Aqua

[75] Aqua.

Aqua, frantzösisch, Eau, teutsch, das Wasser, ist[75] ein flüßiges Wesen und in der gantzen Welt bekannt. Es erhebt sich und zieht sich in die Höhe, wann es von der Sonnen Hitze dünne gemachet wird, bis in die mittelste Luft, allwo es in Gestalt der Wolcken, durch die Winde, unterhalten wird: hernachmahls fällt es tropfen weise, als Regen und Thau herunter auf die Erde, rinnet von derselben in die Bäche, Seen und unzehlich andere tieffe und niedrige Orte. Indem es dergestalt herum getrieben wird, so bekommt es allerhand Eigenschaften, nachdem ihm die Erde, dadurch es gelauffen, dergleichen etwa mit getheilet.

Das Regenwasser, frantzösisch, Eau de pluye, lateinisch, Aqua pluvialis, ist mit einigem sauren Saltze aus der Luft gleichsam beschwängert, dadurch es dann viel durchdringender wird und besser reiniget, als das gemeine Wasser: es läst sich ingleichen viel besser zum solviren und auflösen gebrauchen. Auch wird es destilliret und über den Helm getrieben, und auf solche Weise besser aufbehalten. Es eröffnet.

Das Brunnquellwasser, frantzösisch, Eau de fontaine, lateinisch, Aqua fontana, ist unter allen Sorten des Wassers das kläreste, helleste und reineste, dieweil es durch die Erde gegangen und von derselben gleichsam wie filtriret worden. Jedannoch muß es unterweilen durch gar zu kalte Steine gehen, dadurch es dermassen rohe und dicke gemachet wird, daß es bey denenjenigen, die es trincken, Gerinnung der Säfte und Verstopfung verursachet, daher hernachmahls allerhand Kranckheiten zu entstehen pflegen, als da ist Scorbut, Lähmung der Glieder, Stein Catarrhen, Colic und üble Verdauung.

Das Brunnenwasser, frantzösisch, Eau de puits, lateinisch, Aqua putcalis, bringt vielmahls eben dergleichen Zufälle zu wege, als wie das Brunnquellwasser, welches durch die Steine gehen müssen; und zwar um einerley Ursache willen. Es ist schwer und nicht wohl zu verdauen.

Das Fluß- oder Fließwasser, frantzösisch, Eau de riviere, lateinisch, Aqua fluvialis, ist unter allen das gesundeste zum trincken, dann die Sonne, die darein und darauf scheinet, durchwärmet und verbessert es. Es führet überdiß auch etwas Saltz bey sich, davon bekommt es eine eröffnende Kraft, auch wohl gar eine laxirende, und ist wohl zu verdauen. Es ist zwar unterweilen trübe, doch klärt es sich bald aus, wann man es stehen oder durch etwas lauffen läst.

Man kan des Morgens zwey oder drey Gläser voll nüchtern zu sich nehmen, so wird den Feuchtigkeiten im Leibe die Schärffe dadurch benommen, die Brust feuchte gehalten, und der Leib eröffnet, auch der Urin befördert.

Das Wasser im Morast und stehenden Seen, frantzösisch, Eau des morais oder des marèes, lateinisch, Aqua paludosa, ist ein solches Wasser, welches stille gestanden, deswegen aber auch nicht gar zu reine ist: man soll dasselbige nicht eher trincken, bevor man es hat sieden lassen.

Die mineralischen Wasser, frantzösisch, Eaux minerales, lateinisch, Aqua minerales, sind solche Wasser, welche voller Saltz stecken, das sie aus allerhand mineralischer und metallischer Erde, durch welche sie gelauffen, gezogen haben: und es giebet ihrer zweyerley, warme und kalte. Warme sind wie[76] die zu Bourbon, zu Vichi, zu Baleruc und zu Aix. Diese werden durch unterirdische Feuer, darüber sie sind weggelauffen, erwärmet, oder auch, wann sie durch entzündete Erde sind gegangen. Das ist auch die Ursache, warum man so ofte des Schwefels, den diese Wasser mit sich fortgeführet, an den Seiten des Beckens gewahr wird, darinne man sie hat stehen lassen. Es mag auch wohl seyn, daß einige solche mineralische Wasser ihre Wärme von dem natürlichen Kalch empfangen, auf welchen sie in dem Eingeweide der Erde unterwegs getroffen: iedoch geschiehet dieses allemahl vermittelst des unterirdischen Feuers, dann dieser Kalch ist ein von selbsten calcinirter Stein.

Gemeiniglich enthalten sie schweflicht Saltz, auch flüchtiges und fixes, welche aus der Erde und den mineren kommen, dadurch dergleichen Wasser gehen. Sie verrichten das ihrige wunderwohl, und haben bey vielerley Kranckheiten recht erstaunenswürdige Wirckung, wann man sich deren an Ort und Stelle, unter Anführ- und Regierung eines verständigen Medici gebraucht. Werden sie aber verführet, so haben sie nicht mehr dieselbe Kraft, weil ihre flüchtigen Theilgen davon fliegen, oder aber sich zusammen setzen und solcher Gestalt ihre Bewegung verliehren.

Die warmen mineralischen Wasser dienen zu Flüssen, Lähmung der Glieder, Podagra und Huftweh, Schlag, Schlafsucht und kalten Feuchtigkeiten.

Kalte mineralische Wasser sind z.E. zu Forge, Sainte Reine, und Pascy. Ihre Kräfte sind unterschiedlich, nachdem nämlich das Saltz beschaffen, welches sie aufgelöset haben, oder auch, nachdem dessen viel gewesen. Insgemein haben sie eine eröffnende Kraft.

Das Seewasser, frantzösisch, Eau marine, lateinisch, Aqua marina, ist ein saltziges scharffes Wasser, welches seine Saltzigkeit von dem Steinsaltz, Sal Gemmæ, überkommt: dasselbe wird zuvorher in der Erde durch das süsse Wasser aufgelöst, und rinnet hernach durch unzehliche Canäle und Röhren ins Meer. Ich will davon in dem Articul vom Meersaltz weitläufftiger handeln.

Es purgiret, zertheilet, und reiniget, heilet alles Jucken auf der Haut, wehret der Raserey, doch will es der Magen nicht gern vertragen, wann man es trinckt.

Aqua heist auf griechisch ὓδωρ, das kömmt von ὕω pluo, ich lasse regnen; aqua, quasi à qua sunt omnia, von dem alles kömmt; dann das Wasser muß zur Hervorbringung aller Dinge helffen: es haben auch ein und andere Philosophi, z.E. Thales, von Helmont, beständig vermeinet, daß alle die gemischten Körper ihre Nahrung und Wachsthum von dem Wasser erhielten.

Quelle:
Lemery, Nicholas: Vollständiges Materialien-Lexicon. Leipzig, 1721., Sp. 75-77.
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