Kriegszüge unter Assarhaddon.

Skythen und Kimmerier

[71] Wie in jedem auf Eroberung begründeten Großreich, so dem römischen, dem russischen, dem englischen, hat es auch im Assyrerreich an Grenzkriegen und Aufständen nie gefehlt. Im Meerlande Südbabyloniens versuchte 680 ein Sohn Mardukbaliddins wieder einmal eine Erhebung, wurde aber vom Statthalter von Ur verjagt und fand in Elam den Tod; sein Bruder kam demütig nach Ninive und erhielt sein Fürstentum zurück. In derselben Weise wurde im J. 678 weiter nördlich in Bet-Dakuri der rebellische Fürst durch einen andern ersetzt, die den Bewohnern von Babel und Borsippa entrissenen Äcker an diese zurückgegeben. Im J. 675 haben die Elamiten einen Plünderungszug nach Sippara gemacht, aber im nächsten Jahr, nachdem König Chumbachaldaš II. (681-675), wie es scheint, gewaltsam beseitigt war, hat sein Sohn Urtagi die früher aus Akkad geraubten Götterbilder zurückgegeben147.

[71] In den östlichen Gebirgsländern148 haben die Händel wohl nie aufgehört, so mit den Mannäern und mit den Medern. Assarhaddon rühmt, hier weiter als seine Vorgänger vorgedrungen zu sein, bis nach Patus'ara am Fuß des lasursteinhaltigen Berges Bikni (Elburs) am Rande der Salzwüste, und deren Häuptlinge mit ihrer Habe, darunter Kamelen, nach Assur geschleppt zu haben149. Neben diesen Stämmen erscheinen in den Anfragen an den Sonnengott die Iskuzäer, ein Volk, in dessen Namen Winckler wohl mit Recht die Skythen erkannt hat150. Sanherib erwähnt, daß ihr Häuptling Ispakai – ein deutlich iranischer Name – den Mannäern zu Hilfe kam, aber besiegt wurde; eine Anfrage an den Sonnengott bittet um Weisung, ob Assarhaddon der Werbung des Königs Bartatua von Iskuza um seine Tochter stattgeben soll und ob dieser dann die zugesagte Treue halten wird151. In diesem Bartatua hat Winckler den Skythenkönig Προτοϑύης erkannt, der nach Herodot I 103 eben in diese Zeit, um 675, gehört. Bekanntlich erzählt Herodot, die Skythen hätten die von ihnen aus Südrußland nach Asien vertriebenen Kimmerier verfolgt, aber verfehlt und seien auf der Ostseite des Kaukasus, also auf der Heerstraße durch das Eiserne Tor (Derbent) am Kaspischen [72] Meer, bis nach Medien gelangt. In diese Überlieferung fügen sich die durch Assarhaddon erhaltenen Angaben gut ein und dienen ihr zur Bestätigung. Mit den Kämpfen der Assyrer gegen die modischen Stämme und den Ansätzen, die seit der Mitte des Jahrhunderts zur Gründung eines medischen Reichs geführt haben, stehen diese Vorgänge offenbar im Zusammenhang; nach Herodot ist daraus unter Madyes, dem Sohn des Protothyes, zeitweilig eine Herrschaft der Skythen über Vorderasien nach Art des Hunnenreichs entstanden. Wir werden später darauf zurückkommen; den Verlauf der Entwicklung auch nur in den Grundzügen zu erkennen, reicht jedoch unser ganz dürftiges Material in keiner Weise aus152.

Womöglich noch schwieriger ist es, über die Kimmerier einen klaren Einblick zu gewinnen. Der Sieg, den sie bei ihrem Einbruch in Armenien über Rusa I. von Urarṭu erfochten, scheint wesentlich dazu mitgewirkt zu haben, daß dieser, als er sich auch gegen Sargon nicht behaupten konnte, im J. 714 sich das Leben nahm. Dann aber mag es seinen Nachfolgern Argisti II. und Rusa II. gelungen sein, das Reich einigermaßen wiederherzustellen und die Kimmerier abzudrängen. In den assyrischen Inschriften dieser Zeit wird Urarṭu kaum je erwähnt; ein weiteres Vordringen in die nördlichen Gebirge, wie in den alten Zeiten, wurde nicht mehr versucht, und so scheinen die Beziehungen freundlich gewesen zu sein153. Die Kimmerier dagegen haben sich weithin über Kleinasien[73] ausgebreitet. Nach griechischen Nachrichten haben sie sich an der Nordküste in Sinope festgesetzt154 und das phrygische Reich überrannt; König Midas soll sich deshalb durch Trinken von Stierblut den Tod gegeben haben155. Um die Mitte des Jahrhunderts sind sie dann weiter nach Westen gegen Lydien und die Griechenstädte vorgedrungen (s.u. S. 133f.). Mithin werden wir, wenn Assarhaddon im J. 679156 »den Kimmerier Teuspâ, einen (Umman-) Manda, dessen Wohnsitz fern ist« im Lande Chubusna besiegt hat, den Schauplatz etwa in Kappadokien zu suchen haben157. Dafür spricht, daß in den Inschriften des Königs ein Feldzug gegen die Kiliker, »Gebirgsbewohner in der Nähe von Tabal«, unmittelbar daran angeschlossen ist158, und weiter, daß bei den Armeniern Gamir der Name Kappadokiens geworden ist.

Der Ausdruck ummân-manda, mit dem Assarhaddon die Kimmerier charakterisiert, vorwendet die alte, sowohl in den Sagen von Sargon und Naramsin wie in der astrologischen Literatur Babyloniens vorkommende Bezeichnung der vagierenden Stämme der Nordländer159 etwa in demselben Sinn, wie wir von Tataren oder Skythen reden. Ebenso bezeichnet Assurbanipal einen König Tugdamme, »eine Ausgeburt der Hölle«, der durch das [74] Eingreifen Marduks vernichtet wird und in dem wir wohl auch einen Kimmerier zu erkennen haben160; in der Folgezeit haben die Babylonier den Ausdruck auf das Mederreich übertragen.

Zahlreiche Anfragen Assarhaddons an den Sonnengott beziehen sich auf Kastarit, den Stadtherrn von Karkassi, und erbitten Auskunft, ob er mit seinen Mannschaften oder mit kimmerischen, medischen, mannäischen oder anderen Kriegern Erfolge habe und bestimmte Festungen erobern wird. Mithin gehört er in die Gebirgslande im Nordosten161; zugleich sehen wir, daß zu den Volksstämmen, die hier auf Abenteuer ausziehen, auch kimmerische Scharen gehört haben. Weiteres läßt sich nicht ermitteln, und es ist müßig, sich darüber in Hypothesen zu ergehen.

In den syrischen Landen haben die meisten noch bestehenden Fürstentümer ihren Tribut regelmäßig gezahlt (vgl. o. S. 58). Nur in Sidon, der Stadt, die unter Salmanassar V. die Unabhängigkeit von Tyros wiedererhalten hatte, hat im J. 677 König Abdimilkut eine Erhebung gewagt. Aber Sidon war keine Inselstadt wie Tyros, sondern vom Festland aus angreifbar; so wurde die Stadt erobert und zerstört, die Bevölkerung fortgeführt, als Sitz für den assyrischen Statthalter eine Assarhaddonburg erbaut und mit Ansiedlern aus dem Osten besetzt; die Gebiete im Süden mit Einschluß von Sarepta wurden dem König Ba'al von Tyros geschenkt, der durch einen teilweise erhaltenen Vertrag zur Untertänigkeit verpflichtet wurde. Dem Abdimilkut und dem mit ihm verbündeten Dynasten Sanduarri, dem Herrn mehrerer Städte im Gebirgslande (Kilikien?) wurden die Köpfe abgeschlagen und in Ninive vorgeführt.

Auf der Sinaihalbinsel war der Häuptling Asuheli am »Bach Ägyptens«, dem Wadi el'Arîš, schon 679 fortgeführt und in einen Hundekäfig eingesperrt worden. Im J. 676 folgte ein Zug gegen die Beduinenstämme. Die Oberhoheit über Edom und die Qedreer[75] unter Chaza'el wurde weiter gefestigt; des letzteren Sohn und Nachfolger Ja'il hatte einen schweren Tribut zu zahlen. Bis tief in das Wüstenland Bâzu162 ist das assyrische Heer plündernd vorgedrungen; die Scheichs wurden in üblicher Weise erschlagen, Gefangene fortgeschleppt, auf die erbeuteten Götterbilder Inschriften gesetzt, die Assurs Allmacht verkündeten.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 3, S. 71-76.
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