6.

Vergnügen wecken Lenz und Rose,

Und brechen der Gelübde Macht;

Reiss' dir den Kummer aus dem Herzen,

Und freue dich der Rosenpracht!

Schon kam der Ostwind, und die Knospe

Trat in verliebter Schwärmerei

Heraus aus ihrem eig'nen Wesen,

Und riss sich selbst das Kleid entzwei.

Der Treue Pfad zu wandeln lerne,

O Herz, vom reinen Wasser nur;

Den Gradsinn und die Freiheit suche

Nur bei Zipressen auf der Flur.

Die Knospenbraut, so schön geschminket,

So freundlich lächelnd und so zart,

Raubt Glaub' und Herz vor aller Augen,

Und thut es auf gar schöne Art.

Der liebevollen Sprosser Klage;

Der Nachtigallen Wirbelton

Erschallt, in Sehnsucht nach der Rose,

Aus ihrem Trauerhause schon.

Sieh wie des Ostes Hand die Rose

Mit krausen Locken rings umflicht,

Und wie das Haar der Hyacinthe

Sich wiegt auf des Jasmin's Gesicht.

Der Zeitgeschichte Überlief'rung

Verlange vom Pocal, Hafis,

So wie es dich das Wort des Sängers

Und das Fětwā des Weisen hiess.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 421-423.
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