18.

Sei, o Herz, auch nicht ein Weilchen

Leer von Lieb' und Trunkenheit;

Zieh' dann freudig hin, vom Leben

Bist du und vom Tod befreit!

Sah'st du einen Kuttenträger,

Wolle dann dir selbst misstrau'n.

Ist doch jeder Kibla besser

Als sich selbst Altäre bau'n!

Trägheit auf dem Ordenspfade

Deutet auf Ungläubigkeit:

Ja, gar flink und gar behende

Wandelt die Betrunkenheit.

Wähnst du dich gelehrt und weise,

Bist du jedes Wissens baar:

Selbstverläugnung – lass dir's sagen –

Macht dich frei für immerdar.

Was mich traf an Missgeschicken

Das erhob am Tage sich

Wo aus Starrsinn nicht ein Weilchen

Du gesetzt dich neben mich.

Mein Monarch! Bei Gott, in Trümmer

Schlug mich nur dein Lockenhaar;

Droht mir länger noch ein Neger

Mit so langer Hand Gefahr?

Wie so schön sprach jener Götze

Abends in der Maghen Kreis:

»Was bekümmern dich die Ketzer,

Dich, der nichts von Götzen weiss?«

Seit Hafis das Niedersinken

Deiner Haare ward gewahr,

Trat ihn Niedrigkeit mit Füssen,

So erhöht sein Haupt auch war.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 51-53.
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