Badewesen

Fig. 23. Ritter im Bad, aus einer Handschrift des 14. Jahrh.
Fig. 23. Ritter im Bad, aus einer Handschrift des 14. Jahrh.

[42] Badewesen. Schon die alten Germanen liebten das freie offene Bad in Flüssen und Seen, Tacit. Germ. 22, und es blieb durch das ganze Mittelalter bis gegen das 18. Jahrh. im Gebrauch; Karl d. Gr., Otto II. und Friedrich Barbarossa waren als gute Schwimmer gerühmt. Daneben war das künstliche Bad beliebter als jetzt, was wohl damit zusammenhängt, dass man bei meist wollenen oder noch schwerern Kleidern die Leibwäsche seltener zu wechseln vermochte. Dem Ritter pflegte nach der Einkehr in eine Burg ein Bad bereitet zu werden. Mädchen bedienten nach der Sitte der Zeit den Badenden. Siehe Figur 23. Ehe man ins Bad stieg, band man einen Questen, ein Reisigbüschel, um die Hüften; twahen unde strîchen sind die Hauptsachen beim Bade. Auch gemeinsames Bad von Männern und Frauen war in der höfischen Zeit schon bekannt, wobei die Frauen den schönsten Kopfschmuck anhatten. Eigene Badezimmer gab es in den Burgen selten. In den Städten wurden die Badestuben öffentliche Anstalten zur Unterhaltung und zum Vergnügen. Der Handwerksmann pflegte am Samstag Abend ein Bad zu nehmen. Privatbadestuben gab es sogar in Bauernhäusern. Im 15. Jahrh. gehörte es zur Etikette, am Schlusse eines Festes die Eingeladenen in eine öffentliche Badestube zu führen; das geschah auch bei Hochzeiten, was man zu Nürnberg die Badlade oder das [42] Verbaden der Leute nannte. Unter einem Seelbad verstand man eine Stiftung, aus deren Zinsen Armen das Badegeld bezahlt wurde. Die künstlichen Bäder waren teils Wasserbäder, teils Schweiss- oder Dampfbäder. Die letztern, nimmt man an, seien durch die Kreuzfahrer, die Dampfbäder von Russland her in Aufnahme gekommen. Die Dämpfe wurden durch das Begiessen heisser Steine mit warmem Wasser erzeugt. Die Badestuben standen bloss an den durch die Obrigkeit festgesetzten Tagen offen, meist am Montag oder Dienstag, Donnerstag und Samstag. An der Mischung der Geschlechter fand man nichts Anstössiges, sowenig als an weiblicher Bedienung. An den Badetagen gingen in manchen Städten Ausrufer morgens in den Strassen umher und machten, manchmal durch Hornstösse, bekannt, dass eine gewisse Badestube geöffnet sei. Beim Eintritt in die Schwitzstube erhielt der Badende einen Reisigbüschel oder Wedel, um sich während des Schwitzens zu peitschen. Er legte oder setzte sich auf eine der terrassenförmigen Bänke; hier wurde er mit Tüchern gerieben, mit den Fingernägeln gekratzt, mit dem Büschel gestrichen und mit lauem Wasser oder mit Lauge übergossen, mit Seife gewaschen, wobei man auf das Waschen und Kämmen des Kopfes Wert legte. Nach dem Ende des Bades pflegte man sich durch den Bader den Bart scheren und das Haar schneiden zu lassen. Ein Schlaf und ein Mahl folgte zuletzt. Mit dem 15. Jahrh. kommt das Badewesen in Abnahme; die Gründe sind der steigende Preis des Holzes, das Eindringen der Lustseuche, der häufiger werdende Gebrauch der Mineralbäder. Die Mindralbäder heissen im Mittelalter natürliche Bäder, Badbrunnen, [43] Heilbäder, Wildbäder. Sie kamen besonders im 15. Jahrh. auf. Zappert, über das mittelalterliche Badewesen, Archiv f. Kunde österr. Geschichtsquellen. Bd. 21. Kriegk, deutsches Bürgertum, II, 1. – Schulz, höfisches Leben, I, 163. Gengler, Seelbäder, in d. Zeitschr. f. deutsche Kulturgeschichte. Neue Folge. 1873. S. 570 ff. Weinhold, deutsche Frauen, 2. Aufl., II, 112–118.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 42-44.
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