Acten

[20] Acten heißen die gesammelten schriftlichen Verhandlungen und Urkunden eines Rechtsstreits oder über irgend eine andere Angelegenheit. Die gerichtlichen haben volle Beweiskraft, wenn sie in gesetzlicher Form geführt sind, wozu in einigen Ländern, z.B. in Preußen, das Vorlesen und die Unterzeichnung der betreffenden Parteien gehört. Die von den Sachwaltern der Parteien geführten Acten, Manualacten genannt, können nur im Falle der Übereinstimmung und wenn die gerichtlichen Acten fehlen sollten, als Beweis dienen. Die Einrichtung solcher Sammlungen ist in Deutschland meist folgende: man heftet die zu einer Sache gehörigen Schriften in einen Umschlag (Textur) und bezeichnet die Seiten mit Zahlen, nach welchen sie dann angeführt werden (fasc. 1, 61). Die Aufschrift der Acten, welche die Behörde, vor welcher sie geführt sind, den Gegenstand und die Zeit angeben soll, heißt das rubrum, weil es mit rother Tinte geschrieben wurde, der Inhalt aber das nigrum. Die Parteien haben das Recht, die Manualacten ihres Sachwalters zur Einsicht zu verlangen, die der gerichtlichen Acten kommt nur den Sachwaltern zu, doch wird sie auch Denen gestattet, welche nachweisen, daß sie ein rechtliches Interesse dabei haben. Die Actenversendung an auswärtige Spruchcollegien (Juristenfacultäten, Schöppenstühle) geschieht, um von diesen ein Erkenntniß in einer Rechtssache einzuholen, und um die Parteien zu überzeugen, daß Alles unparteiisch entschieden werde. Wenn der Verurtheilte dennoch den Ausspruch für willkürlich hält, so darf er die Versendung der Acten an ein anderes Spruchcollegium verlangen. Der Richter hat zu entscheiden, wohin die Acten versendet werden sollen, doch haben die Parteien das Recht, ein oder mehre Spruchcollegien zu verwerfen. In neuester Zeit haben mehre Staaten, z.B. Östreich, Preußen, Baiern, Würtemberg u.a. die Actenversendung aufgehoben.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 20.
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