56.

Geh', o Frömmler, mit der Hoffnung

Die da lebt in dir:

Eine Hoffnung, gleich der deinen,

Lebt ja auch in mir.

Tulpenhände halten Becher,

Halten sonst nichts mehr:

Komm, und bring' auch du, o Schenke,

Was du hast mir her!

An die Schnur der Liebestollen

Magst auch mich du reih'n,

Denn die Trunkenheit ist besser

Als das Nüchternsein.

Hüte dich vor mir, o Ssofi,

Hüte sorgsam dich!

Denn mich selber nicht zu hüten

Das gelobte ich.

Komm, um fest das Herz zu knüpfen

An sein Lockenhaar,

Wenn Befreiung und Errettung

Dein Verlangen war.

Brich die Reu', um Gotteswillen,

In der Rosenzeit,

Denn der Zeit der Rosen mangelt

Die Beständigkeit!

Fortgezogen, theure Freunde,

Ist des Lebens Mai:

Also ziehen Frühlingswinde

An der Flur vorbei.

Komm, Hafis, um Wein zu trinken

Roth wie ein Rubin!

Wesshalb lässt du deine Tage

Sorglos weiterzieh'n?

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 165-167.
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