Das Tüpfelchen auf dem J.

[54] »Mit dem Hute in der Hand« kommt man längst nicht mehr »durchs ganze Land« – höchstens noch in einen List, wenn eine gütige Fee einem eine scharmante Lady als »Auffahrt«genossin mitgibt.


Das Tüpfelchen auf dem J.

Auch für den be »hüteten« Mann gilt das »Man kann nie wissen, ob nicht doch ...«, was jedoch nicht die Methode des Überängstlichen – man schreibt es einem berühmten Münchner Illustrator zu – heiligen soll, der in seinen vier Wänden den Zylinder zum Adamskostüm trug, denn – »vielleicht kommt doch Besuch!« ...

Der Herrenhut ist keine Kopfbedeckung schlechthin – nein, ein eng mit der Person verwachsenes Kleinod – eine liebgewordene Wohnung, von der man sich blutenden Herzens trennt. Anhänglichkeit ist aber keine Entschuldigung für Brigantenschlapphüte und mißverstandene Künstlersombreros. Aufreizend neu braucht, soll das »Dach« nicht sein, nur wollen wir nicht an seinem Lederfutter Tagesmühen und Beschäftigung ablesen können.

Mehr Hygiene, meine Herren! Gib acht! – mit einem schäbigen Hut hinterlegst du eine zerknitterte Visitenkarte in der Garderobe der Hausfrau! Mit einer harten Bürste, reinigenden Teeblättern und Schonung vor Unbilden der Witterung halten sich Fasson und Material sehr lange ansehnlich. Der Hut braucht nicht einmal aus den Künstlerwerkstätten eines Pariser Gelot oder Londoner Lock hervorgegangen zu sein, um nach Aufarbeitung, mit einem frischen Seidenband geziert, seine fabrikneuen Kollegen zu beschämen!

Was für abscheuliche Monstra kann man oft auf den Häuptern sonst passabler Menschen registrieren! Lodenhütchen à la sächsische Schweiz, beim Spaziergang in Nabelhöhe angeklammert![54] Velour mit Gamsbart zum Stadtpaletot – ein eleganter Borsalino in Negerfarbe zum Tennisdreß!

Habt ihr vergessen, daß es die Erfindung einer Reisemütze gibt? Muß der Hut im Gepäcknetz verkümmern? Zu kurzen Sporthosen ist ausschließlich die Mütze daseinsberechtigt, erinnert euch daran bei Sommerreise und Wochenendfahrt!

Wieviel Unheil hat aber erst der Zylinder angerichtet! Ein für allemal: wenn schon blanker Seidenhut – dann auch schwarzer Mantel – nicht der dunkelste Chesterfield ist genügend. Zum Frack den matten Zylinder, der Chapeau claque tritt etwas zurück. Man vermeide es, in Frack und schwarzer Melone im Vestibül herumzustehen – erst Mantel an – dann den – unvorschriftsmäßigen Hut aufgesetzt!

Der schwarze Steife droht als »Hut für alles« mißbraucht zu werden: zwar liebt der Yankee den »Derby« ebenfalls, zu seinen prägnanteren Sportphysiognomien ist er aber ein besserer Rahmen als für Hinz und Kunz jahraus, jahrein. Nehmt, falls keine Zechinen vorhanden, als Universalhut den grauen, graubraunen oder bläulichen Haarfilz, zu Mantel- und Anzugfarbe abgestimmt, ihr könnt ihn sogar hübsch bescheiden und unauffällig zum Smoking benützen!

Mitbürger – habt ihr einmal einen Strohhuttag erlebt? Nein? Unbeschreibliches ist euch entgangen – ein Schlußkapitel aus »Spießers Wunderhorn«! Die »Butterblume« ist das Schmerzenskind unserer Zeit. Zu seinen Trägern paßt die »Kreissäge« fast stets wie der Igel zum Handtuch! Südliche Zonen sind und bleiben die Heimat des Strohhuts, in Osterreich kurz: »Girardi« genannt, weil Wiens unvergeßlicher Alexander Girardi, Nestroys kongenialer Interpret, mit seinem lustig gefältelten Jungengesicht, den – nun eben den »Girardi« hoffähig machte, gleichwie Dreher, der stolze Patrizier der Donaustadt, den hohen »Stößer«. Sinnbild der Wiener Fiakerseligkeit.

Kurzum – der Strohhut ist zum Sommerflanell im Sonnenbrand alleinig am Platze – auch da nur für die junge Generation – etwa zu ihrem wohlgepflegten Henri Quatre – verehrtester Herr Sanitätsrat, ein Strohhut? – unvorstellbar!

Das Schautragen des lichten grauen Zylinders zum gleichfarbigen Cutaway überlassen wir als Reservat den soignierten[55] Grandseigneurs, denen Rennstall und Achtzylinder, Bric-a-brac und Eigenvilla den nötigen Hintergrund verleihen! Und wer sich mit Stolz »Emir von Afghanistan« nennen darf, kann lächelnd in extravaganter Laune eine Order auf schneeweissen Seidenzylinder erteilen ... er wird trotzdem zum Geßlerhut seiner Zeit werden! ...


Wunschtraum des Mentors:

Im Hutladen vor dem Spiegel.


Bäckereibesitzer: ».... eine weiße Schirmmütze für den Ausflug? – ja soll ich denn wie ein verkleideter Steuermann aussehen?«

Bürovorsteher: »... immer dieses triste Schwarz – geben Sie mir einen dunkelgrauen Filz.«

Gutsbesitzer: »Bloß kein Kleegrün oder Oliv – in der Stadt will ich nicht auf zehn Meilen erkannt sein!«

Reisender: »Denken Sie vielleicht, daß ich mich auf der Bahn dauernd mit dem schwarzen steifen Hut herumplage – noch dazu im Sommer?«

Rentier: »Ja, bin ich denn ein Greis, daß Sie mir eine Astrachanmütze und ein Käppi anbieten?«

Der vollendete Adam: »Nein, liebes Fräulein – die Kaffeemelone lassen wir für Theaterleute, ich hab' dafür keinen entsprechenden Anzug. Die Krempe an dem hübschen Haarfilz hier ist leider zu schmal für meine Größe – aber den Stahlgrauen können wir nehmen, mit einem schwarzen Ripsband, bitte, denn er muß zu mir passen wie das Tüpfelchen zum – J!«


Das Tüpfelchen auf dem J.

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 54-57.
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