Das Gesetzbuch von Juda

[151] Seit der Belagerung Jerusalems durch Sanherib im J. 701 war das Reich Juda definitiv in die Reihe der assyrischen Vasallenstaaten eingetreten. Etwa 70 Jahre lang schickten seine Könige alljährlich ihren Tribut nach Ninive, ohne daß ein Versuch der Auflehnung gemacht wurde. Es war eine Zeit äußeren Friedens, die dem materiellen Wohlstande des Landes nur förderlich sein konnte; trugen doch die Assyrerkönige, wie Assarhaddons und Assurbanipals Araberkriege beweisen, energisch Sorge für die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Sicherheit der Handelsstraßen. Indessen es fehlte doch dem Staate eine feste, in sich selbst ruhende Grundlage; jeder Umschwung der politischen Verhältnisse, ja die Laune des Großfürsten, konnte ihm den Untergang bringen. Wenn daher auch das Verderben, welches Jesaja verkündet hatte, nicht in seinem ganzen Umfang hereingebrochen war, ist es doch vollkommen begreiflich, daß die früher entwickelten Gegensätze in voller Schärfe bestehen blieben und auch die weitere Entwicklung beherrschten. König Ḥizqia war ein eifriger Anhänger der jahwistisch-prophetischen Partei, wie er denn im Vertrauen auf das Wort des Jesaja den Assyrern getrotzt hatte und wider alles Erwarten der Vernichtung entgangen war. Sein junger Sohn Manasse (השנמ, in den assyr. Vasallenlisten Minasî, reg. ca. 697 bis 641) dagegen ergab sich völlig der reformfeindlichen Richtung. Er diente »dem Ba'al und dem ganzen Himmelsheer«290, erbaute fremden Göttern Altäre im Jahwetempel und opferte seinen Sohn im Feuer wie früher Achaz. Auch viel unschuldiges Blut soll er vergossen haben (o. S. 59). Ähnliches wird von seinem Sohne Amon (640-639) berichtet, der schon nach zweijähriger Regierung von seinen Knechten erschlagen wurde. »Da erschlug das Volk alle Verschwörer und erhob seinen achtjährigen Sohn Josia (Jošijahu) zum König.« Seine Regierung (638-608) ist für alle weiteren Schicksale entscheidend geworden291.

[152] Die innere Entwicklung des Jahwismus in dieser Epoche ist ganz von den Gedanken beherrscht, welche in den Zeiten der Syrernot sich ausgebildet haben und von Amos und Hosea bestimmt fixiert sind. Ihr bedeutendster Repräsentant ist Jesaja, der ihnen während seiner langjährigen Wirksamkeit (738 bis mindestens 700) immer von neuem Ausdruck verliehen hat (o. S. 50ff.). Die Allmacht Jahwes, seine Herrschaft über alle Völker steht ihm ebenso fest wie die Notwendigkeit der ärgsten Heimsuchung für das scheinheilige und verstockte Volk. Auch Juda wird den schlimmsten Züchtigungen nicht entgehen. Aber ganz zugrunde gehen kann es nicht. Denn in Israel hat Jahwe seinen Wohnsitz genommen, er thront auf Ṣion, Jerusalem und sein Tempel werden der Vernichtung entrinnen. Aus Davids Hause wird ein Erretter erstehen, der seinem Volk das Heil bringt. Dann am Ende der Tage werden alle Völker sich um Ṣion scharen, um von hier die Lehre zu empfangen und Jahwe als ihren Herrn zu ehren, auch Israel wird sich bekehrt haben und Friede herrschen in der ganzen Welt. Die Erfahrungen des Jahres 701 trugen wesentlich dazu bei, diesen Glauben zu stärken. Wenn auch Micha, Jesajas jüngerer Zeitgenosse, Jerusalems Verödung und die Zerstörung seines Tempels dem auf seinen Gott trotzenden Volke verkündete (o. S. 58), für die Masse des Volkes wie für die Mehrzahl der folgenden Propheten (vgl. Jerem. 7f.) steht es fest, daß Juda erhalten bleiben und Jerusalem und sein Tempel alle Gefahren überdauern wird. Durch den Verlauf der Skytheninvasion schien diese Anschauung neu bestätigt zu werden; auch diese Heimsuchung überstand das Reich Davids. So knüpft denn Ṣephanja unmittelbar an die Schilderung des Strafgerichts die Verheißung des glücklichen Zustandes, wo alle Völker eine Sprache sprechen und Jahwe dienen und im Reste Israels kein Unrecht mehr geübt [153] wird. Nur Jeremia, der damals (626) zuerst auftrat, sah finsterer; seine Strafrede – wenigstens in der Form, in welcher er sie in späterer Zeit aufgezeichnet hat (c. 1-6) – weiß nur von Unheil und Verderben auch für die Hauptstadt. Denn wie Amos und Hosea findet auch er wieder im ganzen Volke nur Abfall und freches Vertrauen auf die äußeren Formen des Kultus.

Die Propheten eiferten gegen den Kultus, wie er überall im Lande getrieben ward, zunächst weil er ein äußeres Werk war und Jahwe Reinheit der Gesinnung, nicht Opfer und Wallfahrten verlangte, dann aber auch, weil er überall mit Formen durchsetzt war, die Jahwes Wesen nicht entsprachen. Daß man die Maṣṣeben und Ašeren oder die grünen Bäume heilig hielt, daß man gar die Gottheit im Bilde darstellte, überhaupt daß man den heiligen, dem sterblichen Auge nicht zu schauenden Gott in Werken der Hände verehrte, war ihnen ein Greuel und heidnischer amoritischer Götzendienst und wird nach dem Beispiel des Hosea als Unzucht bezeichnet (vgl. Jerem. 3, 6ff.). Jeremia unterscheidet nicht zwischen den Formen des Kultus in Jerusalem und in den Landstädten, er verwirft die Bundeslade so gut wie jedes andere Symbol (3, 16); aber die Masse der Stadtbevölkerung faßte die Sache anders auf. Ihr ist der offizielle Kultus im Tempel von Jerusalem der wahre, während man auf dem Lande die Gottheit in falschen heidnischen Formen verehrte. Vor allem ist eine echt semitische Anschauung maßgebend. Wenn Jahwe im Tempel von Ṣion seinen Wohnsitz gewählt hatte und um seinetwillen die Stadt schirmte, so ist es klar, daß er hier allein verehrt werden darf. Der Jahwe von Betšemeš oder 'Anatot ist in der Tat ein anderer als der von Jerusalem, dieser allein ist der wahre Gott (vgl. Jerem. 11, 12ff.). Diese engherzige Vorstellung steht für unsere Anschauung in eigentümlichem Kontrast zu der Weite der prophetischen Ideen, welche alle Völker unter dem Reiche Jahwes umfassen wollen. Und doch entfließt beides derselben Wurzel; denn nie war Jahwe anders gedacht als der streng konkrete, allerpersönlichste Gott Israels, der auch für Jesaja und Jeremia zwar allgegenwärtig ist, aber doch speziell in Ṣion thront. Das Prinzip der Exklusivität, welches allen semitischen Monotheismus beherrscht, [154] tritt uns hier in seiner schroffsten Form entgegen. – Zugleich aber ist hier ein Punkt, wo sich die idealen mit sehr praktischen Bestrebungen berühren. Es liegt auf der Hand und wird durch die weitere Entwicklung in das hellste Licht gestellt, wie sehr eine Bewegung, welche alle anderen Kultusstätten zugunsten der einen auf Ṣion zu konfiszieren strebte, den materiellen Interessen der Jerusalemer Priesterschaft zugute kam. Wenn früher die Priester und Propheten vielfach in scharfem Gegensatz standen, so war hier ein Punkt gefunden, von dem aus die Jerusalemer Priesterschaft für die Reform gewonnen werden konnte. So erklärt es sich, daß der Versuch, die Ideen der Propheten zu realisieren, bei einer Anschauung einsetzte, die ihren Vorstellungen zwar nicht widersprach, aber kaum jemals von ihnen berührt worden war (Micha 1, 5, vgl. Jer. 11, 13).

Das Ende der Skytheninvasion schien zugleich einen großen Wendepunkt in der Entwicklung zu bezeichnen. Man atmete auf nach der gewaltigen Katastrophe. Ṣephanja läßt die Verwirklichung des Ideals sich unmittelbar an diese anschließen. Leider erfahren wir gar nichts über die weiteren Schicksale Syriens; aber gerade daraus wird zu folgern sein, daß der Hauptteil des Landes (auch das Gebiet von Samaria), in dem alles nationale Leben erstickt war, einfach unter die assyrische Herrschaft zurückfiel. Dem entspricht es, daß im J. 605 in Syrien selbständige Staaten außer den uns aus der Assyrerzeit bekannten Vasallenreichen nicht existierten (Jerem. 25, 18ff.)292. Indessen die assyrische Macht war durch die Angriffe von Norden und Osten so geschwächt, ihr völliger Zusammenbruch so bald zu erwarten, daß die selbständig gebliebenen Staaten von ihr nichts mehr zu befürchten hatten. Man stand somit in der Tat vor der Aufgabe, Leben und [155] Anschauungen neu zu gestalten. Wie in Ägypten, wie wenig später in Babylonien schließt sich auch in Juda an die Befreiung von der assyrischen Herrschaft ganz naturgemäß eine umfassende Restauration. Man will einen Zustand herstellen, wie ihn Jahwe von Anfang angefordert hat, dessen Nichtdurchführung eben den Zorn der Gottheit und das Verderben herbeigeführt hat. In Wirklichkeit ist aber diese wie überhaupt jede Restauration nicht eine Wiederherstellung der alten Verhältnisse, sondern ein Versuch, das Ideal zu verwirklichen, den freien Fluß des Lebens in feste, für alle Zeiten maßgebende Formen zu zwängen. Die Priesterschaft von Jerusalem war für die Reform gewonnen, der junge König Josia von ihr abhängig; so schritt man rasch zum Werk. Im Frühjahr des Jahres 621 v. Chr. fand der Oberpriester Chilqija »das Buch der Lehre« (sepher hattôra) im Tempel Jahwes. Die Prophetin Chulda trat für dasselbe ein, und in feierlicher Versammlung im Tempel verlas Josia vor allem Volk »alle Worte des Bundes- (d.h. des Gesetz-) Buches, das im Tempel Jahwes gefunden war«, und schloß auf dasselbe »den Bund vor Jahwe«. Sofort schritt man dazu, den gesamten Kultus nach den Bestimmungen des neuen Gesetzes umzugestalten.

Das Gesetzbuch tritt auf in der Form einer Rede, die Mose vor der Eroberung Kana'ans an das Volk hält. Die Vorschriften, welche die Gegenwart treffen sollen, erscheinen daher in historischer Einkleidung. Die Verehrung anderer Götter, die bildliche Darstellung der Gottheit, alles äußere Beiwerk, wie Ašeren und Maṣṣeben, sind fremden, heidnischen Ursprungs, von den Amoritern entlehnt, ebenso aber auch die Verehrung Jahwes an allen Kultusstätten, mit Ausnahme derjenigen, »welche Jahwe sich erwählen wird, seinen Namen daselbst wohnen zu lassen«, d.h. Jerusalems. An der Spitze steht daher das Gebot, alle Kultusstätten der Urbewohner zu zerstören, alle Opfer und Zehnten nach der von Jahwe erwählten Stätte zu bringen. Deshalb wird es notwendig, zwischen Opfer und der gewöhnlichen Schlachtung streng zu sondern, während früher jede Schlachtung zugleich ein Opfer war. Jeder Versuch, zur Abgötterei zu verführen, wird mit den strengsten Strafen belegt. Als das auserwählte Volk [156] Jahwes soll Israel ein heiliges Volk sein und sich durch sein religiöses und sittliches Gepräge von allen anderen unterscheiden. Es beginnt damit zugleich die bewußte Abschließung des Volks. Wie es sich mit den Amoritern nicht vermischen, sondern dieselben ausrotten soll, so sollen Ammoniter und Moabiter nie in die »Versammlung Jahwes« kommen, während den Nachkommen von Edomitern und Ägyptern im dritten Geschlechte die Aufnahme gestattet wird. Man sieht, wie die Umwandlung des Volks in eine Kirche beginnt. Äußerlich zeigt sich die Heiligkeit des Volks in der Befolgung der Reinheitsgebote, der Speisegesetze usw., innerlich in der der sittlichen Vorschriften Jahwes. Hier bietet sich dann die Veranlassung, die Grundlehren und Forderungen der Propheten in einer Reihe von Geboten zu formulieren, wobei viele Bestimmungen wörtlich oder mit geringen Modifikationen aus dem alten Bundesbuche herübergenommen werden. An der Spitze des Volks aber als Bewahrer und authentischer Interpret des Gesetzes Jahwes steht der Priesterstand der Lewiten. Er wird vom Staate emanzipiert (vgl. Deut. 17, 18); die Gebühren, welche ihm zustehen, werden genau vorgeschrieben (18, 3ff.), den Lewiten zu ehren und zu beschenken wird wiederholt ermahnt; an Ehren soll er dem Richter mindestens gleichstehen (17, 9. 19, 17). Daneben werden auch noch die Propheten genannt, welche Jahwe zur Verkündigung seines Wortes erwecken wird (18, 15ff.), indessen praktisch treten diese gegen die Lewiten sehr in den Hintergrund. Es ist das höchst bezeichnend für die materiellen Verhältnisse, durch die allein die Reform möglich wurde.

Daß man den Versuch machen konnte, ein derartiges Gesetz durchzuführen, erklärt sich aus der Kleinheit des Staates, in dem die Hauptstadt das übrige Land weit überragte. Auch ist es nur soweit durchgeführt worden, als es die Interessen der maßgebenden Kreise nicht verletzte. Der Kultus der »fremden« Götter wurde zwar beseitigt, ebenso alles verpönte Beiwerk des Kultus, Zauberer und Prostituierte, die Brandstätte im Tal der Bne-Hinnom usw.293. Auch alle Kultusstätten mit Ausnahme des Tempels zerstörte [157] Josia und »setzte die Priester an ihnen in den Ruhestand«. Das Gesetz schrieb vor, daß die letzteren an dem Kultus in Jerusalem teilhaben sollten (Deut. 18, 6); indessen das ließ die Jerusalemer Priesterschaft nicht zu, um ihren Gewinn bei der Reform nicht mit anderen teilen zu müssen (Reg. II 23, 9)294. Ebenso wurde erst unter Ṣidqijah (Zedekia) der Versuch gemacht, die schon im Bundesbuche aufgestellte Forderung durchzuführen, alle Sklaven hebräischer Nationalität nach sechsjähriger Dienstzeit freizulassen; er mißlang vollkommen (Jer. 34, 8ff.). Zur vollen Durchführung ist das Gesetz erst durch das Exil gekommen; nach der Rückkehr aus demselben bildete es die Grundlage, auf der man die Gemeinde zu restaurieren versuchte.

Dem Akt vom Jahre 621 stehen an Bedeutung wenig andere Begebenheiten der Weltgeschichte gleich: auf ihm beruht das Judentum und damit auch das Christentum wie der Islam. Wie jede Idee, die in die Wirklichkeit umgesetzt wird, ein zweischneidiges Schwert ist, so auch das neue Gesetz. Allerdings ist durch dieses ein Teil der Errungenschaften der religiösen Entwicklung Israels für alle Zeiten sichergestellt worden; aber eben dadurch ist auch die lebendige Kraft, welche bisher in ihr wirkte, lahmgelegt. Die Propheten forderten Reinheit der Gesinnung und wahre sittliche Empfindung; das Gesetz erzeugt mit Notwendigkeit Scheinheiligkeit und Haften an der äußeren Form. Wenn in manchen der vom Deuteronomium hervorgerufenen Schriften, namentlich in der schönen Einleitung zu ihm (c. 5-11), reine und tiefe Empfindung herrscht und dementsprechend hier die Sittengebote des Dekalogs in den Vordergrund gestellt werden, so stehen doch Ezechiel und der Priesterkodex mit ihrem geisttötenden Formalismus nicht minder auf dem Boden desselben. Noch verhängnisvoller aber ist die Umsetzung der Nation in eine [158] Kir che, die Verwandlung des natürlichen Gegensatzes gegen alle anderen Völker in einen religiösen. »Nicht um deiner Gerechtigkeit und der Geradheit deines Herzens willen, sondern wegen des Frevels dieser Völker« gibt dir Jahwe Kana'an (Deut. 9, 5). Die Folgerung daraus ist dann doch, daß alle Völker gegen Israel minderwertig und verworfen erscheinen, daß es zur religiösen Pflicht wird, sie zu bekämpfen und zu unterdrücken. Je machtloser die Gegenwart war, desto breiteren Spielraum konnte man diesen Anschauungen in der Vergangenheit gewähren. In wahrhaft widerlicher und dabei gemeinsinnlicher Weise (vgl. Jos. 10, 24) schwelgen die – wohl vorwiegend der Zeit des Exils angehörenden – deuteronomistischen Bearbeiter der Sagengeschichte in der Ausrottung der Ureinwohner und den Großtaten des alten Israel, als könnten sie darin einen Ersatz finden für die Not der Gegenwart. Die Erbschaft der Religionskriege und Ketzerverfolgungen, welche dem Christentum wie dem Islam aus dem Judentum überkommen ist, ist ebensogut dem Deuteronomium entsprossen wie die schönsten Stellen des Neuen Testaments.

Für die Masse des Volks ergab sich aus der Durchführung des Gesetzes zunächst ein gesteigertes Vertrauen auf die Hilfe Jahwes und die gesicherte Zukunft des Staats. In der Politik wie in der Literatur tritt uns dieselbe überall entgegen. Naḥum verkündet das Ende der Drangsal und den Untergang Ninives, Habakuk preist wenig später in begeisterten Worten die Macht Jahwes, der seinem Volke gegen die Chaldäer zu Hilfe kommt. In dem gleichen Geiste verkündet noch 593 Chananjah den nahenden Fall Babels (Jer. 28, vgl. Jer. 14, 13ff.). Das Vertrauen auf den Tempel und seinen Gott, auf das Gesetzbuch, das man jetzt besitzt (Jer. 7. 8, 8), beherrscht die Stimmung durchaus und ruft immer von neuem den Versuch hervor, nach achtzigjähriger Dienstbarkeit wieder eine nationale, auf Selbständigkeit hinzielende Politik einzuschlagen. Indessen die Zeiten, wo eine solche noch möglich war, waren längst vorbei. Ein gehorsamer Vasallenstaat hätte bestehen können, ein nach Selbständigkeit ringendes Königtum mußte zugrunde gehen. Es ist genau dieselbe Situation, in der sich die griechischen Kleinstaaten dem makedonischen und dann dem [159] römischen Reiche gegenüber befanden. Klar erkannt hat die Lage einzig der Prophet Jeremia, aber vergeblich sucht er den stolzen Großmachtsträumen entgegenzuwirken. Auch bei ihm ist die Grundauffassung die gleiche wie bei Jesaja, nur noch hoffnungsloser. Das Volk ist rettungslos verderbt, sein Trotzen auf Jahwe und das Gesetz ist der ärgste Frevel an der Gottheit; daher muß Jerusalem zerstört werden und das Reich Davids untergehen. Gern würde er seinem Beruf entsagen, aber Jahwe ist mächtiger als er, er muß gehorchen. So verflucht er denn den Tag, an dem er geboren ist, da er weiß, daß sein ganzes Leben ihm keine Freude bringen wird, daß er nur berufen ist, Unheil zu verkünden. Die Geschichte hat ihm recht gegeben. Auch der letzte Rest des Volkes Israel ist vernichtet worden; nur die religiöse Gemeinde der Juden hat den Untergang überlebt.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 3, S. 151-160.
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