Die Organisation des ägyptischen Weltreichs

[134] Neben der Kriegführung geht die Organisation des unterworfenen Gebiets einher; und auch hier hat sich Thutmosis III. [134] nicht minder bewährt und einen Bau geschaffen, der fest gefügt war und trotz einzelner Aufstandsversuche nach seinem Tod ein halbes Jahrhundert unerschüttert bestanden hat. Er war wirklich eine überlegene Herrschernatur, und es ist keine Übertreibung, wenn sein vertrauter Vezir Rechmerê' von ihm sagt: »Der König verstand, was immer geschah; es gab nichts, wofür er nicht einen Weg wußte; er war Tḥout (der Weisheitsgott) in allem; keine Sache gab es, die er nicht zu Ende führte«260. Auch seine Gesichtszüge zeigen die energische Klarheit und innere Sicherheit seines Wesens; er ist einer der wenigen Pharaonen, die auch jetzt noch innerlich lebendig vor uns stehn261. Er hat versucht, die besiegten Dynasten, die er bei der Unterwerfung gnädig aufnahm, an Ägypten zu binden; ihre Söhne erwachsen am Königshof von Theben im Zentrum der Weltkultur zu getreuen Anhängern des Pharaonenreichs. Das ganze Land gilt, wie in den Amarnabriefen immer wieder ausgesprochen wird, als Eigentum des Königs: »Siehe, mich hat nicht mein Vater und nicht meine Mutter auf diese Stelle gesetzt,« schreibt z.B. Abdchiba von Jerusalem, »sondern der mächtige Arm des Königs hat mich in das Haus meines Vaters (d.h. in dies Fürstentum) eingeführt.« Gleich nach der Einnahme von Megiddo und der Eroberung des Libanongebiets hat Thutmosis »die Äcker der Feldmark durch Feldmesser des Königshauses aufnehmen lassen, um ihre Ernte einzuheimsen«. Von den Ernten von Palaestina (Rezenu) und von Phoenikien (Ẕahi) wird alljährlich eine feste Abgabe von Getreide, Öl, Wein und Weihrauch erhoben. Gesondert daneben steht der Tribut des Libanon; wie dieses Gebiet, soweit es nicht dem Amon [135] geschenkt war (o. S. 124f.), rechtlich gestellt war, ist nicht zu ersehn. Außerdem haben die Dynasten von Rezenu jährlich große Abgaben aus allen Produkten des Landes zu liefern, vor allem zahlreiche junge Sklaven und Sklavinnen, ferner Pferde, Rinder und Kleinvieh, Weihrauch, Wein und Öl, edle Hölzer, Gold und Silber, Kupfer und Blei in Blöcken und Ringen, sowie Elfenbein; dazu die Arbeiten der Industrie, mit Gold und Silber beschlagene Wagen, Krüge und Schalen, darunter große metallene Prunkgefäße, die mit Blumenaufsätzen geschmückt sind. Auch die Töchter der Stadtfürsten verlangt der Pharao für seinen Harem. In den Gräbern der hohen Staatsbeamten sind diese Tribute oft dargestellt; im Grabe des Vezirs Rechmerê' bringen »die Großen von Rezenu und allen Nordländern von den Grenzen der Erde«262 außer den aufgetischten Schätzen und den Prunkgefäßen auch einen Kriegswagen, ein Roß, einen Bären und einen kleinen Elefanten. Dazu kam die Verpflegung des Heeres an allen Marschstationen, die Ausrüstung der Hafenstädte mit allem Proviant »für die Hinfahrt und die Rückfahrt«. Zur Sicherung der ägyptischen Herrschaft dienten zahlreiche Festungen, so in Palaestina vor allem Betšean, das den Übergang von der Ebene Jezre'el ins Ostjordanland sperrte – hier haben sich Reste eines Tempels aus der Zeit Thutmosis' III. und Amenophis' III. gefunden –; ferner die Festungen im Libanon (o. S. 125) und vor allem am Eingang der Eleutherosebene, im Süden 'Arqa, im Norden Şimyra zur Deckung der Hauptstraße nach dem Orontes und nach Norden263; Şimyra ist [136] zugleich der Sitz des Gouverneurs und der Sammelplatz für die Getreidelieferungen dieses ganzen Gebiets nach Ägypten264. Hierher gehört wohl auch der »Kommandant der großen Festung des Meeres (uaẕ uêr)« Set-amon, »der die Zustände der Barbarenlande (fnchu) kennt und die Tribute der Widerspenstigen (nbtu qeţ) in Empfang nimmt, die zu seiner Majestät kamen, der Kommandant der Festungen des nördlichen Auslandes«265 – leider fehlt auch hier, wie gewöhnlich, jede genauere geographische Angabe. Diesen Kommandanten (in den Amarnabriefen rabiş genannt)266, sind die Stadtfürsten (chazan) unterstellt, die jene mehrfach als »Bruder« oder »Vater« anreden267; daneben finden wir hohe Beamte, denen die Oberleitung der Provinz von Ägypten aus obliegt. Die Truppen, Fußvolk und Streitwagen, die ihnen zur Verfügung standen, waren, wie die Amarnabriefe zeigen, größtenteils Söldner aus den Kuschiten Nubiens268 und den Šerdana der Mittelmeerwelt. Dazu kamen die auch von den Stadtfürsten angeworbenen Söldner aus den semitischen Nomadenstämmen, vor allem Bogenschützen (sutû). Groß ist die Truppenzahl nie [137] gewesen, wie übereinstimmend die Annalen Thutmosis' III. und die Angaben der Amarnabriefe zeigen.

Neben dem Landweg durch die Sinaiwüste bestand die Verbindung zur See, die vielfach auch zur Überführung der Truppen benutzt wurde. Daß die Schiffe Phoenikiens zur Verproviantierung und zum Transport der Beute und Tribute verwendet wurden, haben wir schon gesehn. Die Grabinschrift des Schatzmeisters Sennufe erzählt, wie der König ihn mit einer Truppe über See nach Byblos schickte, um in den Wäldern des Libanon Zedern zu schlagen269. Derartiges wird oft genug vorgekommen sein. Der Seehandel und die Industrie der Phoenikerstädte wird durch die Zugehörigkeit zum Großreiche wesentlich gewachsen sein. Eine Darstellung aus einem thebanischen Grabe zeigt ein Geschwader phoenikischer Handelsschiffe, das in Ägypten landet und die Waren auslädt, die von ägyptischen Beamten empfangen und kontrolliert werden: die Kaufherren, mit langem Haupthaar und Bart, haben über dem Unterkleid den bunten, reichgestickten Mantel um den Leib geschlungen, den die vornehmen Syrer tragen, die Matrosen haben kurzgeschorenes Haar und sind nur mit einem Lendenschurz bekleidet270. Für die nach Ägypten gebrachten Waren importieren die Phoenikerstädte, so Byblos und Tyros, aus dem Delta271 vor allem Getreide; in Fällen der Not, wie in den Wirren seit den letzten Jahren Amenophis' III., müssen sie dafür ihre Söhne und Töchter als Schuldknechte hingeben.

Daß auch Cypern, das damals ein einheitliches Reich bildete, an Thutmosis regelmäßig reiche Gaben gesandt hat, wurde schon erwähnt. In den Amarnabriefen erscheint Cypern [138] (Alasia) als selbständiges Reich272, sein König schreibt an den von Ägypten als seinen Bruder, und wenn er ihm fortdauernd große Massen Kupfer schickt, so erwartet er dafür Gegengaben, vor allem Silber und Öl; eine gewisse Unterordnung tritt vielleicht darin hervor, daß er weder seinen Namen noch den des Pharao jemals nennt.

Ähnlich wird das Verhältnis zu den Kaftiern von Kreta gewesen sein, nicht eine Oberherrschaft, wie die Königsinschriften es mit üblicher maßloser Übertreibung darstellen273, sondern ein andauernd freundschaftliches Verhältnis mit gegenseitiger Übersendung reicher Geschenke, also im Grunde [139] nur eine andere Form des staatlichen Tauschhandels, nicht anders als bei den Beziehungen zu Cypern, Mitani, Babel, Assur und den Chetitern. Die Gesandtschaften, welche diese Gaben überbringen, sind in den Magnatengräbern dieser Zeit mehrfach dargestellt (s.o. S. 107); da sich die Begrüßung des Königs natürlich auch hier in der Form der Proskynese, der fußfälligen Verehrung mit Küssen des Erdbodens, vollzog, war die Gleichstellung mit den wirklich untertänigen Völkerschaften umso leichter.

Die Inschriften Thutmosis' III. reden wiederholt von seinen Siegen über die Völker des Südens und geben lange Listen der von ihm Besiegten, »der Südvölker und der Trogodyten Nubiens, unter denen er ein großes Gemetzel anrichtete, deren Zahl nicht ermittelt ist, und deren Hörige er als Gefangene nach Theben führte, um das Arbeitshaus seines Vaters Amon-rê' zu füllen«. An der Spitze steht Kusch; dann folgen in regelloser Folge zahlreiche Gaue, darunter Uauat, Maẕoi, Punt und z.B. das bei Ḥatšepsuts Expedition erwähnte 'Arem, aus dem mit den Tributen im Jahre 34 auch der Sohn des Häuptlings nach Ägypten geschickt wurde, wie die Söhne der syrischen Fürsten. Genauer zu lokalisieren ist kaum einer von diesen Namen; die Abbildungen in den Gräbern zeigen, daß es sich um zwei grundverschiedene Rassen handelt, schwarze bartlose Neger mit kurzem wolligem Haar, in dem eine Feder steckt, und mit Ohrringen, und braune Hamiten mit einer den Ägyptern und Puntiern ähnlichen Gesichtsbildung, mit langem Haar und spitzem Kinnbart. An größere Kämpfe ist nicht zu denken; wohl aber wird es im Wüstenplateau bis zum Roten Meer mit seinen Goldminen und Karawanenstraßen nie an Räubereien und an Versuchen der kriegerischen Stämme gefehlt haben, das fremde Joch abzuschütteln und die Bauern des Flußtals auszuplündern; das gab dann Anlaß zu Kriegszügen und Razzias, bei denen Scharen von Sklaven fortgeführt wurden. Der König selbst hat an diesen Kämpfen kaum je teilgenommen außer im Jahre 50, wo er, wie früher sein Vater, den wieder durch Felsblöcke verstopften Kanal [140] durch den ersten Katarakt aufs neue reinigen ließ und auf der Rückkehr vom Kampfe durchfuhr274. Das Niltal selbst bis nach Napata und bis zum vierten Katarakt hinauf, in zwei Bezirke, in Uauaţ, d.i. Unternubien bis zum zweiten Katarakt, und Kusch, d.i. das Tal von Dongola, geteilt, war jedenfalls fest in den Händen des Reichs und seines Statthalters, des »Königssohns von Kusch«. Die jährlichen Ernteabgaben sind in derselben Weise geordnet wie in Syrien. Dazu kamen die sonstigen Leistungen, die in den Grabgemälden oft dargestellt sind275: Sklaven, Rinder mit mächtigen Hörnern, deren Spitzen durch aufgesetzte Hände von Holz gesichert sind, Gold in Ringen und Barren, Ebenholz, Elfenbein, Pantherfelle, Straußeneier und Straußenfedern, dazu lebende Panther, Giraffen, Affen, sowie Jagdhunde; ferner die Produkte des in seiner primitiven Art, genau wie gegenwärtig, nicht unentwickelten Kunsthandwerks der Neger, Schilde, geflochtene Körbe, getriebene Schaustücke von Goldblech mit Nachbildung von Blumen und Sträuchern. Zahlreiche Weiber und Kinder begleiten den Zug: die kleinen Kinder werden von den Negerfrauen auf dem Rücken in Körben getragen. Auch ein prächtiger mit Rindern bespannter Streitwagen fehlt nicht, auf dem der hellfarbige Häuptling unter einem Sonnenschirm einherfährt. Eine Inschrift an den Felsen von Ibrim in Unternubien (äg. Me'am) berichtet, wie für den Transport dieses Tributs nicht weniger als 2667 Mann gebraucht wurden276.

Daneben geht ständig fortschreitend die Kolonisation Nubiens einher, überall verbunden mit der Erbauung von Tempeln, zu denen natürlich städtische Ansiedlungen gehörten, [141] die, wie in Ägypten, von Grafen oder von Festungskommandanten verwaltet werden. Schon in seinen ersten Jahren, als tatsächlich Ḥatšepsut das Regiment führte, hat Thutmosis den Tempel des zum Landesgott von Uauat erhobenen Sesostris III. in Semne (o. S. 80), und gegenüber in Kumme einen des Chnum, in Buhan (Wadi Ḥalfa) einen des Horus erbaut; später folgen im Jahre 51 weiter abwärts die Kapelle in der Grotte von Ellesie bei Ibrîm und der von seinen Söhnen und Enkeln vollendete Tempel des Har'achte in Amada, und im »Zwölfmeilenlande« oberhalb des ersten Katarakts der von Amenophis II. erbaute von Kalabše. Spärlicher sind die Anlagen in Obernubien. Auf der Insel Sâi, in der Mitte zwischen dem zweiten und dritten Katarakt, hat der »Königssohn von Kusch« Neḥi, der auch sonst die Bauten Thutmosis' III. leitete, eine Festung mit einem Tempel angelegt; etwas weiter oberhalb, am Gebel Doše bei Soleb, ließ der König eine Felskapelle erbauen. Dann hat Amenophis III. in Soleb einen prächtigen Tempel gebaut, in dem er als Landesgott verehrt wurde, wie etwas weiter abwärts in Sedeinga seine Gemahlin Teje. Die bedeutendste Ansiedlung der Ägypter aber war Napata, die südliche Grenzstadt des Reichs, wo Amon ein großes Heiligtum am »heiligen Berge« Barkal erhielt; sie wird geradezu als ein zweites Theben bezeichnet. Von den hier errichteten Bauten des ägyptischen Reichs hat sich nichts erhalten; sie sind durch die Neugestaltung unter der Äthiopenherrschaft geschwunden.

Von Libyen ist unter Thutmosis III. kaum je die Rede277; umso mehr dagegen von Punt und seinen »Wunderprodukten«, Weihrauch, Myrrhen und Gold; ferner Ebenholz, Elfenbein, Pantherfelle, Straußeneier und seltsame Tiere aller Art. Indessen eine Provinz des Reiches ist es nicht gewesen, sondern [142] steht zu ihm etwa wie Cypern, nur daß in dem Verkehr mit dem weit abgelegenen Lande immer wieder große Pausen eintreten. In den Annalen des Königs werden gegenüber den regelmäßig eingehenden Tributen von Syrien, Uauat und Kusch Expeditionen, die die Produkte von Punt bringen, nur unter den Jahren 33 und 38 erwähnt278, und nicht anders wird es auch unter den folgenden Regierungen gewesen sein. Umso lieber werden die Gesandtschaften, die mit ihren Gaben von dort kommen, in den Gräbern dargestellt; dies »Götterland« ist für die Ägypter mit dem Nimbus des Geheimnisvollen umgeben.

Kaum der Erwähnung bedarf, daß die Minen auf der Sinaihalbinsel wieder in vollem Betrieb waren279.

Das Reich, das Amon von Theben seinem Sohn Thutmosis III. und dessen Nachfolgern verliehen hat, ist das erste, das wirklich auf den Namen eines Weltreichs Anspruch erheben kann. Es hat, trotz mancher Wechselfälle, ein Vierteljahrtausend lang bestanden und die verschiedenartigsten Gebiete und Kulturen zusammengefaßt. Dadurch, daß diese Kulturen wirklich in Wechselwirkung zueinander treten, unterscheidet es sich ebensosehr von den älteren Reichen Ägyptens und Babyloniens, die den gleichen Anspruch erhoben haben, wie durch den Umfang seines Gebiets und durch die straffe und in den Grundzügen noch wohlerkennbare Organisation, die seinen dauernden Bestand ermöglicht [143] hat. Es ist, im Gegensatz zu jenen, die Schöpfung einer modernen Kultur, die über reiche Mittel verfügt und die eben dadurch, daß sie sich in dem Großreich auswirken kann, auf den Höhepunkt ihrer Entwicklung gelangt.

Zugleich aber ist dieses Reich ein ganz eigenartiges Gebilde, das in aller Weltgeschichte nicht seinesgleichen hat. Es erstreckt sich über mehr als 18 Breitengrade, von Napata in den Tropen bis nach Nordsyrien; aber es kennt im Grunde – denn die Wüstengebiete zu beiden Seiten des Nils, mit Ausnahme der Goldminen Nubiens, haben für das Reich keine aktive Bedeutung – nur diese eine Längendimension von Süd nach Nord. Selbst im Delta und in Syrien ist das Kulturland kaum irgendwo breiter als 10-12 Meilen; im Niltal Ägyptens beträgt die durchschnittliche Breite kaum mehr als 2 Meilen und schrumpft oberhalb Thebens und vollends in Nubien auf einen schmalen Ufersaum zusammen. Die Hauptstadt Theben, von der aus die Geschicke des Reichs geleitet wurden, liegt nahezu im Mittelpunkt dieser Längsausdehnung. Auf der Heerstraße zunächst im Niltal nach Memphis, dann von hier zur Grenzfeste Sile auf der Landbrücke el Qanţara zwischen dem Menzale- und dem Ballachsee durch die Sinaiwüste nach Gaza und weiter auf der Küstenstraße, und dann durch das Eleutherostal nach Nordsyrien, beträgt der Weg von Theben bis nach Neje oder zum Euphrat etwa 1800 Kilometer, von Theben bis Napata im Niltal etwa 1400 Kilometer280. Man muß sich diese Entfernungen anschaulich machen, um richtig zu erfassen, welche Energie und welche Durchbildung der Organisation dazu gehört hat, das Reich dauernd zusammenzuhalten, die Operationen der Truppen zu sichern, die geregelte Überführung der Tribute und der Gesandtschaften, den geordneten Verlauf der Verwaltung in Gang zu halten und ständig zu kontrollieren. [144] Von der Konzentration der gesamten Verwaltung gibt eine Darstellung im Grabe des »Vorstehers der Kornmagazine« Cha'emḥêt unter Amenophis III. ein anschauliches Bild: beim Seţfest, in dessen 30. Jahre, überreicht er dem König »die Abrechnung über den Ernteertrag des hohen Nilstandes beim Jubiläum durch die Vorsteher der Magazine des Pharao und die Beamten des Südens und Nordens von Kusch bis zur Grenze von Naharain«; die Beamten werden belohnt, »weil sie die Ernte (d.h. die Abgabe davon) erhöht haben«, während er selbst mit dem »Golde« bekleidet wird; der Gesamtbetrag wird mit der seit alters bei den Ägyptern beliebten Zahlenspielerei auf 33, 333, 300 (Scheffel) angegeben281.

Rings um das Reich hausen in Afrika die nomadischen Stämme der Steppe und Wüste, Libyer, Neger, Bedja und andere Hamiten, und weiter die Beduinen der Sinaihalbinsel und der syrisch-arabischen Steppe. Sie alle werden vom Pharao in ununterbrochenen kleinen Fehden im Zaum gehalten und liefern zugleich außer großen Sklavenmassen auch brauchbare Soldtruppen. Die See gibt die Verbindung mit der ägaeischen Welt und ihrer Kultur. In Asien steht das Reich in unmittelbarer Berührung mit den Kulturstaaten ringsum, Babylonien, Assyrien, Mitani, dem Chetiterreich. Sie alle mußten die Aufrichtung der ägyptischen Herrschaft über Syrien als einen Einbruch in ihren Machtbereich empfinden; wie der Fürst von Mitani bei der Organisation des Widerstandes mitwirkte, mögen auch Agenten des Kossaeerkönigs von Karduniaš hier tätig gewesen sein, dessen altererbter Anspruch auf die Oberhoheit über Syrien dadurch beseitigt ist. Hätten sich alle diese Staaten zu gemeinsamem Handeln verbunden, so hätten sie vielleicht dem Vordringen des Pharao erfolgreich entgegentreten können. Aber eine derartige Koalition war bei der zwischen ihnen bestehenden Rivalität nicht [145] möglich; und vereinzelt waren sie alle zu nachhaltigem Widerstande zu schwach. Die Überlegenheit Ägyptens beruht nicht nur auf seiner militärischen Organisation, sondern mehr noch auf den gewaltigen materiellen Mitteln, die dem Reich zur Verfügung stehn, sowohl in den Erzeugnissen der Industrie und des Kunstgewerbes, wie vor allem in den unerschöpflichen Metallschätzen, darunter in erster Linie dem Golde, bei dem jetzt zu dem Ertrage der nubischen Bergwerke noch die reichen Goldmassen aus Punt hinzukommen. Keiner der anderen Staaten kann darin auch nur von fern mit ihm konkurrieren; und so haben sie alle seine Suprematie als unvermeidlich gegeben hingenommen und es vorgezogen, durch gefügiges Entgegenkommen von ihm zu profitieren. Wir haben gesehn, wie die Könige von Babel, Assur, Cypern, dem »großen Chetiterlande« und Arrapcha wiederholt reiche Geschenke an Thutmosis senden, die dieser natürlich als schuldigen Tribut darstellt; aber es kann nicht zweifelhaft sein, daß dem, wie später in der Amarnazeit, mindestens ebenso reiche Gegengaben von seiten des Pharao gegenüberstanden.

Der geregelte, wenn auch nicht selten durch längere Pausen unterbrochene diplomatische Verkehr, der da durch entstanden ist, erfolgt, wie schon erwähnt, durchweg in babylonischer (akkadischer) Sprache und Schrift, auch mit Alasia; nur ganz vereinzelt schreiben die Könige von Mitani und dem Chetiterlande auch einmal in der eigenen Sprache. Auch der Pharao muß sich dieser fremden Sprache bedienen und dafür Kanzlisten ausbilden. Darin gelangt die enge Berührung, in die die beiden uralten Kulturen des Orients jetzt getreten sind, lebendig zum Ausdruck.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 2/1, S. 134-146.
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