16.

Der du baar bist alles Wissens,

Strebe nach des Wissens Licht:

Bis du nicht die Bahn durchwandelt,

Taugest du zum Führer nicht.

In der Schule hehrer Wahrheit,

Wo die Liebe dich belehrt,

Strebe, Sohn, dich auszubilden,

Bis man dich als Vater ehrt.

Dich entfernte Schlaf und Nahrung

Von der Liebe Stufenbahn:

Doch nur ohne Kost und Schlummer

Kömmst du bei der Liebe an.

Wenn das Licht der Gottesliebe

Dir in Herz und Seele fällt,

Dann, bei Gott! erscheinst du schöner

Als die Sonn' am Himmelszelt.

Von des Körpers Kupfer wasche,

Gleich den Wanderern, dich rein:

Durch die Alchimie der Liebe

Wirst dann eitel Gold du sein;

Und vom Fusse bis zum Haupte

Wird dich Gottes Licht umfah'n,

Wenn du haupt- und fusslos wandelst

Auf des Ruhmbegabten Bahn.

Tauch' in Gottes Meer ein Weilchen,

Und dann zweifle nicht daran,

Dass der sieben Meere Wasser

Dir kein Härchen nässen kann.

Wenn als Schauplatz deines Blickes

Gottes Antlitz sich dir weist,

Bleibt fortan kein Zweifel übrig,

Dass du Herr des Blickes sei'st.[47]

Wird der Grundbau deines Lebens

Auch dereinst in Trümmer geh'n,

Soll dein Herz doch nimmer wähnen,

Gleiches werd' auch dir gescheh'n.

Weilt die Hoffnung des Genusses

Dir im Haupt, musst du zuvor,

O Hafis, zum Staube werden

An der Einsichtsvollen Thor.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 45-49.
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