Stephanus, S. (53)

[376] 53S. Stephanus, Diac. et Protomart. (26. Dec. al. 7. Mai, 3. August). Das glorreiche Leben und Ende des heil. Erz- oder Erstlings-Martyrers Stephanus ist ausführlich in der Apostelgeschichte enthalten, auf welche wir verweisen. Auf seinem Grabsteine fand man den syrischen Namen »Cheliel« oder »Chelial«, d. i. »Krone Gottes«, so daß man aus dem griechischen Namen, den er in der Apostelgeschichte führt, nicht mit voller Sicherheit auf seine griechische Abkunft schließen könnte, wenn nicht seine mit Juden griechischer Zunge gehaltenen Disputationen, welche griechische Sprache und Bildung zur Voraussetzung haben, diese Annahme im voraus rechtfertigten. Hiemit läßt sich dagegen die fast allgemein getheilte Meinung, der hl. Stephanus sei einer der 72 Jünger Jesu gewesen, nicht vereinigen. In der ersten Christengemeinde zu Jerusalem war er durch die kräftige Fülle seines Glaubens, durch feurige Beredsamkeit und innige Liebe zu Jesus ausgezeichnet. Auf ihn fielen daher die meisten Stimmen, als es sich darum handelte, die Armenpflege vom Dienste der Apostel auszuscheiden. Die Wahl berechtigte aber noch nicht zur Ausübung des Amtes. Man brachte ihn also vor das Apostelcollegium, und diese weihten ihn durch Handauflegung und Gebet. Sein Amt bestand zunächst in der Aufsicht über die Wittwen, welche dem Dienste der Armen vorstanden, und die Pflege der Armen überhaupt. Hiemit war wie in späterer Zeit zugleich die Sorge über das Kirchengut verbunden. Kirchengut und Armengut sind [376] Begriffe, die sich kirchlich genommen gegenseitig decken. Auch die Bedürfnisse des Gottesdienstes wurden ja durch die Almosen der Gläubigen bestritten, und die Kirchendiener bezogen ihren Unterhalt aus derselben Kasse wie die Armen. Mehr als sie bedurften, sollten und durften auch sie nicht bekommen. Dazu war der hl. Stephanus auch als Prediger des Evangeliums thätig. Er bewirkte so zahlreiche Bekehrungen, auch unter den jüdischen Priestern, daß die Juden den gänzlichen Untergang der Synagoge befürchteten. Auch war er mit außerordentlicher Wunderkraft ausgerüstet, durch welche er, wie die Apostelgeschichte hervorhebt, vorzüglich auf das Volk wirkte. Die »großen Wunder«, die er that, standen mit seinem Diaconatsamte im engsten Zusammenhang, weßhalb wir uns dieselben nur als solche der erbarmenden, heilenden und rettenden Liebe denken dürfen. Wenn es heißt: »Er war voll Gnade und Kraft,« so will das allerdings sagen: die Gnade wirkte kräftig in ihm, aber nicht sie allein, er ließ es an kräftiger Mitwirkung nicht fehlen. Um sich eine richtige Vorstellung von seiner Wirksamkeit zu machen, darf man nicht übersehen, wie die Juden es für nöthig hielten, mehrere Synagogen: die römische (sie hieß die Synagoge der Libertiner, d. i. der Freigelassenen), die africanische (aus Cyrene und Alexandria) und die asiatische (aus Cilicien und dem eigentlichen Asien) gegen ihn zu vereinigen. Doch fiel die eingeleitete Disputation zu ihren Ungunsten aus, da sie »der Weisheit und dem Geiste, der (aus ihm) redete, nicht widerstehen konnten.« Jetzt aber wurde, wie allemal in solchen Fällen, Hinterlist und Gewalt angewendet, um sich seiner zu entledigen. Man stellte ihn vor den hohen Rath, unter der von falschen Zeugen bestätigten Beschuldigung: er rede fortgesetzt wider Moses, d. i. das Gesetz, und den heiligen Ort, d. i. gegen den wahren Gottesdienst. Er stand vor seinen Anklägern und Richtern mit dem Ausdrucke so großer Unschuld und Reinheit in Angesicht und Haltung, daß »Alle, die ihn ansahen, einen Engel zu sehen glaubten.« Seine Vertheidigungsrede wolle man in der Apostelgeschichte nachlesen. Die Anklage widerlegt er dadurch, daß er die göttliche Auserwählung und Führung des Volkes Israel von der Berufung Abrahams angefangen nachweist, und ein vollkommen rechtgläubiges Bekenntniß ablegt. Mit größter Ausführlichkeit redet er auch von Moses, durch dessen Hand Gott das Volk erretten wollte, der aber nach Madian flüchten mußte, weil es ihn nicht annahm, später aber nochmals als Gesandter Gottes vor ihm erschien, sich als solchen durch Wunder und Zeichen legitimirte, und sein Volk wirklich befreite. Die Wahl seiner Worte und deren Zusammenstellung lassen keinen Zweifel, daß er zwischen Moses und Christus, dem Vorbilde und der Erfüllung, und zwischen dem Verhalten der Juden gegen beide eine Vergleichung anstellen wollte. Besonders klar geht dieß aus folgender Stelle hervor: »Eben dieser Moses, den sie verleugneten, da sie sprachen: Wer hat dich zum Fürsten und Richter bestellt? diesen hat Gott zum Fürsten und Erlöser gesendet mit der Hand des Engels, der ihm im Dornbusche erschienen ist.« Dieser Engel ist Christus. Aber ihre Väter gehorchten ihm nicht, sondern kehrten mit ihren Herzen wieder nach Aegypten zurück, und so trieben sie es fort, bis sie nach Babylon in die Gefangenschaft abgeführt wurden. Das heilige Zelt, »das Moses auf Gottes Geheiß errichtet hatte«, und für welches Salomon später den Tempel erbaute, deuteten sie irrig wie die Heiden, als ob er, der Höchste, sich in einem Gebäude, das Menschenhände aufgerichtet, einschließen lasse. Hiemit war seine Vertheidigung geschlossen, und Niemand konnte und wollte eine Einwendung erheben.30[377] Daran schließt sich als zweiter Theil seiner Rede die Darlegung, daß die Israeliten auch jetzt noch ihren Vätern ähnlich seien: das Fleisch sei beschnitten; den Buchstaben des Gesetzes bewahrten sie sorgfältig, aber dem hl. Geiste, der aus demselben redet, leisteten sie Widerstand; wie ihre Väter die Propheten mordeten, welche die Ankunft »des Gerechten« verkündeten, so hätten sie Ihn selbst, als Er kam, an die Heiden verrathen und gemordet, und so kam er zu dem Schlusse: das Gesetz und der Tempel ist heilig; – ihr, nicht ich, nicht die Jünger Christi, ihr seid die Verächter; ihr »habt das Gesetz durch die Dienstleistung der Engel empfangen, aber nicht gehalten.« Eine Widerlegung war unmöglich. Kein Wunder, daß sie diese vernichtende Rede nicht ertragen konnten: »Da sie das hörten, schnitt es ihnen mitten durch die Herzen, und sie knirschten mit den Zähnen wider ihn.« Er aber, da er voll des hl. Geistes war, blickte aufwärts zum Himmel, und sah die Herrlichkeit Gottes und Jesum zur Rechten Gottes stehen. Und er sprach: »Sehet, ich sehe den Himmel offen, und den Sohn des Menschen stehend zur Rechten Gottes.« Da hielten sie, mit lauter Stimme schreiend, die Ohren zu, und stürmten Alle wie ein Mann auf ihn los. Und sie trieben ihn bei der Stadt hinaus und steinigten ihn. Er aber rief zu Gott und sprach: »Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!« Dann warf er sich auf die Kniee und betete mit lauter Stimme rufend: »Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!« Und nachdem er dieses gesagt und sterbend für seine Verfolger gebetet hatte, entschlief er im Herrn. So geschehen im 7. Monate nach der Auffahrt Christi, im 18. Jahre des Kaisers Tiberius. Von diesem Tage an wurde die Verfolgung der Kirche Gottes groß; die Christen zerstreuten sich mit Ausnahme der Apostel im ganzen Lande und in Samaria. Namentlich Saulus, welcher dem Tode des hl. Stephanus zugestimmt und die Kleider der Steiniger bewahrt hatte, fing an, gegen die Gläubigen förmlich zu wüthen. Seine Bekehrung schreiben die Väter der Fürbitte des heil. Stephanus zu. Gottesfürchtige Männer bestatteten seine Leiche und hielten große Trauer um ihn. Es ist nicht zu zweifeln, daß sie auch die vom Blute des Erzmartyrers gerötheten Steine sorgfältig sammelten und aufbewahrten. Einer derselben wird zu Rom in der Sebastianskirche und ebenso bei San Lorenzo bis auf den heutigen Tag gezeigt. Was die fromme Ueberlieferung von seinem Begräbnisse und der Auffindung seiner Reliquien im J. 415 erzählt, für welche der hl. Augustinus als Zeuge einsteht, ist in diesem Werke (II. 350) schon berichtet. Dieselben wurden, wie bei Nicetas zu lesen ist, anfänglich auf dem Berge Sion, und hernach in einer von einem Senator, Namens Alexander, zu seiner Ehre erbauten Kirche beigesetzt. Auch die Kaiserin Eudoxia, Gemahlin Theodosius II., erbaute zu seiner Ehre an dem Orte seiner Steinigung eine Kirche. In der Folge kamen dieselben nach Constantinopel und von da um die Mitte des 6. Jahrh. unter dem heil. Papste Pelagius I. (vom Jahre 555–560), der diese Vergünstigung von dem Kaiser Justinian erlangt hatte, nach Rom, wo der größte Theil derselben unmittelbar an der Seite des hl. Laurentius in demselben Grabe bestattet ist. Die Uebertragungsfeier wird am 7. Mai, seine Auffindung am 3. August begangen. Papst Leo III. brachte bei seinem Besuche in Westphalen, im J. 799, Reliquien des heil. Martyrers nach Paderborn und weihte in der dortigen, von Carl d. Gr. erbauten Domkirche einen Altar zu Ehren dieses Heiligen ein Das Gleiche that er in Detmold. Das Bisthum zu Halberstadt stellte der genannte Kaiser unter den Schutz des hl. Stephanus Auch für das Kloster Neu-Corvey wurde er zum ersten Patron erkoren. (Kampschulte, westfäl., K.-P. S. 46. ff.) Kleinere Reliquien finden sich fast überall. Sein Haupt wird zu Pavia verehrt. Auf Bildnissen sieht man den hl. Erzmartyrer gewöhnlich in seinem Martyrium dargestellt. Einzeln findet er sich meistens als Diacon, die Palme und einen Stein in der Hand, oder im Levitenkleide tragend. In der St. Laurentiuskirche zu Rom trägt er ein Buch mit der Inschrift: adhaesit anima mea, d. h. »meine Seele ist treu geblieben« (Ps. 62, 9.) Auf andern Bildern ist er, weniger passend, mit einem Weihrauchfasse dargestellt. In einer africanischen Kirche sah man ihn, wie Evodius berichtet, als Jünger Jesu, das Kreuz tragend, abgebildet. Die zu seiner Ehre [378] erbauten Kirchen und Altäre sind zahllos. Besonders sind ihm seit alter Zeit die meisten Gottesäcker geweiht. Im Kirchengebete zu seiner Ehre rufen wir zu Gott um die Gnade der Feindesliebe, die der Heilige sogar im Tode noch so glänzend geübt hat. Zugleich begeht man an seinem Festtage das Andenken an alle heiligen Martyrer.


Quelle:
Vollständiges Heiligen-Lexikon, Band 5. Augsburg 1882, S. 376-379.
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