12.

Will Er mit dem Schwert mich tödten,

Fall' ich nicht Ihm in die Hand;

Will Er mit dem Pfeil mich treffen,

Nehm' ich's an als Gnadenpfand.

Sag' dem Bogen deiner Braue

Pfeile drück' er auf mich ab:

Denn der Tod ist mir willkommen,

Wenn ihn deine Hand mir gab.

Wenn mein Fuss im ird'schen Grame

Aus dem Gleichgewichte weicht.

Wer erscheint als nur Becher

Der die Hand mir helfend reicht?

Du, des Hoffnungsmorgens Sonne,

Steig' empor in deiner Pracht!

Da ich ein Gefang'ner lebe

In der Hand der Trennungsnacht!

Komm herbei, o Greis der Schenke,

Ruf' ich dich um Hilfe an,

Und verjüng' mich durch ein Schlückchen,

Denn ich bin ein greiser Mann.

Einen Eid hab' ich geschworen

Gestern Nacht bei deinem Haar.

Dass mein Haupt an deinem Fusse

Liegen solle immerdar.

Weihe du, Hafis, den Flammen

Dieses Frömmigkeitsgewand

Dass ich es nicht selbst entzünde,

Werd' ich einst zum Feuerbrand!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 237-239.
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