Treue

[649] Treue ist die feste Gesinnung und Zuverlässigkeit eines Menschen im Verkehr mit anderen. Sie findet ihren Platz überall, wo der Mensch Pflichten unterworfen ist, ein gegebenes Wort zu halten hat, und vor allem im Verkehr der Ehe und der Freundschaft. Ein treuer Mensch erfüllt seine Pflichten unaufgefordert, rechtfertigt das in ihn gesetzte Vertrauen und bemüht sich, die Erwartungen, die andere von ihm haben, zu erfüllen. Ein treuer Mensch bricht nie sein Wort, die Ehe ist ihm heilig, und an dem einmal gewählten Freunde hält er unverbrüchlich fest. Treue ist ohne Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit, ohne Gewissenhaftigkeit und Selbstzucht nicht möglich. Auf die Treue, die »jedem Menschen wie der nächste Blutsfreund« ist (Schiller, »Wallensteins Tod« I, 6), sind wir alle angewiesen im Staat, im Verkehr, in der Ehe, in der Freundschaft usf. Demgemäß sagt die Bibel: ginou pistos achri thanatou, kai dôsô soi ton stephanon tês zôês (Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben, Apokal. 2, 10), und das einfache herzliche Wort Höltys bleibt ebenso berechtigte Mahnung: »Üb' immer Treu und Redlichkeit bis an dein kühles Grab!« wie Walthers Wort wahr bleibt: er saelic man, si saelic wîp, der herzen einander sint mit triuwen bî. Berühmte Vorbilder der Treue sind die dreihundert Lakedaimonier in den Thennopylen.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 649.
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