63.

Morgen ist's und Thau fällt nieder

Aus der Wolke des Bĕhmēn:

Bringe Morgenwein im Glase,

Das da hält ein volles Men!

Labe dich am Blut des Bechers,

Denn gerecht ist ja sein Blut;

Habe nur mit Wein zu schaffen,

Weil diess löblich ist und gut.

Lässt der Rausch am frühen Morgen

Nicht dein Haupt von Schmerzen frei,

Schlage denn – das Beste ist es –

Diesem Rausch die Stirn entzwei!

Schenke, sei zur Hand! Es lauert

Im Versteck der Gram mir auf;

Liedermund, lass jener Weise,

Die du eben spiel'st, den Lauf!

Gib mir Wein, denn in die Ohren

Raunte mir die Harfe leis:

»Freu' des Lebens dich, und horche

Diesem tiefgekrümmten Greis«!

Um des Zecherstolzes willen

Trink', Hafis, nur immer Wein,

Dass des Sängers Ton dir sage:

»Wahrhaft reich ist Er allein.«

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 183-185.
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