Erkenntniß

[598] Erkenntniß, die, lat. cognitio, frz. connaissance, engl. knowledge, heißt im allgemeinen die genaue und namentlich auf wissenschaftlichem Wege gewonnene Kenntniß von einem Gegenstande, näher das Erfassen desselben in seinem Wesen, in seinen Beziehungen zu seiner Art u. Gattung und zum All der Dinge, kurz in seiner Wahrheit oder Idee. Die E. hat verschiedene Stufen u. Grade, über welche man noch sehr uneins ist und zwar 1) weil Erkennen und Handeln, der intellectuelle u. moralische Mensch, in einem ebenso tiefen als unläugbaren Zusammenhange stehen und sich gegenseitig bedingen; 2) weil Salomos Klage über die Unzulänglichkeit u. Nichtigkeit alles menschlichen Erkennens sich bis heute mehr od. minder reichlich an allen Theorien und Systemen bewährt hat; 3) weil es bis heute noch an einer genügenden E.theorie oder Lehre von den Gesetzen des E. vermögens und den Vorgängen, wodurch das Erkennen vermittelt wird, fehlt. Am durchgängigsten ist der Unterschied von Erfahrungs-E., E. a posteriori, die ihren Stoff aus dem Gebiete der äußern und innern Erfahrung holt, Verstandes- oder Vernunft-E., E. a priori, welche durch Schlüsse vom Gegebenen u. Sichtbaren auf das Unsichtbare, Ewige u. Wahre folgert u. speculative od. intuitive E., deren Quell die unmittelbare innere Anschauung des Gemüthes und deren Gegenstand vorherrschend das Uebersinnliche und Jenseitige ist. Die von Kant angenommenen [598] Grade der E.: Meinen, Glauben, Wissen, sind als unhaltbar längst erkannt worden. – E., das, das richterliche Urtheil.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 598-599.
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