|
[363] (Zu erlangen, zu erhalten, und zu verlieren.1)
(Terpsichore, 1. Th. S. 68.)
Wenn unser Herz, mit Gottes Geschick vergnügt,
In Glück und Unglück beyde mit einem Muth
Zu tragen wüßte; wie so selig
Würden die Menschen auf Erden leben!
Dahingerissen von der Begierde Macht,
Sich nichts versagend, Alles mit Ungestüm
Anstrebend, Alles wagend, Alles –
O wie zerreißen das Herz des Menschen
[363]
Die Furien! Wo enden die Seufzer, wo?
Zu haben? Ach, wir wünschen Alles, stäts
In Furcht, es zu verlieren, immer
Drückend die Beute, sie zu behalten.
Nach Allem strebt der Sterbliche. Höchstes war
Ihm nie zu hoch, und kennet – ein arm Geschöpf –
Des Schicksals Maaß nicht, daß die Urne
Immer sich wälzet, und Nichts bestehet.
Wie Pfeile fliegen unsre Wünsche: jezt
Voran, vorüber, wieder im Rücken uns;
Der Schutze schießt, und liegt von eignen
Brennenden Pfeilen, wie tief verwundet.
Im Mederlande konnte ja Xerres still
Regieren; und der hungrige Löwe griff
Nach Mehrerem, als er verschlingen,
Als er im Glücke verdauen konnte.
Hin übern Pontus, über Thermopylä
Durchbrach den Athos Er, ein Unsinniger;
Der Thor bepflasterte die Fluthen,
Hüpfend aus ihnen, ein toller Knabe.
Der alle Ströme wollte mit Einem Zug'
Ausleeren, kehrte Flotten- und Siegberaubt
Zurück. Die Peitsche, die das Weltmeer
Geißelte, war in die Fluth gesunken.
[364]
Und Jener, den der stolze Bucephal trug –
Des Vaters Reiche waren ihm viel zu klein;
Zur Sonnengränz' hinaus, der Länder
Ufer hinüber, erjagt ein Reich Er.
Schon waren Baktra, Susa, Persepolis
Vereint dem Indus, als er die andre Welt
In Schiffen suchte. Da erseufzte
Thetis; es brüllte der Ocean auf,
Und lauter brüllt dem Wagenden seine Brust:
Denn keinen Theil der Erde; das Ganze will
Der Räuber, will hinauf zu Sternen –
Siehe, da liegt er im engen – Grabe!
Im Tode nur ermattet die Habbegier;
Jemehr sie trinkt, je schärfer entflammt der Durst,
Bis Thanatos mit seinem Tranke
Kühlet dem Lechzenden Glut und Flamme.
Da stirbt dann Crösus – glaub' ich – dem Irus gleich,
Und Crösus möchte lieber ein Irus seyn. –
Deckt uns der Himmel und ein wenig
Erde; was halfen euch Ehrenmähler,
Pompejus, Cäsar, als ihr daniederlagt?
O bittersüßer Taumel der Ehrbegier!
Du Krone, die von Sorgen blinket,
Triefst du Aloe oder Honig?
1 | Quid est Monarchia, nisi triplex suspirium, obtinendi, retinendi, amittendi? Diese politische Sentenz stand an der Decke eines kurfürstlichen Zimmer. |
Buchempfehlung
Drei Erzählungen aus den »Neuen Dorf- und Schloßgeschichten«, die 1886 erschienen.
64 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro