Reproduktion

[512] Reproduktion (vom lat. re- und producere, wiedererzeugen = Wiedererzeugung) nennt die Physiologie den Kreislauf von Stoffen, durch den der lebende Organismus fortwährend schrittweise erneuert wird, indem neue Gebilde an Stelle der durch den Lebensprozeß abgenutzten treten. – In der Psychologie bedeutet es die Erneuerung und Wiederkehr früherer Vorstellungen durch das Bewußtsein. Keine Reproduktion erneuert eine frühere Vorstellung unverändert. Die unmittelbare, d.h. gleichsam spontane Reproduktion verknüpft Gleichartiges, die mittelbare, durch Hilfen vermittelte, Gleichzeitiges. Jene bildet den logischen, diese den mechanischen Faktor des Vorstellungsverlaufs; jene betätigt sich bei den Schöpfungen des Genies und der wissenschaftlichen Arbeit, diese dagegen bei gewohnheitsmäßiger Beschäftigung und beim Gespräche. Die Reproduktion erfolgt nach den Gesetzen der Assoziation (s. d.). Unterarten der Reproduktion sind das Gedächtnis, die Erinnerung, das Memorieren und die Phantasie. Es ist nicht leicht zu erklären, worauf sie eigentlich beruhe. Die materialistische Deutung, die sich selbst bei Platon, Descartes, Malebranche und Locke findet, wonach stoffliche Residuen, Spuren oder Furchen im Gehirn die Ursache seien, ist überwunden. Ebensowenig genügt die Erklärung Herbarts, welcher den Vorstellungen Selbstbestimmung beilegt, kraft deren sie frei steigen, sich hemmen und verschmelzen. Der eigentliche Grund der Reproduktion ist die von den aktuellen Vorstellungen ausgehende assoziative Wirkung (Wundt, Grundz. d. physiol. Psychologie. II, S. 395). Vgl. Gedächtnis, Erinnerung, Assoziation, Vorstellung. – Natürlich kann man auch eine Reproduktion der Gefühle und Begehrungen beobachten.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 512.
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