Nicetius, S. (6)

[533] 6S. Nicetius, Ep. Conf. (5. Dec. al. 1. u. 6. Oct.). Der hl. Bischof Nicetius von Trier war nach der Erzählung Gregor's von Tours (de vitis P. P. c. 17), welcher sich auf dessen Schüler, den Abt Aredius von Limoges beruft, mit der Tonsur schon auf die Welt gekommen. Dieß ist natürlich dahin zu verstehen, daß er schon als Kind entschiedenen Beruf für den Ordens- und Priesterstand zu erkennen gab. Ob er wirklich, wie Brower vermuthete, aus der Auvergne stammte, ist ungewiß. In neuester Zeit ist die Vermuthung ausgesprochen und durch Berufung auf Venantius Fortunatus, welcher den Heiligen einen Mailänder nennt, wahrscheinlich gemacht worden, daß er aus Mailand gebürtig war (vgl. Lütolf, Glaubensboten, S. 260). Hienach wäre auch das Kloster, in welchem er längere Zeit als Abt wirkte, in der That nicht zu Limoges, sondern etwa am Comer-See, nämlich zu Comacina (insula Lariensis), zu suchen. Als Bischof Abrunculus (nicht Rusticus) von Trier starb, wurde er durch den König Theoderich I. von Austrasien, wahrscheinlich im J. 527, statt des vom Klerus gewünschten Gallus zu seinem Nachfolger ernannt. Mit ihm nahm (Friedrich, K.-Gesch. Deutschl. II. 181) die Trierer Kirche wieder einen Aufschwung, wie sie ihn zur Zeit ihrer großen Bischöfe Maximinus und Paulinus (s.d. d.) gesehen hatte. Er gewährt, wie ein anderer Geschichtschreiber sagt (Rettberg, K.-Gesch. Deutschl. II. 181), das anziehende Bild eines Kirchenfürsten, der mit hierarchischem Ernste die so schwierige Aufgabe der geistlichen Führung der kaum bekehrten zügellosen fränkischen Großen durchzuführen wußte. Strenge Ascese für sich und die ihn umgebenden Geistlichen, Wohlthätigkeit und Aufopferung für Unterdrückte, reine und volle Orthodoxie allem Häretischen gegenüber, waren die Mittel, wodurch er der rohen fränkischen Kraft Achtung abgewann. Gleich bei seinem Einzuge in Trier trat er dem Uebermuthe des Gefolges, das ihm der König mitgegeben, sehr entschieden entgegen. Als sie nämlich bei der letzten Rast, dicht vor der Stadt, die losgebundenen Pferde schonungslos in die Saaten trieben, drohte er ihnen sofort mit der Ercommunication und zwang sie so zur Schonung des Getreides. Seine Hirtentreue und Aufopferung übertraf alle Erwartung.2 Furchtlos wandte er gegen die Fleischesvergehen der fränkischen Großen kirchliche Censuren an. Als er dieselbe Strenge selbst gegen die Könige und deren Hofleute übte, wurde er von Chlotar I. verbannt. Das Exil erhöhte seinen Ruf. Einst kam zu ihm ein Mann mit langem Bart- und Haupthaar, der aus einem Seesturm auf dem Mittelmeer sich nur durch Anrufung des Gottes des [533] Nicetius gerettet und gelobt hatte, vor einem Besuche bei ihm sich nicht zu scheeren. Um Herstellung und Erneuerung der Gotteshäuser erwarb er sich große Verdienste. Täglich predigte er dem Volke, nahm er das Bekenntniß seiner Sünden entgegen und bat er um die Nachlassung derselben. Auch ein befestigtes Schloß mit dreißig Thürmen erbaute er unterhalb Trier an der Mosel. Die Künstler hiezu berief er aus Italien, an deren Spitze ein gewisser Rufus stand. Seine Wirksamkeit erstreckte sich über die Grenzen seines Bisthums. An Clodoswinde, Gemahlin des Longobarden königs Alboin, eine fränkische Prinzessin, erließ er eine Aufforderung, ihren Gemahl vom Arianismus abzubringen. Er beweist die Wahrheit der kathol. Lehre aus der Wunderkraft der Kirche und der Reliquien bei den Rechtgläubigen und deren Ohnmacht bei den Arianern. Den Kaiser Justinian warnte er wegen seiner monophysitischen Tendenzen in sehr scharfer Weise. Auf den Synoden seiner Zeit war er ein eifriges Mitglied. Wir finden ihn im J. 535 zu Clermont, in Auvergne, 549 zu Orleans auf dem 5. Concil, 550 zu Auvergne und ebenso zu Toul, 553 zu Paris. Außer mehreren Briefen haben sich zwei Schriften liturgischen Inhalts von ihm erhalten; die eine führt den Titel: De vigiliis servorum Dei (von den Nachtwachen der Diener Gottes), die andere: De bono psalmodiae (von dem geistlichen Nutzen des Psalmensingens). Aus beiden (übersetzt von Mandernach, März 1850) leuchtet seine tiefe, innige Frömmigkeit, seine Demuth, sein Eifer für Gottes Ehre und seine Gelehrsamkeit deutlich hervor. Ueberdieß hat er ohne allen Zweifel was er Andern anräth selbst in vollkommener Weise geübt. So sehr der Schlaf nothwendig sei, führt er in der erstern Schrift aus, um die zur Arbeit des Tages nöthigen Kräfte zu bewahren und zu stärken, so sei es gleichwohl auch bei Weltleuten nichts Ungewöhnliches, auch noch einen Theil der Nacht zu ihren Geschäften zu verwenden. Um so weniger dürfe dieß solchen mißdeutet werden, welche der geistlichen Uebungen wegen das Gleiche zu thun pflegen. Hierauf zeigt er den großen Nutzen des nächtlichen Gebetes aus der Erfahrung und aus Beispielen der heil. Schrift. Im Schlusse sagt er unter Anderm: »Gut ist allerdings die Betrachtung und das Gebet bei Tage, aber zur Nachtzeit ist es viel gnadenreicher und wirksamer; bei Tag hindert uns das Geräusch verschiedener nothwendiger Arbeiten und Geschäfte an der Sammlung des Geistes, vielfache Sorge zerstreut den Sinn, die Nacht aber ist still und ruhig, den Betenden sehr tauglich und den Wachenden angenehm, weil man von den täglichen Geschäften frei ist und sich mit voller Sammlung vor das Angesicht Gottes stellen kann.« Hieran anschließend ermahnt er mit eindringlichen Worten zu einem wahrhaft frommen Psalmengesang, indem er in der zweiten Schrift zeigt, wie wohlgefällig derselbe dem lieben Gott sei und wie nützlich für uns: »durch die Psalmen werden wir ergötzt, durch die Gebete befruchtet, durch die eingestreuten Lectionen genährt.« Es geht uns wie Gästen, die um so vergnügter sind, je mehr die Speisen abwechseln; ebenso nämlich werden wir durch die Verschiedenheit der Lesung und der Hymnen reichlich bedient. Zuletzt folgt eine Anleitung zum andächtigen und erbaulichen Gesang und eine Warnung vor den Fehlern, die sich dabei leicht einschleichen. (Beide Abhandlungen vollständig bei d'Achery, spicil. I. 221–225.) Ebenso athmen auch seine noch vorhandenen Briefe Frömmigkeit und Gelehrsamkeit. Kein Wunder, daß er nach dem Zeugnisse Gregors von Tours auch vom Volke wegen seiner bewunderungswürdigen Rednergabe, seiner guten und wunderbaren Werke sehr gerühmt wurde, denn er glänzte durch das Verdienst des Almosens, der Nächstenliebe und vollendeten Heiligkeit (hist. Franc. X. 29. de gl. conf. c. 94). Gegen sich karg, hatte er (Friedrich, l. c. S. 184) stets offene Hände für die Nothleidenden jeder Art. Der Verbannte fand bei ihm einen zweiten heimatlichen Heerd. Seine Hilfe war ledem sicher. Von ihm ging kein Hungernder ungesättigt hinweg, er trocknete allen Armen die Thränen und beseitigte die Klagen der Trauernden. In Allem was er forderte ging er mit eigenem Beispiele voran. Seinen Tod setzt man gewöhnlich ins J. 566. Er wurde mit den Ehren eines Heiligen bei St. Maximin beigesetzt und an seinem Grabe geschahen bald wunderbare Heilungen. (Mart. I. 314.) Im J. 942 wurden seine Reliquien mit denen anderer Heiligen vom hl. Hildulphus feierlich erhoben. Das Mart. Rom. nennt ihn gleichfalls am 6. Dec.


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 4. Augsburg 1875, S. 533-534.
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