Erasmus, S. (1)

[77] 1S. Erasmus, Ep. M. (2. Juni). Vom Griech. ἐράσμιος = liebenswürdig etc. – Von diesem vom Volke so hochverehrten Heiligen sind leider die ächten Passionsacten nicht auf uns gekommen, sondern nur interpolirte, längere Zeit nach des Heiligen Tod durch Volkssagen erweiterte. Nach den ältesten Acten indessen, die sich vorfinden, ist der hl. Erasmus Bischof einer Stadt des Antiochenischen Patriarchates gewesen, hat sich im Anfange der Verfolgung des Kaisers Diocletian auf den Berg Libanon geflüchtet, wo er lange in der Einsamkeit lebte und endlich entdeckt wurde. Der heidnische Richter ließ ihn mit bleiernen Kolben schlagen, dann mit siedendem Pech und Schwefel übergießen, welches ihn aber nicht verletzte. Ruhig stand er da in der flammenden Masse, die um ihn schäumte und kochte, und pries mit lauter Stimme den Herrn. Wer dieses wunderbare Schauspiel mit ansah, bekehrte sich zum christlichen Glauben, und nur der Richter blieb verhärtet, ließ ihn in schwere Ketten schlagen, in den Kerker abführen, und verbot, ihm Speise zu reichen. Allein ein Engel löste ihm die Bande, führte ihn ins Freie, und sagte ihm, er werde noch Viele bekehren. Erasmus kam auf seinen apostolischen Reisen zuletzt bis Formiä20 in Campanien (unweit des heutigen Gasta), wo er hochbetagt im Frieden zu dem Herrn ging um das J. 303. Sein Leichnam ruhte, nach dem Zeugnisse Papst Gregor's I., noch im 6. Jahrhundert in der Kathedrale zu Formiä, wurde aber im 9. Jahrhundert, als diese Stadt durch die Saracenen zerstört wurde, nach dem benachbarten Gasta übersetzt; indeß rühmen sich auch andere Städte Frankreichs, Italiens [77] und selbst Deutschlands (Boulogne, Verona, Mainz, Köln etc.), im Besitze von Reliquien des hl. Erasmus zu seyn. In Belgien und Deutschland und noch andern Gegenden findet man den Heiligen häufig abgebildet, mit einer Winde neben sich, womit ihm die Eingeweide ausgewunden worden seien, oder wie diese ihm eben herausgerissen werden, weßhalb das Volk ihn als Patron gegen Kolikschmerzen anruft. Allein von dieser Marter geschieht in den alten Acten keine Erwähnung, weßhalb zu vermuthen ist, es sei dieselbe ein Zusatz späterer Legendisten, die das Leiden eines andern Martyrers auf den hl. Erasmus übertragen, oder einen spätern mit ihm verwechselt haben. Unser Heiliger gehört auch unter die sogenannten »14 Nothhelfer«, und verehrt ihn das Landvolk einiger Gegenden als Fürbitter in Viehkrankheiten und Viehseuchen. – Vielleicht, weil ein Engel ihn in nächtlicher Weile aus dem Gefängnisse führte und zu einem Schiffe geleitete, welches eben die Anker lichtete, sind es die Schiffer, namentlich auf dem mittelländischen Meere, welche ihn bei Ungewittern und Stürmen anrufen. Indessen gibt die Legende noch einen, und wohl wahrscheinlichern Grund an, warum der hl. Erasmus als Patron der Schiffer gilt; sie sagt, er habe einmal mitten im Ungewitter gepredigt, und der Himmel sei über ihm und seinen Zuhörern ruhig und klar geblieben. – In Italien, Portugal etc. wird er gemeinhin St. Elmo21 genannt, so wie die elektrischen Strahlenbüschel, welche bei Gewittern manchmal auf hohen Stangen, insbesondere auf den Masten der Schiffe gesehen werden, und die christlichen Schiffer an den fürbittenden Schutz des Heiligen erinnern, bei ihnen »St. Elmsfeuer« heißen.22 Im Synax. Claromont. wird auch am 2. Juni ein Erasmus mit dem Prädicate »heilig« in Gesellschaft des hl. Bischofs Pyrrhus und führen diesen hl. Pyrrhus mit Beon am 1. Juni an, geben die Acten des hl. Gerasimus am 5. März, und sagen bei jener Gelegenheit, Erasmus sei, nachdem er in Illyrien vieles ausgestanden, als Bischof und Martyrer zu Formiä unter Diocletian gestorben. Wir haben uns sonach unter diesem Heiligen keine zweite Persönlichkeit zu denken. In Polen wird der hl. Erasmus als Patron verehrt, und nach dem polnischen und Breslauer Proprium wird sein Fest am 3. Juni sub ritu dupl. gefeiert. (I. 211. 157. 72. 436.)


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Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 2. Augsburg 1861, S. 77-78.
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