Vormundschaft

[646] Vormundschaft, Fürsorge für andere, sei es nur für deren Vermögen (Curatel) oder zugleich auch für deren persönliche Verhältnisse, z.B. Erziehung (Tutel). Der Vormund (Vogt, Tutor, Curator) vertritt die rechtliche Persönlichkeit des Bevormundeten (Vögtling, Mündel), so daß der letztere ohne des erstern Zustimmung sich nicht obligiren kann; er sorgt für die Interessen des Bevormundeten wie ein treuer Hausvater für sich selber und ist in diesem Sinne verantwortlich; er legt von Zeit zu Zeit Rechnung ab, namentlich mit der Uebergabe des Vermögens am Ende der V.; er verrechnet seine Auslagen u. bezieht für seine Mühe gar keine oder nur eine sehr kleine Entschädigung. Zur Uebernahme der V. ist jeder Bürger, zunächst aber die Verwandten verpflichtet, doch befreien gewisse Umstände davon (hohes Alter, Krankheit, bereits übernommene V.). Der Vormund wird erwählt, mit Berücksichtigung der Wünsche des Bevormundeten, der Familie od. Testamente, von den V. sbehörden (Waisenämter), die mit eigener Verantwortlichkeit das V. swesen zu überwachen haben u. über den sämmtlichen V. sbehörden steht als Ober-V. in der Regel die Landesregierung, welche dann auch die vormundschaftl. Verwaltungsstreitigkeiten letztinstanzlich entscheidet. Hie und da liegt das V.swesen in der Hand der Familie (Familienrath). Unter V. stehen die elternlosen Minderjährigen (Waisen) bis zu ihrer Volljährigkeit od. Heirath; durch Gerichtsbeschluß, auf Verlangen der Verwandten oder Gemeinde die Verschwender, Geisteskranken u. höchst Gebrechlichen; die freiwillig unter V. sich Begebenden, etwa wegen hohen Alters; das Vermögen der Abwesenden. – Analog redet man von väterlicher V. über die Kinder, von ehelicher V. des Mannes über die Frau, von Geschlechts-V. für volljährige unverehelichte Weiber, von staatlicher V. über lüderliche Gemeinden.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 646.
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