Interesse

[293] Interesse (lat. interesse), eigtl. das Dabeisein, Teilnehmen, ist die freudige Aufnahme, das Entgegenkommen, das wir einer Sache gegenüber zeigen. Es ist das Ergebnis der Aufmerksamkeit; wo diese fehlt, kann sich kein Interesse herausbilden, und andrerseits weckt das Interesse immer von neuem die Aufmerksamkeit. So stehen beide in Wechselwirkung. Es ist schwer, bei Anfängern für einen Unterrichtsgegenstand Aufmerksamkeit zu erwecken, weil noch das Interesse fehlt, man muß Interesse stiften, wo man auf jene rechnen will; die Vorschrift: »Unterrichte interessant« kommt deshalb darauf hinaus: »Unterrichte so, daß ein Interesse erwacht!« Wovon wir schon eine Vorstellung, aber noch kein fertiges Wissen haben, das interessiert uns; was uns zu fremd oder zu bekannt ist, langweilt uns. Allgemeine Interesselosigkeit zeugt entweder von Roheit oder von Blasiertheit. Je nach Bildung, Erziehung, Beruf, Alter und Geschlecht hat der Mensch aber verschiedene Interessen. Dem sinnlichen Menschen ist nur das Sinnliche, Nützliche interessant; der höher Gebildete hat Interesse an geistigen Dingen. Von dem die einzelnen Stände, Geschlechter usw. Interessierenden ist das, was allen Menschen interessant sein soll, verschieden Dies ist das Menschliche, das an sich Wertvolle, das die höheren Tätigkeiten beschäftigt oder der Ausdruck derselben ist. Zu diesen Interessen gehören das gesellschaftliche, politische, ästhetische, sittliche und religiöse Interesse. Kant definiert Interesse als das, wodurch Vernunft praktisch, d.h. eine den Willen bestimmende Ursache wird (Grundlage d. Metaphysik d. bitten III. Abschn. von der äußersten Grenze aller prakt. Phil.). – Interessiert heißt sowohl teilnehmend als eigennützig. Wenn Kant das Wohlgefallen am Schönen »uninteressiert« nannte, meinte er »uneigennützig, begierdefrei«, aber nicht »ohne Teilnahme«. – Interessenharmonie, d.h. Verträglichkeit der Interessen von Individuen, Klassen und Völkern findet nach Bastiat (1801-1860) statt, soweit diese berechtigt sind, nach Carey (1793-1879) überhaupt nicht.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 293.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: