Cölibat

[114] Cölibat. Das Judentum kannte bloss das Gesetz, dass der Priester keine Buhlerin, Entweihte oder Geschiedene, der Hohepriester keine Witwe heiraten dürfe, alle aber zur Vorbereitung auf heilige Handlungen sich ihrer Frauen enthalten sollten. Früh bildete sich in der Kirche die Ansicht, der ehelose Stand verdiene den Vorzug, und nachdem seit dem 2. Jahrh. Beispiele freiwilliger Gelübde zur Ehelosigkeit vorgekommen waren, wuchs auch die Meinung, dass den Priestern als den Verwaltern der heiligen Mysterien die Ehe nicht anstehe. Seit Anfang des 4. Jahrh. ergehen an mehreren Orten Gesetze in dieser Richtung, und namentlich wirkte das Vorbild des Mönchsstands, hinter welchem der weltliche Klerus nicht zu weit zurückbleiben durfte, entscheidend zu Gunsten des Cölibats, der in der orientalischen Kirche bald zur vorwaltenden Observanz wurde. Zahlreiche abendländische Synoden des 5. Jahrh. erliessen Verordnungen, welche die unbedingte Enthaltsamkeit vom ehelichen Leben Priestern, Diakonen und Subdiakonen vorschrieben. Die weltliche Gesetzgebung bestätigte diese Bestimmungen mit dem Zusatz, dass Ehen der Kleriker der höhern Weihen nach ihrer Ordination als nichtig und die aus solchen entsprossenen Kinder als unehelich zu betrachten seien. So oft jedoch die alten Verordnungen gegen die Priesterehen immer aufs neue und besonders seit Leo IX. (1048–1054) wiederholt wurden, so gab es doch in allen Ländern und sogar unter den Augen des Papstes viele verheiratete Priester. Erst Gregor VII. setzte das Dekret der römischen Synode von 1074 in Vollzug, wornach jeder beweibte Priester, der das Sakrament verwalte, ebenso wie der Laie, welcher aus der Hand eines solchen das Sakrament empfange, mit dem Banne bestraft werden solle. Calixtus II. (1119–1123) und Innocenz II. (1139) erklärten sämtliche. Priesterehen überhaupt für ungültig. Der von einem Kardinal auf dem Konstanzer Konzil gemachte Vorschlag, die Priesterehe wieder einzuführen, blieb ohne Erfolg.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 114.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: