76.

Ich gab mir tausendfache Mühe,

Dass endlich Freund du werdest mir,

Und eines Herzens Wunsch erfüllest

Dem Ruhe fremd ist, fern von dir;

Dass du ein Weilchen in der Hütte

Der traurenden Verliebten weil'st,

Und eine Nacht nur, als Gefährte,

Den Kummer meines Herzens theilst;

Dass du das Licht des Auges werdest,

Das jede Nacht in Qual durchwacht,

Und dem Gemüthe dich gesellest,

Wenn etwa ihm die Hoffnung lacht.

Werd ich die Wonne je geniessen,

Des Nachts, und wär's im Traume blos,

Statt jenes Stromes meiner Thränen,

Dich zu erblicken mir im Schoss?

Wenn jemals über jenen Onix,

Der mir das Herz durch Neckerei'n

In Blut getaucht, ich mich beklage,

Dann – sollst du mein Vertrauter sein!

Da Herrscher in der Anmuth Reichen

Gar stolz auf ihre Diener thun,

So sei denn du in ihrer Mitte

Mein Herr und mein Gebieter nun!

Es scheint das Reh der Himmelssonne

Nur eine schlechte Beute mir,

Erjag' ich, auch nur für Momente,

Ein holdes Hirschlein, ähnlich dir.

Du sagtest mit zwei schönen Lippen

Mir feierlich drei Küsse zu,

Und wenn du mir sie nicht bezahlest,

So bist nunmehr mein Schuldner du.[219]

Auf jener Flur wo jeder Götze

Dem Liebenden die Hände reicht,

Sollst du nun mein Geliebter werden,

Wenn anders es dich möglich däucht.

Hafis zwar bin ich, der Berühmte,

Doch bin ich nicht ein Körnchen werth,

Du hättest denn aus eig'ner Gnade

Zu meinem Freunde dich erklärt.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 217-221.
Lizenz:
Kategorien: