gewiß

[241] gewiß nennen wir dasjenige, von dessen Wahrheit wir überzeugt sind; je nachdem wir uns dabei auf subjektiv oder objektiv zureichende Gründe stützen, ist etwas für uns allein oder für alle gewiß. So sind z.B. alle Glaubenserfahrungen zwar für den, der sie hat, etwas Gewisses; was sie aber begründen, gilt nicht für andere. Ein niederer Grad der Gewißheit ist die Wahrscheinlichkeit. Über sie führt z.B. alle Induktion nicht hinaus. Alle Gewißheit ist ferner eine unmittelbare, sofern sie sich auf Tatsachen, oder eine mittelbare, sofern sie sich auf Schlüsse gründet. Den Ausdruck der letzten, fundamentalsten Tatsachen bilden die Prinzipien, Axiome und Hypothesen, welche eines Beweises nicht fähig sind. Auf sie müssen auch alle Beweise schließlich zurückgehen, wenn sie stichhaltig sein sollen. Damit erscheint alle Gewißheit nur als eine relative. Manche Wahrheit, die für alle Zeiten gefunden zu sein schien, wird im Fortgang der Wissenschaft umgestaltet und verändert. Vgl. Beweis, Hypothese, Denkgesetz, Grund. Vgl. Windelband, ü. d. Gewißheit d. Erkenntnis. Berlin 1873. Poincaré, Wissenschaft u. Hypothese, übersetzt v. Lindemann. Lpz. 1904.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 241.
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