284. Der dreyfache Seufzer der Monarchie.

[363] (Zu erlangen, zu erhalten, und zu verlieren.1)


(Terpsichore, 1. Th. S. 68.)


Wenn unser Herz, mit Gottes Geschick vergnügt,

In Glück und Unglück beyde mit einem Muth

Zu tragen wüßte; wie so selig

Würden die Menschen auf Erden leben!


Dahingerissen von der Begierde Macht,

Sich nichts versagend, Alles mit Ungestüm

Anstrebend, Alles wagend, Alles –

O wie zerreißen das Herz des Menschen
[363]

Die Furien! Wo enden die Seufzer, wo?

Zu haben? Ach, wir wünschen Alles, stäts

In Furcht, es zu verlieren, immer

Drückend die Beute, sie zu behalten.


Nach Allem strebt der Sterbliche. Höchstes war

Ihm nie zu hoch, und kennet – ein arm Geschöpf –

Des Schicksals Maaß nicht, daß die Urne

Immer sich wälzet, und Nichts bestehet.


Wie Pfeile fliegen unsre Wünsche: jezt

Voran, vorüber, wieder im Rücken uns;

Der Schutze schießt, und liegt von eignen

Brennenden Pfeilen, wie tief verwundet.


Im Mederlande konnte ja Xerres still

Regieren; und der hungrige Löwe griff

Nach Mehrerem, als er verschlingen,

Als er im Glücke verdauen konnte.


Hin übern Pontus, über Thermopylä

Durchbrach den Athos Er, ein Unsinniger;

Der Thor bepflasterte die Fluthen,

Hüpfend aus ihnen, ein toller Knabe.


Der alle Ströme wollte mit Einem Zug'

Ausleeren, kehrte Flotten- und Siegberaubt

Zurück. Die Peitsche, die das Weltmeer

Geißelte, war in die Fluth gesunken.
[364]

Und Jener, den der stolze Bucephal trug –

Des Vaters Reiche waren ihm viel zu klein;

Zur Sonnengränz' hinaus, der Länder

Ufer hinüber, erjagt ein Reich Er.


Schon waren Baktra, Susa, Persepolis

Vereint dem Indus, als er die andre Welt

In Schiffen suchte. Da erseufzte

Thetis; es brüllte der Ocean auf,


Und lauter brüllt dem Wagenden seine Brust:

Denn keinen Theil der Erde; das Ganze will

Der Räuber, will hinauf zu Sternen –

Siehe, da liegt er im engen – Grabe!


Im Tode nur ermattet die Habbegier;

Jemehr sie trinkt, je schärfer entflammt der Durst,

Bis Thanatos mit seinem Tranke

Kühlet dem Lechzenden Glut und Flamme.


Da stirbt dann Crösus – glaub' ich – dem Irus gleich,

Und Crösus möchte lieber ein Irus seyn. –

Deckt uns der Himmel und ein wenig

Erde; was halfen euch Ehrenmähler,


Pompejus, Cäsar, als ihr daniederlagt?

O bittersüßer Taumel der Ehrbegier!

Du Krone, die von Sorgen blinket,

Triefst du Aloe oder Honig?

1

Quid est Monarchia, nisi triplex suspirium, obtinendi, retinendi, amittendi? Diese politische Sentenz stand an der Decke eines kurfürstlichen Zimmer.

Quelle:
Laukhard, Friedrich: Zuchtspiegel für Eroberungskrieger, Advokaten und Aerzte. In: Zuchtspiegel für Fürsten und Hofleute, Paris [i.e. Leipzig] 1799, S. 363-365.
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