Herodot

[288] Herodot, häufig der »Vater der Geschichte« genannt und nicht mit Unrecht, insofern er den Uebergang von der Logographie zur eigentl. Geschichtschreibung machte, war ein 484 v. Chr. zu Halikarnaß in Karien geb. dorischer Grieche, machte weite Reisen in Aegypten, Asien und Osteuropa, lebte dann längere Zeit in Athen, soll bei den olympischen Spielen Abschnitte seines Werkes vorgelesen, dasselbe aber erst zu Thurium in Unteritalien vollendet haben, wohin er um 444 auswanderte u. wo er 408 st. Er wollte den Kampf der Hellenen mit den Barbaren der Nachwelt erzählen; der Grundgedanke seines Werkes ist: die Perser waren Herren der Welt u. sind von den Griechen geschlagen worden. H. ist religiös, charakteristisch seine Angst vor dem Neide der Götter, in polit. Dingen ein Kind; er steht nicht an, Ansichten seiner Zeit einer weit frühern und griech. Reden Persern in den Mund zu legen u. wenn es sich seit Napoleons Expedition nach Aegypten immer mehr herausstellte, daß H. keineswegs so schlecht beobachtete u. so leichtgläubig war, wie noch das 18. Jahrh. ihm vorwarf, so ist anderseits leicht zu beweisen, daß er mitunter auf Leichtgläubigkeit von Seite des Lesers rechnete. Das Einfachschöne, Süße seiner Darstellungsweise u. jonischen Mundart bleibt unbestritten, wenn man auch mit Plutarch Heuchelei dahinter witterte. H.s Werk hat 9 B., spätere Grammatiker gaben jedem derselben den Namen einer Muse. Die ersten 4 Bücher sind ganz mit Vorgeschichte u. Reisebeobachtungen angefüllt, erst im 5. macht sich H. daran, von der Hauptsache, dem persisch-griech. Kampfe, zu reden und dieses wie die folgenden bleiben reich an Episoden verschiedener Art. Eine gewisse [288] Vorliebe für Athen und Perikles verleugnet sich nicht, ein eigentl. Schluß fehlt, das Ganze reicht bis zur Schlacht bei Mykale 479 v. Chr. Andere Werke des H. sollen untergegangen, ein »Auszug aus dem Leben Homers« ihm unterschoben sein. Erste Ausg. (Aldiner) Venedig 1502, beste von Bähr (Leipzig 1830–35, 4 B.); neueste Handausg. von Dietsch (Leipz. 1854, 2 B.). Vgl. Creuzers: »H. und Thukydides«, Leipzig 1798.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 288-289.
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