Blumensprache

[78] Blumensprache des Mittelalters. Die höfische Dichtung macht von der Blume als Sinnbild geistiger Bezüge nur mässige Anwendung. Ihr sind besonders eigen: die Lilie als Sinnbild der Reinheit, der Unschuld, daher auch Maria Lilie genannt und der Engel Gabriel mit einem Lilienstengel in der Hand dargestellt wird; die Rose, die Blume der Freude; mit ihr schmückten sich Gäste und die Gesellen beim Trunk; bei festlichem Anlass wird der Boden mit Rosen bestreut. Die Rose ist deshalb auch die Blume der Liebe, wie sie dem Roman de la Rose zu Grunde liegt. Rose und Liebe kommen miteinander vereint vor, daher das beliebte höfische Epos Flôre und Blanscheflûr, Blume und Weissblume, Rose und Lilie; Lilie und Rose sind Symbole für Christus und Maria, die letztere eine Rose ohne Dorn. Als dritte Blume legt man den beiden gern das Veilchen, den viôl, bei, die Botin des Frühlings. Reicher wird die Blumensymbolik seit dem 15. Jahrh., wobei sie sich freilich auf den Liebesverkehr beschränkt; jetzt nimmt die Dichtung mit Vorliebe Bedacht auf die oft uralten Blumennamen, die zum Teil heidnisch-mythische oder christliche Beziehungen haben. Die Blumen werden personifiziert, Frau Wachholder, Frau Haselin, Buchsbaum und Felbinger, Dornröschen. Die Zahl der Blumen wird grösser, und neben sie stellt sich überhaupt alles, was pflanzlicher Natur ist, das Stroh, die Weide, die Maie, d.i. grüne Zweige und Kränze überhaupt. In erster Linie knüpft[78] auch jetzt die Blumensymbolik an die Farbe. Das blaue Vergissmeinnicht, das braune Habmichlieb, der rosenrote Herzenstrost, das weisse Schabab; später bleibt die Farbe weg, und nur der beziehungsvolle Name ist noch da: Wegwarte, Wohlgemut, Jelängerjelieber, Masslieb, Liebstöckel, Ungnade, Leid und Reue, Tag und Nacht, Holderstock. Wackernagel, Kl. Schr. I, 143 ff.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 78-79.
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