Holzarchitektur

Fig. 75. Kirche zu Hitterdal.
Fig. 75. Kirche zu Hitterdal.
Fig. 76. Niedersächsische Holzarchitektur um 1550–1570.
Fig. 76. Niedersächsische Holzarchitektur um 1550–1570.
Fig. 77. Das Wedekindsche Haus.
Fig. 77. Das Wedekindsche Haus.
Fig. 78. Geschnitztes Ornament. Von einem Hause in Höxter 1642.
Fig. 78. Geschnitztes Ornament. Von einem Hause in Höxter 1642.

[422] Holzarchitektur. Die alten Deutschen wohnten nicht in Städten oder auch nur in Ortschaften bei einander. Das Zusammenleben war der persönlichen Unabhängigkeit der germanischen Völkerschaften in hohem Grade zuwider; ein jeder baute sein Haus, wo er wollte. An eine eigentliche Baukunst unter den Germanen ist deshalb auch kaum zu denken. Sie kannten weder Haustein noch Ziegel; das Material, womit sie ihre Wohnungen errichteten, bestand aus Holz, und wie sehr gerade der Holzbau von Hause aus deutsch, der Steinbau aber römisch ist, bezeugt schon die Sprache, welche für »Bauen« ursprünglich nur »Zimmern« kennt und die einfachsten Benennungen für den Steinbau (wie Maurer von murus, Kalk von calx, Ziegel von tegula) aus dem Lateinischen herübergenommen hat, während alle den Holzbau betreffenden Ausdrücke urdeutsch sind. Die älteste Nachricht über die Bauweise der Germanen liefert uns Tacitus, Germ. 16. Nach demselben genügten ihnen Wohnungen aus rohen, kaum behauenen Baumstämmen. Die Fugen wurden mit schimmerndem Letten ausgefüllt und das so entstehende bunte Spiel der Linien diente ihren mit hohen Rohrdächern versehenen Hütten als einziger barbarischer Schmuck. Die Technik dieser Holzbauten kann zweierlei gewesen sein; entweder mit horizontaler Lagerung der Balken im Blockverbande oder noch roher, aus senkrecht nebeneinander aufgerichteten Stämmen.

Derart ist eine aus angelsächsischer Zeit in England (Greenstead) bis heute erhaltene Kirche hergestellt. Sonst ist aus jener frühen Zeit nichts mehr auf uns gekommen und ist und bleibt die Frage nach der inneren räumlichen Disposition der ältesten deutschen Häuser eben ungelöst. Otte glaubt zwar, in Anbetracht der anerkannten Zähigkeit der bäuerlichen Sitten und bei der im Allgemeinen stereotypen Form der deutschen Bauernhöfe zu einem Rückschluss von der Gegenwart auf die ferne Vergangenheit berechtigt zu sein und erblickt in den westfälischen und fränkischen Bauernhöfen die Nachbilder dieser altgermanischen Wohnungen. Vgl. Henning, Das deutsche Haus. Strassburg 1882. Lehfeldt, Holzbaukunst. Berlin 1880.

Mit der Zeit wird auch auf diese primitiven Einrichtungen römischer Einfluss sich geltend gemacht haben und vielleicht schon unter Kaiser Julian der römische Fachwerksbau statt des Blockbaues eingeführt worden sein, wenigstens nach dem Berichte[422] eines fast gleichzeitigen Geschichtschreibers zu schliessen. Die Wohnungen werden sich aber nicht nur in der den rohen Blockverband übertreffenden Konstruktion aus Bindwerk mit der Zeit verbessert haben, sondern selbst in geschnitzten Verzierungen der Bauhölzer wird sich ein Fortschritt bekundet haben, denn für die Geschicklichkeit der alamannischen Völkerschaften in den verschiedensten Holzarbeiten sprechen die Gräberfunde im Württembergischen. Im Verlaufe des 7. und 8. Jahrhunderts streuten irische Mönche den Samen des Christentums aus. In kleineren und grösseren Scharen pflegten sie zu wandern, lichteten mit ihrer Axt die Wälder und bauten Hütten und Kirchen nach heimischer Art.

Regel war auch hier natürlich der Holzbau und wahrscheinlich in einer den irischen Mönchen eigentümlichen Weise (nach der Bezeichnung des gleichzeitigen Beda venerabilis: more Scotorum oder opus Scoticum) ganz aus Eichenbalken (de robore secto).

Bis in späte Zeiten hinein wurden die ersten eiligen Bauten bei der Gründung von Klöstern und Kirchen immer aus Holz errichtet und selbst unter Karl dem Grossen, der wenigstens für die Kirchen den römischen Steinbau einzuführen trachtete, werden beinahe alle im Sachsenlande errichteten Kirchen kaum über den bescheidensten Bedürfnisbau hinausgereicht haben und eben auch aus Holz errichtet gewesen sein. Mit dem 10. Jahrhundert brach über Deutschland eine unsäglich traurige Zeit herein. Das Reich Karls lag zertrümmert. Im Innern des Reiches herrschte Bürgerkrieg und von Aussen war es bedroht von den Normannen und Ungarn. Man trachtete daher auf Widerstandsfähigkeit und Wehrhaftigkeit und zog wenigstens auf einzelstehenden Gebäuden den Steinbau dem Holzbau vor. Letzterer aber flüchtete sich von da ab hauptsächlich in die Städte, welche sich gemeinsam durch starke Ringmauern zu schützen suchten.

Die grosse Mehrzahl der Wohnhäuser wird man sich kaum dürftig genug vorstellen können und die vielen verheerenden Brände beweisen zur Genüge, dass jene regelmässig aus Holz, wohl in Fachwerk erbaut und wenn nicht mit Rohr oder Stroh, so doch höchstens mit Holzschindeln gedeckt waren. Dafür spricht auch die fabelhafte Schnelligkeit der Bauten. So wird von der Stadt Lebusa erzählt, sie sei in 14 Tagen vollendet worden. Ganz ähnlich lautet der Bericht des Bischofs Tietmar von Merseburg über die Wiederherstellung der abgebrannten Stadt Meissen. Wo das sich darbietende Material es erlaubte, begegnen wir seit Anfang des 12. Jahrhunderts dem sich immer mehr ausbreitenden Quader- oder Ziegelbau, allein in vielen Gegenden, wie in Mähren, Oberschlesien, Pommern und Preussen, blieb man bei dem urtümlichen Holzbau stehen. So befinden sich unter den oberschlesischen Kirchen einige, wie die zu Syrin und Lubom bei Ratibor, an denen spätromanische Details vorkommen. Für die Erbauung der beiden genannten Kirchen werden die Jahreszahlen 1304 und 1305 angegeben. Alle diese Kirchen von einfach rechteckigem Grundriss mit schmälerem Altarraum und mit Vorbauten an den Thüren, sind im Blockverbande aus aufeinandergeschichteten, grobbehauenen Balken errichtet. Vgl. Fig. 75. Kirche von Hitterdal (Kunsth. Bilderbogen). Als besondere, auch bei den gleichzeitigen norwegischen Holzkirchen (wie die zu Hitterdal, Borgund) sich vorfindende Eigentümlichkeit derselben erscheint ein das ganze Gebäude umgebendes weit vorspringendes Regendach, wohlgeeignet, um die[423] Dachtraufe von den Grundschwellen abzuleiten. Der Turm, nicht selten getrennt von der Kirche stehend, pflegt in schrägen Wänden aufzusteigen und ist an der Bretterverschalung des oberen Teiles zuweilen mit Schnitzereien verziert. In Böhmen sind Holztürme besonders häufig, auch neben steinernen Kirchen, ja selbst in Dörfern, die gar keine Kirchen haben. So findet sich neben dem im 14. Jahrhundert errichteten Steinbau der Georgskirche in Przaslawic bei Turnau ein Holzturm über einem steinernen Grundbau; noch stattlicher erscheint der grosse Glockenturm zu Pardubitz.

Ein Städtebild dieser Epoche bietet uns enge Gassen und Räume. Eine eigentümliche Ausnutzungssucht des Raumes riss in der Bürgerschaft ein. Die Städte, die an Einwohnern zunahmen, mussten in die alten Ringmauern eingepfercht werden. Man begnügte sich deshalb nicht mehr mit mehrstöckigen Häusern, sondern man suchte das Haus noch nach oben, allem statischen Gefühle zuwider, zu verbreitern. Diese »fürgezimpere« oder »Ausfänge«, bei denen jedes Stockwerk über das andere vorragte, erweiterte allerdings die obern Räume und bot zugleich, weil Unterstützungs- und Belastungspunkt auf verschiedene Stellen fielen, ein Gegengewicht gegen das Einschlagen der Balken. Andrerseits aber wurde den ohnehin engen Gassen durch diese Bauart Luft und Licht noch mehr entzogen. Selbstverständlich konnte diese Bauart hauptsächlich nur bei Fachwerksbauten vorkommen. Der Steinbau beschränkte sich bei Profanbauten in der Regel auf Keller und Erdgeschoss. Überhaupt waren steinerne Häuser noch eine grosse Seltenheit. In den alten Grundregistern, den sogenannten Schreinsbüchern, sind z.B. von der Stadt Köln, die schon im 13. Jahrhundert an die 6000 Häuser besass, nur ungefähr zehn als domus lapideae bezeichnet Die Sitte, die Stockwerke übertragen zu lassen, führte indes bald und besonders[424] in der gotischen Zeit zu mancherlei Dekorationsformen. Die vorstehenden Balkenköpfe werden mit Schnitzwerk in vegetabilischer Form, Tier- und Menschenbildungen geschmückt, auch oft Erker und Ausbauten angebracht, so dass ein Ganzes von ungemein malerischer Wirkung sich ergiebt.

Noch in der späteren Zeit des 15., ja selbst im 16. Jahrhundert findet man an den Fachwerksbauten lebhafte Anklänge an gotische Formen. Sehr schöne Beispiele in dieser Hinsicht bietet namentlich Braunschweig, wo durch den Holzbau die mittelalterliche Tradition noch lange in Kraft blieb. Diese frühen Bauten zeigen ein strenges Anschliessen der Dekoration an die Konstruktion.

Die Schwellbalken der Füllhölzer erhalten kräftige Auskehlung und Abfasung, wodurch die horizontale Linie der übereinander vorkragenden Stockwerke wirksam betont wird. Überaus beliebt ist die Dekoration mit rechtwinklig gebrochenen Linien, die man als mäanderartig bezeichnen kann. Damit wechselt ein anderes Ornament, das seine Motive dem Pflanzengebiete entlehnt und aus einer Laubranke besteht, welche sich um einen horizontalen Stab windet und die charakteristische Form des spätgotischen Blattwerks zeigt. Nicht minder reich werden die Balkenköpfe behandelt. Sie erhalten nicht bloss kräftig ausgekehlte Profile, sondern bisweilen in Hochrelief durchgeführte figürliche Darstellungen, Apostel und andere Heilige, aber auch Genrehaftes und Burleskes. Die Anzahl derartiger Bauten der letzten Dezennien des 15. und der ersten des 16. Jahrhunderts ist überaus gross. Noch ganz in mittelalterlichen Formen erbaut ist namentlich der grosse Bau der »Alten Waage« (1534) in Braunschweig.

Die Renaissance bringt in diese Behandlung der Façaden zunächst nur einige Bereicherung des Ornaments.

Eines der frühesten Beispiele des Auftretens der neuen Formen sind die trefflichen Reste von einem abgebrochenen Ratsküchengebäude von 1530. Da sind die Elemente der Renaissance, wie Delphine, Kandelaber, Gottheiten und Helden des Altertums noch ganz unbefangen mit allerlei mittelalterlichen Genreszenen und Possenhaftem gemischt, ein wahrer Fasching der Phantasie, meint Lübke. Zu gleicher Zeit indessen taucht ein neues Motiv für die Dekoration der Schwellhölzer auf und eine Verschlingung von Zweigen, die fast wie Bänder aussehen und sich friesartig ausbreiten. Beinahe kein Haus entbehrt der Sprüche, welche dasselbe in Gottes Hand legen, oder sonst heitern oder ernsten Inhaltes sind.

Um den Schluss des 16. Jahrhunderts erfährt der Holzbau seine letzte Umwandlung. Der Steinbau wirkt auf ihn merklich ein. Bisher waren die Balken durch Abfasen und Einkerben recht im Sinne der Holzkonstruktion ausgebildet worden. Jetzt werden die Balkenköpfe mit Vorliebe als Konsolen behandelt, die Schwellenbalken erhalten Zahnschnitte, Eierstäbe und Perlschnüre nach antiker Art. Dazu Fig. 76, Niedersächsische Holzarchitektur um 1550 bis 1570 (Kunsthist. Bilderbogen). Die letzten Blüten dieser Entwickelung treffen wir namentlich in Hildesheim. Hier ist es der alte sächsische Holzbau, der fast ausschliesslich den Privatbau beherrscht. Die Beispiele aus dem frühen Mittelalter sind indessen hier selten. Dagegen treten die Renaissanceformen schon sehr frühe auf, so schon 1590 an einem der grossartigsten Holzhäuser Deutschlands, an dem sogenannten Knochenhaueramtshaus.

Unerschöpflich reich ist der[425] plastische Schmuck an dieser Façade. Die Konsolen sind zwar noch mittelalterlich geformt, in derber humoristischer Auffassung. In den Friesen dagegen sind die Motive der Frührenaissance in Blumen, Fruchtschnüren, Kandelabern etc. überwiegend. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts tritt der ausgebildete Stil der Spätrenaissance auf. Auf die Gliederung und Ausschmückung der Façaden wirkt der Steinbau gewaltig ein. Die ganzen Façaden werden mit Holzbrettern verkleidet, so dass alle Teile der Konstruktion bis auf die als kräftig vortretende Konsolen entwickelten Balkenköpfe mit ihren Stützen verhüllt werden. Die Schwellbalken aber bilden einen durchlaufenden Fries, mit Ornamenten reich bedeckt. Eine konsequente vertikale Teilung wird durch flachgeschnitzte Säulen, Pilaster oder Hermen bewirkt. Auf den Fensterbrüstungen[426] aber entfaltet sich in figürlichen Reliefs ein unerschöpflicher Reichtum, und um die zierliche Anmut des Ganzen zu vollenden, sind alle Hauptlinien durch feine Gliederungen antiker Kunst belebt. Das Musterbeispiel dieses Stils ist das Wedekindsche Haus vom Jahr 1598. Fig. 77.

Der alte Bischofssitz Halberstadt bietet ebenfalls eine reiche Ausbeute an Holzbauten, zu deren bedeutendsten der im Jahre 1461 erbaute Ratskeller gehört. Den Übergang in die Renaissance bezeichnet namentlich der Holzbau des Schuhhofes, an welchem das Motiv der Blendarkaden an den Fensterbrüstungen prächtige Anwendung erlebt. Reiche und hübsche Beispiele, namentlich der Verbindung des Holzbaues mit dem Steinbau bietet Hannover, wo sich zugleich auch ein reicher Erkerbau entwickelt, im Gegensatz zu dem benachbarten Braunschweig. In den mittleren Wesergegenden herrschte der Holzbau in besonders eleganter Weise, wie in Höxter und Münden. Dazu Fig. 78. Geschnitztes Ornament von einem Hause in Höxter 1642 (Kunsthistorische Bilderbogen). In kraftvoller Durchbildung der Schwellhölzer, der Kopfbänder und Konsolen, sowie der Fensterbrüstungen mit vielfach variierten Muschel- und Fächerformen gehören diese Bauten zu den schönsten Schöpfungen dieses Stils. Musterhaft ist derselbe namentlich in der Dechanei in Höxter (1561) entwickelt, welche sich durch einen stattlichen polygonen Erker auszeichnet. Auch in Niederhessen hat der Holzbau in Hersfeld, Allendorf, Fritzlar zahlreiche Vertreter, wie auch in Hersford, Bielefeld etc. In Schwaben war, gefördert durch den prächtigen Sandstein, der Steinbau vorherrschend, indessen hielten die bürgerlichen Kreise noch lange an dem Holzbau mit Riegelwänden fest. Als Beispiele mögen Schwäbisch Hall und das Rathaus in Tübingen (1508, angeführt sein. Franken bewahrt in dem Salzhause zu Frankfurt ein Prachtstück. Die schmale Giebelseite ist reich in Holz geschnitzt und zwar in völliger Nachahmung der Steinarchitektur, gleichsam eine Inkrustation von Holzplatten bildend, unter welcher sich das konstruktive Gerüste verbirgt. Namentlich entwickelt sich der Holzbau in den grossen Hofanlagen der mittelalterlichen und späteren Wohnhäuser,[427] wo oft mehrere Galerien von Holz übereinander gelagert sind, so im Sebachschen Hause in Würzburg, im Haffnerschen in Rothenburg, im Funkschen und Pellerschen in Nürnberg etc.

Sehr anziehend und bedeutend ist der Holzbau in den Rheinlanden. Während in den sächsischen Landen die einzelnen Stockwerke so weit als möglich vorgekragt wurden und dadurch jenes reiche malerische Leben, jene energische Gliederung erhielten, sind die rheinischen Bauten bei möglichst geringem Vorsprung der Stockwerke minder kräftig entwickelt und suchen, was ihnen an Lebendigkeit abgeht, durch eine mehr malerische Ornamentierung der Flächen zu ersetzen, ohne indessen die konstruktiven Elemente zu verhüllen und zu verleugnen. Im Gegenteil werden dieselben zum Ausgangspunkt der Dekoration gemacht. Daher werden die Pfosten besonders kräftig betont und namentlich die Eckpfosten in Säulchenform ausgebildet. Die Horizontalen aber werden durch mässiges Vortreten der Schwellbalken nur bescheiden angedeutet, so dass einige ausgekehlte und abgefasste Glieder, bisweilen wohl als ein gewundenes Tau charakterisiert, genügen. Namentlich aber fallen die vortretenden Balkenköpfe des niedersächsischen[428] Holzbaues fort. Die Dekoration aber weist stets eine feine Anmut aus. Mit Vorliebe fügt man den Façaden kräftig vorspringende Erker zu. Als Beispiele mögen hier die Holzbauten zu Rhense, Oberlahnstein, Boppard, Bacherach und Bremen angeführt sein.

Während beinahe überall in deutschen Landen der Riegelbau, wenigstens wo es sich um künstlerische Ausbildung der Façaden handelte, den reinen Holzbau verdrängt hatte, hatte sich derselbe in den Gebirgsgegenden, namentlich in der Schweiz, noch gesund und kräftig forterhalten. In den flachen Kantonen war zwar der Blockbau auch verlassen worden und die dort gebräuchliche Art des abgespreizten und verstrebten Ständerwerkes mit eingeschobenen Bohlenwänden lehnte sich dem deutschen Riegelwerksbau an. Gleichzeitig finden wir aber auch in der Schweiz das mit Stein ausgemauerte Fachwerk zahlreich vertreten. Im Äusseren sind die schweizerischen Städtehäuser meist sehr einfach. Die einzige Zierde sind zahlreiche Holzerker, deren Schnitzerei aber schon den schwülstigen üppigen Barocco des 17. Jahrhunderts zeigen, so diejenigen in Schaffhausen und St. Gallen.

Wo aber die Schweizerbauten als Blockhäuser auftreten, tragen sie überall den streng ausgeprägten Typus des Blockverbandes an sich. Die möglichst durchlaufenden liegenden Wandbalken überschneiden sich an allen Kreuzungspunkten mit der Abgabe ihrer halben Holzstärke und treten aussen als sogenannte Vorstösse an den Wänden um eine Holzstärke vor. Dabei haben die Dächer eine flache, dem benachbarten Süden entsprechende Neigung, um die Schindeldeckung, mit schweren Steinen belastet, tragen zu können. Aus der ganzen Anlage dieser Holzbauten, wie sie namentlich in den Urkantonen, dem Berner Oberland, und dem Appenzeller Land auftreten, spricht das naive Schönheitsgefühl eines sinnigen Landvolkes. Nicht nur haben diese Bauten durch kräftige Malerei, prächtige Schnitzerei und kernhafte Sprüche einen unaussprechlichen Reiz, sondern die Gesamtanlage mit den offenen Lauben, weit vorspringenden Dächern und zahlreichen gekuppelten Fenstern gewähren eine ruhige architektonische Wirkung, welche in Harmonie mit der nächsten Umgebung und in einem gewissen Gegensatze zu der ferneren grossartigen Landschaft steht. Nach Otte, Geschicke der deutschen Baukunst. Lübke, Geschichte der deutschen Renaissance. Gladbach, Der Schweizer Holzstil.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 422-429.
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