40.

Wie mach' ich es möglich, o Götze,

Den Gram deiner Liebe zu tragen,

Und soll ich den Gram wohl noch länger

Ergiessen in nächtlichen Klagen?

Mein Herz, wie von Diwen besessen,

Ist, ach, durch kein Mittel zu retten,

Es sei denn ich machte zur Stelle

Dein lockiges Haar ihm zu Ketten.

Das Ganze der eig'nen Verwirrung,

Mit der deines Haares verbunden,

Im Einzelnen treu zu beschreiben

Hat Niemand noch möglich gefunden;

Und wollte ich, was ich gelitten

Seitdem du mich grausam verlassen,

Dir schildern – vergebliche Mühe! –

Kein Buch wär' im Stand' es zu fassen;

Und wenn ich die eigene Seele

Begierig zu schauen verlange,

So mal' ich mir treu vor die Blicke

Das Bild deiner lieblichen Wange;

Und wüsst' ich das Mittel gelänge

Dich mir zu vereinen in Liebe,

Verspielt' ich das Herz und den Glauben,

Wobei ich im Vortheil noch bliebe.

O Prediger, bleib' mir vom Leibe,

Und sprich nicht vergebens, gleich Thoren!

Denn Jener nicht bin ich der wieder

Den Lügen verschliesset die Ohren.

Die Hoffnung, Hafis, ist entschwunden

Der bösen Gewalt zu entrinnen;

So hat es das Schicksal beschlossen:

Was kann ich dagegen ersinnen?

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 309-311.
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