Hermaphrodítvs

[1258] HERMAPHRODÍTVS, i, des Mercurius und der Venus Sohn, daher er auch den Namen von Ἑρμῆς, Mercurius, und Ἀφροδίτη, Venus, hat. Er wurde von den Nymphen auf dem [1258] Berge Ida auferzogen. Als er aber sein funfzehntes Jahr erreichet, so wollte er gern sehen, wie es anderwärts in der Welt aussähe, und kam daher nach Karien. Hieselbst gerieth er bey sehr heißem Wetter an einen angenehmen Brunnen, worinnen die Nymphe Salmacis ihren Aufenthalt hatte, welche sich denn in seine Schönheit verliebete, und ihm daher ihre Leidenschaft zu verstehen gab. Wie er aber seines Orts keine Luft hatte, sie zu vergnügen, so suchte sie ihm selbst näher zu kommen. Allein, da er drohete, davon zu gehen, wo sie ihn nicht mit Frieden ließe, so gieng sie, und verbarg sich hinter die Sträuche. Als er darauf sich auszog, und sich in den Brunnen begab, so warf sie ihre Kleider auch weg, überfiel ihn, und umfassete ihn aufs genaueste. Er wollte sich aber gar nicht geben; daher bath sie die Götter, daß sie nimmermehr von ihm wieder möchte getrennet werden. Dieß geschah in so weit, daß sie in einen Leib zusammen wuchsen, jedoch aber beyderley Geschlechte behielten. Wie nun Hermaphroditus sah, daß er weder ein rechter Mann mehr, noch auch ein eigentliches Weib sey, so wünschete er, daß alle, die in den bejagten Brunnen kämen, so werden möchten, wie er. Sein Wunsch ward erhöret, und der Salmacis Brunnen gar bekannt. Ovid. Metam. IV. v. 287. Sieh Salmacis. Einige wollen, er habe eigentlich Atlantius geheißen: Hygin. Fab. 271. Allein, solcher Namen ist sonst nirgends, als bey ihnen zu finden: wohl aber wird er von seinem Großvater, dem Atlas, Atlantiades genannt. Ovid. l. c. v. 368. Er soll sonst gleich mit zweyerley Geschlecht geboren seyn. Lactant. Instit. l. I. c. 17. §. 9. Einige haben ihn mit unter die Götter gerechnet. Diod. Sic. lib. IV. c. 6. p. 150. Man findet in einigen alten Denkmaalen noch Abbildungen von ihm Borioni Collect. antiq. t. LII p. 37. Maffei gem. ant. T. III. t. 10. p. 20. Es können aber solche wohl ganz andere, als ihn anzeigen, wie man denn von der letzten schon gemuthmaßet, daß sie die männliche [1259] und weibliche Venus sey, indem drey Cupidines um sie herum sind, deren einer auf der Rohrflöte, der andere auf der Leyer spielet, und der dritte jhr Luft zuzufächeln scheint. Ib. p. 21.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 1258-1260.
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