem er vorgab, dieses alles nicht durch natürliche Mittel, sondern bloß durch Hilfe der Kabbala Maschiith (die praktische Kabbala) und den Gebrauch der heiligen Namen bewerkstelligt zu haben.« Seine Hauptbeschäftigung war mit Pferden; er war Roßtäuscher und Fuhrmann, hielt aber auch eine Schänke (Schibche, p. 8 a. 15 b).

Alle seine Gegner schildern ihn als höchst unwissend, auch die chaßidäische Schrift בוט םש רתכ gibt seine Unkenntnis in Talmud und jüdischem Schrifttum zu. (Vgl. oben und weiter unten 572). Indessen, wenn seine Briefe an seinen Schwager von seiner eigenen Hand herrührten, so kann er durchaus nicht ein frère ignorantin gewesen sein. Aber selbst wenn er diesen Brief durch einen andern hat stilisieren lassen, und auch die daselbst von ihm tradierte Schriftauslegung nicht echt sein sollte, so kann man ihn doch nicht als völligen Idioten ansehen. Seine Gegner sagten eigentlich nur, daß er nicht zu den talmudischen Heroen gehört habe (II, 3 Einl.): םיריכמו םיעדוי ונא ינב המכ ברקמ ויה ןכו ,ךכ לכ הרותב גלפומ היה אלש רבחמה םידמולה ןיב הנמנ היה אלש ורמאו םדא. Indessen die Schriftdeutungen, die seine Vertrauten Beer von Mizricz, Jakob Joseph und andere von ihm mitteilten, sind zwar nicht bewunderungswürdig, aber nicht schlechter, als die sämtlicher Wanderprediger jener Zeit, eher noch origineller. Diese Schriftdeutungen bezeugen hinlänglich, daß er durchaus nicht so sehr talmudischer Kenntnisse bar war. Sein Verhältnis zu den Rabbinen ex professo scheint kein freundliches gewesen zu sein. Ein jüngerer Zeitgenosse tradiert von ihm, er habe zur Zeit, als die Frankisten Denunziationen gegen die Talmudisten und den Talmud beim Bischof von Kamieniec vorbrachten (s. Graetz, Frank und die Frankisten, S. 44 ff.), am Abend des Versöhnungstages die Rabbinen hart angefahren (I, 1, p. 6d.): רקש םידובש איה םליבשב יכ רמאו םינברה לע דואמ זגרו םירקש תומדקהב םבלמ. Es scheint eine Reibung zwischen ihm und dem offiziellen Rabbinat gegeben zu haben; er wurde nämlich vor die Vier-Länder-Synode geladen (das. 27b): סנרפה היה תוצרא 'ד תפיסא תעב יכ םלכ ינפל רבדה עיצה אבא םהרבא'מ םסרופמה דיגנה ןושארה וחלשו... ץראה םע אוה עמשנה יפלו ט"שעבה עמש עמשנ הנה םהינפל דימו ףכית אביש ט"שעבהל הפיסאהמ. Die Frage, die an ihn gerichtet worden, und die Antwort, die er gegeben haben soll, sind charakteristisch und bezeichnen scharf die Differenz zwischen den Chaßidäern und den Gegnern: (אביו הלעי ללפתהל) חכשא אל יאדוב ינא. Se non é vero é ben trovato. Die handschriftliche Quelle führt Zeugnisse an, daß sich Israel Baalschem auf Verkündigung der Zukunft verstanden haben wollte (Bl. 174): ונממ שרוד היה תודיתע תעדל שקבמ היהש ימו יכ...)שדח תיבה וניבר דכנ... ןקזו לודג ח"ת יל [570] רפס רשאכ (םעצאפריזד .l) סעצפאריזד םשב םינוכמ םימסרופמה םידיגנה תילכת ןיא (ליויזדר) לודגה םכודה די תחת הלודג םהל היה רשא וחלשו םתירחא עדיל םישקבמ ויהו םתלודגל טעמכ היה ןכו...הנש ד"י קר ךשמת םתלודגש םהל דיגהו...וירחא .תמאב 9

Sein Verhältnis zu dem in derselben Zeit auftauchenden Frankistischen Sabbatianismus ist aus Mangel an bestimmten Nachrichten nicht klar. Nach der Darstellung des Grafen Vincenz Corvin Kraszinski (Aperçu sur les Juifs de Pologne, Paris 1818) waren Isr. Baalschem und Frank-Lejbowitz Konkurrenten in der Bildung neuer Sekten: A la même époque un Rabbin de Miedzy (l. Miedzyboz, d.h. ט"שעב) en Pologne imagina aussi de fonder une secte. Frank, craignant la concurrence, s'efforça de donner plus d'ascendant à la sienne etc. (bei Grégoire a.a.O. p. 347). Man beschuldigte die Chaßidäer im Jahre 1772, daß sie mit den Lauten ihrer Exklamationen Bah Bah beim Gebete Sabbataï Zewi andeuteten (II, 1, p. 12a): םיקעוצש יבצ יתבש) צ"ש שב תא ףולחבש...הב הב הלפתב). Bodek gibt zu verstehen, daß Elia Wilna in den Chaßidim Sabbatianer vorausgesetzt und sie als solche verfolgt habe (I, 4, p. 17 a): ןושל לבק ומותל (אנליו הילא ‘ר) ןואגה ורתח רשא יבצ יתבשה תכ היה זא יכ ול הרח היה רשאל ערה עמש ךכל תדה תורסומ קתנלו הרות לש הלוע ריסהח תוריתח (רעידאל ןמלז ראינש תא ףודרל) םהל. In I. wird zwar stets hervorgehoben, daß Israel Baalschem ein fanatischer Gegner der Sabbatianer gewesen sei. Er habe voraus verkündet, daß das Buch םימיה תדמח des Sabbatianers Nathan Ghazati in dem und dem Jahre gedruckt werden würde; er habe es schon beim Öffnen, ohne den Titel zu kennen, als ketzerisch erkannt, und habe einen seiner Jünger, der darin gelesen, als Apostaten betrachtet (p. 10c. d.). Allein dieselbe Quelle erzählt auch, Israel Baalschem habe sich in Gedanken viel mit Sabbataï Zewi beschäftigt, dieser sei ihm öfter im Traume erschienen (das.). Er habe bedauert, daß die sabbatianischen Frankisten so hart bedrängt wurden, daß sie sich zum Katholizismus bekehren mußten (das. p. 7 b): ט"שעבה רמאש... יתעמש ודמשתנש ןתוא חכמו הוקת שי רבוחמ רבאהש ןמז לכ תרמואו תלליימ הניכשהש... הניכשהמ רבא אוה לארשימ דחא לכ יכ... האופר הזיא ול היהיש. Räumlich waren die beiden separatistischen Sekten, die sabbatianischen Frankisten und die Chaßidim, einander nahe. Aus denselben Städten, Hordenka, Szerigrod, Rohatyn, gingen Anhänger für die eine und die andere Sekte hervor. Die Sabbatianer nannten sich ebenfalls םידיסח. Die Kabbala und der Sohar war bei der Seelenspeise. Es wäre erstaunlich, wenn die Anhänger Israels von Miedzyboz und Franks einander völlig fremd geblieben sein sollten.

Die Schwäche, daß der chaßidäische Sektenstifter geistige Getränke liebte und viel davon vertragen konnte, geben seine Verehrer selbst zu. I, 1, p. 15 c.p. 30 d: אלה (אייחלאוו תנידמב דחא תיב לעבל) טשעבה רמא לודג סוכ תיתשל אוה הנכס יכ...בישהו ?ןטק ךסוכ המל בוט ךניי תא התשי לודג סוכ ול ונתנו .הזמ ארייתמ ינא ןיא ט"שעבה רמאו ודמע ויתורעש לכו םימודא וינפ ושענש וב םלוכ ולכתסהו ולוכ שממ שא ומכ. Heiterkeit und Sorglosigkeit als Tugend zu empfehlen oder als Mittel sich der Gottheit zu nähern, ging gewiß von Israel Baalschem oder von seinem Naturell aus. [571] Aber ein System der chaßidäischen Lebensweise und Dogmen stellte er gewiß nicht auf. Die Lehren, die ihm in den beiden Schriften תאוצ ש"בירה und כוט םש רתכ in den Mund gelegt werden, sind erst lange nach seinem Tode zusammengetragen worden. Das sog. תורשי תוגהנהו ש"בירה תאוצ (Testament) soll sich niedergeschrieben unter den Papieren eines Jüngers, Jesaia aus Janow, befunden haben. Auch in םירקי יטוקל, erschienen 1794 [nach Benjakob O. S. ל 263 bereits 1792], kommt vieles davon vor. Indessen gehören manche Aussprüche in denselben ohne Zweifel Bescht an, z.B. die Nachricht, daß er nicht wegen seiner Gelehrsamkeit im Talmud zu hohen Dingen berufen worden sei, sondern wegen sei nes inbrünstigen Gebetes. Testament, p. 5 a): המשנה םירבדה וילא ולגתנש הכזש המש (ט"שעב) ברהל הרמא הלפת םושמ קר םיקסופו ס"שמ הברה דמלש ינפמ אל םינוילעה הלודג הנווכב דימת ללפתמ היהש. Die Einschärfung, mit Erhitzung und Erregung zu beten, תובהלתהב ללפתהל (das. 11 b); die obszöne Vergleichung des Gebetes mit dem Koitus (das. 8 b): הניכשה םע גווז איה הלפתה הלפתב ומצע ענענל ךירצ ןכ עונעינ גויזה תליחתכש ומכו לודג תובהלתהל אבי הז חכמו... הלחתהב, die stufenmäßige Anwendung der Bewegung im Gebete (4 b), dieses alles stammt wohl vom ersten Stifter.

Über die Bewegung s. םירקי יטוקל, p. 13c: ש"בירה תא אצויש תועונת המכ הארמ אודו רהנב עבוט םדאשכ רמא ללפתמשכ ןכ ,ויתועונת לע...וצצולתי אל... םימה ןמ ומצע וילע ץצולתהל ןיא תועונת השועו Die Empfehlung stoischer Gleichgültigkeit selbst gegen Verachtung (Testament, p. 1 b); die Bannung jeder Traurigkeit aus dem Sinne ללכ תובצע אהי אלש (p. 2 a und öfter), selbst bei der Reue über begangene Sünden, sich durch Gewissensskrupel nicht beunruhigen zu lassen (p. 6a–b): לכויש המ לכ תובצעמ רהזיש ארובה תדובעב לודג ללכ והזו, s. םירמא יטוקל von Beer Mizricz, p. 47 b. Auch das Fasten habe keinen Wert, wenn es trüben Sinn erzeugt (Testament, p. 7 b): »Wenn der Leib geschwächt wird, ist auch die Seele geschwächt«, (p. 14 b): ללפתהל לוכי וניאו תשלחנ המשנ םג הלוח ופוג רשאכ :ש"בירמ יוארכ.

Seine Anhänger sollen bei seinem Tode sich auf mehr als 10 000 belaufen haben (Loebel, S. 14). N. Krochmal, dem man historische Glaubwürdigkeit und Urteilsfähigkeit zutrauen darf, referiert, daß die Chaßidäer anfangs sich nur aus kleinen moldau-walachischen, ukrainischen und ungarischen Städten und Dörfern rekrutiert haben, aus jungen Gemeinden der genannten Karpathendistrikte: אל תדסחתמה תכ תאז הנהו םיצירפ תורעמב תומשנ תוזוחמב יתלב התחימצ תליחתב הרבג רפס לעש םירפכה ןיבו אניירקיא רבדמ תוברעב ,אייחאלאו םיחרובמ ובשיתנ בורקמ םישדה םיצובק םלוכ ןראגנוא תוכומסה תונידממ םישריגמו (Krochmals Verteidigungsschreiben in Letteris' Biographie desselben, Einleitung zu More Nebuche ha-Seman, auch Kerem Chemed I, p. 90 anonym (יאלפ), aber ebenfalls von Krochmal). [Vgl. hierzu D. Cahana in רחשה V, S. 554, N. 4.] Israels Jüngerschar ist aufgezählt in Quellen I, 4, p. 6 ff.; doch ist dieses Verzeichnis nicht allzu zuverlässig. Der Bedeutendste unter ihnen war Beer Mizricz.


Quelle:
Geschichte der Juden von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart. Leipzig [1900], Band 11, S. 569-572.
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