Selbstbeobachtung

[561] Selbstbeobachtung ist die Aufmerksamkeit auf unser eigenes Wesen, unsere Anlagen, unsere Art zu denken, unsere Neigungen, unsere Handlungsweise. Sie dient dazu, uns unsere Fehler erkennen zu lehren und uns psychologische Erkenntnis zu geben. Die Selbstbeobachtung ist sogar eine Hauptquelle der Psychologie und für jeden einzelnen der Weg, um andere Menschen verstehn zu können: »Willst du die andern verstehn, blick' in dein eigenes Herz.« (Schiller.) Aber sie hat ihre Schwierigkeiten; denn es entziehen sich ihr die Affekte, das angestrengte Denken, das Aufmerken, die künstlerische Begeisterung, überhaupt alles Aktuelle. Erst wenn ein Seelenzustand schwindet, können wir ihn beobachten, und während wir ihn betrachten, entschwindet er uns und hält vor unserem geistigen Auge nicht stand; auch ist die Selbstbeobachtung nur bei schon vorgeschrittenem Seelenleben ausführbar. Daher kann man sagen: je ernstlicher wir uns beobachten wollen, desto weniger finden wir zu beobachten vor. Vgl. Beneke, Neue Psychologie 1845. S. 20. Wundt, Vorles. ü. d. Menschen- u. Tierseele. Lpz. 1863. S 21.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 561.
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