Vaganten

[1039] Vaganten, clerici vagantes, vagi, sind Geistliche, die eines ständigen Kirchenamtes als Quelle ihres Lebensunterhaltes entbehren und deshalb unstät herumziehen. Schon im 4. und 5. Jahrhundert werden Kirchengesetze gegen das unordentliche Treiben solcher Kleriker erlassen, meist ohne nachhaltigen Erfolg. Besonders zahlreiche Klagen werden im karolingischen Zeitalter laut, und Karl d. Gr. erneuerte in mehreren Kapitularien die altkirchlichen Verbote der ordinatio vaga. Ein kirchlicher Schriftsteller des 12. Jahrhunderts erklärt die Vaganten, weil sie weder rechte Kleriker, noch Laien seien, für eine Art Hippocentauren und für eine Synagoge Satans. In eben demselben Jahrhundert gerieten nun diese Vaganten mit den Spielleuten in Berührung; in Frankreich zogen ganze Scharen von Scholaren durch die Lande, auch deutsche Genossen mit sich führend, und da die Zeit dem Gesange überaus günstig und diese Leute als Kleriker des Lateinischen kundig waren, entstand unter ihnen in Nachahmung der ritterlich-höfischen Sänger eine höchst charakteristische, originelle lateinische Vaganten-Lyrik, namentlich Liebes-, Wein- und Spiellieder, Sprüche satirisch-persönlicher Art u. dgl. Die bedeutendste Sammlung derselben sind die sog. Carmina burana, siehe den bes. Artikel; der begabteste Dichter dieser Volksklasse war Walther der Erzpoet, Archipoeta, der mehrere Jahre in der Umgebung des Erzbischofs Reinhold von Köln, des Kanzlers Barbarossas, lebte; er ist der Dichter[1039] von Mihi est propositum in taberna mori. Seine Dichtungen hat J. Grimm veröffentlicht unter dem Titel: Gedichte des Mittelalters auf Friedrich I. Berlin 1854. Später vereinigten sich die Vaganten mit den fahrenden Schülern.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 1039-1040.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika