Aqua tofana

[102] Aqua tofana oder Toffana, auch Acquetta di Napoli di Perugia oder della Toffa heißt der Gifttrank, welcher zu Ende des 17. und zu Anfange des [102] 18. Jahrh. in Italien allgemeinen Schrecken verbreitete und über dessen Zusammensetzung und Bereitung man noch gegenwärtig nichts Zuverlässiges weiß. Seinen Namen hat er von seiner Erfinderin, einer Sicilianerin, Toffa oder Toffania, erhalten; doch mögen auch Andere ihn zu bereiten verstanden haben, und noch jetzt soll eine Familie zu Perugia im Besitze des Geheimnisses sein. Diese Toffa, welche früher zu Palermo, später zu Neapel lebte, verkaufte dieses Gift als Manna von St.-Nicolas von Bari, aus dessen Grabe, wie man glaubte, ein für viele Krankheiten heilsames Wunderöl fließen sollte. Das Mittel bewirkte keine Zufälle, die den Verdacht einer Vergiftung hätten erregen können, tödtete auch nicht schnell, sondern langsam und allmälig; daß aber die Verfertigerin sogar vermocht habe, nach der Gabe ihres Giftes den Tag und die Stunde des eintretenden Todes vorher zu bestimmen, ist eine Fabel. Der Vergiftete empfand keine Schmerzen, bekam weder Fieber noch Zuckungen, sondern verlor, wenn er auch nur fünf bis sechs Tropfen bekommen hatte, den Appetit, die Liebe zum Leben, klagte über beständigen Durst und große Kraftlosigkeit und verfiel endlich in Abzehrung, die seinem Dasein ein Ende machte. So waren nach und nach zu Neapel und in andern italien. Städten mehre hundert Menschen hingemordet worden, als endlich 1709 die Giftmischerin, die sich vergebens in ein Kloster zu retten versucht hatte, eingezogen, durch die Folter zum Geständniß gebracht und nach Einigen erdrosselt wurde, während sie nach Andern noch 1730 im Kerker gelebt haben soll. Über die Bestandtheile und Bereitungsart ihres Giftes, das als ein farb-, geschmack- und geruchloses Wasser beschrieben wird, gibt es sehr abweichende und zum Theil abenteuerliche Meinungen. So glaubte man, daß der Geifer zu Tode gequälter, besonders gekitzelter Menschen einen wesentlichen Bestandtheil desselben ausgemacht habe; nach Andern sollte es aus dem Safte zerquetschter giftiger Insekten bereitet worden sein u.s.w. Am Wahrscheinlichsten ist das Mittel eine Zubereitung aus bloßem Arsenik gewesen, dafür sprechen wenigstens die glaubhaftesten Nachrichten. Der berühmte Arzt Friedr. Hoffmann erwähnt eines Briefes Ganelli's, des ersten Leibarztes Kaiser Karl VI., worin dieser berichtet, daß die Aqua der Toffania nichts Anderes sei als eine wässerige Auflösung des krystallisirten Arseniks mit einem Zusatze und daß er dies aus dem Munde des Kaisers selbst habe, dem die Acten des Processes der Verbrecherin vorgelegt worden seien. Nach Einigen wird noch jetzt zu Bologna, Rom und Neapel die Aqua Tofana, und zwar in dreifacher Art, heimlich bereitet. Die erste Art soll eine gelbliche, geruchlose Tinctur sein, die in Gläschen aufbewahrt und sorgfältig gegen die Einwirkung der Luft und des Lichts geschützt werden muß, und durch Destillation von spanischen Fliegen mit Alkohol und Wasser gewonnen werden, die zweite eine helle und durchsichtige Flüssigkeit, aus arsenikhaltigem Kali, Wasser und etwas Alkohol bestehen und in 50 Tropfen 4 Gran Arsenik enthalten, und die dritte, welche gleichfalls hell, durchsichtig, geruchlos und von süßlichem Geschmacke ist, eine starke Auflösung von Bleizucker in destillirtem Wasser sein und einen langsamen Tod durch Abzehrung verursachen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 102-103.
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