Thutmosis' I. Feldzug nach Syrien

[104] Gleich nach Bezwingung Nubiens ist Thutmosis I. »nach Syrien (Rezenu) gezogen, um sein Herz zu baden unter den Fremdvölkern«. Wie es scheint, ist er in raschem Zuge bis ins Euphratgebiet vorgedrungen; hier erfocht er einen großen Sieg über den Fürsten von Naharain, zahlreiche Streitwagen wurden erbeutet, Scharen von Gefangenen zu Fronarbeiten nach Ägypten geschleppt. Im Gebiet der Stadt Ni (Neje), westlich vom Euphrat, konnte er auf die Elefantenjagd gehn – noch Jahrhunderte später gab es derer in diesen Gegenden –; die erbeuteten Zähne hat er dem Amon von Theben geweiht. Zum ersten Male erblickten die Ägypter hier wieder einen großen Strom, der zu ihrem Erstaunen in umgekehrter Richtung floß wie der Nil. Am jenseitigen Ufer errichtete er, wie tief in Nubien bei Tombos, eine Siegestafel; er konnte sich rühmen, daß seine Macht sich »vom Horn der Erde bis zu den Hinterlanden Asiens192« erstrecke, daß »der ganze Umkreis [104] der Sonne ihm Frondienste leiste, überall bei seinem Namen geschworen werde«; er habe »Ägypten zum Oberhaupt, jedes Land zu dessen Leibeignen gemacht: nie war unter einem anderen König desgleichen geschehn noch in den Annalen der Vorfahren bis zu den Horusverehrern hinauf« – Wendungen, die dann seine Nachfolger immer aufs neue wiederholen und variieren. Weitere Kunde über die Einzelheiten fehlt in unserem dürftigen Material, und wir können nicht feststellen, wie weit nach Norden hin der Machtbereich des Pharao sich erstreckt hat und wie weit er wirklich gefestigt war; doch kann nicht zweifelhaft sein, daß neben der Regelung der Abgaben der unterworfenen Gebiete mancherlei diplomatische Verhandlungen mit den Nachbarstaaten, mit dem jetzt auf das Land östlich vom Euphrat beschränkten Mitanireich, mit Babylonien und Assyrien und wohl auch mit dem Chetiterreich und mit Cypern einhergegangen sind.


Quelle:
Eduard Meyer: Geschichte des Altertums. Darmstadt 41965, Bd. 2/1, S. 104-105.
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