Gervasius, S. (4)

[427] 4S. Gervasius et Protasius, MM. (19. Juni). Die hhl. Gervasius und Protasius, frz. St-Gervais et Protais, »Mailands erste Martyrer«, waren Zwillingsbrüder, nach der gewöhnlichen Annahme Söhne des hl. Vitalis, welcher in Ravenna, und der hl. Valeria, welche in Mailand den Martertod litt. Ihre Söhne haben unter Nero – nach Andern unter Domitian, am wahrscheinlichsten aber unter den Kaisern Verus und Antoninus (vom J. 161–169) – die Wahrheit des Evangeliums mit ihrem Blute besiegelt. Anfänglich wurden sie mit Bleikolben geschlagen, zuletzt aber enthauptet. Der Nichter hieß nach der Tradition Astasius, der um diese Zeit gegen die Marcomannen geschickt und von den Götzenpriestern gegen die Heiligen aufgereizt worden war, indem sie ihm sagten, er könne im Kampfe unmöglich siegen, bevor er die Verächter der Götter, Gervasius und Protasius, zum Opfern gezwungen hätte. Aechte Acten über ihr Martyrium sind nicht mehr vorhanden. Ein encyklischer Brief über dasselbe, welcher den Namen des hl. Ambrosius trägt, scheint zwar von diesem nicht herzurühren, ist jedoch innerlich durchaus glaubwürdig. Nach demselben sprach der sterbende Protasius zu Astasius: »Ich bedaure dich, weil du nicht weißt, was du thust; vollende aber, was du angefangen!« Als der hl. Ambrosius in Maiand die Basilika, welche jetzt seinen Namen (S. amhrogio) trägt, im J. 386 einweihen wollte, wurde ihm zeug des hl. Augustinus (Confess. IX. 7) durch ein Gesicht angezeigt, wo die Leiber der heil. Martyrer ruhten. Er ließ nachgraben und fand sie; die Gebeine waren in ihrer natürlichen Lage, die Köpfe waren vom Rumpfe getrennt; der Boden des Grabes war mit Blut bedeckt. Die heil. Reliquien wurden der Verehrung der Gläubigen ausgesetzt und am dritten Tage. den 18. Juni, übertrug man sie feierlich in die Ambrosianische Kirche. Während des Zuges ließ sich ein Blinder zur Sänfte führen, in welcher die Heiligen getragen wurden, berührte sie und sah. Es war ein Fleischer, Namens Severus. Er blieb von jetzt an immer bei dieser Kirche. Als der hl. Augustin im Jahr 387 Mailand verließ, war er noch am Leben; auch als Paulinus um das J. 411 das Leben des hl. Ambrosius schrieb, lebte er noch. Der hl. Ambrosius erzählt. daß bei dieser Gelegenheit noch andere Wunder geschahen. »Ihr habt gesehen,« sprach er in einer zur Feier des Ereignisses gehaltenen Nede, »wie viele von den Dämonen gereinigt wurden, wie viele, nachdem sie das Kleid der Heiligen mit ihren Händen berührt hatten, von den Leiden, mit welchen sie geplagt waren, befreit wurden. Die Wunder der alten Zeiten haben sich erneuert; ihr sehet selbst solche, die durch den Schatten der heil. Leiber gesund gemacht wurden. Und wie viele Schweißtücher werden auf sie gelegt, wie viele Kleidungsstücke werden mit diesen heil. Reliquien berührt, damit sie durch die Berührung Kraft zu heilen bekommen?« Der hl. Augustinus äußerte sich hierüber: »Auch ich war Zeuge der so großen Verherrlichung dieser Martyrer. Ich war dort in Mailand; ich habe die geschehenen Wunder gesehen; ich weiß, daß Gott selbst bestätigt hat, wie kostbar der Tod seiner Heiligen sei, nicht blos in den Augen Gottes, sondern auch der Menschen.« Dasselbe wiederholt er mit andern Worten in seinem Werke über die Stadt Gottes (De civit. Dei XXII. 8.) Auch in Afrika, zu Hippo, trugen sich solche auf die Fürbitte dieser Heiligen geschehene Wunder zu. Die Verehrung der hl. Gervasius und Protasius ist weit verbreitet. In allen Ländern des Erdkreises finden sich Kirchen, die auf ihren Namen geweiht sind. Dieselben sind auch, am oben genannten Tage, im Mart. Rom. verzeichnet. Auch in die Litanei zu allen Heiligen sind sie aufgenommen. Theile ihrer Reliquien wurden auch andern Kirchen zum Geschenke gemacht, z. B. Brescia. Pavia, Cremona, Como, Florenz, Bologna, Villa Victoriana in Afrika, Rom, Trient, Wien u. s. f. Nach Le Mans in Frankreich kamen solche noch bei Lebzeiten des hl Ambrosius. Noch muß erwähnt werden, daß die Stadt Breisach am Rhein sich dieser Reliquien rühmt, indem sie nach der Zerstörung Mailands durch Friedrich den Rothbart dieselben erhalten habe. Wer sich über diesen Streit näher unterrichten will, wolle sich an [427] die Quellen wenden.62 Wunderschön sind die Gebete zu Ehren der Heiligen im Mailänder Missale und Brevier. Im röm. Brevier haben sie am 19. Juni eine Commemoration mit der 9. Lection. (III. 817–846.)


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 2. Augsburg 1861, S. 427-428.
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