6. Krönung und Huldigungen.

[162] Der grosse Kurfürst hinterliess das Preussenland mit dem Rechte voller, fast von ganz Europa anerkannter Souveränetät seinem Sohne, dem auf preussischem Boden, zu Königsberg, am 12. Juli 1657 geborenen Friedrich III., der mit weiser Vorsicht den rechten Zeitpunkt zu erharren verstand, um der ererbten Würde auch das bedeutsame äussere Wahrzeichen hinzuzufügen. Am 13. December 1700 gab der Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg als König Friedrich I. das Staatsgrundgesetz über die Annahme der Königswürde und befahl dasselbe durch ein Manifest allen europäischen Mächten zu verkünden. Am 18. Januar 1701 setzte der Erste König in Preussen sich die Krone auf's Haupt und kniete an dem Altare in der Schlosskirche zu Königsberg nieder, um die Salbung zu empfangen. Er ergriff das Zepter mit dem Gelübde vor Gott, nach seinem Gewissen ein gerechtes Regiment über seine Völker zu führen, als König von Gottes Gnaden. Die Stände aber huldigten ihm zum zweiten Male, nunmehr als ihrem Könige.

Die preussische Krone, des Reiches höchstes Kleinod, bedeutet die volle Unabhängigkeit und Selbstständigkeit dessen, dem sie von Gott beschieden ist. Der damaligen Zeit erschien die That der Krönung in Königsberg als eine Ceremonie, aber der nachfolgenden war sie ein Ereigniss geworden; dem Glanze, womit Friedrich I. seinen Hof erfüllte, lag ein tieferer Gedanke zu Grunde; es war keine blosse Prachtliebe, sondern ein Princip; Friedrich I. schuf die preussische Souveränetät, Friedrich Wilhelm I. bestärkte sie, Friedrich II. legitimirte sie. Der grosse König hat die Bedeutung des Schrittes seines Königlichen Grossvaters am besten erkannt, wenn er in der Geschichte seiner Zeit schreibt, dass durch das Vorgehen Friedrichs I. in sein Geschlecht ein Samenkorn des Ehrgeizes gelegt worden, das früh oder spät Früchte tragen müsse. Unter erleuchteten Regenten haben die Besitzthümer des Königshauses Hohenzollern sich je mehr und mehr zu einem grossen Staate vereinigt, eine Einheit, welche selbst von den Sturmfluthen[163] des ersten Jahrzehnts unseres Jahrhunderts nicht wieder hinweggespült werden konnte. Geläutert und verjüngt ging der Staat Preussen aus den Kämpfen hervor, durch welche sein Fortbestehen hatte bedroht werden sollen.

Dass aber Preussen, Land und Volk, seine Grösse und Herrlichkeit, gleich wie seinen Ursprung und Namen, allein dem Herrscherstamme der Hohenzollern verdankt, das ist eine von der Welt anerkannte Thatsache, das stolze Bewusstsein aller Preussen.

Auf den ehernen Tafeln der Geschichte steht verzeichnet, dass Preussens Könige stark geworden sind durch die hingebende Treue des Preussen-Volkes, und dass ihre hohe Weisheit, ihre Regententugenden, ihre Tapferkeit bei einem reinen und freien Willen diesem Volke für seinen Gehorsam und seine Opferwilligkeit mit einer Fülle reichen Segens gedankt haben; die Sache ihres Volkes war jederzeit ihre Sache.

Mit Zuversicht und Stolz darf jeder Preusse auf seine Hohenzollern blicken, aus denen ein Kurfürst Friedrich Wilhelm, ein König Friedrich II., ein König Friedrich Wilhelm III. hervorgegangen sind, und getrost von diesem Regentenstamme die weitere Entwickelung der Geschicke des Vaterlandes erwarten.

Seit König Friedrich I., dem Urgrossvater des Grossvaters Seiner jetzt regierenden Majestät, wurde bei jedem Thronwechsel der Könige von Preussen der alte Bund zwischen Fürst und Volk durch einen Huldigungsact erneuert. Die Vertreter des Landes schwuren den Eid der Treue, und der Regent bestätigte die Privilegien der einzelnen Körperschaften. Inzwischen haben die gegenseitigen Beziehungen der Fürsten und Völker sich umgestaltet; unter König Friedrich Wilhelm IV. ist auch in Preussen der Thron mit einer Volksvertretung umgeben worden. Des jetzt regierenden Königs Majestät sind der Erste König von Preussen, welcher den Thron mit einem Eide auf die Verfassung bestieg. Erfüllt von dem reinen Wunsche, dem angeborenen Rechte Seines Erlauchten Hauses und der politischen Entwicklung der Neuzeit, der Vergangenheit und der Gegenwart, in gleicher Weise gerecht zu werden, fassten Seine Majestät den Entschluss, im Angedenken an die vor hundertundsechzig Jahren am 18. Januar 1701 zu Königsberg in Preussen erfolgte feierliche Krönung[164] König Friedrichs I., durch einen Krönungsact den Bund zu erneuern – »mit Gott und Ihrem Volke«.

Den 3. Juli 1861 erliess der König ein Manifest, seine Krönung betreuend: »Dem Herkommen gemäss werde zwar den Königen von Preussen bei ihrem Regierungsantritt von ihren Unterthanen die Erbhuldigung geleistet, und halte Er dieses Herkommen als ein unverbrüchliches Anrecht Seiner Krone fest und wolle es ebenso Seinen Nachfolgern in der Regierung gewahrt wissen; allein in Betracht der Veränderungen, welche in der Verfassung der Monarchie unter der Regierung Friedrich Wilhelms IV. eingetreten seien, habe Er beschlossen, anstatt der Erbhuldigung die feierliche Krönung zu erneuern, durch welche vom Könige Friedrich I. die erbliche Königswürde wäre begründet worden.«

Die durch das Manifest vom 3. Juli kundgegebene Absicht des Königs sollte im October ihre Verwirklichung finden. Als Stätte für den denkwürdigen Act wurde, trotzdem viele Stimmen sich dagegen erklärten, Königsberg bestimmt.

Den 13. October traten der König und die Königin, in Begleitung des Kronprinzen und der Kronprinzessin, der Prinzen und der Prinzessinnen des Königlichen Hauses, sowie des Grossherzogs und der Grossherzogin von Sachsen, die Krönungsfahrt an, allenthalben durch festlich geschmückte Orte, von freudigen und begeisterten Zurufen begrüsst; selbst nach Einbruch der Dunkelheit bezeugten Freudenfeuer die Theilnahme der Bevölkerung an der grossen welthistorischen Feier die ihrer Vollendung entgegenging. Wie schon Friedrich I. auf seiner Krönungsfahrt bei einem Gliede der grossen und edlen Familie Dohna als Gast geweilt hatte, so übernachteten auch die Allerhöchsten Herrschaften auf dem Schlosse Waldburg, welches dem Grafen zu Dohna-Schlobitten gehört, und hielten am nächsten Tage von Schönbusch aus ihren Einzug in die Krönungsstadt. Der 15. October war der Erinnerung an die schwere Zeit der Prüfung und Drangsal und der Gedächtnissfeier an den in Gott ruhenden König Friedrich Wilhelm IV. geweiht; am Abende langte Seine Kaiserliche Hoheit der Erzherzog Carl Ludwig von Oesterreich in Königsberg an. Am folgenden Tage, den 16. October, trafen die Armee- Deputationen, welche bestimmt waren, Zeugen der Krönung zu sein, mit ihren Fahren in der alten Haupt-und Krönungsstadt ein. An die[165] versammelte Generalität und die Regiments-Commandeure richtete der König einige ergreifenden Worte, wie er sie schon oft zu seiner Armee gesprochen, in denen sich sein festes Vertrauen auf das Kriegsheer wiederspiegelt, und reichte hierauf dem Feldmarschall Freiherrn von Wrangel für alle Anwesenden die Hand. Am 17. October empfing der König die Krönungszeugen; Mittags um 3 Uhr wurde eine Investitur neuer Ritter des hohen Ordens vom Schwarzen Adler im Thronsaale, und ein Capitel des Ordens im Zimmer der Stiftung, der Schwarzen Adler-Kammer, abgehalten.

Der 18. October, der Gedenktag der Huldigung, welche der grosse Kurfürst von den ostpreussischen Ständen entgegennahm, der Geburtstag des Kronprinzen und der Jahrestag der Schlacht bei Leipzig, war zur Krönungsfeier bestimmt. Nach 10 Uhr begaben Ihre Majestäten der König und die Königin Sich aus Ihren Gemächern nach der Schlosskirche, woselbst der Weiheact stattfinden sollte, begleitet von den Prinzen und den Prinzessinnen des Königlichen Hauses, den Hofchargen, der Generalität und den übrigen Krönungszeugen. Die feierlichen Klänge des »Veni sancte spiritus« leiteten die Liturgie ein; nach Beendigung der Festpredigt, welche von dem General-Super intendenten, Hof- und Domprediger Dr. Hoffmann gehalten wurde, nahm der weihevolle Act der Krönung seinen Anfang. Der Consecrator, Ober-Consistorialrath, Hof- und Domprediger Dr. Snethlage, sprach, an den Stufen des Altars mit allen Geistlichen niederknieend, das Krönungsgebet. Als der hierauf folgende Gesang des Königlichen Domchors: »Domine salvum fac regem«, verklungen war, trat der König von Gottes Gnaden zum Altar, stieg, umwallt von dem Krönungsmantel, ernst und feierlich die Stufen hinauf, nahm die Preussische Reichskrone von Gottes Tisch und setzte sie Sich auf's Haupt. Glockenklang und Kanonendonner verkündeten die weihevolle Handlung weit in's Land hinaus. Jetzt nahte Ihre Majestät die Königin Sich dem Altare und verneigte Sich vor Ihrem Königlichen Gemahl, welcher Sie unter dem Weihegebet des Consecrators Feldpropstes Dr. Thielen mit der Königskrone krönte.

Nachdem durch das Te Deum die kirchliche Feier beendet war, begaben Ihre Majestäten Sich in feierlichem Zuge nach dem Schlosse zurück. Hier empfing der König die Glückwünsche[166] des Cardinal-Erzbischofs von Cöln und der katholischen Landesbischöfe, und ihrer Vertreter, sowie der Chefs der ehemals reichsständischen Fürsten und Grafen und der landsässigen Fürsten, trat sodann auf die nach dem Schlosshofe zu errichtete Throntribüne hinaus und erwiderte die Anrede der Präsidenten des Herren- und des Abgeordnetenhauses, sowie des Sprechers der besonders entbotenen Krönungszeugen.

Die Allerhöchsten Herrschaften folgten am 20. October einer Einladung der Stadt Danzig, wo die Bürgerschaft dem Herrscherpaare ein Fest bereitete, das an Glanz, Würde und Herzlichkeit wahrhaft ein Königsfest zu nennen war. Am 22. October sollte Berlin den gekrönten König in seine Mauern einziehen sehen, und zwar durch denselben Stadttheil, durch welchen König Friedrich I. nach seiner Krönung in das Haus seiner Väter zurückgekehrt war, und welcher von jenem Tage an den Namen Königsstadt erhalten hatte. Die Einholung des Königlichen Paares blieb nicht zurück hinter der Pracht, welche in Königsberg aufgewendet worden war; Häuser, Strassen und Plätze prangten im reichsten, sinnigsten Schmuck, und der König war tief ergriffen von den zahlreichen Liebesbeweisen seiner Unterthanen. Am 31. October erliess der König ein Dankmanifest, in welchem das Staats-Ministerium beauftragt wurde, Seinem und der Königin, Seiner Gemahlin, tiefgefühlten Danke allseitigen Ausdruck zu geben.

Das Nähere über sämmtliche Festlichkeiten, welche während der Krönungszeit stattgefunden haben, geht aus den Beilagen 1–4 hervor, von denen


Beilage 1, die Hof-Ansage über die Tage vom 13. bis 27. October 1861,

Beilage 2, die Allerhöchst befohlene Ordnung des Ceremoniels bei dem am 14. October 1861 stattgehabten feierlichen Einzuge Seiner Majestät des Königs und Ihrer Majestät der Königin in Königsberg,

Beilage 3, das Programm zur Feier der Krönung Seiner Majestät des Königs Wilhelm und Ihrer Majestät der Königin Augusta zu Königsberg am 18. October 1861, und

Beilage 4, die Allerhöchst befohlene Ordnung des Ceremoniels bei dem am 22. October 1861 stattgehabten feierlichen[167] Einzuge Seiner Majestät des Königs und Ihrer Majestät der Königin in Berlin

enthält.

Uebrigens wird hier auch noch auf Abschnitt V. dieses Werkes, welcher in Beilage 1 das Placement an der Ceremonientafel im Thronsaale des Königlichen Schlosses zu Königsberg bei der Krönung am 18. October 1861 enthält, Bezug genommen.

Die Ausführung sämmtlicher auf die Krönung selbst bezüglichen Anordnungen war auf Allerhöchsten Befehl dem Wirklichen Geheimen Rath und Ober-Ceremonienmeister Grafen Stillfried und dem Ober-Hof- und Haus-Marschall Grafen von Pückler übertragen worden, während die Ausführung aller anderen Festlichkeiten, welche aus jenem feierlichen Anlasse in Königsberg und in Berlin stattfanden, den Ressorts der betreffenden Hofchefs, nach Maassgabe der in dieser Beziehung bestehenden generellen Bestimmungen, anheimfiel.

Eine ganz ausführliche Beschreibung der Krönungsfeierlichkeiten liefert übrigens das auf Allerhöchsten Befehl von dem soeben gedachten Grafen Stillfried herausgegebene Werk: »Die Krönung Ihrer Majestäten des Königs Wilhelm und der Königin Augusta von Preussen zu Königsberg am 18. October 1861«, welches in der Königlichen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei (R.v. Decker) in zwei Ausgaben, einer Pracht- und einer Volksausgabe, erschienen ist, und auf welches alle Diejenigen verwiesen werden, welche über den in Rede stehenden Gegenstand erschöpfende Kenntniss zu erhalten wünschen.

In der Beilage 5 mag hier noch die Beschreibung des Krönungszuges folgen, wie derselbe am 18. Januar 1701 nach der Schlosskirche in Königsberg sich begab. Das an demselben Tage stattgehabte Krönungsmahl ist bereits in der Beilage 10 zu Abschnitt V. dieses Werkes beschrieben worden.

Schliesslich wird noch in der Beilage 6 das Programm zur Feier der Huldigung Seiner Majestät des Königs Friedrich Wilhelm IV. in Königsberg in Preussen am 10. September 1840, und in der Beilage 7 das Programm zur Feier der Huldigung Seiner Majestät des Königs Friedrich Wilhelm IV. in Berlin am 15. October 1840 mitgetheilt, obgleich diese und die früheren Huldigungsfeiern nur noch ein historisches Interesse darbieten und bei der durch die inzwischen erfolgte Einführung der Verfassungen Preussens und des deutschen Reiches eingetretenen[168] Veränderung der politischen Verhältnisse für künftige Feiern dieser Art kaum noch einen Anhalt werden gewähren können.

Wer übrigens über die Huldigung im Jahre 1840 ausführlichere Nachrichten zu erhalten wünscht, findet solche in dem Werke: »der Preussen Huldigungsfest«, nach amtlichen und anderen sicheren Nachrichten und eigener Anschauung zusammengestellt von Karl Streckfuss, Berlin 1840.[169]

Quelle:
Stillfried-Alcántara, Rudolf von: Ceremonial-Buch für den Königlich Preußischen Hof I. - XII. Berlin 1877, S. 162-170.
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