297. Der wahre Held.

[383] (Trenks sämtl. Schr. 6. B. S. 80.)


Nur der ist ächter Held, der seine Bürger schüzt,

Und nur zu diesem Ziel der Feinde Blut versprizt;

Der durch die Feder kann des Krieges Ursach schlichten,

Und was gefährlich scheint, durch die Vernunft zernichten;

Der den Weltstürmer kühn von seinen Gränzen jagt,

Und für des Landes Wohl sogar sein Leben wagt;[383]

Der wie ein Vater lebt bey Millionen Kindern,

Der keinen unterdrückt, auch keinen sucht zu plündern.

Und durch der Steuern Last den Unterthan nicht kränkt,

Weil er auf künftig schon entworfne Kriege denkt,

Die er sich vorgesetzt, der Nachbarn Macht zu schwächen,

Vielleicht gar den Verlust der Ahnen noch zu rächen. –

Dem achten Helden wird stäts vor der Schande grauen,

Auf fremder Reiche Schutt sein Luftrevier zu bauen. –

Nur der ist wahrer Held, der wie ein Weiser lebt,

Und nicht nach Heldenruhm durch kühne Raubsucht strebt;

Der große Geister schüzt, der nicht Verläumder höret,

Den keine Leidenschaft in Fürstenwerken stöhret;

Der lieber Schuldige durch Huld zur Rene führt,

Als einen Redlichen versagt, was ihm gebührt;

Der lieber loben hört, als neiden und verklagen,

Nicht blind, noch hitzig glaubt, was Favoriten sagen,

Und doppelt strenge straft, wenn jemand ihn berückt,

Und, um behebt zu seyn, die Wahrheit unterdrückt!

Der Menschenfeinde nie uns zu gebieten wählet,

Und nicht gefühllos ist, wenn man Bedrängte quälet;

Kein hündisch Sklavenherz, dem Stock und Strick gebührt,

Je mit dem Titel-Prunk und Ordensbändern ziert,

Die mancher Fürst nur wählt, um Menschen recht zu plagen,

Und heimlich freudig lacht, wenn seine Sklaven sagen:

Der Herr ist gnädig, gut, barmherzig und gerecht,

Nur die Minister nicht. – Ja, ja, betrogner Knecht,

Geh in das Kabinet, da wirst du besser sehen,

Daß nur, was David will, durch Joabs Arm geschehen.

Das ist ein edler Held, der die Verstellung flieht,

Und dessen grosses Herz im Wohlthuns-Eiser glüht;[384]

Der selbst nach Allem forscht, Gesetz und Recht beschirmet,

Und durch des Machtspruchs Wuth nicht auf die Unschuld stürmet;

Der dein Beklagten Zeit, sich zu beschützen gönnt,

Selbst die Gesetze hält, auch unsre Rechte kennt;

Der jeden Unterthan als seinen Freund betrachtet,

Und nicht aus Politik, dem Moloch Opfer schlachtet;

Die souveräne Macht, wozu er wirklich taugt,

Die er despotisch hat, nie souverain gebraucht;

Der seine Bienen nie nach Bären-Art bestiehlet,

Nur Lust in fremder Lust, die er verursacht, fühlet;

Der durch Kommerzien des Landes Reichthum mehrt,

Und was zur Wirthschaft taugt, den schwachen Pöbel lehrt;

Der Wissenschaften liebt, die Klugen unterstützet,

Sein Volk zur Arbeit reizt, und selbst nicht müssig sitzet;

Der seiner Pfafferey nicht freyen Zügel läßt,

Die oft den Unterthan mehr als der König preßt,

Ihn selbst zum Sklaven macht, das Himmelreich verpachtet,

Und hinterm Altar lacht, wenn man ihr Opfer schlachtet;

Der Schmeichler von sich peitscht, – –

Der Kleinigkeiten flieht, und das, was er befiehlet,

Auch scharf befolgen macht, und nicht mit Frevlern spielet;

Der für die Jagdlust nicht der Bauern Feld verheert,

Der Weiber Schwäche schont, und falsche Pracht zerstöhrt;

Der, wenn er lachen will, sich als Monarch ergötzet,

Und sich als Fürst gebeut, wenn er uns Schranken setzt;

Der durch die Polizey der Ordnung Frucht erzwingt,

Und seines Adels Pflicht durch eignes Beyspiel winkt.

Die Ehrsucht, Ammons Sohn, ein halber Gott zu heißen,

Kann Alexandern schon den ganzen Ruhm entreißen:

Ein Klytus ist genug, der alles, was er that,[385]

Und wär es noch so groß, genug verdunkelt hat.

Wenn sich Machiavell auch noch so sein verstecket,

So wird durch eine That, die Larve abgedecket.

Wer heute Großmuth zeigt, und Morgen Tyranney,

Gebraucht die Eigenmacht zur Menschen-Sklaverey,

Und kann sein eigen Herz nicht in der Wuth bemeistern,

Der heißt ein schwaches Thier bey allen klugen Geistern.


Die Redlichkeit gehört auch zu der Menschen Pflicht:

Wer eigensinnig herrscht, den krönt die Tugend nicht.

Wer einmal untreu ist, dem wird kein Freund mehr trauen,

Dem stumpfet man zulezt die falschen Tigerklauen.

Ein Kato war ein Held, der ächten Ruhm erwarb,

Der für die Tugend focht, auch mit der Tugend starb.

Des Brutus Nachruf wird kein Kirchenfreund verdunkeln,

Man sieht die Großmuth noch aus seinem Dolche funkeln. –


Das ist ein wahrer Held, der Leidenschaften zwingt,

Und seine Laster nicht mit falscher Tugend schminkt,

Der nicht die Frechheit Muth, die Ehrsucht Größe nennet,

Der treuer Knechte Werth, auch eigne Fehler kennet;

Der nach der Tugend Maaß die wahre Größe mißt;

Der nicht groß scheinen will, doch groß in Werken ist.

Ein solcher Held beweißt nur ächte Heldenproben,

Den wird die kluge Welt, Soldat und Pöbel loben.

Doch wer, wie Philipps Sohn, den Heldenruf erringt,

Der hat, wenn gleich sein Ruhm bey tausend Siegen klingt,

Und seiner Lorbern Stamm in Büchern ewig grünet,

Nur wie Kartusch gelebt, und gleichen Lohn verdienet.

Quelle:
Laukhard, Friedrich: Zuchtspiegel für Eroberungskrieger, Advokaten und Aerzte. In: Zuchtspiegel für Fürsten und Hofleute, Paris [i.e. Leipzig] 1799, S. 383-386.
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