45.

Eine Stimme in der Schenke

Rief mir Morgens diese Worte

Freundlich zu: »O kehre wieder,

Dien'st ja lang an dieser Pforte!

Trinke Wein, wie Dschem; – vom Jenseits

Wirst du, was es birgt, erfahren

Aus dem Glase, dessen Strahlen

Diese Welt dir offenbaren.«

Man erblickt am Schenkenthore

Trunk'ne Kālĕndēre weilen,

Sie, die Kronen von Monarchen

Nach Belieben dort vertheilen.

Unterm Haupte einen Ziegel,

Ruht ihr Fuss auf sieben Sternen!

Schaue sie, willst du die Grösse

Und die Würde kennen lernen!

Von dem Thor der Schenken trennet

Sich mein Haupt nun nimmer wieder:

Denn ihr Dach stösst an den Himmel,

Ist ihr Wall auch noch so nieder.

Bettler an dem Schenkenthore

Musst du hoch in Ehren halten,

Wandersmann, wenn du begriffen

Gottes räthselhaftes Walten!

Macht man dich, o Herz, zum Herrscher

In der Armuth weiten Reichen,

Wird dein kleinstes Land vom Monde

Bis hinab zum Fische reichen.

Unternimm die Reise nimmer,

Geht nicht Chiser dir zur Seite:

Finster ist die Bahn; ich fürchte,

Dass dein Fuss dich irre leite.[135]

Schäme dich, Hafis, der Worte,

Du, in roher Gier befangen:

Denn was that'st du, um zum Lohne

Beide Welten zu verlangen?

Kannst an's Armuthsthor nicht klopfen,

Halte denn für alle Fälle

Dich an Tūrănschāh's Gesellschaft

Und an seine hohe Stelle.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 133-137.
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