62.

Schöner als der Gau der Schenke

Ist fürwahr kein Ort:

Fände doch mein greiser Scheitel

Ein Asyl einst dort!

Was mit Inbrunst ich verlange,

– Wesshalb bärg' ich's dir?

Ist ein Fläschchen Wein, ein Schöner,

Und ein Lustrevier.

Meine Heimath ist der Schenke

Frohes Vaterland,

Und mein Rai ein Rai der Götzen:

Hab' ich nicht Verstand?

Was behauptest du, im Tempel

Sei kein Thor gleich mir?

Nur ein zweigesicht'ger Wüstling

Äussert so sich hier.

Sei bescheiden, da nicht Jeder

Altklug sprechen kann:

Nur ein Rai ist es im Stande

Oder ein Brăhmān.

Du nur füllest mir, o Götze,

Des Gemüthes Raum;

Du allein bist meine Sorge:

And'rer acht' ich kaum.

Habe Mitleid mit dem wüsten,

Leidenden Hafis,

Denn es folget ja ein Morgen

Auf das Heut' gewiss.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 181-183.
Lizenz:
Kategorien: