Zehntes Kapitel

[121] Bevor ich hier in meinem Lebensberichte weiter fortfahre und mich zu den kleinen Abenteuern hinwende, die mir an der afrikanischen Küste begegnet sind, wolle mir der geneigte Leser über die nunmehr ergriffene Lebensart einige Entschuldigung zugute kommen lassen. »Wie?« wird er vielleicht bei sich selbst gesagt haben, »Nettelbeck ein Sklavenhändler? Wie kommt ein so verrufenes Handwerk mit seinem ehrlichen pommerschen Herzen zusammen?« – Allein das ist es ja eben, daß dies Handwerk zu damaliger Zeit bei weitem nicht in einem solchen Verrufe stand, als seitdem man, besonders in England, wider den Sklavenhandel (und auch wohl nicht mit Unrecht) als einen Schandfleck der Menschheit geschrieben und im Parlamente gesprochen hat, und wenn er durch dies nachdrückliche Geschrei entweder ganz abgekommen ist oder doch mit heilsamen Einschränkungen betrieben wird: so ist gewiß auch der alte Nettelbeck nicht der letzte, der seine herzliche Freude darüber hat. Aber vor fünfzig Jahren war und galt dieser böse Menschenhandel als ein Gewerbe wie andre, ohne daß man viel über seine Recht- oder Unrechtmäßigkeit grübelte. Wer sich dazu brauchen ließ, hatte die Aussicht auf einen harten und beschwerlichen Dienst, aber auch auf leidlichen Gewinn. Barbarische Grausamkeit gegen die eingekaufte Menschenladung war nicht notwendigerweise damit verbunden und fand auch wohl nur in einzelnen Fällen statt; auch habe ich meinesteils nie dazu geraten oder geholfen. Freilich stieß mein Auge oft genug auf Roheit und Härte; aber die waren mir leider überall, wohin der Beruf des Seemanns mich führte, und nicht bloß auf der Sklavenküste ein nur zu gewohnter Anblick und konnten mir also auch eine Lebensweise nicht verleiden, mit der ich schon als Kind und bei meinem ersten Ausfluge in die Welt vertraut geworden war und zu der ich also auch jetzt als Mann um so unbedenklicher zurückkehrte.

Zu besserem Verständnisse des Folgenden wird es jedoch erforderlich sein, einige Worte über die Art und Weise, wie dieser Negerhandel damals von den Holländern betrieben wurde, im allgemeinen beizubringen.[121]

Da hier Menschen nun einmal als Ware angesehen wurden, um gegen die Erzeugnisse des europäischen Kunstfleißes ausgetauscht zu werden, so kam es hauptsächlich darauf an, solche Artikel zu wählen, welche das Bedürfnis oder der Luxus den Schwarzen am unentbehrlichsten gemacht hatte. Schießgewehre aller Art und Schießpulver in kleinen Fässern von zweiunddreißig, sechzehn bis acht Pfund nahmen hiceunter die erste Stelle ein. Fast ebenso begehrt war Tabak, sowohl geschnitten als in Blättern, samt irdenen Pfeifen und Branntwein, entweder in halben Ankern oder in Flaschenkellern von zwölf, acht bis sechs Gemäßen. Kattune von allen Sorten und Farben lagen in Stücken von einundzwanzig bis vierundzwanzig Ellen sowie auch dergleichen oder leinene und seidene Tücher, deren sechs bis zwölf zusammengewirkt waren. Ebensowenig durfte ein guter Vorrat von linnenen Lappen, drei Ellen lang und halb so breit, fehlen, die dort als Leibschurz getragen werden. Den Rest der Ladung füllten allerlei kurze Waren als kleine Spiegel, Messer aller Art, bunte Korallen, Nähnadeln und Zwirn, Fayence, Feuersteine, Fischangeln u. dgl.

Einmal gewöhnt, diese verschiedenen Artikel von den Europäern zu erhalten, können und wollen die Afrikaner sowohl an der Küste als tiefer im Lande sie nicht missen und sind darum unablässig darauf bedacht, sich die Ware zu verschaffen, durch welche sie sich dieselben eintauschen können. Also ist auch das ganze Land immerfort in kleine Parteien geteilt, die sich feindlich in den Haaren liegen und alle Gefangenen, welche sie machen, entweder an die schwarzen Sklavenhändler verkaufen oder sie unmittelbar zu den europäischen Sklavenschiffen abführen. Allein oft, wenn es ihnen an solcher Kriegsbeute fehlt und sie neue Warenvorräte bedürfen, greifen ihre Häuptlinge, die eine despotische Gewalt über ihre Untertanen ausüben, diejenigen auf, welche sie für die entbehrlichsten halten, oder es geschieht wohl auch, daß der Vater sein Kind, der Mann das Weib und der Bruder den Bruder auf den Sklavenmarkt zum Verkaufe schleppt. Man begreift leicht, daß es bei solchen Raubzügen an Grausamkeiten jeder Art nicht fehlen kann und daß sich alle diese Länder dabei in dem elendesten Zustande befinden; aber ebensowenig kann auch abgeleugnet werden, daß die erste Veranlassung zu all diesem Elende von den Europäern herrührt, welche durch ihre eifrige Nachfrage den Menschenraub bisher begünstigt und unterhalten haben.

Ihre zu diesem Handel ausgerüsteten Schiffe pflegten längs der ganzen Küste von Guinea zu kreuzen und hielten sich unter wenigen Segeln stets etwa eine halbe Meile oder etwas mehr vom Ufer. Wurden sie dann am Lande von Negern erblickt, welche Sklaven oder Elefantenzähne zu verhandeln hatten, so machten diese am Lande ein Feuer an, um dem Schiffe durch den aufsteigenden Rauch ein Zeichen zu geben, daß es vor Anker ginge, warfen sich aber auch zu gleicher Zeit in ihre Kanus und kamen an Bord, um die zur Schau ausgelegten[122] Warenartikel zu mustern. Vor ihrer Entfernung versprachen sie dann, mit einem reichen Vorrat von Sklaven und Zähnen sich wieder einzufinden, oft jedoch ohne darin Wort halten zu können oder zu wollen.

Gewöhnlich aber erschienen sie zu wirklichem Abschluß des Handels mit ihrer Ware am nächsten Morgen, als der bequemsten Tageszeit für diesen Verkehr. Denn da dort jede Nacht ein Landwind weht, so hat dies auch bis zum nächsten Mittag eine ruhige und stille See zur Folge. Dann steigt wieder ein Seewind auf, die Brandung wälzt sich ungestümer gegen den Strand, und die kleinen Kanus der Schwarzen können sich nicht füglich hin und zurück wagen. Das Fahrzeug, welches die verkäuflichen Sklaven enthielt, war in der Regel noch von einem halben Dutzend andrer, jedes mit mehreren Menschen angefüllt, begleitet, welche alle einen Anteil an der unglücklichen Ware hatten. Allein nur acht oder höchstens zehn aus der Menge wurden mit derselben an Bord gelassen, während die übrigen in ihren Kanus das Schiff umschwärmten und ein tolles Geschrei verführten.

Nun wurden auch die Gefangenen an Bord emporgehoben, um in näheren Augenschein genommen zu werden; die männlichen mit auf dem Rücken dergestalt hart zusammengeschnürten Ellenbogen, daß oft Blut und Eiter an den Armen und Lenden hinunterlief. Erst auf dem Schiffe wurden sie losgebunden, damit der Schiffsarzt sie genau untersuchen konnte, ob sie unverkrüppelt und übrigens von fester Konstitution und bei voller Gesundheit wären, und hierauf eröffnete sich denn die eigentliche Unterhandlung, jedoch nicht, ohne zuvor sowohl den Verkäufern, die sich auf dem Verdeck befanden, als ihren Kameraden in den Kanus Tabak und Pfeifen vollauf gereicht zu haben, damit sie lustig und guter Dinge würden – freilich aber auch sich um so leichter betrügen ließen.

Die europäischen Tauschwaren wurden den Schwarzen stets nach dem höchsten Einkaufspreise mit einem Zusatz von fünfundzwanzig Prozent angerechnet, und nach diesem Tarif galt damals ein vollkommen tüchtiger männlicher Sklave etwa hundert Gulden holl.; ein Bursche von zwölf Jahren und drüber ward mit sechzig bis siebzig Gulden und ohngefähr zu gleichem Preise auch eine weibliche Sklavin bezahlt. War sie jedoch noch nicht Mutter gewesen und ihr Busen noch von jugendlicher Fülle und Elastizität (und daran pflegt es die Natur bei den Negerinnen nicht fehlen zu lassen), so stieg sie auch verhältnismäßig im Werte bis auf hundertzwanzig oder hundertvierzig Gulden.

Die Verkäufer bezeichneten stückweise die Artikel, welche ihnen unter den ausgelegten Waren anstanden, wogegen der holländische Einkäufer seinen Preiskurant fleißig zu Rate zog, um nach dem angenommenen Tarif nicht über neunzig Gulden hinauszugehen, und wobei auch der gespendete Branntwein samt Tabak und Pfeifen nicht unberücksichtigt blieben. Fing er dann an, sich noch weitern Zulegens zu weigern, und ließ sich höchstens noch ein Stück Kattun[123] abdringen, so ward der Rückstand im geforderten Menschenpreise vollends mit geringeren Waren und Kleinigkeiten und zuletzt noch mit einem Geschenk von Messern, kleinen Spiegeln und Korallen ausgeglichen. Wieviel es übrigens bis zum gewünschten Abschluß des Streitens, Fluchens und Lärmens bei diesem Handel gegeben habe, bedarf kaum einer besonderen Erwähnung; denn wenn der eigentlichen Wortführer bei den Negern auch nur zwei oder drei sein mochten, so gab es doch immer unaufhörliche Rücksprache und Verständigung mit ihren Gefährten in den Kanus, die bei dem Erfolg der Unterhandlung alle gleich sehr interessiert waren. Hatten sie dann endlich die eingetauschten Waren in Empfang genommen, so packten sie sich wieder in ihre Fahrzeuge und eilten lustig, wohlbenebelt und unter lautem Hallo wieder dem Strande zu.

Während dieser ganzen geräuschvollen Szene saß nun der arme Sklave, um welchen es gegolten hatte, auf dem Verdeck und sah sich mit steigender Angst in eine neue unbekannte Hand übergehen, ohne zu wissen, welchem Schicksal er aufbehalten sei. Man konnte den Unglücklichen sozusagen das Herz in der Brust schlagen sehen; denn ebensowenig, als die meisten von ihnen je zuvor das Weltmeer, auf dem sie nun schwammen, erblickt, hatten sie auch früherhin die weißen und bärtigen Menschen gesehen, in deren Gewalt sie geraten waren. Nur zu gewiß waren sie des Glaubens, wir hätten sie nur gekauft, um uns an ihrem Fleische zu sättigen. Voll von dieser Vorstellung sah man es ihnen deutlich an, daß unsre weiße Hautfarbe sie mit noch weit höherem Entsetzen erfüllte als uns ihre schwarze erschreckte.

Die Verkäufer waren nicht sobald vom Schauplatz abgetreten, als der Schiffsarzt Sorge trug, den erhandelten Sklaven (wahrlich zum schlechten Labsal!) ein Brechmittel einzugeben, damit die seither ausgestandene Angst nicht nachteilig auf ihre Gesundheit zurückwirkte. Aber begreiflicherweise konnten die gewaltsamen Wirkungen dieser Prozedur jenen vorgefaßten schrecklichen Wahn ebensowenig beseitigen, als die Anlegung eiserner Fesseln an Hand und Fuß, wodurch man sich besonders der männlichen Sklaven noch enger zu versichern suchte. Gewöhnlich kuppelte man sie überdem noch paarweise zusammen, indem man durch einen in der Mitte jeder Kette befindlichen Ring noch einen fußlangen eisernen Bolzen steckte und fest vernietete.

Verschonte man auch die Weiber und Kinder mit ähnlichem Geschmeide, so wurden sie doch in ein festes Behältnis vorne in der Schiffsback eingesperrt, während die erwachsenen Männer ihren Aufenthalt dicht daneben zwischen dem Fock- und großen Maste fanden. Beide Behälter waren durch ein zweizölliges eichenes Plankwerk voneinander gesondert, so daß sie sich nicht sehen konnten. Doch brachten sie in diesem engeren Verwahrsam nur die Nächte zu; bei Tage hingegen war ihnen gestattet, in freier Luft auf dem Verdecke zu verweilen. Auf[124] ihre fernere Behandlung während der Überfahrt nach Amerika werde ich in der Folge wieder zurückkommen.

Der hiernächst bedeutendste Gegenstand des Handels an dieser Küste sind die Elefantenzähne, von welchen auch der ganze Strich zwischen Kap Palmas und tres Puntas den Namen der »Zahnküste« führt. Habe ich die Erzählungen der Eingeborenen recht verstanden, so bemächtigen sie sich dieser stark gesuchten Ware, indem sie sich in Parteien von dreißig und mehr Personen in die landeinwärts gelegenen Wälder auf die Elefantenjagd begeben. Ihre Waffen bestehen hauptsächlich in fußlangen zweischneidigen Säbelklingen, die sie von den Schiffen einhandeln und zu diesen Jagden an langen Stangen befestigen. Haben sie ein solches Tier aufgespürt, so suchen sie es entweder zu beschleichen oder treiben es mit offner Gewalt auf und trachten einzig dahin, ihm den Rüssel, der seine vorzüglichste Schutzwehr ausmacht, an der Wurzel abzuhauen, oder sie zerschneiden ihm die Sehnen an den Füßen, um es so zum Fallen zu bringen. Ist der Feind solchergestalt überwältigt, so wird er vollends getötet; man haut ihm die Zähne aus, und der Rumpf bleibt als willkommene Beute für die Raubtiere und das Gevögel liegen.

Noch wird an einem andern Striche dieser Negerländer, die »Goldküste« genannt, einiger Verkehr mit Goldstaub oder vielmehr kleinen Körnern dieses Metalls, das entweder aus dem Flußsande gewaschen oder von der reichen Natur dieses heißen Bodens oft dicht unter dem Rasen dargeboten wird, getrieben. Doch war dies Geschäft weder beträchtlich noch sonderlich gewinnreich und pflegte deshalb dem Obersteuermann bei seinen kleinen Nebenfahrten für eigne Rechnung anheimgestellt zu werden, sowie ihm zu dem Ende auch vergönnt war, den Betrag von sechshundert holl. Gulden in Waren mit an Bord zu nehmen. Ich selbst hatte mich zu diesem Privathandel mit allerlei Quincaillerien, etwa fünfhundert Gulden an Wert, versehen.

Denn außer dem Verkehr, der am Bord des Schiffes selbst stattfand, wurden von demselben in gleicher Absicht zugleich auch noch mehrere Boote ausgerüstet und abgeschickt, welche sich oft auf mehrere Wochen lang entfernten und bis auf fünfzig und mehr Meilen an der Küste umherkreuzten. Dieser Bootsfahrten habe ich zwar bereits oben bei Gelegenheit meines früheren Ausflugs in diese Weltgegend er wähnt, doch sei es mir erlaubt, hier noch etwas ausführlicher auf diesen Gegenstand zurückzukommen.

Sobald die Guineafahrer sich dem wärmeren Himmelsstrich näherten, begannen auch die Schiffszimmerleute die Schaluppen und Schiffsboote zu ihrer künftigen neuen Bestimmung instand zu setzen, indem sie ein Verdeck darauf anbrachten und alles so einrichteten, daß sie See zu halten vermochten. Holz und Planken hierzu ward schon von Holland aus mitgenommen und zwischendecks bereit gehalten. Die Besatzung eines solchen Fahrzeugs bestand aus zehn[125] bis zwölf Mann unter Anführung des Obersteuermanns oder eines andern Schiffsoffiziers. Auch war er mit einigen Drehbassen und kleinerm Handgewehr wohl versehen.

Die Bestimmung dieser Boote erforderte, stets in einiger Entfernung vor ihrem Schiffe vorauszugehen und die Punkte, wo ein vorteilhafter Handel zu treiben war, zu vervielfältigen, damit die gewünschte volle Ladung desto schneller zusammengebracht und der Aufenthalt an diesen ungesunden Küsten um so mehr abgekürzt würde. So oft nun ein solches Fahrzeug seine mitgenommenen Warenartikel oder seine Lebensvorräte erschöpft oder einen genügenden Eintausch gemacht hatte, kehrte es an Bord seines Schiffes zurück, um sofort für eine neue Reise ausgerüstet zu werden. Es ergibt sich daraus, wie anstrengend und beschwerlich dieser Dienst sein mußte.

Allein auch außerdem war derselbe mit gar mancher Fährlichkeit verbunden; denn nicht selten ging bereits ein solches Boot durch Überrumpelung der Neger samt dem Leben der ganzen Besatzung verloren, und so ward hier die höchste Vorsicht erforderlich. Nie wurden mehr als vier Verkäufer zugleich auf dem Boote zugelassen, und auch die übrigen in den Kanus durfte man nicht zu nahe herankommen lassen. Während also der Steuermann nebst einem Gehilfen hinten im Fahrzeuge den Handel betrieb, stand der Rest der Mannschaft vorn auf demselben mit dem geladenen Gewehre in der Hand zu seinem Schutze bereit und wehrte zugleich den umkreisenden Kanus, sich nicht ungebührlich zu nähern.

Noch gefährlicher wäre es gewesen, die Nacht über an dem nämlichen Orte liegen zu bleiben, wo man sich am Abend befunden hatte. Vielmehr mußte man die Ankerstelle sorgfältig verändern, um jede Vermutung der verräterischen Schwarzen, die unaufhörlich auf Überfall sannen, zu täuschen. Ebensosehr gebot es die Klugheit, keiner ihrer noch so freundlichen Einladungen zu trauen, und am wenigsten, sich in die Mündung ihrer Flüsse zu wagen.

Die männlichen Sklaven, die man auf diesen Fahrten erhandelte, wurden sofort unter das Verdeck gebracht, weil sie sonst nur zu leicht Gelegenheit gefunden haben würden, über Bord zu springen. Im Raume aber legte man ihnen eiserne Bügel um die Füße, die mit Ringen versehen waren, und diese streifte man hinwiederum über eine lange, mit beiden Enden unten im Vorder- und Hinterteile des Bootes befestigte Kette, so daß sie wenigstens einige Schritte hin und wieder gehen konnten. Glimpflicher verfuhr man mit den Weibern, deren Zutrauen man sich auf eine leichtere Weise versicherte.

Noch hatte wenigstens eines dieser Fahrzeuge die Nebenbestimmung, den aus Europa mitgebrachten Briefsack schneller als sonst hätte geschehen können, nach dem holländischen Hauptfort St. George de la Mina zu fördern. Denn da die ankommenden Schiffe ihr Handelsgeschäft gewöhnlich bei Sierra Leona[126] anfingen, welches gegen zweihundert Meilen westlicher liegt, und längs der Küste nur gemächlich fortkreuzten, so würde es oft sechs bis acht Monate gewährt haben, bevor sie selbst jenen Platz erreichten. Dieser Unbequemlichkeit zu begegnen, waren demnach die Schiffer angewiesen, mit den Regierungsdepeschen auch die anderweitige Korrespondenz ohne Aufenthalt nach der gedachten Niederlassung abzuliefern.

Diesen Auftrag erhielt auch ich, sobald wir in den ersten Tagen des Jahres 1772 auf der Küste von Guinea angelangt waren. Zu dem Ende ward die Barkasse mit zehn Mann unter meinen Befehlen ausgerüstet und mit Provisionen aller Art, besonders aber solchen beladen, welche in diesem heißen Klima einem schnellen Verderb ausgesetzt sein konnten. Das Brieffelleisen ward nicht vergessen, und so steuerte ich, nachdem ich auch die Vorräte für meinen eigenen kleinen Handel eingenommen hatte, bereits am vierten Tage nach unserer Ankunft dem Schiffe vorangehend gegen Osten.

Bei dieser Küstenfahrt führte mich mein Weg zunächst nach dem holländischen Fort Axim, wo ich ein Pack Briefe, europäische Zeitungen und andre Kleinigkeiten abzugeben hatte. Ich fand den dortigen Befehlshaber, einen gebornen Hannoveraner, namens Feneekol, sehr begierig nach Neuigkeiten aus dem gemeinschaftlichen Vaterlande, so wie ihm hinwiederum die Nachricht, daß ich ein Preuße sei, Gelegenheit gab, mich aufmerksam darauf zu machen, daß Fort Axim früherhin eine Besitzung unsers Großen Kurfürsten gewesen, die erst im Jahre 1718 durch Verkauf an Holland übergegangen. Er zeigte mir auch die darüber verhandelten Akten, sowie sechs alte brandenburgische Kanonen, die noch auf einer Batterie aufgepflanzt standen. – Habe ich anders seine Erzählung recht behalten, so hatte es hiermit folgende Bewandtnis.

Ursprünglich gehörte Axim den Spaniern zu. Als aber der Kurfürst Friedrich Wilhelm, welcher dieser Macht in ihren Kriegen gegen Frankreich Hilfstruppen in den Niederlanden gestellt, die bedungenen Subsidien trotz aller gütlichen Unterhandlung nicht hatte erhalten können, habe er in Hamburg eine kleine Flotte ausrüsten lassen, fünfhundert Mann darauf eingeschifft, außer andern genommenen Repressalien auch Axim angreifen und in Besitz nehmen lassen und sich dort neun Jahre lang behauptet. Während dieser Zeit, wo der brandenburgische Gouverneur auch noch das zweiundeinhalbe Meile östlicher gelegene Fort Friedcichsburg gegründet, sei von Hamburg und Emden aus ein lebhafter Handel dorthin getrieben worden, bis diese Befestigungen die Unzufriedenheit der benachbarten Negerstämme aufgeregt und diese die Besatzungen beider Plätze, welche nicht genugsam auf ihrer Hut gewesen, überrumpelt und niedergemacht hätten. In diesem unglücklichen Ereignis – lautete die fernere Erzählung – sei es dem damaligen Gouverneur zwar geglückt, sich mit einigen wenigen Gefährten in das Pulvermagazin zu flüchten; doch habe er's vorgezogen,[127] sich mit demselben freiwillig in die Luft zu sprengen, als unter den Händen der Neger einen martervollen Tod zu dulden. Diese hätten darauf beide Forts spoliiert und dem Erdboden gleichgemacht. Solchergestalt hätten nun diese Plätze gegen dreißig Jahre lang in Schutt und Verwüstung gelegen, bis König Friedrich Wilhelm I. seine Ansprüche auf diese Besitzungen an Holland gegen eine Summe von zweihunderttausend Gulden überlassen habe.

Zwei Tage nach meinem Abgange von Axim stieß ein Kann mit vier Negern vom Lande ab und knüpfte einen kleinen Handel in Goldstaub mit mir an. Von ihnen erfuhr ich, daß an diesem nämlichen Morgen ein portugiesisches Schiff an dieser Küste gekreuzt und eine Rolle gepreßten brasilianischen Tabak gegen zwei Unzen Gold an sie vertauscht habe. Diese Art Tabak ist in Rindsleder genäht, enthält einige und siebenzig Pfund und ist eine von den Schwarzen sehr begierig gesuchte Ware. Das Preisverhältnis aber wird sich ergeben, wenn ich bemerke, daß die Unze Goldstaub dort zu zweiundvierzig holl. Gulden berechnet zu werden pflegte.

Nichts hätte mir erwünschter sein können, als von diesem Schiffe für meinen eignen kleinen Verkehr einige Rollen dieses Tabaks gegen die bei mir habenden Kaufwaren umzusetzen. Ich erblickte auch seine Segel in einer Entfernung von etwa anderthalb Meilen vor mir und säumte also nicht, unter Aufziehung der holländischen Flagge auf dasselbe zuzusteuern. Je eifriger ich mich aber mühte, es zu erreichen, desto mehr Segel setzte es auch seinerseits auf, um sich von mir zu entfernen. Ich schoß zu mehreren Malen einen von meinen Pöllern unter dem Winde ab, um ihm mein Verlangen nach einer näheren Gemeinschaft zu erkennen zu geben; der Portugiese hingegen manövrierte unaufhörlich, mir durch veränderten Kurs aus dem Gesichte zu kommen. Es schien nicht anders, als ob er sich vor mir fürchtete, ohne daß ich gleichwohl begriff, was ein Schiff von dieser Größe wohl von einem Fahrzeuge meinesgleichen zu besorgen haben könne.

Ich ließ indes nicht ab, Jagd auf dasselbe zu machen, bis die Nacht einbrach und die Dunkelheit mir Einhalt gebot. Indem ich aber meinen Weg längs der Küste fortsetzte, hielt ich mich doch mehr seewärts und unter vollen Segeln, und meine Hoffnung, diesem verwunderlichen Gaste dicht auf der Ferse zu bleiben, trog mich auch so wenig, daß gleich der erste Morgenstrahl mir ihn kaum dreiviertel Meilen von mir näher dem Lande zu und über dem Winde wieder zu Gesicht führte. Zugleich erblickte ich eine Meile von mir entfernt das englische Fort Deseown, wo auch zwei englische Schiffe auf der Reede vor Anker lagen.

Erpicht auf mein Vorhaben, mit dem Portugiesen zur Sprache zu kommen, steuerte ich von neuem auf ihn zu. Allein bevor ich ihn einholen konnte, war er schon in den Bereich der Engländer gekommen. Einer von ihnen tat einen Schuß auf den Flüchtling, der nun zwar seine Flagge aufzog, aber zugleich auch bei[128] seinem vorigen Kurs beharrte. Zwei darauffolgende Schüsse blieben gleichmäßig ohne Wirkung. Nun aber ließen beide Engländer ihre Ankertaue fahren, verlegten dem Portugiesen den Weg und nahmen ihn hart zwischen sich in die Mitte, worauf sie von neuem vor Anker gingen.

Von diesem ganzen Vorgange war ich in fast unmittelbarer Nähe Zeuge gewesen und begriff je länger je weniger, wie ich mir denselben erklären sollte. Da ich indes wußte, daß England und Holland in vollkommen friedlichem Vernehmen standen, so überwog bei mir die Neugier jede anderweitige Rücksicht. Ich legte mich zuversichtlich neben das eine englische Schiff und stieg sogar an Bord des Portugiesen hinüber, wo mir sofort eine Szene des höchsten Wirrwarrs in die Augen fiel. Die Engländer hatten das Verdeck des angehaltenen Schiffes erfüllt, die Luken desselben geöffnet und waren im Begriff, eine bedeutende Partie Tabaksrollen auf das Verdeck emporzuwerfen. Der portugiesische Kapitän knirschte mit den Zähnen und schoß wütende Blicke auf mich; seine englischen Herrn Kollegen aber, obwohl sie mir etwas glimpflicher begegneten, waren doch mit dem guten Rate fertig, mich augenblicklich davonzupacken.

Je mehr ich sah und hörte, je wundersamer und verdächtiger erschien mir der ganze Handel. Ich hatte nur die Wahl entweder zu glauben, daß es zwischen der englischen und portugiesischen Regierung zu einem plötzlichen Bruche gekommen oder daß es die Absicht der Engländer sei, ihre Übermacht hier zu einer gewaltsamen Beraubung zu mißbrauchen. Beides aber ließ es noch immer unerklärt, warum der Portugiese auch mir Ohnmächtigen so geflissentlich ausgewichen sei. Erst späterhin, als ich zu St. George de la Mina angelangt war, sollte ich den eigentlichen Zusammenhang dieses Rätsels erfahren.

Diese Ankunft erfolgte zwei Tage später nach jenem Vorfall, als ich denn sofort meinem Auftrage durch Überlieferung des Brieffelleisens und der dazu gehörigen Schlüssel an den Gouverneur genügte. Es ward von diesem in meiner Gegenwart geöffnet, und zugleich entspann sich zwischen uns eine vertrauliche Unterhaltung, worin ich mit dem Ehrenmanne um so weniger sonderliche Umstände machte, als sein Aufzug in einem linnenen Schlafrock und einer schmierigen Schlafmütze eben nicht geeignet war, einen großen Respekt einzuflößen; so wie er mir denn überhaupt als eine gute, grundehrliche Haut, und was man einen alten deutschen Degenknopf nennt, erschien. Auch er selbst schien das Zeremoniell wenig zu lieben und lud mich gutmütig ein, ihm die Briefe sortieren zu helfen, da deren verschiedene nach den andern holländischen Forts auf der Küste abzuschicken waren.

Bei diesem Geschäft gerieten wir noch tiefer ins Plaudern, und ich erzählte ihm, was sich mit dem portugiesischen Schiffe begeben, und wovon ich an dessen Borde Augenzeuge gewesen. Plötzlich geriet mein Mann in Feuer und ward ganz ein anderer als er kaum ein paar Minuten zuvor gewesen. »Das ist ein[129] ernsthafter Kasus«, sagte er mit Gravität, »und dem müssen wir auf den Grund kommen!« – Zugleich nötigte er mich, in ein anstoßendes Zimmer zu treten und dort den ganzen Vorfall mit all seinen besondern Umständen zu Papier zu bringen. Nachdem dies geschehen war, eröffnete er mir seinen Entschluß, gleich des nächsten Morgens den Hohen Rat zu versammeln und gab mir auf, zusamt meinem Schiffsvolk vor demselben zu erscheinen, damit wir unsere Aussage eidlich bekräftigten, er aber seine ferneren Maßregeln danach nähme.

Dieser Vorladung gemäß erschien ich am andern Tage mit den Meinigen und ward sofort auch in den Ratssaal eingeführt, über dessen hier kaum erwartete Pracht ich nicht wenig erstaunte. Alles glänzte von Gold, und Tische und Stühle waren mit violettem Sammet überzogen, mit goldenen Tressen besetzt und mit dergleichen Fransen reich umhangen. Mein guter Freund von gestern, der Gouverneur Peter Wortmann, strahlte mir vor allen andern in seiner Herrlichkeit entgegen. Er saß als Präsident der Versammlung an dem Sessionstische in einer gewaltigen holländischen Ratsherrnperücke (ein wunderlicher Staat in diesem Klima!) und steckte überdem in einer holländischen goldgestickten Gardeuniform, die überdem noch von Tressen starrte. Auf eine ähnliche Weise, nur etwas minder herausgeputzt, saßen der Fiskal, die Ratsherren und die Assistenten um ihn her und machten die Feierlichkeit vollkommen.

Dennoch war der mir und meinen Leuten hier abgenommene Eid und die wiederholte Aussage über den Vorgang mit dem portugiesischen Schiffe nur eine Zeremonie und das, was geschehen sollte, schon während der Nacht völlig vorbereitet. Es standen nämlich bereits zwei Kanus fertig, in deren jedes fünfundzwanzig Soldaten und zwanzig Ruderer eingeschifft wurden, und die unmittelbar darauf, hinten und vorn mit der holländischen Flagge geschmückt, unter Trommel- und Trompetenklang in See stachen, um das angefochtene portugiesische Schiff aufzusuchen und nach St. George de la Mina zu bringen. Nichts setzte mich hierbei mehr in Erstaunen als diese Kanus, welche bei einer Länge, die über fünfzig Fuß hinausreichte, und bei einer Breite von sechs bis sechseinhalb Fuß, aus einem einzigen Baume wiewohl von weichem und leichtem Holze gehauen waren. Man sagte mir, daß diese Riesenbäume mehrere Meilen landeinwärts angetroffen würden, wohin unsereiner freilich nicht zu kommen pflegt.

Mit dem ausgezogenen Staatsrocke war der Gouverneur auch wieder wie zuvor mein Freund und Gönner geworden und behielt mich unausgesetzt in seiner Nähe. Von ihm echielt ich nun aber auch nähern Aufschluß über alle jene Dinge, die mir bisher so wunderseltsam vorgekommen waren. Er erzählte mir, daß das Fort St. George und die andern davon abhängigen Besitzungen ursprünglich unter portugiesischer Hoheit gestanden, von den Holländern aber in ihrem ersten großen Freiheitskriege den Spaniern, welche damals auch Portugal sich einverleibt[130] hatten, abgewonnen worden. Im endlich erfolgten Frieden wären sie auch in den Händen der jungen Republik verblieben und zwar noch mit der demütigenden Einschränkung, daß forthin kein spanisches oder portugiesisches Schiff an der Küste von Guinea Handel treiben solle, bevor es nicht vor St. George angelegt und zehn Prozent von seiner gesamten Ladung für die Erlaubnis eines freien Verkehrs entrichtet hätte. Bei der geringsten Hintansetzung dieser Verpflichtung sollte jedesmal Schiff und Ladung verfallen sein, und auf diesen Vertrag würde auch immerfort noch um so strenger gehalten, da England und Frankreich ihn späterhin bestätigt hätten.

So begriff ich denn nun, worin der portugiesische Kapitän, dem ich begegnet war, sich strafbar gemacht, und warum er gegen mich ein so böses Gewissen verraten hatte, wie aber auch jene beiden Engländer garstig anlaufen dürften, falls er ihnen erweisen könnte, daß sie auf eine räuberische Weise zu ihm an Bord gekommen und ihn zum Handel gezwungen hätten. »Und diese Ausflucht zu benutzen«, setzte der Gouverneur hinzu, »wird er auch sicherlich nicht unterlassen, wie vollkommen ich auch überzeugt bin, daß er von Herzen gern mit den beiden englischen Schiffen ein Geschäft gemacht haben würde, wenn es unter der Hand hätte geschehen können und Ihr nicht als ein ungelegener Dritter darüber zugekommen wäret.«

Weiter belehrte er mich, was mir eigentlich bei dieser Gelegenheit zu tun obgelegen hätte, wenn ich mit den Gesetzen und Rechten meiner Nation in dieser Weltgegend bekannter gewesen wäre. Ich mußte nämlich meine holländische Flagge an dem Schiffe des Portugiesen befestigen oder auch nur sie über die geöffnete Schiffsluke decken, um dadurch Schiff und Ladung unter ihren Schutz zu setzen. Hätten dann die Engländer es gewagt, auch nur irgend etwas mit der Spitze ihres Fingers anzurühren, so wären sie als offenbare Seeräuber in die schwerste Verantwortung geraten; mir aber hätte dann nach unsern Gesetzen eine Belohnung von hundert Dukaten gebührt. Von alle diesem aber war mir, wie ich's nun zu spät bedauerte, kein Jota bewußt gewesen.

Zwei Tage nachher kam die ausgeschickte Expedition mit dem ertappten Portugiesen glücklich auf der Reede an. Zufall oder Neugierde führten mich dem Kapitän bei seiner Landung in den Weg, und die grimmigen Blicke, die er auf mich schoß, ließen mich nicht zweifelhaft, daß er mich für seinen Angeber erkannte, dessen Aussagen ihn ohne Zweifel ins Verderben stürzen würden. Indessen mußte ihn doch gleich sein erstes Verhör eines Bessern belehrt und er gefunden haben, daß im Gegenteil meine abgegebene Erklärung zu seinem Vorteil lautete; denn er ließ mich am andern Tage zu sich bitten, fiel mir dankbar um den Hals, wußte nicht, was er mir zuliebe tun sollte, und nötigte mich, eine Rolle Tabak samt zwanzig Pfund Zucker zum Geschenk von ihm anzunehmen.

Obwohl nun mein Geschäft an diesem Platze beendigt war, so hielt mich doch[131] Herr Peter Wortmann von einem Tage zum andern bei sich auf, sei es, daß er irgendein absonderliches Wohlgefallen an mir gefunden, oder daß sonst Neugier und Langeweile ihn plagten, denn des Fragens, sowohl nach meinen persönlichen Umständen als überhaupt nach Neuigkeiten aus Europa, wollte kein Ende werden. Das war freilich auch ebenso erklärbar als verzeihlich. Die Ansiedler in diesen afrikanischen Niederlassungen leben so abgeschieden von der ganzen übrigen Welt, daß sie nur in langen Zwischenräumen erfahren, was sich daheim und andrer Orten begeben hat. Ost bringt ihnen ein Schiff einen ganzen Jahrgang alter Zeitungen auf einmal, die zwar den vollen Reiz der Neuheit für sie haben, aber ihrer Wißbegier dennoch nicht in dem Maße genügen, daß ihnen nicht auch noch manche mündliche Erläuterung zu wünschen übrig bliebe. Hiezu kommt, daß ein großer Teil der hier Angestellten aus deutschen Landsleuten besteht, die insonderheit auch von ihrem lieben Vaterlande hören wollen und darin kaum zu ersättigen sind.

In diesem Falle war nun auch der Gouverneur, der sich aufs Ausfragen verstand, wie irgendeiner, dagegen aber auch ebensowenig mit Mitteilungen aus seiner eigenen Lebensgeschichte gegen mich zurückhielt. Er war aus Grüningen gebürtig, hatte daselbst das Metzgerhandwerk erlernt und ein Weib genommen, dessen Untreue aber ihn endlich zu dem raschen Entschlusse gebracht, sie zu verlassen und in alle Welt zu gehen. So war er nach Holland geraten, als gemeiner Soldat nach der Küste von Guinea gegangen, hier allmählich zu höhern Militärgraden emporgestiegen und endlich nicht nur Befehlshaber im Fort St. George de la Mina, sondern auch über alle holländische Besitzungen in dieser Weltgegend geworden. Sein Titel lautete nämlich als Generalgouverneur über die Westküste von Afrika.

Endlich mußte ich mich doch von diesem wackern Manne trennen, der noch einen bedeutenden Einfluß auf meine Lebenslage gewinnen sollte. Er gab mir ein besonderes Belobungsschreiben an meinen Kapitän mit, worin der Wunsch ausgedrückt war, daß derselbe für den Fall, daß neue Kommunikationen mit dem Hauptsorte und der Regierung notwendig würden, keinem andern als mir den Auftrag dazu geben möchte. Ich hatte indes den nötigen Ballast eingenommen und machte mich auf den Rückweg nach Westen, um mein Schiff wieder aufzusuchen. Die Reise war ohne besonderen Zufall; doch kann ich nicht umhin, hierbei eines seltsamen Fundes zu erwähnen, der vielleicht auch die Aufmerksamkeit der Leser verdient.

Wir befanden uns in See etwa vier Meilen vom Lande, und nicht nur war der Wind wie ausgestorben, sondern auch das Meer (wie es hier nichts Seltenes ist) bot rings umher eine glatte Fläche dar, in welcher sich die Sonne spiegelte. Zugleich sahen wir in weiter Ferne seewärts von Zeit zu Zeit etwas aus dem Wasser glänzend auftauchen, was mir anfangs etwa ein toter Fisch[132] deuchte, dessen silberweißen Bauch die Sonne beschiene. Endlich ließ ich, von Neugier getrieben, darauf zurudern, und da fand sich's denn, daß eine viereckige Bouteille aus einem Flaschenfutter, den Hals nach oben gekehrt und mit einem Korkstöpsel versehen, im Meere schwamm. Ringsum hatte sich ein runder Haufen Seegras um dieselbe in einem Durchschnitte von zehn bis zwölf Fuß angesetzt. Ich ergriff die Flasche, mich weit über Bord lehnend, an der Mündung, war aber nicht imstande, sie von dem Kräutergeslechte zu trennen, welches an dieselbe fest angewachsen war. Es bedurfte daher meines Messers, womit ich all diese fremdartigen Anhängsel kappte und solchergestalt – wiewohl nicht ohne Anstrengung und Beschwerde – mich meiner Beute bemächtigte.

Bei genauerer Besichtigung fand sich nun, daß diese Flasche etwa zu einem Drittel (und daher ihre aufrechte Stellung) mit in Branntwein eingemachten, aber freilich schon verdorbenen Kirschen angefüllt und vermutlich auch als unbrauchbar über Bord geworfen war. Allein, was sie eigentlich in meinen Augen merkwürdig machte, war die Entdeckung, daß sich außen umher überall Schulpen und andre Muscheln fest angesetzt hatten, die hinwiederum den Seegewächsen zu einem Befestigungspunkt gedient, um Wurzeln darin zu schlagen und allmählich zu einem dichten Klumpen von so ansehnlichem Umfange heranzuwachsen. Wie lange mußte indes dies Glas nicht bereits in den Wogen umhergetrieben sein, bevor die Natur nach und nach alle diese Erscheinungen an demselben hervorbringen konnte! Es hätte verdient, mit all diesen Anhängseln von Muscheln und Tang in einem Naturalienkabinette aufbewahrt zu werden, und darum reut mich jetzt um so mehr meine Unachtsamkeit, die diese Seltenheit, nachdem ich sie noch einige Zeit aufgehoben, endlich doch dem zufälligen Schicksal des Zerbrechens preisgab.

Meinen Kapitän mit dem Schiffe fand ich noch bei Kap Mesurado, nachdem ich länger als vier Wochen abwesend gewesen. Bevor ich jedoch zu einer neuen Handelsfahrt abgehen konnte, ward es für nötig befunden, neue Vorräte von Wasser einzunehmen, und dieses Geschäft mir zur Ausrichtung übertragen. Bei dem gegenseitigen Mißtrauen aber, welches zwischen den europäischen Schiffern und den Eingebornen herrscht und tief in der Natur des hier betriebenen Handels liegt, ist ein solcher Auftrag ebensowohl mit Beschwerde als mit Gefahr verknüpft und erfordert die genaueste Vorsicht, um nicht von den treulosen Afrikanern überwältigt, ausgeplündert und ermordet zu werden.

Das Wasser, dessen man bedarf, muß jedesmal von ihnen am Lande erhandelt werden. Man versieht sich hiezu an Bord mit allerlei kleinem., Kram an Spiegeln, Korallen, Messern, Fischangeln, Nähnadeln, Zwirn u. dgl. und erwartet dicht am Seestrande wohlbewaffnet das zufällige Zusammentreffen mit den Eingebornen, um mit ihnen den Preis für jedes Faß Wasser, welches man eben holt oder auch künftig zu holen gedenkt, zu verabreden. Das hiezu bestimmte[133] Boot bleibt jedesmal bis hundertzwanzig Klafter weit vom Lande vor Anker liegen. Die ledigen Wassertonnen werden über Bord geworfen, und die Neger stürzen sich in die Brandung, um sie schwimmend an Land zu bringen und nach ihren Brunnen und Wasserstellen hinaufzurollen. Sind sie hier angefüllt und verstopft, so werden sie wieder an den Strand zurückgewälzt, von zwei schwimmenden Negern in die Mitte genommen und an das Boot gebracht, wo ihnen dann die dafür bedungenen Waren ausgeliefert werden.

Als ich in solcher Expedition zum ersten Male das Ufer betrat, standen bereits zwölf oder vierzehn Schwarze unsers Empfangs gewärtig, und während ich mit etwa zehn meiner Begleiter vollends ins Trockne watete, kam uns auch ihr Anführer entgegen, bot mir die Hand, schnitt eine Menge wunderlicher Kapriolen und gab sich mir endlich mit den Worten »Amo King Sorgo« (ich bin der König George) zu erkennen. Daß er aber auch für irgend etwas Besonderes angesehen sein wollte, gab schon sein ganzer Aufzug zu erkennen. Er war nämlich mit einer alten, zerissenen, linnenen Pumphose und einer weißen Kattunweste ohne Ärmel bekleidet; sein noch größerer Schmuck aber bestand in einer roten und weißen Schminke, womit er sich Gesicht und Hände vorzugsweise vor all seinen Gefährten scheußlich bemalt hatte. Mit diesem Narren nun und seinen Untertanen wurden wir des Preises für das Wasserfüllen einig und hielten uns auch des nächsten Tages wacker zu unsrer Arbeit.

Bei dieser Gelegenheit nahm ich am Strande eine Menge von Feldsteinen wahr, deren wir als Ballast für Boot und Schaluppe vielfach benötigt waren. Ich schloß demnach mit den Negern einen neuen Handel über eine Bootsladung solcher Steine ab, worin zugleich die Größe derselben dahin bestimmt wurde, daß ein Mensch sie allenfalls tragen und damit hantieren könnte. Sie suchten ihrerseits sich den Transport zu erleichtern, indem sie ein Kann dicht auf den Strand zogen und es füllten, soviel es bequem tragen konnte. Dann traten je vier von ihnen an jede Seite des Fahrzeugs, warteten eine niedeigere Welle ab, und schoben es dann schnell in die See, während einer behende hineinhüpfte, um es vollends an unser Boot zu geleiten und in dasselbe auszuladen.

So geschah es indes, daß einst auf dieser Überfahrt eine Woge, stürmischer als die übrigen, über das Kann herstürzte und es augenblicklich versenkte. Sofort sprangen die am Ufer Zurückgebliebenen hinzu, schwammen nach der Stelle, wo sich der Unfall ereignet hatte, bläueten den ungeschickten Fährmann zu unsrer großen Belustigung wacker durch, aber erregten auch ebensosehr unser Erstaunen, als sie hierauf einer nach dem andern in eine Tiefe von wenigstens zwölf bis vierzehn Fuß untertauchten und nach kurzem Verzuge jeder mit einem versunkenen Steine von beinahe Zentnersschwere, auf die Schulter geladen und mit der Hand im Gleichgewicht gehalten, wieder emporkamen. Noch mehr! Mit dieser nämlichen Last schwammen sie wenngleich mit sichtbarer Anstrengung und blasendem[134] Atem noch vierzig bis fünfzig Klafter weiter an unser Boot, um ihren sauer gewordenen Fund an uns abzuliefern.

Noch oft und viel bin ich Zeuge von der ungeheuren Körperkraft der Neger sowie von ihrer ausgezeichneten Behendigkeit und Ausdauer im Schwimmen gewesen. Wenn sie mit ihren Kanus dicht an der einen Seite des Schiffes lagen und jemand sich eine Luft mit ihnen machen wollte, so durfte er ihnen nur eine tönerne Tabakspfeife zeigen und sie über den entgegengesetzten Bord ins Meer werfen. Alsogleich auch stürzte sich dann eine Anzahl aus dem Kann nach in die Flut, tauchte unter dem Schiffe weg in den Grund, und sicherlich kam irgendeiner mit der unbeschädigten Pfeife in der Hand wieder zum Vorschein, wenngleich das Meer auf einer solchen Stelle eine Tiefe von fünfundzwanzig bis fünfunddreißig Klaftern hatte.

Nicht minder habe ich gesehen, wie Kinder von etwa fünf Jahren keck und wohlgemut sich im Wasser tummelten und durcheinander schwammen, ja sogar wie einst ein Neger (wahrscheinlich war es der Vater des Kindes) einen solchen vier- oder fünfjährigen Burschen bei beiden Beinen ergriff und ihn, soweit er mit aller Kraft vermochte, in die See schleuderte. Das Kind kam nach wenigen Augenblicken wieder an Land geschwommen und seine frohe Miene bewies, wie geringe der Eindruck gewesen, den diese rohe Behandlung auf dasselbe gemacht hatte.

Noch waren wir mit unsern Stein- und Wassertransporten beschäftigt, als ich eines Morgens bei guter Zeit mit dem Boote ohnweit des Strandes zu Anker kam. Hier war indes noch kein Neger sichtbar, um uns bei unsern Fässern Handreichung zu tun. Denn da in dieser Weltgegend die Nächte stets zwölf Stunden währen, so kühlt sich binnen dieser Zeit die Temperatur sehr merklich ab, und es weht bis acht oder neun Uhr morgens eine ziemlich frische Luft, die den völlig nackt einhergehenden Negern so empfindlich fällt, daß sie sich nicht gern früher aus ihren Hütten hervormachen. Ihre Erscheinung mußte also mit Geduld erwartet werden.

Gerade dies Warten aber gab uns in unserm Boote eine Langeweile, die je länger, je drückender für uns wurde. Unter meinen Gefährten befand sich ein englischer Matrose, der sich bereit erklärte, an Land zu schwimmen und die säumigen Neger herbeizuholen. Hätte ich auch nicht andre Gründe gehabt, ihm meine Zustimmung zu versagen, so würde mich doch schon die Furcht, daß ein Haifisch ihn packen könnte, dazu bewogen haben. Inzwischen gab es vergeblichen Harrens immer mehr; unser Mißmut stieg, und der Engländer erbot sich zu wiederholten Malen, das, wie er vermeinte, ganz unbedenkliche Abenteuer zu bestehen. Mein Kopfschütteln dämpfte indes seine Begierde nicht, bis ich endlich, mehr ermüdet von seinem steten Andringen, als es billigend, und zugleich[135] hoffend, daß ja nicht augenblicklich ein solches Ungetüm in der Nähe lauern werde, ihm nachließ zu tun, was er nicht lassen könnte.

Alsobald warf der Mensch frohen Mutes sein Hemde von sich, sprang über Bord und steuerte schwimmend dem Lande zu. Allein kaum hatt' er sich zwei Klaster weit vom Boot entfernt, so sahen wir ihn auch bereits von einem solchen gefürchteten Tiere umkreiset, bis es sich endlich nach seiner Gewohnheit auf den Rücken warf, seine unglückliche Beute ergriff und mit derselben davonzog. Bald ragte der Kopf, bald Hand und Fuß des armen Schwimmers über die Wellen empor; endlich aber verschwand er ganz aus unserm Gesichte, die wir Zeugen dieses gräßlichen Schauspiels hatten sein müssen, ohne helfen und retten zu können. Daß es, als ich wieder an Bord kam, an einem tüchtigen, aber auch verdienten Verweise von meinem Kapitän nicht fehlte, kann man sich wohl vorstellen. Gott wird mir jedoch meine Sünde vergeben, da er am besten weiß, daß ich dies Unglück nicht aus Mutwillen, sondern gänzlich wider meinen Wunsch und Willen verschuldet!

Merkwürdig ist gleichwohl die Versicherung der Neger, die auch durch den Augenschein bestätigt wird, daß keiner ihresgleichen von der Gefräßigkeit dieser Haie etwas zu fürchten habe, so daß man wohl schließen muß, die schwarze Farbe derselben habe etwas, wodurch sie abgehalten werden, jene anzufallen. Eine solche Gefahr würden diese Afrikaner insonderheit in der Nähe der Schiffe laufen, welche – zumal wenn ihr Bord unter Wasser allmählich mit Muscheln überzogen und mit allerlei Seegras bewachsen ist – von jenen Fischen vorzüglich gerne aufgesucht werden. Hier sieht man sie, wenn manchmal das Wetter still und die See ruhig geworden, in ganzen dichten Herden, worunter es Bestien von zwölf Fuß lang und darüber gibt, diese Fahrzeuge umschwärmen und das Geringste, was eßbar scheint und zufällig über Bord geworfen wird, begierig und heißhungrig erschnappen.

Wird ihr hartes und unschmackhaftes Fleisch gleich nicht gegessen, so macht man doch zuzeiten zum Vergnügen Jagd auf sie, und dazu bedarf es kaum etwas mehr, als eines tüchtigen Hakens von irgendeinem Kistengehänge, den man an eine starke Leine befestigt, an der Spitze aber mit einem Stücke Speck oder dergleichen ködert. Kaum hat er das Wasser exreicht, so hat auch bereits ein Haifisch wütend angebissen, der dann emporgezogen und auf dem Verdecke vollends getötet wird. Grausamer aber ist der gar nicht seltene Gebrauch, wo ihnen auf dem Rücken ein Loch quer durch die starke Haut gestochen und dann ein Tau von drei oder vier Klafter Länge hindurch gezogen wird, an dessen entgegengesetztem Ende man ein Stück Holz oder auch ein verspündetes ganzes oder halbes Ankerfaß befestigt, um sie sodann wieder lebendig in die See zu werfen. So sieht man sie dann wohl zwei, drei und mehr Tage sich unaufhörlich auf den Wogen umherwälzen, weil jenes leichte Anhängsel sie am Untertauchen hindert.[136]

Noch lagen wir in dieser Küstengegend vor Anker, als sich auch ein holländisches Sklavenschiff bei uns einfand und gleichfalls dicht neben uns ankerte. Der Kapitän desselben rief uns zu, daß wir ihn doch mit unsrer Schaluppe zu uns herüberholen möchten. Kaum war dies geschehen und er zu uns an Bord gekommen, als er uns die drückende Not klagte, in welcher er sich augenblicklich befände. Elf Mann von seiner Besatzung wären ihm unterwegs gestorben, und noch habe er vierzehn Kranke liegen, so daß er kaum noch fünf gesunde Leute an die Arbeit stellen könne. Auch habe er seither nicht mehr als achtzehn Sklaven eingehandelt und wisse vor Sorge und Verlegenheit nicht, was er beginnen solle. Sein eigentlicher Wunsch aber war, daß wir ihm einige Köpfe von unsrer Mannschaft überlassen möchten. Hieran war je doch von unsrer Seite um so weniger zu denken, als selbst kaum irgend jemand von den Unsrigen sich zu einem solchen Tausche freiwillig verstanden haben würde. Der einzige Rat, den wir ihm geben konnten, war, daß er suchen möchte, St. George de la Mina je eher je lieber zu erreichen, wo das Gouvernement verpflichtet sein würde, sich seiner anzunehmen.

Während ich ihn wieder nach seinem Schiffe zurückbrachte, erzählte er mir noch umständlicher, daß dasselbe zu Middelburg in Seeland ausgerüstet worden; er selbst aber heiße Harder, sei gleich mir ein Pommer und von Rügenwalde gebürtig. Nun tat es mir doppelt leid um den armen Landsmann, als ich an sein Bord kam und überall ein Elend und eine Unbereitschaft wahrnahm, wie sie mir noch niemals vorgekommen war. Fast mit Tränen in den Augen trennten wir uns, und so wie ich mich von dem Schiffe entfernte, nahm ich auch wahr, daß es die Anker lichtete und unter Segel ging. Doch mochte es kaum eine Viertelmeile Weges gemacht haben, so legte es sich abermals uns im Gesichte vor Anker.

Mitten in der Nacht aber sahen wir von dorther Gewehrfeuer aufblitzen und hörten außer dem Schießen auch allerlei Lärm und Geräusch, ohne zu wissen, was wir daraus machen sollten. Endlich ward alles wieder still und ruhig; doch als der Tag anbrach, erblickten wir jenes Schiff auf den Strand gesetzt und von unzähligen Negern umschwärmt, deren gleichwohl keiner während der zwei Tage, die wir hier noch liegen blieben, sich vom Lande zu uns an Bord getraute; – zur hinreichenden Bestätigung unsers Argwohns, daß sie den wehrlosen Middelburger überrumpelt, die Besatzung niedergehauen und das Schiff hatten stranden lassen, um seine Ladung desto bequemer zu plündern.

Wenn eine solche blutige Gewalttat den Leser mit Recht empört, so muß dagegen notwendig in Anrechnung gebracht werden, daß dergleichen eigentlich doch nur als Notwehr oder Wiedervergeltung gegen nicht minder abscheuliche Überfälle angesehen werden müssen, welche sich auch die Europäer gegen diese Schwarzen gestatten. Besonders sind die Engländer dafür bekannt, daß sie von Zeit zu Zeit in ihren Häfen einige Rotten von Bösewichtern, fünfzehn bis zwanzig Mann[137] stark und aus verlaufenen Steuerleuten und Matrosen bestehend, die bereits mit dem Gange des Sklavenhandels bekannt sind, vereinigen, die ein kleines Fahrzeug ausrüsten, sich mit Schießbedarf und Proviant sowie mit einigen Warenartikeln, wie sie zu diesem Handel gebräuchlich sind, zum Scheine versehen, und so nach der Küste von Guinea steuern. Kommen hier nun die Neger an Bord eines solchen Korsaren, um einen friedlichen Verkehr anzuknüpfen, so fallen diese Räuber über sie her, legen sie samt und sonders in Ketten und Banden, und haben sie der Unglücklichen solchergestalt dreißig bis vierzig oder wie viele sie bewachen können, zusammengerafft, so stechen sie damit nach Südamerika hinüber, um sie an die Spanier oder Portugiesen loszuschlagen. Dort verkaufen sie auch ihr Fahrzeug und gehen nun einzeln als Reisende mit ihrem ungerechten Gewinn nach England zurück, um vielleicht unmittelbar darauf ein neues Unternehmen dieser Art zu wagen.

Es kann nicht fehlen, daß solche Raubzüge dem regelmäßigen Handel an der afrikanischen Küste sowie dem gegenseitigen Vertrauen den empfindlichsten Nachteil bringen. Besonders verderblich aber waren sie zu jener Zeit für den Verkehr, welchen die Holländer vermittelst ihrer Boote betrieben, da die Neger diese von jenen englischen Raubfahrzeugen nicht hinreichend zu unterscheiden vermochten. Diese Erfahrung machte auch ich an meinem Teile, als ich in der Mitte Februars mit der Schaluppe unsers Schiffs und begleitet von dreizehn Mann und mit sechs kleinen Pöllern wohlausgerüstet eine neue Küstenfahrt antrat. Kurz zuvor nämlich hatte ein solcher englischer Korsar in dieser Gegend herumgekreuzt und mancherlei Unfug verübt. Wo ich mich also irgend blicken ließ, ward ich von den Schwarzen mit jenem verwechselt; nirgends wollte sich ein einziger von ihnen zu mir an Bord getrauen. Kam ja hie und da ein Kann zum Vorschein, so hielt es sich voll Argwohns in einer Entfernung von hundert und mehr Klaftern; die armen, furchtsamen Schlucker glotzten mich an, fragten, ob ich ein Engländer oder Holländer sei, und verlangten zum Wahrzeichen des letztern eine holländische Pfeife zu sehen, als ob diese aus einem andern Tone gebacken wäre. Ost auch sollte ich ihnen eine Flasche aus meinem Flaschenfutter zeigen, weil sie wußten, daß die englischen Handelsleute dergleichen nicht zu führen pflegten.

Mit solcherlei kleinen Künsten und guten Worten gelang es mir endlich doch, drei Neger, die in einem Kann gekommen waren, zu bewegen, zu mir an Bord zu steigen. Sie hatten einen Elefantenzahn zu verhandeln; aber in ihren scheuen Blicken verriet sich die Angst und der Zweifel, ob sie bei mir auch sicher sein würden. Nun wollte es der Zufall, daß ich einen etwas närrischen Matrosen im Boote hatte, der sich den Spaß machte, einen von unsern Gästen um den Leib zu fassen und ihn auf die schwarzen Lenden zu klatschen. Allein dies Übermaß von guter Laune brachte einen so plötzlichen und heftigen Schreck über sie alle,[138] daß sie sich kopfüber in ihr Kanu stürzten und eiligst davon machten, ohne ihres Elefantenzahns zu gedenken, den sie in unsern Händen zurückließen. In einiger Entfernung hielten sie indes an, huben die Hände in die Höhe und baten um Auslieferung ihres Eigentums.

All mein Winken und gütliches Zureden zur Umkehr war vergeblich. Je ernstlicher mein Unwille über das so mutwillig gestörte gute Vernehmen war, desto weniger bedachte ich mich nach einem tüchtigen Endchen Tau zu greifen und den Friedensstörer im Angesicht jener nachdrücklich abzustrafen. Diese Gerechtigkeitspflege gab ihnen wenigstens den Mut, sich – obwohl mit Zittern und Zagen – soweit zu nähern, daß wir ihnen ihren Zahn ins Kanu werfen konnten. Da sie sich aber immer noch weigerten, sich uns näher anzuvertrauen, so ließen wir sie endlich in Frieden ihres Weges nach dem Lande ziehen.

Wenige Tage später befand ich mich vor der Mündung eines kleines Flusses, genannt Rio de St. Paul, aus welchem zwei Neger in einem Kanu zu mir herankamen, um mir den Kauf von zwei Sklaven und einer Kackebobe anzubieten, die sie daheim bewahrten und wohlfeilen Preises loszuschlagen gedächten. Doch war die Bedingung, daß ich mit dem Boote zu ihnen in den Strom kommen müßte, weil sie mit ihren Nachbarn am andern Ufer in offner Fehde begriffen wären, die sie sonst mit ihrer Ware nicht ungehindert passieren lassen möchten. Wie mißlich mir auch dieser Antrag deuchte, so überwog doch endlich die Betrachtung, daß ich bereits seit mehreren Tagen zu gar keinem Handel hatte kommen können und daß hier schon einmal etwas gewagt sein wolle. Nachdem ich also meine kleinen Pöller geladen, die Gewehre zur Hand genommen und mich in gehörige Verfassung gesetzt hatte, ruderte ich getrost auf den Ausfluß zu, während die beiden Schwarzen bei mir im Fahrzeuge verblieben.

Ein paar hundert Klafter mochte ich stromaufwärts gekommen sein, wo ich beide Ufer dicht mit Gebüsch verwachsen fand und der Fluß selbst eine Krümmung machte, als ich es unter solchen Umständen doch für ratsam hielt, hier vor Anker zu gehen, wie sehr meine neuen Begleiter auch in mich drangen, noch weiter hinauf bis an ihre Heimat zu fahren. Da ich dies aber beharrlich verweigerte, gingen sie in ihrem Kanu ab und kamen mir aus dem Gesichte. Inzwischen verging wohl noch eine Stunde, die ich in immer gespannterer Erwartung zubrachte, als plötzlich ein Schuß fiel und gleich darauf ein gewaltiger Lärm sich erhob. Hierdurch mit Recht beunruhigt, ließ ich augenblicklich den Bootsanker aus dem Grunde reißen, das Fahrzeug seewärts umwenden und begann das Weite zu suchen. Gleichzeitig stürzte sich auch einer von jenen beiden Negern vom Ufer herwärts in den Strom, schwamm zu uns ans Boot und verlangte, aufgenommen zu werden, indem er immerfort schrie: »Sie sind da! Sie sind da! und meinen Bruder haben sie schon in ihrer Gewalt!«[139] Kaum hatte ich indes die Strommündung er reicht und die Brandung hinter mir, so füllte sich auch das Seeufer mit einer großen Anzahl von schwarzen Verfolgern, die mir eine Menge von Kugeln und Pfeilen nachschickten; jedoch ohne jemand von uns zu treffen, wogegen aber unsere Segel verschiedene Schüsse empfingen. So kam ich also noch leidlich gut aus einem Abenteuer davon, das mir und allen im Boote den elendesten Tod hätte bringen können, wenn ich nur noch eine einzige Minute gezögert hätte, auf meinen Rückweg zu denken. Was aber nun mit unserm neuen Bootskameraden beginnen? – Wäre es auch nach den holländischen Gesetzen nicht bei Lebensstrafe verboten, öffentlichen oder heimlichen Menschenraub zu begehen, so hätte ich mich doch nimmermehr entschließen können, sein Zutrauen so schändlich zu mißbrauchen und mich für den verfehlten Handel an seine schwarze Haut zu halten. Nachdem ich also noch etwa eine halbe Meile längs dem Strande gesegelt war, gab ich ihm seinen Freipaß und ließ ihn wieder nach dem Lande schwimmen, wo der arme Teufel hoffentlich in Sicherheit gelangte.

Doch ehe ich selbst noch ganz außerhalb des Bereichs unsrer Widersacher kam, bemerkte ich mit Verwunderung, daß das Boot weder gehörig steuern, noch so rasch von der Stelle wollte, als es nach Maßgabe seiner Beseglung gesollt hätte. In der Meinung, daß sich irgend einiges Kraut oder Strauchwerk am Kiel verfangen und das Steuerruder behindert habe, lehnte ich mich soweit möglich über Bord, um die Seiten und den Boden des Fahrzeugs unterhalb Wassers zu untersuchen. Da fand ich denn, daß sich Tausende von Neunaugen an dasselbe überall festgesogen hatten, die sich ohne Zweifel in dem süßen Stromwasser befanden und mit unsern Feinden gemeinschaftliche Sache gemacht zu haben schienen, um uns dort zurückzuhalten. Da indes alles Losreißen mit den Händen nicht genügte, uns von diesem Ungeziefer zu befreien, so zogen wir endlich einige Taue unter dem Boote durch, mit welchem wir dasselbe durch Hin-und Herziehen allmählich abstreiften.

Während ich nun meinen Verkehr bald mit mehr, bald mit weniger Glück an der Küste fortsetzte und mich dabei immer weiter vom Schiffe entfernte, begann mir allmählich das frische Wasser zu mangeln, ohne daß ich dessen am Lande wieder hätte habhaft werden können. Es schien mir demnach Zeit, mich wieder nach dem Schiffe hinzuwenden; gleichwohl aber fand ich in der Zwischenzeit von dreizehn Tagen samt meinen Gefährten und den paar erhandelten Negern überflüssige Zeit, die steigenden Schrecknisse eines unauslöschlichen Durstes unter diesem glühenden Himmel zu erproben. Wer es nicht selbst erfahren hat, ist durchaus unfähig, sich dies Elend in seiner ganzen Größe vorzustellen. Mit dem Mangel an frischem Wasser wurden uns auch unsre trocknen Lebensvorräte an Erbsen, Graupen usw. unbrauchbar; denn mit Seewasser gekocht (wie wir es versuchten) blieben sie so hart und waren zugleich[140] von so bitterm Geschmack, daß sie stets wie das heftigste Brechmittel wirkten. Ebensowenig konnten wir unser Pökelfleisch ungewässert kochen und verzehren, ohne unsern grausamen Durst noch zu steigern, und selbst unsern trocknen Zwieback vermochten wir unaufgeweicht nicht durch den ausgedörrten Hals zu würgen.

In diesem Drangsal erinnerte ich mich, gehört zu haben, daß der sparsame Genuß des Branntweins in solchen Fällen ein erprobtes Mittel zur Linderung des Durstes darbiete. Allein die kleine Probe, die wir damit anstellten, bekam uns gar übel; denn die Hitze dieses Getränks trieb uns so viel Galle in den Magen, daß wir selbst den Mund beständig voll davon hatten und darüber zum Sterben erkrankten. Trotz meiner von jeher gleichsam eisernen Natur befand ich mich am elendesten unter allen und lag bereits fast regungslos auf dem Verdeck darnieder; nur unsre Sklaven schienen im ganzen von dieser Not am wenigsten angefochten zu werden.

In der Tat aber war es mit derselben bei uns schier auf das höchste gestiegen, als wir in der Ferne ein Segel ansichtig wurden und um so freudiger darauf lossteuerten, da wir es bald für ein holländisches er kannten. Wir klagten dem Kapitän unser Elend und baten um Abhilfe, erhielten aber den schlechten Trost, daß es ihm selbst an frischem Wasser fehle, doch wolle er unserm dringendsten Bedürfnis abhelfen und so schickte er uns wirklich ein Fäßchen, das vielleicht ein halb Anker halten mochte, herüber.

Mit einer Begierde, die keine Beschreibung zuläßt, setzte ich sofort das Gefäß an den Mund, und so wohl ward mir dabei, daß ich fortgetrunken haben würde, bis ich auf der Stelle den Tod davon gehabt, wenn meine Leute, ebenso ungeduldig nach dem Genuß dieses Labsals, es mir nicht von den durstigen Lippen weggerissen hätten. Als nun aber auch einer nach dem andern sich gütlich getan, war das Wasser schier alle geworden. Die Leute, welche es uns in ihrer Schaluppe gebracht hatten und Zeugen von diesem Auftritte waren, konnten des Erstaunens über unsre ausgedörrten Kehlen und unser Elend kein Ende finden. Um so williger erfüllten sie meine Bitte, ihren Kapitän in meinem Namen um noch einigen Vorrat anzugehen. Ihre Verwendung war auch nicht ohne Erfolg, und es ward uns ein ähnliches halbes Ankerfäßchen zugestanden.

Solchergestalt versehen, gönnten wir uns eine neue Erquickung, indem wir uns sofort nicht nur einen Kaffee bereiteten, sondern auch einen Kessel mit Graupengrütze zum Feuer brachten, um endlich wieder einmal eine ordentliche warme Speise zu genießen.

Das gleiche wiederholten wir am nächstfolgenden Tage, aber mit dem dritten war nun auch wieder unsre Labequelle versiegt, und das vorige Fasten wäre wieder an die Tagesordnung getreten, wenn wir nicht noch des nämlichen Tages ein Kanu mit zwei Negern angetroffen hätten, mit denen ich mich über einen kleinen Wassertransport vom Lande verständigte. Allein die Burschen[141] merkten, daß wir uns darum in Verlegenheit befanden, und forderten für die Lieferung von zwei Fäßchen, die ich ihnen zeigte, und deren jedes etwa dreißig Quart enthalten mochte, einen so ungeheuern Preis an Waren, daß wir dafür in Europa den köstlichsten Wein hätten kaufen können. Indes galt hier kein Weigern, und die Gefäße wurden ihnen zum Füllen hingegeben.

Erst in der Nacht kehrten sie damit zurück und empfingen den bedungenen Lohn. Als wir aber den Inhalt näher untersuchten, ergab sich, daß derselbe merklich nach Seewasser schmeckte; sei es, daß hier ein absichtlicher Betrug vorgegangen, oder daß sie aus Bequemlichkeit aus dem ersten, dem nächsten Brunnen mit Brackwasser geschöpft, oder daß über das Kann in der Brandung eine Welle hergestürzt, die Fässer umgerollt, den Stöpsel ausgeworfen und sie zum Teil wieder mit Seewasser angefüllt hatte. Da jedoch die Beimischung noch erträglich fiel, so nahmen wir auch weiter keinen Anstand, in unserm dringenden Bedürfnis davon Gebrauch zu machen. Auch erreichten wir drei Tage später unser längst ersehntes Schiff, das bei Kap la How kreuzte; aber unsre diesmalige Fahrt, die gleichwohl bis in die fünfte Woche gewährt hatte, war in jedem Betracht ungünstig ausgefallen, denn wir brachten nur drei Sklaven und fünf Elefantenzähne mit uns. Glücklicher war unter der Zeit das Schiff selbst in seinem Handel gewesen.

Während der acht Tage, die ich am Borde verweilte, um mich mit Hoffnung bessern Erfolgs auf eine neue Bootsreise anzuschicken, kam ein Schiff unter französischer Flagge und als Fregatte gebaut in unsern Gesichtskreis, welches von Norden nach Süden längs der Küste steuerte. Sogleich auch gab mir mein Kapitän den Auftrag, mit der Schaluppe hinüber zu segeln und nach neuen Zeitungen über Krieg und Frieden in Europa nachzufragen, damit wir, falls unsre Nation seit unsrer Abfahrt irgend in Krieg verwickelt worden wäre, unsre Maßregeln desto sicherer danach nehmen könnten. Den schon genannten französischen Matrosen Joseph nahm ich mit, um mir als Dolmetscher zu dienen.

Dort angelangt, fand ich eine Menge von Schiffsoffizieren (oder mochten es Passagiere in Uniform sein) vor, die meine Begeüßung mit Höflichkeit erwiderten und ebenso auch meine Fragen über ihren Kurs und wie lange sie bereits in See gewesen, beantworteten. Indem ich auf diese Weise vernahm, daß sie vor etwa vier Wochen von Havre de Grace in See gegangen, fiel mir augenblicklich jenes von seiner Mannschaft verlassene Schiff ein, welches wir im vorigen Oktobermonat in der spanischen See angetroffen und besetzt hatten und welches gleichfalls von jenem Hafen nach den Antillen bestimmt gewesen. Ich trug demnach meinem Dolmetscher auf, die Herren zu fragen, ob und was ihnen von diesem Schiffe bewußt sein möchte?

Schon an ihren verwunderten Gesichtern konnte ich es spüren, daß sie mit[142] diesem Ereignisse bereits bekannt sein müßten und nun erfuhr ich von ihnen folgende Umstände, die mich dem völligen Aufschlusse jener rätselhaften Begebenheit um manches näher führten. Das Schiff war, nachdem es uns so plötzlich von der Seite verschwunden, wider all unser Hoffen glücklich in Rotterdam angekommen, wo man aus den vorgefundenen Papieren sofort ersehen hatte, daß es von Havre de Grace ausgefahren gewesen. Diesem zufolge hatten die holländischen Behörden sowohl an den Handelsstand in jenem französischen Hafen ein Zirkular erlassen als durch die Zeitungen öffentlich bekanntgemacht: Kapitän Johann Harmel mit dem Schiffe Christina von Rotterdam habe in den spanischen Gewässern ein französisches Schiff menschen leer umhertreibend angetroffen, mit Mannschaft besetzt und nach Holland führen lassen. Bei näherer Untersuchung sei gefunden worden, daß hinten unterhalb Wassers zwei Löcher durch das Schiff gebohrt gewesen, indem der dazu gebrauchte Bohrer noch daneben gelegen. Die stumpfe Schneide desselben habe jedoch verursacht, daß die Späne von der äußern Plankenhaut nicht scharf abgeschnitten worden, sich in die Öffnung zurückgelegt, voll Wasser gesogen und dadurch verhindert hätten, daß dasselbe nicht völlig habe eindringen und das Schiff der gehabten Absicht nach zum Sinken bringen können. Nicht minder wunderbar habe eingedrungene Nässe das Fortglimmen einer wirklich schon brennenden, zehn Fuß langen Lunte gewehrt, deren entgegengesetztes Ende zu einem Pulverfasse geleitet worden. Aus beiden frevelhaften Versuchen aber gehe deutlich hervor, daß das Schiff mutwillig und ohne Not verlassen worden und entweder habe sinken oder in die Luft fliegen sollen.

Während nun durch diese Kundmachungen die Reeder des Schiffes aufgefordert worden, sich zu ihrem Eigentume zu melden, hatte auch der französische Kapitän desselben, von Lissabon aus, an sie nach Havre de Grace geschrieben: sein Schiff sei im Meerbusen von Biskaya so leck geworden, daß er befürchtet, jeden Augenblick sinken zu müssen, als zum Glück ein schwedischer Ostindienfahrer in seine Nähe gekommen, der sich auf sein dringendes Bitten habe bewegen lassen, ihn und die übrige Mannschaft zu ihrer aller Lebensrettung an seinen Bord abzuholen. Dieser sei darauf zu Lissabon angekehrt und habe sie sämtlich dort ans Land gesetzt. Er habe nicht unterlassen, hier mit seinen Leuten also gleich eine gerichtliche eidliche Erklärung abzulegen, die er zugleich mit einsende.

Beide Nachrichten, welche zu der nämlichen Zeit in Umlauf kamen, ließen es in ihrer Zusammenstellung keinen Augenblick zweifelhaft, daß der französische Kapitän ein abgefeimter Betrüger gewesen und auch die darauf angestellte gerichtliche Untersuchung ergab, daß er mit zwei Mitreedern des Schiffs unter einer Decke gesteckt, indem sie dasselbe zu gleicher Zeit in London, Amsterdam und Hamburg für große Summen hatten versichern lassen. Diese sahen nun[143] ihrer gerechten Strafe entgegen; ihr Mitschuldiger aber (wahrscheinlich unter der Hand von ihnen selbst gewarnt) hatte es fürs klügste gefunden, sich in Lissabon unsichtbar zu machen, ohne wieder nach seiner Heimat zu verlangen.

Für unser Schiffsvolk ward ich, als ich mit diesen eingesammelten Nachrichten von der glücklichen Bergung unsrer schon für verloren geachteten Prise wieder an Bord kehrte, ein wahrer Freudenbote; denn nun durfte jeder auch auf seinen angemessenen Anteil an der für die Rettung derselben zu bestimmenden Prämie hoffen. Es begann sofort ein Handel über den andern wegen dieser zu erwartenden Prisengelder. Einige verkauften ihr Anrecht für wenige Flaschen Branntwein, andere für etliche Pfunde Tabak, ohne sich um die nur zu mutmaßliche Übervorteilung zu kümmern.

Nach Verlauf einiger Tage rüstete ich mein Boot zu einer neuen dritten Handelsfahrt zu, und diesmal durfte ich auch für meinen Privatverkehr im Einkauf von Staubgold gewissern Vorteil hoffen, da wir uns nunmehr im Angesichte der sogenannten »Goldküste« befanden. Hier wird es daher auch an der rechten Stelle sein, mich über die Art, wie dies Geschäft betrieben zu werden pflegt, etwas ausführlicher auszubreiten.

So verschwenderisch hat die Natur hier ihr edelstes Metall verbreitet, daß selbst der Seesand dessen in hinreichender Menge mit sich führt, um die Mühe des Einsammelns zu vergüten. Wenn daher vormittags die Sonne hoch genug gestiegen ist, um den nackten Negern die Lufttemperatur behaglich zu machen, finden sie sich zu Hunderten am Strande ein, so daß derselbe oft ganz schwarz von ihnen wimmelt. Dann setzen sie sich, dicht neben dem Ablauf der Wellen ins Wasser, und jeder hält eine tiefe, hölzerne Schüssel (deren die Schiffe ihnen als Handelsware zuführen) vor sich zwischen den Knien, nachdem er sie zuvor voll goldhaltigen Sandes geschöpft. Sie wissen diese Gefäße so geschickt zu drehen, daß jede anlaufende Welle darüber hinspült und etwas von dem leichtren Sande über den Rand mit sich fortschwemmt, während das Metall sich vermöge seiner natürlichen Schwere tiefer zu Boden senkt. Dies wird so lange wiederholt, bis der Sand beinahe gänzlich verschwunden ist und das reine Staubgold, kaum noch mit einigen fremden Körnern untermischt, sichtbar geworden. Die Neger wissen es sodann gar geschickt und behende in ihre kleinen Dosen aufzufassen, die wir ihnen gleichfalls zum Verkaufe bringen. Auf diese Weise habe ich wohl selbst zum öftern gesehen, daß manche binnen acht bis zehn Stunden den Wert von sechs bis zwölf und mehr holländischen Stübern zuwege brachten.

Noch weiß ich aus den deshalb angestellten Erkundigungen, daß sie auch weiter landeinwärts mit dem dort befindlichen, goldhaltigen Kiessande auf eine ähnliche Art verfahren, indem sie diese Erdklumpen in die Nähe eines Gewässers tragen und Erde, Sand und Kies so lange durcheinander rühren und[144] ausspülen, bis sie zu dem nämlichen Erfolg gelangen. Hier aber finden sich auch nicht selten bedeutendere Stückchen Goldes, selbst von der Größe wie unser grober Seegries. Die Neger nennen es »heiliges Gold«, durchbohren es, reihen es auf Fäden und schmücken mit diesen kostbaren Schnüren Hals, Arme und Beine. In solchem stattlichen Putze zeigen sie sich gerne auf den Schiffen, und so trägt oft ein einziger einen Wert von mehr als tausend Talern am Leibe.

Stellen sie ihr gewonnenes Gold auf den europäischen Fahrzeugen zum Kauf, so werden ihnen zuvor die ihnen anständigen Waren vorgelegt und über den anzunehmenden Wert derselben eine Übereinkunft getroffen. Dieser Wert wird in »Bontjes« bestimmt oder Stückchen Goldes, etwa eine Erbse schwer und zu sechs Stüber Geldwert zu berechnen. Acht Bontjes betragen ein Entis oder einen Taler holländisch und zehn Entis ein Lot, dessen Wert zu vierundzwanzig holländische Gulden oder nach Unzen zu zweiundvierzig Gulden angeschlagen wird. Die Neger ihrerseits bedienen sich ähnlicher Gewichte, welche aber gegen die holländischen jedesmal zu kurz kommen.

Hier geht nun das Streiten und Zanken an. Immer noch fehlt etwas – noch etwas und so weiter; bis man denn zuletzt unter Zanken und Streiten doch einig wird. Betrogen aber werden die Neger endlich doch immer, wie schlau sie es auch anfangen mögen! Mancher Weiße läßt sich sogar absichtlich die Nägel an den Fingern lang wachsen, rührt damit in dem Staubgolde, unter dem Vorwande, als werde er noch gelben Sand unter den Metallkörnchen gewahr, umher und kraut sich dann unmittelbar darauf mit den Nägeln in den Haaren, um die aufgefischte Beute dort abzusetzen. Haben sich endlich die Verkäufer entfernt, so kämmt er sein struppiges Haar mit einem engen Kamme wohl durch und bringt dadurch zuweilen zwei und noch mehr Bontjes Goldstaub vom Kopfe. Niemand rechnet sich diese Hinterlist zum Vorwurf. Es heißt dann immer: »Nun, was ist's mehr? Ist's doch nur ein Neger, der angeführt wird!«

Nachdem ich endlich eines Morgens meine Fahrt wirklich angetreten hatte und ich etwa drei Meilen vom Schiffe entfernt war, kam mir noch an dem nämlichen Nachmittage ein kleines englisches Schiff zu Gesichte, das ungewöhnlich nahe am Strande vor Anker lag, während ein Teil der Segel und des Takelwerks sich in größter Unordnung befand und wild um die Masten peitschte. Indem ich meine Begleiter auf diese in solcher Lage unbegreifliche Nachlässigkeit aufmerksam machte, beschloß ich, mich diesem Fahrzeuge zu nähern, ob ihm vielleicht Hilfe vonnöten sein möchte, die wir ihm leisten könnten. Bald kam ich im Heransegeln so dicht an seine Seite, daß ich ihm die Frage zurufen konnte, warum er sich in diese gefährliche Nähe an einem unsichern Strand gelegt habe.

War ich bereits verwundert, so ward ich es noch viel mehr, als sich kein einziger[145] Weißer am Borde blicken ließ, dagegen aber wohl zwanzig bis dreißig Neger auf dem Verdeck herumstanden und gingen. Vor allem zeichnete sich ein Kerl auf dem Hinterteil, mit einem blauen Überrock bekleidet, durch seine Keckheit aus, indem er ein kurzes, weitmündiges Schießgewehr (wir nennen es eine Donnerbüchse) in der Hand führte und auf uns anlegte. Ein andrer stand vorn mit einer weißen Weste ohne Ärmel und lag mit seinem Gewehr ebenfalls im Anschlage auf uns. Auch die übrigen alle längs dem Borde winkten mit den Händen abwärts und schrien aus vollem Halse: Go away! Go away! (Packt euch!)

Was war natürlicher zu glauben, als daß dies Schiff soeben in die Gewalt der Schwarzen geraten, welche die englische Mannschaft ermordet hätten und im Begriffe ständen, ihre Beute auszuplündern. Hier war es also allerdings nicht ratsam, lange zu verweilen. Ich steuerte demnach ab gegen den Wind; doch indem ich mich außer der Schußweite sah, fing ich an zu überlegen, daß es nicht gar ehrenvoll für uns aussehen würde, die schwarzen Räuber ihr Wesen so ganz ungestört treiben zu lassen. Ich beriet mich mit meinen Leuten, ob nicht ein entschlossener Angriff auf die Brut zu wagen sein möchte? Denn wenn wir gleich mit einem tüchtigen Feuer auf sie anrückten, so war ich der Meinung, daß die Kerle, da sie so dicht am Lande lagen, bald über Bord springen und uns das Schiff als gute Prise überlassen würden.

Dieser Vorschlag, mit so glänzender Aussicht auf Gewinn verbunden, gewann sich alsobald ihren ungeteilten Beifall. Um mir aber jede künftige Verantwortung und üble Nachrede zu ersparen, fuhr ich fort: »Ihr habt aber auch gesehen, daß wenigstens zwei von ihnen Schießgewehr führen und es sicherlich auch gebrauchen werden, bevor sie uns das Feld räumen. Sollte nun einer oder der andre von uns dabei zu Schaden kommen, so sage niemand, ich hätte ihn zu dem Unternehmen gezwungen. Hier bedarf es durchaus eines freiwilligen Entschlusses. Also: ›Ja oder Nein?‹« – Ihr kaltblütiges »Ja« – weckte das glimmende Feuer in mir zur vollen, lichten Flamme. – »Wir gehen drauf los und jagen die schwarzen Bestien durch ein Knopfloch?« fragte ich noch lauter und heftiger. – »Ja! das wollen wir!« scholl mir zur Antwort entgegen. – »Nun denn! Immer drauf, in Gottes Namen!«

Sofort sprang ich nun zur Vollführung meines Vorsatzes hinten in die Luke hernieder, ergriff ein kleines Pulverfaß, das sechzehn Pfund enthielt, trat ihm hastig mit einem Fußstoße den Boden ein, füllte meinen Hut mit Pulver, eilte damit aufs Deck, lud meine sechs Pöller allein, setzte auf jede Ladung zwei Kugeln, und ließ ein paar angezündete Lunten in Bereitschaft halten. Den besten und zuverlässigsten Mann setzte ich ans Ruder mit dem Gebot, daß er von vorn auf das Schiff zusteuern und so längs dem Borde des selben hinwegstreifen sollte, wie ich ihn an Ort und Stelle noch genauer anweisen würde. Das Abfeuern meines Geschützes behielt ich mir ausschließlich[146] selbst vor, um meines Ziels desto sicherer nicht zu verfehlen, wogegen meine übrigen Leute im rechten Augenblick mit dem Handgewehr ihr Bestes tun sollten.

Wie gesagt, so geschehen! Wir steuerten so dicht auf unsre gehoffte Prise los, daß wir ihren Bord im Vorüberfahren mit einem Bootshaken hätten entern können. Währenddem gab ich zugleich aus all meinen vier Pöllern Feuer, hatte aber den Schreck zu sehen, wie sie samt und sonders zersprangen und überm Haufen lagen, weil ich sie in meinem unbedachten Eifer zu stark geladen hatte. Was mich jedoch auf der Stelle tröstete, indem wir nun hinter das Schiff kamen, war die gelungene Frucht meines Knallens – der Anblick einer guten Anzahl schwarzer Köpfe im Wasser, die bereits eifrig dem Lande zuschwammen.

Jetzt rief ich meinen Leuten zu: »Das Boot umgelegt! Nun dran! Nun geentert! Handgewehr aufs Deck!« – Ich selbst sprang wiederum hinten in die Luke hinab, um die Gewehre, die uns früher hinderlich gewesen wären, schnell hervorzulangen; aber da sprudelte mir von unten ein mächtiger Wasserstrahl aus dem Boden des Fahrzeugs entgegen. Es war nicht anders zu glauben, als daß, während der Pulverdampf alles erfüllte, im Vorüberfahren am Schiffe jener Kerl mit der Donnerbüchse vom höhern Hinterteile herab gerade in die offene Luke gehalten und den Boden so unglücklich durchschossen haben mußte. Konnte es wohl einen wunderlicheren, aber zugleich auch widerwärtigeren Zufall geben?

Ich trat augenblicklich mit dem Fuße auf das Loch und schrie nach irgendeinem Kleidungsstück, um davon einen Pfropfen zu drehen und diesen in oder auf die Öffnung zu stopfen. Meine Leute aber standen alle wie angewurzelt und bedonnert, ohne meine Meinung zu fassen. Endlich riß ich mir selbst das Hemde vom Leibe, wickelte es so fest zusammen, als mir möglich war, und suchte dem Unheil vorläufig damit abzuhelfen. Doch wie ich nun auf das Deck kam, nahm ich wahr, daß das Boot fast bis zum Sinken tief lag, und das eingedrungene Wasser es binnen der kurzen Zeit schier bis oben gefüllt hatte. Noch empfindlicher aber ward mir dies Unglück in der Betrachtung, daß ich soeben erst mein Schiff verlassen hatte und nun mein noch vollständiger Vorrat von Handelswaren durchnäßt und nur zu gewiß verdorben worden. An die Fortsetzung des Gefechts war unter diesen Umständen nicht mehr zu denken, und alle unsre schon erlangten Vorteile mußten aufgegeben werden.

Ich entfernte mich also mit großem Schaden von dem Kampfplatze. Dreiviertel Meilen weiter von hier unter dem Winde nahm ich ein Schiff vor Anker wahr, auf welches ich zusegelte, bis ich neben demselben gleichfalls den Anker fallen ließ, um mein eingedrungenes Wasser auszupumpen. Der Kapitän jenes Schiffes kam in seiner Schaluppe zu mir an Bord, weil er wahrgenommen, daß ich bei jenem ober Windes liegenden Fahrzeuge geschossen, und er zu wissen[147] wünschte, was dies zu bedeuten gehabt? – Mein Bericht setzte ihn ebensosehr in Erstaunen, als er mir sein Beileid über meinen erlittenen Unfall und das Verderbnis meiner Ladung bezeigte; denn ich hatte soeben die unerfreuliche Entdeckung gemacht, daß meine Waren nicht nur sämtlich unter Wasser gelegen, sondern daß auch die Pulverfässer, woraus ein Teil derselben bestand, durch das Schlingern des Bootes ihren Inhalt dem Wasser mitgeteilt und all meine Zeugwaren völlig schwarz gefärbt hatten.

Der Kapitän bemerkte, daß er das englische Fahrzeug bereits seit drei Tagen dort habe liegen sehen. Gegen den Wind habe er zu demselben nicht heransteuern können, und da auch sein Boot gerade auf einer Handelsreise abwesend sei, so habe er bisher einen untätigen Zuschauer abgeben müssen. Er wolle mir aber mein Boot in möglichst kurzer Zeit wieder dicht machen helfen, sich persönlich mit mir vereinigen, noch etwa ein zehn oder zwanzig Köpfe von seinen Leuten mit zu Hilfe nehmen und das englische Schiff mit mir gemeinschaftlich angreifen und nehmen. Allein ich hatte in dem Augenblick den Kopf zu voll von meinem Unglück, das mir auf dem Halse lag. Ich schlug ihm daher meine Teilnahme an der Fortsetzung dieses Abenteuers ab, und wahrscheinlich wäre es auch ebenso fruchtlos abgelaufen; denn schon am nächstfolgenden Morgen sahen wir das englische Schiff völlig am Strande liegen, wohin es die Schwarzen hatten treiben lassen. Was ferner damit geworden sein mag, ist mir nicht wissend geworden.

Für mich blieb nun kein anderer Rat, als mich wieder nach unsrer Christina zu wenden und eine ganz neue Ausrüstung zu verlangen. Indes mag sich der Leser selbst, wenn er kann, eine Vorstellung davon machen, mit welch einem garstigen Willkommen ich dort nach Abstattung meines Berichts von meinem Kapitän empfangen wurde, der das Unglück hatte, fast beständig betrunken zu sein. Er wollte mich totstechen, totschießen oder mir sonst auf eine neue, noch unerhörte Manier den Garaus machen. Da ich nun meinerseits des Glaubens war, daß ich nach Maßgabe der Umstände vollkommen recht und pflichtmäßig gehandelt und ich den unglücklichen Zufall, der hier den Ausschlag gegeben, nicht verantworten könnte, so mochte ich mich auch nicht entschließen, demütig zu Kreuze zu kriechen, und so gab es nun noch drei Wochen lang zwischen uns nichts als böses Blut und täglichen Verdruß (denn in dem Ärger sprach mein Gegner nur um so fleißiger der Flasche zu und ward dann wie ein tolles rasendes Tier), bis wir endlich vor St. George de la Mina anlangten, um dort unsern letzten Handel abzuschließen.

Hier fand ich den Gouverneur Peter Wortmann noch von den nämlichen wohlwollenden Gesinnungen gegen mich erfüllt, wie ich ihn vormals verlassen hatte. Ich klagte ihm bei Gelegenheit mein ganzes Unglück und meine obschwebende Mißhelligkeit mit dem Kapitän, die mir alle Ruhe des Lebens verbitterte.[148]

Er dagegen hieß mich guten Mutes sein, indem er ehestens den Hohen Rat versammeln wolle, wo ich volle Freiheit finden würde, mein beobachtetes Verfahren zu verteidigen. Dies geschah auch wirklich bald nachher in einer Sitzung, zu welcher außer den ordentlichen Räten noch fünf holländische Schiffskapitäne, die dort eben mit ihren Schiffen auf der Reede lagen, mit hinzugezogen wurden. Ich erklärte vor dieser Versammlung unter dem Vorsitz des Gouverneurs und im Beisein Kapitäns Harmels den ganzen Verlauf der Sache mit dem Angriff auf das englische Fahrzeug, daß ich, was ich getan, zugunsten unsers Schiffs und unsrer Leute unternommen, welche, wenn die Besitznahme geglückt wäre, nach den Seerechten zwei Drittel der Ladung als Bergelohn zu fordern berechtigt gewesen sein würden. Ob mein Angriff ungeschickt geleitet worden und ob ich ohne den empfangenen Schuß mein Vorhaben nicht unfehlbar erreicht haben würde, überließ ich dem Gericht zur einsichtsvollen Beurteilung. – Die Folge dieser Verantwortung war, daß ich einstimmig und mit Ehren freigesprochen wurde.

Während unsers fernern Verweilens vor diesem Platze kam eines Tages ein holländisches Schiff auf der Reede vor Anker, welches sofort auch die Notflagge wehen ließ und mehrere Notschüsse abfeuerte. Von allen anwesenden Schiffen konnte indes nichts zu dessen etwaigem Beistande geschehen, da unsre sämtlichen Kapitäne eben mit den Schaluppen an Land gegangen waren, und wir Steuerleute kein anderes Boot zu unsrer Verfügung hatten. Doch sahen wir bald, daß vom Fort aus ein Kanu mit vier Negern abstieß, eiligst nach dem notleidenden Schiffe hinruderte und auch nach Verlauf einer Stunde von dort wieder zurückkehrte.

Zwei Stunden später kam dies nämliche Kanu vom Lande aus wieder zum Vorschein und geradeswegs zu mir an Bord. Es brachte mir den schriftlichen Befehl des Gouverneurs, mit diesen Negern zu ihm an Land zu fahren. Ich befolgte diese Weisung, ohne mir's einfallen zu lassen, daß meinem Kapitän hiervon nichts gesagt worden. Indem ich aber in den großen Saal trat, fand ich die nämliche Versammlung, vor welcher ich unlängst zu Gerichte gestanden und auch den Kapitän Harmel an der Tafel bei einem fröhlichen Mittagsmahl sitzen. Kaum aber faßte mich der letztere ins Auge, so sprang er auf und fragte mich in rauhem Tone, was ich am Lande zu schaffen hätte. – Statt der Antwort überreichte ich ihm das von Seiner Edelheiten, dem Gouverneur, erhaltene Billet und trat während dessen hinter den Stuhl des letztern, um zu fragen, was zu seinen Befehlen stände?

»Da ist«, hub dieser an, indem er aufstand und sich zu mir wandte, »soeben der Kapitän Santleven von Vließingen auf der Reede angelangt und befindet sich im äußersten Drangsal. Er selbst liegt krank im Bette, seine Steuerleute sind tot, er hat daneben beinahe hundert Sklaven an Bord, und seine Not und Verlegenheit ist dermaßen groß, daß er hat eilen müssen, diese Station zu erreichen, um von den hier liegenden Schiffen einen Steuermann zu erlangen, der[149] die Führung des Schiffes übernehmen möchte. Ich und die übrigen Herren Kapitäne hier wünschten ihm darin wie billig zu willfahren und haben Euch, mein lieber Nettelbeck, zu diesem Posten ersehen.«

Bevor noch der Gouverneur seinen Antrag geendigt hatte, begann schon mein Kapitän, ihn unterbrechend, dagegen aus allen Kräften zu protestieren, wie sehr auch die übrigen Anwesenden bemüht waren, ihn davon zurückzuhalten. Zuletzt wandte er sich ganz wütend gegen mich und gebot mir: »Nettelbeck, Ihr verfügt Euch stehenden Fußes auf mein Schiff zurück und verseht den Dienst an Bord. Ich will und befehle es!« – Dem mußte allerdings gehorcht werden! Ich wandte mich ruhig um und ging zum Saale hinaus.

Kaum war ich aus der Türe, so hörte ich etwas hinter mir drein schreiten. Es war einer von den tafelnden Kapitänen, der aufgesprungen war, mich hastig an der Hand ergriff und mich fragte: »Ich bitte Euch um alles – Ihr heißt Nettelbeck?« – Ich bejahete, und nun fuhr jener noch angelegentlicher fort: »Und seid Ihr ein Kolberger? Wohnt nicht Euer Vater dort am Markte, und habt Ihr nicht eine Schwester, die an einem Fuße hinkt?« – Ich bejahete wiederum, aber mit zunehmender Verwunderung, teils über diese genaue Kenntnis meiner Familie, teils über die Absicht all dieser Fragen. – »Nun denn«, setzte er mit gleichem Feuer hinzu, so müßt Ihr ja auch einen Bruder in Königsberg haben, der ein Schiff für eigene Rechnung fährt?« – »Der werde ich wohl selbst gewesen sein«, war meine Antwort. – »Wie? Nicht möglich? Ihr selbst? Nun denn um so weniger«... unterbrach er sich selbst, hielt mich noch fester und zog mich stürmisch wieder in das eben verlassene Zimmer zurück. Ich wußte am allerwenigsten, was dies alles zu bedeuten haben könnte.

Sein Nächstes war nun, daß er sich an den Kapitän Harmel wandte, ihn freundlich umfing und ihm schmeichelnd zuredete: »Nicht wahr, lieber alter Freund, Ihr gebt meinem und unser aller Dringen eine gute Statt und überlaßt diesen wackern Mann an Santleven? Denn ich will's Euch nur sagen: für alles, was Nettelbeck heißt, lass' ich Leib und Leben, und ich will Euch für ihn einen meiner eigenen Steuerleute und einen befahrnen Matrosen obenein, der es auch alle Tage werden könnte, an Bord schicken. Topp?« – Auch die andern insgesamt umringten den zornigen Menschen und redeten so lange und eifrig auf ihn ein, bis er sich jede Ausflucht abgeschnitten sah, und endlich, mir halb über die Achsel zugewandt, entgegen brummte: »So geht denn meinetwegen zum Teufel!« – Das war und blieb mein Abschied!

Dagegen drang nun der Mann, der mir so geflissen das Wort geredet hatte, in mich, nun auch sofort mit ihm zu Kapitän Santleven an Bord zu gehen, wohin er mich in seiner Schaluppe bringen wolle. Dies geschah auch, und indem wir nun vom Strande abstießen und in der See waren, konnte ich mich denn nicht länger entbrechen, an meinen freundlichen Begleiter die Bitte zu richten,[150] daß er mir doch erklären wolle, woher er eine so genaue Kenntnis meiner Familie habe, und wie er überhaupt dazu komme, einen so warmen und freundschaftlichen Anteil an mir zu nehmen.

»Nun«, erwiderte er lächelnd, »das wird Euch weiter nicht wundernehmen, wenn Ihr hören werdet, was ich Euch zu erzählen habe. Im Jahre 1764 fuhr ich als Steuermann auf einem holländischen Schiffe und hatte in der herbsten Jahreszeit zwischen Weihnachten und Neujahr das Mißgeschick, eine Meile von Kolberg zu stranden und kaum das nackte Leben zu bergen. Des nächsten Tages führte Euern Vater der Zufall in das Dorf und die armselige Bauerhütte, wohin ich und meine übrigen Unglücksgefährten uns kümmerlich geflüchtet hatten. Die hellen Tränen traten ihm bei unserm Anblick ins Auge. Insonderheit richtete er seine Aufmerksamkeit auf mich, fragte mich über meine Umstände aus und erbot sich auf der Stelle edelmütig, mich, wenn ich wolle, mit nach Kolberg zu nehmen und für mein weiteres Unterkommen zu sorgen. Er habe auch zwei Söhne in der See, und Gott wisse, wo und wie auch sie die Hilfe mitleidiger Seelen bedürfen könnten. Vor der Hand könne er zwar nur mich allein mitnehmen; allein auch für die Rückbleibenden solle baldigst Rat geschafft werden.«

»So kam ich«, fuhr er fort, »nach Kolberg in Euer väterliches Haus, wo ich an Eures Vaters, Mutter und Schwester Seite gegessen und getrunken, all meine Notdurft empfangen und tausendfacher Liebe und Güte genossen habe. Eure Schwester versorgte mich mit Wäsche, meine kleinsten Wünsche wurden erfüllt, und so erhielt ich von so liebreichen Händen meine volle Verpflegung bis über Ostern hinaus, wo sich endlich eine Schiffsgelegenheit fand, wieder nach der Heimat zurückzukehren. Aber auch da noch steckte mir Euer Vater einen holländischen Dukaten zum Reisegelde in die Hand, und hinter seinem Rücken tat Eure Mutter mit zwei preußischen harten Talern das nämliche. Ost genug erzählten mir beide von ihrem wackern Sohne in Königsberg, und ich hinwiederum vertraute ihnen, wie ich, obwohl ich es vorgegeben, doch kein Holländer, sondern ein preußisches Landeskind und aus Neuwarp in Vorpommern gebürtig sei, Karl Friedrich Mick heiße und mich aus Furcht vor dem Soldatenstande außer Landes gewandt habe. Seit jenen Zeiten habe ich nun allstets darauf gesonnen, wie ich es möglich machen wollte, so viel Liebe und Güte nach Würden zu vergelten, und hätte wohl nicht gedacht, daß sich mir dazu hier an der Küste von Afrika eine so erwünschte Gelegenheit auftun sollte. Wiewohl ich noch immer nicht begreife, was für ein widriges Schicksal Euch hierher führt und Eure blühenden Umstände so ganz verändert hat?«

Die Antwort auf diese teilnehmende Frage mußte ich dem guten Manne für diesmal noch schuldig bleiben, da wir soeben am Bord des Kapitäns Santleven anlangten. Diesen fanden wir beim Eintritt in die Kajüte bettlägrig und in elender Verfassung. Mein Begleiter stellte mich ihm mit einer nachdrücklichen[151] Empfehlung und Verbürgung als denjenigen vor, der ihm in Führung seines Schiffs und seiner Geschäfte beirätig sein solle, und auf den er sich in allen Fällen verlassen könne. Der gute Mann streckte seine Arme nach mir aus, umfing mich inbrünstig und hieß mich von ganzem Herzen willkommen. Demnächst übergab er mir das völlige Kommando am Borde, ließ mich durch den Kapitän Mick dem Schiffsvolke vorstellen, gab mir die nötige Einsicht in seine Papiere und Geschäfte und war solchergestalt nach Möglichkeit behilflich, daß hier alles wieder mit einem neuen Geist und Leben beseelt wurde. Mir selbst war nicht minder zumute, als sei ich aus der Hölle in den Himmel übergegangen.

Bevor nun mein neuer, tätiger Freund und Gönner mich verließ, bemerkte ich ihm, daß ich auf der Christina noch eine sechsmonatliche Gage zu fordern hätte, und er versprach mir, daß sie mir unverkürzt ausgezahlt werden sollte. Wirklich geschah dies auch gleich am nächsten Tage mittels einer Anweisung des Kapitäns Harmel auf zweihundertsechzehn Gulden holländisch an seine Schiffsreeder, die Herren Rochus und Kopstädt in Rotterdam, die auch zu ihrer Zeit gebührend honoriert wurde. Ebenso holte ich meine Habseligkeiten aus dem alten in das neue Schiff ab und war von diesem Augenblicke an in dem letztern vollkommen einheimisch.

Nach gepflogener Beratschlagung mit meinem Kapitän wandten wir das Schiff wiederum gegen die westlicher gelegenen Punkte, um unsre Ladung durch fortgesetzten Handel zu vervollständigen. Das beschäftigte uns bis in den September hinein, während welcher Zeit der gute Mann zu meiner nicht geringen Freude sich merklich erholte und endlich auch wieder auf dem Verdeck erscheinen konnte. Um so leichter ließ sich nun auch der Beschluß ausführen, daß ich mit dem Boote nach dem sechs Meilen von uns entfernten holländischen Forte Boutron abgehen sollte, wohin wir mit dem Schiffe zu kommen durch Wind und Strömung verhindert wurden, und wo sich gleichwohl vielleicht einiger Vorteil für unsern Verkehr beschaffen ließ.

Auf dem Wege dahin erblickte ich ein Boot, das uns entgegensteuerte, und aus dieser Richtung sowohl, als aus andern Umständen erkannte ich leicht, daß es mit seinem Briefsack nach St. George de la Mina gedenke und zu einem kürzlich erst auf der Küste angelangten Schiffe gehören müsse. Dies machte mir Luft, mich ihm zu nähern und ihm seine mitgebrachten Neuigkeiten abzufragen. Kaum aber war das Gespräch angeknüpft, so erkannte ich in dem jenseitigen Führer mit absonderlicher Verwunderung den nämlichen Steuermann Peters, der uns in vorigem Herbste mit der besetzten französischen Prise so unerwartet und bei Nacht und Nebel davongegangen. Auch mein Gesicht ward ihm sofort kenntlich; er rief meinen Namen, und wir verloren keinen Augenblick, unsre Fahrzeuge aneinander zu befestigen, damit wir die tausend Fragen und Antworten, die uns beiderseits auf der Zunge schwebten, gegeneinander austauschen[152] könnten, indem er zu mir übersprang und mir vollkommne Befriedigung meiner Neugier gelobte.

Daß er sich mit dem Schiffe glücklich nach Rotterdam hingefunden hatte, war mir, wie der geneigte Leser weiß, bereits im März durch die französische Fregatte zu Ohren gekommen. Allein wie er dies bei seinen beschränkten Kenntnissen vom Seewesen und ohne einen festen Punkt von Länge und Breite mit sich zu nehmen, habe möglich machen können, wollte mir ebensowenig, als daß sein Verschwinden ein bloßes Werk des Zufalls gewesen sein sollte, einleuchten. Indes behauptete er doch, er habe, als es Tag geworden, uns in der Christina weder gesehen, noch wieder auffinden können und sei also genötigt gewesen, seinen Kurs nach Gutdünken gegen den englischen Kanal zu einzurichten. In dieser beibehaltenen Richtung sei er einige Tage später auf ein englisches Schiff gestoßen, bei welchem er sich wegen der Lage von Quessant und der Entfernung dieses Punktes befragt, aber von der Antwort wenig verstanden habe, da ihm, wer weiß wieviel hundert Meilen (wahrscheinlich wohl englische Seemeilen, sechzig auf einen Grad) vorgerechnet worden. Demnach sei er getrost bei seinem anfänglichen Kurs geblieben, bis ihm des nächstfolgenden Tages ein schwedisches Schiff die Auskunft erteilt, daß er Kap Landsend in Ostnordost fünfundsechzig Meilen vor sich liegen habe, und dieser willkommenen Weisung nachsteuernd, habe er denn auch bei günstigem Winde diese Landspitze des dritten Tages zu Gesichte bekommen, von dort den Kanal hinaufgeleiert, ferner die flämischen Küsten möglichst in der Nähe behalten und so des fünften Tages auch glücklich Goree und die Mündung der Maas erreicht.

Weiter setzte er hinzu: der Hafenmeister von Goree, als er zu ihm an Bord gekommen, ihn alsobald wieder erkannt, daß er erst vor wenigen Wochen von hier in See gegangen und sich die übrigen seltsamen, dies Schiff betreffenden Umstände berichten lassen, habe sich vor Verwunderung gekreuzigt und gesegnet, aber auch um so weniger zulassen wollen, daß es seinen Weg stromaufwärts nach Rotterdam fortsetze, bevor nicht davon Bericht erstattet und eine nähere Untersuchung verfügt worden. Beides sei demnächst auf Veranstaltung des Handelshauses Rochus und Kopstädt durch eigene Kommissarien geschehen, der Befund nach dem Haag an die Staaten von Holland abgegangen und von dorther die Anweisung zu dem gerichtlichen Verfahren gekommen, wovon bereits oben ausführliche Meldung geschehen. Ebenso übereinstimmend war des Steuermanns Erzählung von dem Befund der versuchten Anbohrung des Schiffes, welcher sich beim Ausräumen desselben ergeben. Schiff und Ladung waren in der Folge gerichtlich zu Verkauf gestellt und aus beiden ein Wert von neunundneunzigtausend Gulden holl. gelöst worden.

Von dieser bedeutenden Summe kamen nun nach den holländischen Seerechten zwei Drittel den französischen Eigentümern, ein Drittel aber dem Schiffsvolke[153] der Christina zu. Umgekehrt wäre das Verhältnis gewesen, wenn sich jener Hund nicht mehr als Wächter auf dem Schiffe befunden hätte, um dieses als völlig herrenlos anzunehmen; woraus denn zu ersehen, was für eine sonderbare Gerechtigkeit die Seegesetze auf einem Schiffe selbst einem Hunde einräumen. Denn dieser hier verdiente seinem Herrn durch sein Bellen, mit welchem er uns empfing, reine zweiunddreißigtausend Gulden!

Das Drittel, welches unserm Schiffe zufiel, kam zur Hälfte wiederum den Reedern zugut; die andre hingegen dem Schiffsvolke nach Maßgabe der Monatsgage, die jeder zu empfangen hatte. Ob jedoch hierbei ganz nach den richtigsten Grundsätzen verfahren wurde, mag man daraus entnehmen, daß, als ich in der Folge als gewesener Obersteuermann der Christina meine Forderung an diese Prisengelder in Holland geltend machte, mir zweiundvierzig Gulden ausgezahlt wurden. – Von Peters aber habe ich nur noch zu erzählen, daß er demnächst auf einem Schiffe des nämlichen Handelshauses Rochus und Kopstädt als Obersteuermann unter Kapitän Schleuß angestellt worden, das jetzt bei Kap Monte lag und mit dessen Briefsack er eben auf dem Wege nach St. George de la Mina begriffen war.

Einige Tage nachher traf ich zu Boutron ein, ohne dort für unser Negoz etwas Tüchtiges schaffen zu können. Überall war für diesen Augenblick im Handel bereits aufgeräumt und die größere Anzahl der Schiffe, als ich nach unserm Hauptfort zurückkehrte, von dort nach Amerika in See gegangen. Es blieb uns daher nur übrig, diesem Beispiel ungesäumt zu folgen und zu dem Ende uns für diese Reise mit Trinkwasser und Brennholz zu versehen.

Als ich bei dieser Gelegenheit mit meinen Leuten mich am Lande befand, trat ich bei einem Kompanieneger, namens Franz, ein, dessen Bekanntschaft ich gemacht hatte. Hinter seiner Hütte hatte dieser Mensch ein Art von Gärtchen eingehegt, und ich bemerkte, daß er sich zum öftern dorthin begab, um mit sichtbarer Sorgfalt an einem Schirm von Bastmatten zu drehen und zu stellen. Meine Neugier erwachte; ich ging ihm nach und fragte, was für einen seltenen Schatz er hinter dem Schirme hütete? – »Jawohl, einen Schatz!« war seine Antwort – »ein rares vaterländisches (d.i. holländisches) Gewächs!« – Nun erwartete ich wenigstens ein Beet mit den teuersten Harlemer Blumenzwiebeln vorzufinden. – »Ei, Franz! das sind ja aber ganz gewöhnliche Grünkohlpflanzen! und aus den fünf oder sechs Pflanzen wirst du schwerlich auch einmal ein Gericht zusammenbringen!« – »Nun, wer sagt denn auch, daß ich sie essen will? Es ist ja nur der Rarität wegen!« – Und dicht neben dieser vaterländischen Rarität lagen Zitronen und Limonen zu Dutzenden im Grase und verfaulten, ohne daß jemand es der Mühe wert gehalten hätte, sie aufzulesen! So verschieden sind die Begriffe von Wert oder Unwert, den wir auf dergleichen Sachen zu legen geneigt sind![154]

Quelle:
Nettelbeck, Joachim: Eine Lebensbeschreibung, von ihm selbst aufgezeichnet. Meersburg, Leipzig 1930, S. 121-155.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
Eine Lebensbeschreibung, von ihm selbst aufgezeichnet
Joachim Nettelbeck, Burger Zu Colberg (3); Eine Lebensbeschreibung, Von Ihm Selbst Aufgezeichnet
Bürger zu Kolberg: Eine Lebensbeschreibung, von ihm selbst aufgezeichnet

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