Witwe

[1086] Witwe, got. viduvô, altsächs. widua, ahd. wituwâ, mhd. witewe, witwe, kommt von dem gleichbedeutenden lat. vidua, d.h. die (des Gatten) beraubte. Nach altdeutschem Recht musste die kinderlose Witwe alsbald nach dem Tode des Mannes und nachdem sie in den Besitz des ihr rechtlich Zukommenden gesetzt war, das Gut ihres Mannes verlassen, das seine nächsten Verwandten in Besitznahmen; bloss wenn sie sich nach vorangegangener Unfruchtbarkeit beim Tode des Mannes für schwanger erklärte, durfte sie bis zur Entscheidung der Richtigkeit ihrer Angabe im Hause bleiben. Waren aber Kinder vorhanden, so blieb die Witwe bei diesen, führte das Hauswesen fort und stand dabei unter der Mundschaft des nächsten Schwertmagen ihrer Kinder; im andern Falle kam sie unter den Schutz ihrer nächsten angebornen Verwandten zurück. In der ältesten, vorhistorischen Zeit folgte die Witwe dem Gatten in den Tod; so Brynhild dem Sigurd in der nordischen Sage; es ist ein[1086] uralter auch bei den Indern, Thrakern, Griechen und Slawen bekannter Brauch, dem die Auffassung der Frau als eines Eigentumes des Mannes zu Grunde liegt, das gleich Pferd und Knechten mit ihm sterben muss. Auf diese Periode folgte diejenige, in der zwar die Witwe fortlebte, sich aber nicht wieder vermählen durfte; Tacitus bezeugt sie Germania 19. Die nach der Völkerwanderung aufgestellten Volksrechte gestatten hinwiederum die Wiederverheiratung der Witwe; doch erhielt sich, von der Kirche unterstützt, noch lange eine gewisse Abneigung gegen eine Wiederverheiratung der Frau; das zeigt z.B. der in einigen Städten für Witwentrauungen bestimmte, sonst vermiedene Mittwoch; und es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Katzenmusik von dem Höllenlärm bei derartigen Verlobungen oder Brautläufen ihren Ursprung genommen hat. Um zu rascher Wiederverheiratung Schranken zu setzen, gebot die Kirche wenigstens ein Jahr trauernder Enthaltsamkeit, was aber selten inne gehalten wurde. Weinhold, deutsche Frauen. Abschnitt VII.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 1086-1087.
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